Volltext Seite (XML)
zugehött, „ich vermuthe, daß Sie der Spur dieses unheimlichen Fremden folgen wollen?" „Ganz recht," versetzte der Detectiv, „habe bereits eine Spur —" „Sie sind selber Criminal-Beamter?" „Ja, Herr Polizci-Director! Lieutenant Frank ließ mich von Ham burg hierher kommen, ich habe die Ehre, ihn zu kennen und sein Vertrauen zu besitzen. Er war durch die beiden Todtengräber und auch durch den Schutzmann Eilert, den ich für unsern Zweck mir von Ihnen erbitte, be reit» auf den Mörder aufmerksam gemacht. Der Bursche muß hier in der Stadt irgendwo logirt haben. Suchen Sie das hcrauszubringen." „Ich werde alles aufbieten lassen, um es zu entdecken. Dazu wäre Eilert allerdings der geeignetste meiner Beamten." „Gut, so mag er einstweilen hier bleiben, ich werde Ihnen stets Nach richt geben, wohin Sie etwaige Mittbeilungen gelangen lassen. Es wäre von Nutzen, wenn Eilert sich in tägliche Verbindung mit den beiden Tot tcn- gräbern setzte, man kann nicht wissen, ob der Verbrecher nicht doch noch wieder zurückkehrt, einmal war er bereits auf dem Friedhof." Er erzählte die Geschichte von dem nächtlichen Besucher des Grabes und dem Jnstinct des blinden Hundes, den Eilert draußen halbtodt im Felde aufgefundcn. „Wo ist da» Thier?" fragte der Beamte erregt. „Lieutenant Frank, den es nach fünfjähriger Abwesenheit wieder er kannte, hat es mit genommen, da wir wesentliche Dienste von ihm erwarten." „Sehr richtig, zumal mit Gewißheit anzunchmen ist, daß der Mörder den treuen Hund unschädlich gemacht und ihn dann ins Feld hinausge schleppt hat. Wüßte man sich nur zu erklären, wie er das angestellt, ohne dm schlafenden Bewohner des Häuschens zu wecken. „Auch mir ist dieser Punkt noch ziemlich dunkel," versetzte Reinecke nachdenklich, „es müßte denn sein, daß der Verbrecher den Hund vorher beseitigte, da ich keine andere Lösung dafür finden kann." „Es wird auch die einzig richtige sein, wenn man annimmt, daß der alte Fichtner allein das einsame Häuschen bewohnte, somit keine Furcht gekannt und sich nach vergeblichem Suchen und Rufen seines treuen Wächters unbekümmert zur Ruhe begeben hat. Er war allerdings im höchsten Grade mißtrauisch und menschenscheu, denn, unter uns gesagt, der Bürgermeister, ein naher Verwandter des Fichtner'schen Hauses, hat es oft, doch immer vergebens, versucht, sich ihm in freundschaftlicher Weise zu nähern. Man könnte nun wiederum sagen, daß der mißtrauische Mann sich unter solchen verdächtigen Umständen, wie das unerklärliche Verschwinden des Hundes, der stets, wie die Peters bezeugt, das Innere des Hauses bewacht habe, nicht zu Bett begeben hätte. — Ich fürchte, mein lieber Herr Reinecke, daß dieser Punkt wohl niemals aufgeklärt werden wird." „Wenn wir den Mörder nicht fangen, allerdings nicht, hoffen wir also auf des Himmels Beistand und auf unser Glück!" Mit diesen Worten hatte sich Reinecke von dem Polizeihcrrn ver abschiedet, und jetzt brauste ver Zug mit ihm und den beiden Todtcn der Stadt X. zu, wo er verabredetermaßen den Lieutenant erwarten sollte. Der thätige Criminalbeamte hatte die Sache so rasch und energisch betrieben, daß er bereits unterwegs war, als ein Brief von Frank eintraf, der ihm nachgesandt werden mußte. Dieser schrieb, daß sein Erscheinen beim Militär-Eommando ein« buchstäbliche Sensation hcrvorgcrufcn habe, daß er zur Audienz beim Kaiser besohlen sei und sich dann eiligst bei seinem Regiment in H. noch melden wolle, um dort den nöthigen Urlaub zu erhalten. Er werde die Kameraden auf später vertrösten und sich so rasch als möglich in X. einstellen. Reinecke möge nur bis dahin sich der Grab-Angelegenheiten annehmen, worüber er dem Notar Günther bereits geschrieben habe. „Bah," murmelte der Detectiv, den Brief zerknitternd, „bin ich des wegen hierher gekommen? Hält der Lieutenant mich für einen Leichenbe statter? Er sollt« nur ruhig in der Garnison bleiben und mir die Sache allein überlassen." Er unterdrückte mit gewohnter Selbstbeherrschung seine zornige Auf wallung und ging zu dem Notar, um mit diesem vereint den Platz für das Grab in dem großen, jetzt sehr verwilderten Garten des Fichtner'schen Hauses auszuwählen. Die kostbaren Särge, welche die Todten jetzt aus genommen, waren so lange in dem städtischen Leichenhause untergebracht und die Grabstätte war auch bald ausgesucht, da Frank bereits einen Finger zeig gegeben hatte. Es war der Lieblingsplatz des Verstorbenen, wo er so häufig in einsamem Grübeln gesessen und den Blick, ohne von irgend einem Auge gesehen zn werden, unbehindert über den breiten Strom nach den fernen Bergen hinüber hatte schweifen lassen können. Vier uralte Ulmen beschatteten den Platz, der gerade Raum genug für die beiden Gräber besaß, welche jetzt ungesäumt in Angriff genommen wurden, damit nur erst die Mutter Erde wieder die Todten bedeckte und keine fremde Hand ihre Ruh« auf's neu« störte. Das Denkmal wollte Frank selber entwerfen und anordnen. Reinecke, der keine Minute seines Lebens verträumte, sondern sich so zu sagen immer auf dem Anstand befand, suchte die kostbare Zeit damit auszunutzen, das; er Haus, Gatten und die nächste Umgebung einer sorg fältigen Erforschung unterzog und Menschen sowohl wie todte Gegenstände genau beobachtete. Der Notar hatte ihm, als er erst über seine Person und Aufgabe genauer unterrichtet war, alle Schlüssel des Hauses über geben, um dasselbe nach etwaigen Judicien zu durchstöbern. Auch hier befanden sich sogar mehrere Schreibtische, doch nirgend der geringste An haltspunkt, nirgend der Name Rico. Es war ersichtlich, daß Fichtner seine sämmtlichen Papiere und Brief schaften mitgenommen hatte, als er dies Haus für immer verließ. Aller dings fand sich auch hier ein lebensgroßes Oelgemäloe seiner Tochter als Kind mit einer prächtigen Dogge zur Seite. Ein wunderliebliches Kind mit großen schwarzen Augen und goldschimmernden Locken. Selbst das kühle, stet« reflectirende Herz des Criminal-Beamten wurde davon gefesselt und tief ergriffen. Er wußte genug von der Lebensgeschichte des alten Herrn, um mit Bedauern auch seiner dabei zu gedenken und unwillkürlich eine Parallele zwischen diesem lieblichen Bilde und der Selbstmörderin zu ziehen. Ganz natürlich wurde sein Interesse für die Letztere jetzt lebhaft er regt, zumal dieselbe sogar in Verbindung mit dem Mörder ihres Vaters gedacht werden mußte, wobei sich ihm die unabweisbare Frage aufdrängte, wer der Mann gewesen, welcher dieses wunderschöne Frauenbild in Ver zweiflung und in den Abgrund des Selbstmords getrieben, und wo der selbe geblieben sei? — Einen Augenblick durchflog der Gedanke sein Hirn, ob vielleicht die selbe Mörderhand auch hier thätig gewesen und der Selbstmord der Armen ebenfalls aus die Rechnung einer oberflächlichen Leichenschau zu setzen sei. Unruhig durchwanderte er den Garten, den Blick fest am Boden ge- hsftet, als er plötzlich innehielt und aufmerksam eine Fußspur betrachtete, welche seitwärts durch weiches, gelockertes Erdreich zwischen Rosensträuchern hindurchzuführen und offenbar neueren Ursprungs zu sein schien. Gräser und Unkraut waren niedergetreten und hatten sich aus dem weichen, etwas sumpfigen Boden nicht wieder aufrichten können. — Woher konnten diese Fußspuren rühren, da der Notar ihm doch ver sichert, daß er selber nur dann und wann das Haus gelüftet, bei der Reinigungaber stets zugegen gewesen sei und kein Mensch seit sechs Wochen das Haus, geschweige denn den Garten betreten habe. Diese Fußspuren, welche bis an die hohe Mauer führten, konnten jedoch erst höchstens acht Tage alt sein. Der Fuß war nicht groß, der Stiefel mit hohen, spitzen Hacken versehen. Reinecke, der jeden kleinsten Umstand zu berücksichtigen pflegte, maß ganz genau die Spur, sowie die Höhe des Absatzes und notitte sich beides, worauf er die Mauer untersuchte und plötzlich einen langgezogenen Pfiff ausstieß. Der verstorbene Fichtner hatte die Mauer aus glatten Quadern auf- führen lassen, um gegen jeden Einblick und Uebettall von außen gesichert zu sein. Seit seinem Wegzug von hier hatten die Gassenbuben freies Spiel gehabt und ihrem Groll gegen die chinesische Mauer, wie diese all gemein in der Stadt genannt wurde, ungehindert die Zügel schießen lassen. Besonders an dieser Stelle, wohin die Fußspur führte, und in der Nähe sich ein Birnbaum befand, war die Mauer von Steinwürfcn und Ham- merschlägen arg mitgenommen, man sah deutlich, daß die verwüstenden Hände es darauf angelegt hattten, durch Zertrümmerung der Steine sich Stufen zum Hinüberklettern zu beschaffen, was ihnen auch insoweit ge lungen war, als sie auf die Mauer Hinaufkommen und dann vermittelst des Birnbaums in den Garten gelangen konnten. Allerdings machte diese Erkenntniß, welche sich Reinecke sofort aufdrängcn mußte, auch die Fuß spur problematisch, da dieselbe von derartigen Missethätcrn herrühren konnte. Doch nein, das war undenkbar, weil Gassenbuben solches Fuß zeug nicht trugen und sie den Garten wohl nur heimsuchten, wenn Beute darin zu holen war, was augenblicklich nicht der Fall, da man sonst ihre Fußspuren sicherlich bemerkt haben würde. Reinecke folgerte in dieser Weise mit seinem gewohnten Scharfsinn, wobei sein spähender Blick alles zu durchforschen schien.— Jetzt erkletterte er mit turnerischer Gewandtheit den Baum, um einen Blick über die Mauer zu werfen und bemerkte, daß diese letztere in ihrer ganzen Länge mit Glasscherben gespickt war, welche die schlauen Buben, soweit es ihrem Zwecke dienlich war, beseitigt hatten. Es war immerhin eine halsbrecherische Arbeit, vom Baume aus die Mauer zu erreichen, zumal dieselbe nicht viel Raum und auch nicht den geringsten Anhalt bot, Reinecke schien gerade keine Neigung zu haben, so nutzloserweise den Hals zu riskiren und wollte sich eben wieder hinabgleiten lassen, als sein forschendes Auge sich noch einmal auf die Mauer heftete und dort einen fremden Gegenstand zu ent decken glaubte. Das war hinreichend für ihn, das Wagniß auszuführen. Vorsichtig den stärksten und längsten Ast aussuchend, schritt er, auf demselben sich überall festhaltend, vorwärts, und richtig, die Geschichte ging, sie war sogar viel gefahrloser, als sie aussah, er konnte mit leichter Mühe die Mauer erreichen und sich, wenn er wollte, Hinüberschwingen. Doch war das gar nicht nothwendig, da er jenen Gegenstand ohne weiteresergreifen konnte. Es war ein Kartentäschchen, vom Regen und Sonnenschein ab wechselnd durchnäßt und wieder getrocknet, für unsern Freund Reinecke jedoch «in äußerst werthvoller Fund, der ihn ganz ungewöhnlich zu erregen schien. Mit affenartiger Geschwindigkeit glitt er den Baum hinab und athmete erst einige Male tief auf, bevor er das Täschchen öffnete. Es enthielt, wie er gehofft, nur einige feingestochene Visitkärtchen, von denen einige den Namen „Joss Rico", andere „Antoine Gerard" trugen. „Da haben wir Zwei für Einen!" murmelte er etwas enttäuscht, „das könnte die Spur unheilvoll verwirren, wenn wir den Hund nicht glücklicherweise noch hätten. —Wenn nur der Lieutenant jetzt hier wäre!" Er schritt ungeduldig in das Haus zurück, um dasselbe wiederholt zu durchwandeln und sich in der Tugend der Geduld zu üben. (Fortsetzung folgt.) Vermischtes. Die beste Winterdecke für Rosen ist Erde. Und zwar je lehmhaltiger diese ist, desto besser, je sandhaltiger, desto schlechter. Die gute Ueber- winterung der Rose hängt in allererster Linie ab von der Qualität, die man einwintert, in zweiter Linie von der Zeit, wenn man zur Bedeckung schreitet, und erst in dritter Linie von der Decke, die man wählt. Ein kräftiges, abgereiftes Edelholz überwintert gut, ein unreifes geht unter. Spät ausgetriebene Edelaugen, die als unreife schwache Zweiglein in den Winter gehen, erhält man am besten, wenn man sie vor der Einwinterung bis nahe an das Vcredelungsschildchen zurückschnei det. Ferner: Man wintert je später, desto besser ein. Ein kleiner Frost härtet die Rosen ab, und das ist ihnen gut. Bis zu 6 Grad Kälte halten auch die feinsten Thee rosen aus — reifes Holz vorausgesetzt. Vom 10. November an wintere man ruhig ein. Sehr verzweigte Kronen schnüre man zusammen. Man sehe darauf, daß man weniger den Stamm, als die Wurzel biege; man nehme also etwas Erde zur Seite des Stammes weg. Die zum Decken nöthige Erde nehme man an Ort und Stelle. Ist die Erde so tief ge froren, das dies Schwierigkeiten hat, so thue man irgendwo eine Grube auf und lasse die Erde herankarren. Nur die Krone wird bedeckt, diese aber auch so, daß namentlich an der Vcredelungsstelle die Decke hoch auf liegt. Das Decken mit Laub ist ganz zu widcrrathcn, da sich Mäuse ein- finden. Das Decken mit Tannenreis mag für milde Winter genügen, für harte ist cs bedenklich: und Niemand weiß doch vorher, wie harte und milde der Winter sein wird. Eine Reisigdecke ist obenein kostspieliger, als eine Erddecke. Reifes Edelholz erfriert auch unter dünner Erddecke niemals. * Das Geschworenengericht zu Oels verurtheilte die Stollenbcsitzer Beier'schcn Eheleute aus Klein-Schönwald bet Festenberg zu 15 Jahren Zuchthaus. Dieselben hatten trichinöses Fleisch, obwohl sie dessen gesund heitsschädliche Beschaffenheit kannten, in den Verkehr gebracht und dadurch den Tod von 6 Menschen verursacht. * Tod in den Flammen. Am 20. Oktober brach in der Stadt Le Mans ein bedeutendes Feuer aus, bei dem leider auch vier Personen, ein Geschäftsbesitzer namens Boyer und drei seiner Angestellten, uud zwar zwei junge Mädchen und ein dreizehnjähriger Lehrling, ihr Leben einbüßten, Eine halbe Stunde lang sah man die Unglücklichen von den Fenstern der zweiten Etage aus um Hülfe flehen, ohne daß es gelungen wäre, sie zu retten. * Familientragövie. Aus Debreczin werden die Einzelheiten einer schrecklichen Famlicntragödie gemeldet. Vor etwa zwei Jahren hatte der Honvedfeldwebel Josef Moricz, der Sohn eines sehr reichen bäuerlichen Gutsbesitzers, den eigenen Vater erschossen, weil derselbe Gattin und Kind grausam behandelte. Die Abhaltung des Kriegsgerichts zog sich wegen Krankheit des Angeklagten in die Länge. Mutter und Schwester setzten Alles in Bewegung, um ein mildes Urtheil zu bewirken; sie waren beim Kaiser und beim Honvedoberkommandanten Erzherzog Josef, jedoch ohne ihr Ziel zu erreichen. Nun kommt aus Debreczin die Meldung, dvß sich Mutter und Schwester des Delinquenten erschossen haben, nachdem sie die Nachricht von der Fällung des Todesurtheils erhalten hatten. Erzfi, die neunzehnjährige Schwester des Vatermörders Moricz, drückte die TodeSwaffe zuerst gegen die eigene Mutter los und erschoß sich dann selbst. Beide Frauen sind todt.