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WMIt für MMilff Erscheint wöchentlich zweimal n.zwarDicnstags und Freitags. — Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mk., durch die Post bezogen 1 Mk. 25 Ps. — Einzelne Nummern 10 Pf. Tharandt, Men, Menlehn nnd die UnrgkMdea. Imlsölull Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Nhr angenonimen. Jnsertivnsvreis 10 Pf. pro dreigespaltene Corpuszeile. für die Agl. Amtshauxtinannschaft Meißen^ für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, No. 23. sowie für das Aas. Forstrentamt zu Tharandt. 51. Jahrgang. Freitag, den 29. März 1891. Hes JugeMchrers letztes Hort an seine ^sEnnanden. So ward er plötzlich denn für Dich geschlossen Der übungsreichen Schule stiller Kreis! Wie freundlich sind die Stunden Dir verflossen; Erwünschter Fortschritt lohnte Müh' und Fleiß. Dir kam so gern auf unversuchten Wegen Der Lehrer und der Eltem Lob entgegen. So stehst Du nun am längst ersehnten Ziele, Erwachend aus der Kindheit Morgentraum. Du siehst um Dich der Lustgenossen viele, Dir blüht der Lebensfreuden Frühlingsbaum. Der reifem Jugend Bahn erscheint Dir eben, Doch Dein Beruf gebeut Dir Aufwartsstreben. Dich hat bisher das fremde Wort geleitet, Denn Folgsamkeit ist guter Kinder Ruhm. Man wehrte Dir, was mit der Tugend streitet; Dein Geist gedieh auch ohne Hcldenthum. Du dankst mit Recht in tiefempfundner Rührung Dem Schicksalslenker diese sanfte Führung. Nun wirst Du mehr Dir selbst anheim gegeben, Entnommen manchem absichtsvollen Zwang. So viel Gestalten lockend Dich umschweben, So hart Dich auch bestürmt der Sinne Drang: Verletze nie und nimmer Dein Gewissen; Sein Spruch sei Dir ein Licht in Finsternissen. Du sollst Dir künftig selbst Gesetze schreiben Und prüfend wählen, was Dich nie gereut. Dmm wird Dir nicht die Sorgenfreiheit bleiben, Die an des Führers Hand Dich jetzt erfreut. Sei standhaft dann zum Tugendkampf entschlossen, Gefaßt im Schmerz, im Mühen unverdrossen. Dein Herz wird wechselnd Furcht und Hoffnung hegen, Ja, Lieb' und Haß, Verdruß und Fröhlichkeit; Dann sei, so ungestüm sich Wünsche regen, Dem Pflichtgefühl zu folgen stets bereit. Erfahmng wamt, Vernunft und Recht entscheidet, So wird die Zukunft niemals Dir verleidet. Du darfst, Du sollst, was Gott verleiht, genießen, Nur frage stets: wozu?, wie viel? und wann? Damit nicht später Kummerzähren fließen, Wo jüngst die Thräne des Entzückens rann. Nie kann Dir Vollgenuß so viel gewähren Als Uebung im Versagen und Entbehren! Was Frevler thun, was Thoren keck Dir rathen, Das flieh' als Gift für Geist, Gemüth und Sinn, Und wenn mit süßen Worten Schmeichler nahen, So gieb Dich nicht der Selbstverblendung hin. Wer sich erforscht und kennt, ist nie hienieden Mit dem, was schon ermngen ward, zufrieden. Gedenke dann so mancher emsten Stunde, Wo Dir der Rührung Thau ins Auge trat, Und wo ich Dich — das Vaterherz im Munde — Dir selber treu zu sein beschwor und bat. Dann wirst Du, wo wir uns auch einst begegnen, Die Zeit des Lemens und — den Lehrer segnen. Tagesgeschichte. Den Empfindungen der besonderen Kampfgenossen Windt- horsts über den erlittenen Verlust giebt ein von den Ccntrums- fractionen des Reichstages und des Abgeordneten hauses veröffentlichter Nachruf Ausdruck, in welchem.es heißt: „Kirche und Reich trauern am Sarge dieses hochbegabten und hochverdienten Mannes, welcher durch unerschütterliche UcbcrzeugungStreue, durch hohe staatsmännische Begabung, durch die überwältigende Macht seines beredten Wortes, zugleich auch durch seltene Liebenswürdigkeit und Herzensgüte in ungewöhn lichem Maße hcrvorragte. Was er für das deutsche Vaterland und als treuer Sohn der katholischen Kirche für riese in einer langen Reihe von Jahren geleistet, lebt in der treuen Er innerung und den Herzen aller Zeitgenossen, und die Geschichte wird es künftigen Geschlechtern verkünden. Das katholische Volk Deutschlands verliert in dem Entschlafenen den bewährtesten und eifrigsten Vertreter, den geliebtesten und hochverehrtesten Führer, den gewaltigsten Vorkämpfer. Emsam und verlassen stehen wir, seine Fractions-Genossen, trauernd an der Bahre dieses edlen Mannes, der mehr als 20 Jahre in umsichtiger und unermüdlicher Thätigkeit an unserer Spitze stand, wir beweinen in dem Verewigten unseren Stolz und unsere Freude. Im Vertrauen auf Gott empfehlen wir die Seele des ent schlafenen Freundes dem Andenken im Gebet." — Dem Ver nehmen nach wird G r a f B a l l e st r e m die Leitung der Centrums- fraction im Reichstage, Frhr. von Heeremann die der jenigen im Abgeordnetcnhause übernehmen. Dies bezieht sich indessen natürlich, wie die „Post" hervorhedt, mehr auf die formelle Seite der Sache und ist nicht entscheidend für die Frage, wem in Wirklichkeit die leitende Stelle im Centrum zufallen wird. Ueber die letzten Stunden Windthorst's liegen noch folgende Mittheilungen vor: Die plötzlich eingetretene Wendung zum Besseren hatte die Aerzte mit erhöhter Besorgniß erfüllt. Mit besonderer Spannung sah man dem nächsten Tage entgegen, an welchem nach Annahme der Aerzte die Krisis eintrcten mußte. Schon am Abend steigerten sich Fieber und Temperatur zu einer bedenklichen Höhe, welche die Aerzte das Schlimmste befürchten ließ. Um 12 Uhr Nachts stellte sich heraus, daß auch der linke Lungenflügel ergriffen war und damit Hand in Hand ging eine von Minute zu Minute sicht barer werdende Abnahme der Kräfte. Gleichwohl phantasirte der Kranke mit sehr lauter Stimme. Seine Gedanken waren nur mit politischen Dingen beschäftigt. In der Umgebung wird erzählt, er habe zunächst über Aufhebung des Jesuiten gesetzes gesprochen, dann aber mit besonders lauter Stimme sich über die auswärtige Politik Deutschlands geäußert. Er sprach von den Beziehungen zu Frankreich und Rußland und schloß mit eimr Art von Hoch auf den Kaiser. Dies seien recht eigentlich seine letzten Worte gewesen. Windthorst trug seiner Tochter, welche bereits nach Hannover abgereist ist, seine letzten Grüße für seine Lebensgefährtin auf. Bald daraus verfiel er in Schlaf. Diesem folgte uur ein kurzes Erwachen und dann das Verscheiden. Berliner Blättern entnehmen wir noch folgende Einzelheiten: Der Sterbende begann nach Mitter nacht in den Fieberphantasien eine förmliche parlamentarische -Rede zu halten. Die Stimme war stellenweise durch mehrere Zimmer vernehmlich. Er berührte die brennenden Fragen der Gegenwart. Er gedachte des Schulgesetzes, der Jesuitenfrage, der letzten Vorgänge im Reichstage u. s. w. Dann schien es, als wähnte sich der Kranke an einer Festtafel. Er brachte einen Toast auf das Kaiserpaar aus. „Hoch der Kaiser!" rief er mit lauter Stimme und schloß mit den Worten „die müssen wir leben lassen". Als eines der „vielen charakteristischen Worte Windthorst's in den Fiebercden der letzten Tage" hebt die „Germania" den Ausspruch hervor: „Wir wollen unsern Verstand zusammenhalten und zum Frieden alles ordnen. Also auf friedliches Wiedersehen meine Herren". — Se. Maj. der Kaiser hat am Sonnabend, sobald er von dem Ableben des Abgeordneten Dr. Windthorst Kenntniß erhalten, durch den Flügeladjutanten vom Dienst einen prachtvollen Palmen zweig nach dem Trauerhause gesandt. Der Prinz-Regent Luitpold von Bayern hat dem Verschiedenen einen prächtigen Maiblumenkranz gewidmet, welcher mit kostbaren Orchideen, Kamelien und Rosen übersät ist und auf weißer Schleife die Widmung trägt. Ueber den Kranz legen sich Palmenwedel. Unter den sonst bereits eingetroffenen Kranzspenden zeichnen sieb durch entzückende Blumenpracht die der Prinzessin Radziwill und der Gräfin Clary-Aldringen aus. — Der Papst hat der Wittwe des Dr. Windthorst ein längeres Beileidstelegramm übersendet. Auf die Nachricht von dem Tode Windthorst's telegraphirte der päpstliche Nuntius in München, Mons. Agliardi, an den Grafen Conrad Preysing: „Ich bin untröstlich über die traurige Nachricht; ich bin sicher, dem Willen des heiligen Vaters zu entsprechen, indem ich Sie bitte, mein tiefes Beileid der Frau Windthorst und ihrer Tochter auszusprechen." Die Blätter erblicken in dem Ableben Windthorst's übereinstimmend ein „Ereigniß ersten Ranges". Auch von außerhalb liegen zahlreiche Kundgebungen vor, welche sich mit diesem Ereigniß beschäftigen; so bringen der Pariser „Temps" und die italieni schen Blätter „Fanfulla", „Offervatore Romano", „Diritto", „Opinione", der „Moniteur de Rome", die „Riforma" und die „Tribuna", ferner auch, wie telegraphisch gemeldet wird, die New-Dorker Blätter Artikel, welche die Bedeutung des Verstorbenen anerkennen und sich in Betrachtungen über die muthmaßlichen politischen Folgen seines Todes ergehen. — Die Leiche Windthorst's traf Mittwoch früh 2 Uhr inHannover ein und wurde in einem Ncbenraum des Fürstenzimmers auf dem Bahnhofe ausgebahrt. Vormittags erschienen zahlreiche Deputationen auswärtiger Vereine vor dem Sarge; eine außer ordentliche Anzahl von Korporationen versammelte sich zur Leichenfeier. Der Zug, aus über 5000 Personen bestehend, setzte sich nach der Marienkirche um halb zehn Uhr in Be wegung; die Straßen waren dicht besetzt mit Zuschauern. Die Geistlichkeit der Marienkirche empfing den Sarg, der nunmehr vor dem Altar aufgestellt wurde. Als Vertreter des Kaisers war der Flügeladjutant v. Bülow anwesend; außerdem hatten sich viele Reichs- und Landtagsmitglteder eingefunden, um der Familie ihr Beileid auszudrücken. Die Abgeordneten v. Heere mann und Graf Ballestrem machten die Honneurs. Die Trauerfeier begann mit einem Requiem nach Einsegung der Leiche Windihorst's durch den Generalvikar Hugo (Hildesheim), worauf die Leiche in die Gruft gesenkt und Letztere geschloffen wurde. Darauf folgte die Rede des Fürstbischofs Kopp, welcher den Verstorbenen als treuen Sohn der Kirche und als Führer der Katholiken pries und die Treue Windthorst's gegen Kaiser und Reich betonte. Die „Germania" sucht, wie man voraussehen konnte, jeden Zweifel an dem Fortbestand des Centrums zu zerstreuen. § Sie meint: Hätten die Zweifler der Sitzung der vereinigten Centrumsfraktionen des Landtages und des Reichstages bei wohnen können und die ergreifenden Reden der beiden FraktionS- chefs, des Grafen Ballestrem und des Freiherm v. Heere mann, und des ehrwürdigen Veteranen des CentrumS, de» Abg. Peter Reichensperger, gehört und die tiefe Er griffenheit und die heilige Begeisterung und den energischen Willen zu einigem Zusammenhalten in der zu einer ergreifen den Todtenfeier vereinigten Versammlung gesehen, auch die Zweifler würden mit der Ueberzeugung von dannen gegangen sein: wie in vielen Werken, lebt Windthorst auch i« Centru« fort! Das Wort „Fraktionschef" scheint hier nicht ohne be sondere Absicht gewählt. Im Uebrigen ist die Macht der That- sachen stärker als die schönsten Vorsätze. „Der Papst ist von dem Tode Windthorst's tief ergriffen. Als er die Nachricht erfuhr, rief er schmerzerfüllt aus: „Die Kirche hat einen ihrer tapfersten, geistesmächtigsten Vorkämpfer verloren." Der Papst wird in den Kirchen ein Todtenamt für Windthorst abhalten lassen. — Der Moniteur de Rome schreibt: Windthorst habe in dem Centrum das Muster einer politischen Partei geschaffen. Sein Verlust sei unersetzbar. Er sei auf dem Gipfel des Ruhme» gestorben, im Begriffe, den höchsten Triumph seines Lebens zu feiern. Sein bester Ruhm sei, daß sein Werk, auf unzerstörbaren Grund lagen ruhend, ihn überdauern werde. Reichskanzler v. Caprivi hatte am Sonnabend Dortrag beim Kaiser. In Abgeordnetenkreisen will man dem Gegen stand dieses Vortrages, der keine hochpolitische, sondern eine persönliche Angelegenheit betreffen soll, besondere Bedeutung beilegen. Es heißt, die nächsten Tage würden darüber klären den Aufschluß bringen. Die „Kölnische Zeitung" bemerkt hierzu, daß die in mehreren Provinzialzeitungen wieder einmal auftauchenden Behauptungen von erschütterter Stellung de» Reichskanzlers, von der Absicht, demselben in dem Finanz minister Miquel einen Nachfolger zu geben und dergleichen mehr, jetzt gerade so haltlos sind, wie früher. Die offiziöse Ankündigung, wonach die Regierung ganz fest auf Verab schiedung der Gewerbeordnungsnovelle im Reichstage und der Steuergesetze, wie der Landgemcindeordnung im Landtage be stehe, ohne jede Rücksicht auf die Zeitdauer der Session, be stätigt die schon früher gegebene Mittheilung. Das VolkS- schulgesetz wird wohl einer durchgreifenden Umarbeitung ver fallen; in welcher Richtung dieselbe erfolgen würde, wird von dem Programm de» neuen Kultusminister abhängen. Dieser soll die Uebernahme des Amtes von der Festsetzung ganz be stimmter Grenzlinien für seine Thätigkeit abhängig gemacht haben. — Fürst Bismarck bestreitet in den „Hamburger Nachrichten", daß er der jetzigen Regierung prinzipiell« Op position mache. Ebenso wahrheitswidrig ist, fahren di« „Hamb. Nachr." fort, die in Wiener und deutsch-freisinnigen Blättern verbreitete Mittheilung über eine Annäherung zwischen den regierenden Kreisen und dem früheren Reichskanzler, schon weil auf keiner der beiden Seiten ein Bedürfniß dafür vor- liegt und ebensowenig eine principielle Differenz vorhanden ist, welch- ein solches Bedürfniß erzeugen könnte oder auch nur den Stoff zu einer Verständigung böte. Die Behauptung, daß Fürst Bismarck Annäherungsversuche an die jetzige Re gierung gemacht habe, die aber erfolglos geblieben seien, ist mithin völlig aus der Luft gegriffen; solche Bemühung« find