Volltext Seite (XML)
sind preußischer Officier, ich hätte e» Ihnen gleich ansehen müssen. Man sagte mir aber doch von einem kränklichen Herrn mit blauer Brille?" „Ich wählte diese Maske, um bei einer Begegnung mit jenem Rico unerkannt zu bleiben. Ich kenne den Patron von 1870 her, wo er sich Antoine Gerard nannte und unter diesen Namen eine junge Dame, für deren Onkel er sich ausgab, schmählich hintertrieb. Ich will nur andeuten, daß er mich, der das Unglück hatte, in einen Hinterhalt zu fallen und nach dem belagerten Paris hineingeschleppt zu werden, als Spion oder dergleichen denuncirte und dadurch veranlaßte, daß ich nach Algerien transpor- tirt, fünf Jahre in der schmählichsten Sklaverei gehalten, kürzlich erst durch «inen zufällig in Oran anwesenden Freund erkannt und heimlich gerettet wurde. Nach meiner Rückkehr in die Heimath fand ich meinen Pflege vater todt al- Selbstmörder, wie amtlich festgestellt worden war, in einem Winkel de» Friedhofs verscharrt. Er war durch eben diesen Rico, welchen er als Maler in Rom kennen gelernt, zu einem menschenscheuen Einsiedler geworden, bei einem großen Vermögen ein armer, freudenloser Mann, dm jener Schurke um Frau und Kind, um alles Glück gebracht. — Verschiedene verdachterregende Anzeichen deuteten trotz jenes amtlichen Zeugnisse» auf seinen gewaltsamen Tod durch fremde Hand hin. Ein Polizeibeamter, welcher denselben Hund, der hier zum Verhängniß für den Verbrecher geworden, halbtodt und grausam zugerichtet im Felde fand, wohin er jedenfalls noch den Mörder verfolgt hat, behauptete, daß kein Selbst mord vorlie-e. Ich ließ einen mir persönlich bekannten Criminalbeamten au» Hamburg kommen, die Leiche heimlich aus dem Grabe nehmen, und wir sanden jene Behauptung bestätigt." Frank erzählte nun in kurzen Worten, welche Beweise von der An wesenheit jenes Rico sich ferner noch gefunden, sowie von dem Raub des baaren Geldes und der Juwelen, von dem Edelstein, den sie in dem Schreib tisch noch entdeckt hatten. Ferner von dem geheimen Versteck desselben, de« Verzeichniß des Vermögens, woraus der Raub jener Baarsumme, von welcher sich ebenfalls noch ein Tausendmarkschein vorgefunden habe, und der seltenen Kleinodien ersichtlich gewesen sei. Er zeigte die ebenfalls im Schreibtisch gefundene Photographie vor, worin die Aufwärterin des Er- «ordetm jenen Rico, welchen sie im Mondschein vor dem Hause gesehen, »iederertannt, und erzählte schließlich von dem Täschchen, welches Karten mit den beiden Namen Rico uud Gerard enthalten habe. Der Beamte hatte aufmerksam, ohne ihn zu unterbrechen, zugehört. Ruf seine« intelligenten Gesicht drückte sich die höchste Spannung aus. „Wo ist Ihr Detektiv?" fragte er, al» Frank geendet. „In Lausanne, ich habe bereits an ihn telegraphische Meldung ge- sandt, daß Rico hier anwesend sei und wahrscheinlich dorthin kom«en werde, daß er also a« Bahnhof vigiliren möge." „Kennt er ihn genau?" „Nein, nur nach diesem Bilde." „Dann haben Sie einen Fehler begangen, Monstur!" rief der Be amte sich rasch erhebend, „wenn Rico wirklich nach Lausanne geht, was ich nicht für denkbar halte, da er durch Ihren Hund verwundet worden ist und sich wahrscheinlich in ärztlicher Behandlung befindet. Oder glauben Sie, daß er den Hund wiedererkannt hat?" „Da» ist «ehr al» wahrscheinlich, Monsieur! — das Verbrechen ist in der Nacht des 26. Mai begangen worden und heute haben wir den 27. Juni —" „Also vier Wochen, dann allerdings ist es sehr möglich. Der Hund ist blind?" „Ja, Monsieur, infolge jener Mißhandlung, der Verbrecher scheint ihm eine ätzende Flüssigkeit in die Augen geschüttet und dann mit einem Instrument niedergeschlagen zu baben. Ob er das arme Thier nach seinem blutigen Geschäfte absichtlich ins Feld hinausgeschleppt, oder ob dieses wieder zu sich gekommen und ihm bis dahin gefolgt ist, das wird wohl für immer ein Räthsel bleiben." „Erkannten Sie diesen Rico sofort?" fragte der Beamte, sich an den Schreibtisch setzend. „Nein, ich bemerkte ihn erst, als der Hund sich auf ihn stürzte, da erkannte ich ibn allerdings sofort." Der Beamte hatte rasch einige Zeilen auf das Papier geworfen. „Wollen Sie Ihren Detectiv hertelegraphiren, Monsieur? Dann adressiren Sie dieses und beeilen sich mit dem Telegramm." Frank nahm das Papier und las: „Augenblicklich kommen. Gefahr im Verzüge." „Wenn aber Rico mittlerweile schon unterwegs sein sollte," bemerkte Frank zögernd, „er würde uns in diesem Falle sicherlich entschlüpfen." „Wenn er Gefahr wittert, ist jede Vigilanz Ihres Detectivs umsonst," versetzte der Beamte überlegen, „solche Burschen wie dieser Rico wissen unzählige Gestalten anzunehmen und durchzuführen, und da jener ihn nicht einmal persönlich kennt, so würde er ihm die schönste Nase drehen." „Hm, er besitzt einen fabelhaften Scharfblick und Spürsinn in solchen Dingen," meinte Frank nachdenklich. „Wüßte ich nur bestimmt, ob unser Vogel flügellahm geworden ist." „Na, das wollen wir bald erfahren, Monsieur!" Er klingelte, worauf ein Constabler eintrat. Der Beamte gab ihm den Befehl, sich nach dem Befinden des von einem fremden Hunde ver letzten Monsieur Rico im HotsI äs kranos zu erkundigen, ihn womöglich selbst zu sprechen und ihm mitzutheilen, daß der tolle Hund bereits in polizeilichen Verwahrsam genommen sei, und Monsieur mit dem Herrn des HundeS confrontirt werden solle, um seinen Schadenersatz festzustellen. Er möge die Stadt nicht verlassen. Der Constabler kehrte nach geraumer Zeit, in welcher Frank sich allein befunden, zurück, um die Meldung zu machen, daß Monsieur Rico ich von seinem Schrecken wieder erholt habe, die Wunde nicht bedeutend et und auf Schadenersatz verzichte, da er seine Reise deshalb nicht auf- chieben könne. „War er bereits reisefertig?" fragte der Beamte rasch. „Er wollte gerade nach dem Bahnhof fahren, als ich ankam und fuhr in «einer Gegenwart ab." „Wann geht der Zug?" „Um 2 Uhr 30 Minuten —" „Dann ist er bereits unterwegs," rief Frank, nach seinem Hut greifend, „ich werde ein zweites Telegramm nachsenden und seine Ankunft signali- siren." (Fortsetzung folgt.)