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WtliM für MMff Erscheint wöchentlich zweimal u. zwar Dienstags und Freitags. — Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mk., durch die Post / bezogen 1 Mk. 25 Pf. — Einzelne Nummern 10 Pf. ThuM Men, Meiilchn mid dir UmWkilden. Imlsblull Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Jnsertionsvreis 10 Pf. pro dreigespaltene Corpuszeile. für die Agl. Amtshauxtmannschaft Meißen^ für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrach zu Wilsdruff, No. 24. sowie für das Agl. Horstrentamt zu Tharandt. 51. Jahrgang. Dienstag, den 24. März 18S4. Auf Folium 15 des Handelsregisters für den Bezirk des hiesigen Amtsgerichts ist zufolge Anzeige vom 19. März d. Js. heute eingetragen worden, daß Herr Kaufmann Aarl Friedrich Engelmann in Wilsdruff als stellvertretender Direktor des ländlichen Spar- und Vorschußvereins für Röhrsdorf und Umgegend bis 31. Dezember 1893 gewählt worden sei. Königliches Amtsgericht Wilsdruff, den 21. März 1891. Bekanntmachung. Am 3f. dieses Monats ist der l. Termin Landrente und Landesculturrente und vom bis spätestens den sH. nächsten Monats das fs. Vierteljahr Schulgeld sowie der s. Termin Landesbrandkasse bei Vermeidung von Weiterungen an die Stadtkämmerei zu entrichten. Wilsdruff, am 21. März 1891. Der Stadtrat h. Brgmstr. Tagesgeschichte. Der Reichstag ist in die Oster-Ferien gegangen, nach dem er noch den Reichsbaushalt und das Patentgesetz erledigt hat. Am 7. April wird diese, bereits seit dem ö. Mai 1890 währende Session fortgesetzt werden und man hofft sicher, bis Pfingsten zum Schluß gelangen zu können. Das Augenmerk wirb sich nach Wiedereröffnung der Sitzungen vornehmlich auf die Arbeiterschutzvorlage richten müssen, die bekanntlich noch tief in der zweiten Plenarberathung steckt. Von größeren Vorlagen sind ferner noch zu erledigen: das Krankenversicher ung«-, das Musterschutz-, das Telegraphen-, Zucker- und Branntwemsteuergesetz. Es ist freilich zweifelhaft, ob dieses ganze Material noch wird bewältigt werden können. Von den zahlreichen noch unerledigten Anträgen aus dem Hause erregt ter des Centrums aus Aufhebung des Jesuitengesetzes das meiste Interesse. Es wird aber für unwahrscheinlich gehalten, daß das Centrum Neigung hat, diesen Antrag in den nächsten Wochen zur Verhandlung zu bringen. Die diesmalige parlamentarische Osterpause ist mit Spannungen aller Art angefüllt. Zu diesen zählen in erster Linie die Wiener Verhandlungen über den Handels vertrag, die Frage der Zukunft des Centrums und die neue Leitung des preußischen Kultusministeriums. Hinsichtlich des Handelsvertrages bleibt die Ansicht bestehen, daß sein Zustande kommen, und zwar ohne solche Opfer, welche Deutschlands Landwirthschaft nicht zu tragen vermöchte, in sichere Aussicht zu nehmen ist. Diese Meinung wird nicht überall getdeilt, aber angesichts der bähen Bedeutung, welche von vornherein den Vertragsverbandlungen über ihren eigentlichen Zweck hinaus beigemessrn worden — was an sich vielleicht ein politischer Fehler war wegen der Gefahr, daß ein eventuelles Scheitern eine zu große Traaweite erhalten oder das Vermeiden desselben durch zu große Opfer zu erkaufen sein würde — wird in, Publikum überwiegend damit gerechnet, daß ein Scheitern sich auf politischem Gebiete fühlbar machen und deshalb von beiden Theilen vermieden werden muß. Wiederholt bereits haben wir den Plan besprochen, naä welchem die Sozialdemokratie von den Städten aus das platte Land zu erobern gedenkt. Es liegt eine gewisse Großartigkeit in der Frechheit, mit welcher sie ibrc Taktik vor aller Welt offen darlegt; sie ist ihres Erfolges so sicher, daß sie Jedem, der es hören will, sagt, wie sie es zu machen ge denkt, und die Bedrohten können, wenn sie wollen, daraus ent nehmen, welches die zunächst gefährdeten Positionen sind, und wo sie ihre Kräfte konzentriren müssen, um den Angriff ab zuschlagen. An den Bauer, „dem der Dünkel als Eigen thümer anbastet", traut man sich zunächst nicht heran. Man gebt ihm einstweilen aus dem Wege und wartet ruhig ab, bis er reif geworden ist. Einstweilen will sich die Sozial demokratie an die ländliche Arbeiterschaft wenden. Der Köder, dm man ihnen hinwirft, ist die schon erwähnte Programm- sorderung des Sozialismus: „Vergesellschaftlichung von Grund und Boden", d. h., wie man dies „schwere deutsche Wort" der Intelligenz des Hörers wohl nahe bringen wird: „wenn wir erst gewonnen Haden, dann gehört uns auch das Land, auf dem jetzt der Gutsbesitzer und der Pfaffe und di- Bauern sitzen, darum . Ständen die ländlichen Arbeiter alle noch im Naturallöhne, nannten die Mehrzahl noch ein Stückchen Land, ein Häuschen und eine Kuh ihr eigen, so würde dieser Sirenengeiang an ihrem „Eigenthümer- tünkel" abprallen. Aber nachdem man vielfach ganz oder zum größten Theile zur Geldlöhnung übcrgegangen ist, sind damit auch die ländlichen Arbeiter dem „Proletariat" überantwortet, und man darf sich nickt wundern, wenn sie sich als solche mehr und mehr fühlen lernen. Damit hängt eng der andere Uebelstand zusammen, daß vielfach jede persönliche Beziehung zwischen dem Gutsbesitzer und seinen Arbeitern geschwunden ist; er bezahlt, sie thun ihr Tagewerk, und im Uebrigen gehl Jeder seinen eigenen Weg. Nun kommt zu einem solchen Arbeiter ein Agitator, der ihn als „Bruder" anredet und ihm auseinandersetzt, wie die Unterdrückten in den Städten auf seine Hülfe rechneten; hier liegt ein Geheimniß des Erfolges der sozialdemokratischen Agitation, daß sie sich den Leuten nicht nur als Protektor und Beglücker anbietet, sondern daß sie ihre Mitwirkung in Anspruch nimmt, sie zu dauernder Thätigkeit als Genossen wirbt. Die Religion will man un geschoren lassen, dafür aber dem Pfarrer gelegentlich ordentlich heimleuchten; denn „religiös sind die Leute im Durchschnitt alle, aber mit dem Pfarrer halten sie nicht". Eine leider nur zu oft sich als richtig erweisende Scheidung zwischen der Religion und dem Träger des kirchlichen Amtes, wozu noch in vielen Fällen der traditionelle äußerliche Charakter der ländlichen Frömmigkeit kommt. Die sozialistische Agitation auf dem Lande wird ein Mittel sein, wodurch jeder Gutsbe sitzer und jeder Landpastor gleichsam gewogen wird. Bisherige Versäumnisse und Fehler sind freilich nicht ungeschehen zu machen, aber sicherlich wird jeder redliche und dauerhafte Entschluß, in Zukunft ein fürsorglicher, theilnehmender Herr, ein aufopfernder Hirte zu sein, nicht ungesegnet bleiben. Im Namen der sozialistischen Partei hat der Abg. Lieb knecht eine Adresse, in welcher zur Feier des 18. März Bru dergrüße ausgetauscht werden, an die französische Arbeiterpartei gerichtet. In dieser Adresse heißt es u. A.: „Der 18, März — der Gedenktag der Berliner Erhebung von 1848 und der Pariser Commune von 1871 ist zu einem internationalen Feiertag geworden, dessen man in unserem Deutschland in jeder Stadt, in jedem Ort, wo es Sozialdemokraten giebt, ernst gedenkt, um das gegenwärtige Geschlecht an die Groß taten der Vergangenheit für die schweren Aufgaben der Gegen wart und die schwereren der Zukunft zu stählen . . . Wohl sagen Euch die Gegner, um Mißtrauen und Zwietracht zu säen, die deutsche Sozialdemokratie habe seit der Aufhebung des Sozialgesetzes aufgehört zu sein, was sie früher war. Das ist eine lächerliche Verleumdung — wir sind, was wir waren und was wir stets sein werden: Sozialdemokraten . . . ." Wir fügen hinzu: „Revolutionäre!" — Wird denn nach diesen Kundgebungen noch irgend eine politische Partei Deutschlands die Sozialdemokratie als „gleichberechtigt" anerkennen wollen? Wird es denn der Umsturzpartei auch nach diesem dreisten Hervortreten noch ferner gestattet sein, auf der Reichstagstri büne ihre „staatserhaltende, gemäßigte" Komödie weiter zu spielen? Belg ien. Dreitausend Arbeiter der Kockerill'schen Stahl werke und Zechen wurden ausständig, weil die Direktion die Wiederannabme entlassener Arbeiter verweigerte. Die Direktion rief die Gendarmerie von Lüttich zur Hilfe. Die Aufregung unter den Ausständigen ist sehr groß; die Gendarmerie trieb die Neugierigen vor dem Bahnhof, wohin sich die Ausstän digen zurückgezogen hatten, auseinander; die Volksmenge nahm eine aufreizende Haltung an. Aus Südfrankreich werden große Ueberschwemmungen gemeldet. Bei Montluet verursachte die Seraine, indem sie die Eisenbahn überschwemmte, große Schäden. Die Rhone, deren Nebenflüsse stark angeschwollcn sind, ist um 8 Meter gestiegen. Petersburg, 19. März. Der Artilleriehauptmann v. Kaufmann Flügeladjutant des Zaren, hat sich dieser Tage erschossen. Ueber die Ursache des Selbstmordes, der großes Aussehen erregt, ist folgende Version im Umlauf: Auf dem letzten Hofballe soll Herr v. Kaufmann eine erregte Auseinander setzung mit einem Großfürsten gehabt haben, wobei der letztere sich in seinen Ausdrücken sehr wenig Zwang auferlegt zu haben scheint. Am nächsten Tage begab sich Herr v. Kaufmann zu dem Gencraladjutanten des Kaisers, v. Richter, und berichtete, daß er beleidigt worden sei. Der Generaladjutant erwiderte, daß es unmöglich sei, von einem Mitglied? des kaiserlichen Hauses Genugthuung zu verlangen. Hierauf ging Herr von Kaufmann in seine Wohnung und zerschmetterte sich den Schädel durch eine Revolverkugel. Er hatte ein Blatt Papier hinter lassen, worauf geschrieben war, baß er sich getödtet habe, da es ihm nicht vergönnt sei, Genugthuung für den ihm von dem Großfürsten angethanen Schimpf zu erlangen. Ein dem kaiser lichen Hose attachirter Arzt, Oppenheim, hat eine Bescheinigung ausgestellt, daß Herr v. Kaufmann sich in einem Augenblicke erschossen habe, wo er für seine Handlungen nicht verantwortlich gewesen sei. Nur so wird cs möglich sein, daß Kaufmann mit religiösen und militärischen Ehren bestattet werden kann. Ein Auswanderungsschiff, welche von Triest nach New-Jork bestimmt war, stieß mit zwei englischen Panzern zusammen und sank. Zweihundert Personen, darunter viel Frauen und Kinder sind ertrunk.n. Die Beschreibung des Unt-rgangs der „Utopia" bei Gibraltar lesen sich wie ein Schlachtbericht. Kaum hatte sich eer Widdersporn des Panzerschiffes Anson in die Seite der Utopia eingegraben, als die Still- der Nacht Plötzlich von allen Schiffen der Ankerstätte zugleich durch Dampfpfeifen und Alarmzeichm unterbrochen wurde. Die italienischen Aus wanderer auf der Utopia stürzten schreiend, weinend, betend auf's Deck, die Kriegsschiffe machten die Rettungsboote flott, ließen elektrische Wurflichter auf das untergehende Schiff spielen, um das Rettungswerk zu erleichtern, während am Ufer, kaum 200—300 Meter entfernt, eine Menge Zuschauer zusammcn- strömten. Diese konnten indessen außer den düsteren Umrissen der Panzerschiffe und dem elektrischen Licht wenig sehen, da gegen trotz Sturm, Regen und Wogenbraus deutlich das Noth- geschrei und die Kommandorufe hören. Der Versuch, die Boote der Utopia auszusetzen, wurde bald aufgegeben, sie wären im Sturme am Schiffsrumpfe zerschellt und außerdem durch die Menge der drängenden Auswanderer untergegangen. Die Auswanderer machten sich den Platz auf dem Vorderdeck streitig, klammerten sich dann an's Tokelwerk, oft Kinder an der Brust haltend, bis die Kräfte erlahmten, die Kinder in's Meer glitten und sie selbst nachfolgten; andere banden sich Weib und Kinder auf den Rücken, viele solcher zusammengebundener Leichen wurden an die Küste ausgeworfen. Die Utopia war ein Eisensckraubendampfer aus Glasgow und hatte in italienischen Häfen die Auswanderer ausgenommen. Jetzt ist der Rumpf im Wasser begraben, Mast und Kamine sichtbar. Das Ufer ist mit Leichen förmlich besäet. Je mehr Einzelheiten über den Schiffbruch der „Utopia" bekannt werden, desto grausiger erscheint das Ereigniß. Anfangs hieß es, daß dabei 200 Menschen umgekommen seien, dann sollten es 500 sein und nun stellt sick heraus, daß mindestens 576 Menschen ihren Tod in den Wellen gefunden haben — angesichts des nahen Landes und trotz der Hilfe verschiedener Kriegsschiffe! Einer Meldung zu Folge soll der Kapitän der „Utopia" von der Leichenschauer-Jury fahrlässiger Tödtung angeklagt und ver haftet, jedoch gegen Bürgschaft wieder freigelaffen worden sein. Der Kaptän des Panzerschiffes „Anson", Camperdovn, erklärte, daß der Zusammenstoß des englischen Dampfers „Utopia" mit den englischen Panzerschiffen mehr eine Folge irriger Beurtheilung als - großer Nachlässigkeit gewesen sei. Die Untersuchung wird weiter fortgesetzt. Die Taucher haben di« Zwischendecke und das Kartenhaus voll Todten und die Luken von Leicken verstopft gefunden, überall Zeichen eines fürchter- lichm Todeskampfes. Vaterländisches. Wilsdruff. AmCharfreitagc sind alle Kaufs und Gewerbsläden den ganzen Tag zu schließen. Ausnahmen sind nur folgende gestattet: 1., der Verkauf von