Volltext Seite (XML)
Zweites Blatt. Tharandt. Achen, Mealehn und die Umgegenden. Imtsblalt für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrach zu Wilsdruff, sowie für das Agl. Forstrentamt zu Tharandt. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Btt. 30 Pf., durch die Post bezogen 1 Mk. 55 Pf Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnserüousprcis 10 Psg. pro dreigespaltene Corpuszeile. Druck und Vcuaa von Martin Berger m MtSdnch — Verantwortlich Mr die PedaNion Martin Berg r »me bn. Donnerstag, den 17. Dezember No. 14N 1886. Statistik der ^rbeitslostgkeit. Die Ergebnisse der Zählung der Arbeitslosen am 14. Juni und 2. Dezember 1895 liegen jetzt für das Reich in einem Ergänzungsheft zu den Vierteljahrsheften zur Statistik des deutschen Reichs vor. Bei beiden Zählungen waren gleichmäßig an jeden nicht dauernd erwerbsunfähigen - Arbeitnehmer die Fragen gerichtet worden: ») ob gegen-i wärtig in Arbeit (Stellung)? 6) wenn Nein, seit wieviel! Tagen außer Arbeit (Stellung)? c) ob außer Arbeit! (Stellung) wegen vorübergehender Arbeitsunfähigkeit. Man war sich bei dieser Fragestellung bewußt, daß man vielfach ungenaue Antworten erhalten würde und die Kontrole der Richtigkeit bei diesen das ganze Reich umfassenden Auf nahmen nur so weit werde vorgenommen werden können, als der Inhalt der Fragebogen selbst zu Zweifeln Anlaß gab. Andererseits war man sich klar darüber, daß man im Fragen nicht weiter gehen dürfe, schon mit Rücksicht auf den übrigen Inhalt der umfangreichen Haushaltungs liste. Die Erhebung der Arbeitslosen sollte ein Versuch sein mit dem Zwecke, dem so vielfach ausgesprochenen Wunsche nach amtlicher Erforschung des Umfangs der Arbeitslosigkeit zu entsprechen. — Welche Zahlen sind nnu herausgckommen? Am 14. Juni sind 299,352, ain 2. Dez. 771,005 Beschäftigungslose gezählt worden; am Stichtage des Winters wurden also etwas mehr als das Doppelte (257,16) wie am Stichtage des Sommers gezählt. Um diese Zahlen zu würdigen, muß vor allen Dingen in Be tracht gezogen werden, daß es sich zwar um Erwerbsfähige handelt — denn die dauernd Erwerbsunfähigen sollten und konnten natürlich hier nicht in Frage kommen —, daß aber in ihnen auch die wegen zeitweiliger Krankheit außer Arbeit Befindlichen inbegriffen sind. Diese letzteren scheiden aber aus, wenn es sich um eine Statistik der Arbeitslosig keit im sozialpolitischen Sinne handelt, und dieser Zweck wurde bei den beiden Zählungen selbstverständlich verfolgt. Was man bei der Statistik der Arbeitslosen herausbringen möchte, ist eigentlich dieses: Wie viel Arbeitsfähige und Arbeitswillige sind in Folge der wirthschaftlichen Konjunk turen arbeitslos? Dieser Aufgabe ist aber die Statistik, die sich aus allgemeine Zählungen stützt, nicht gewachsen; zu ihrer Lösung müßte jeder einzelne Fall von Sachver ständigen untersucht werden, und auch dann würden noch viele Zweifel bleiben. Die beiden in Rede stehenden Zählungen haben sich deshalb auch darauf beschränkt, die erwerbsfähigen Arbeitslosen in solche zn scheiden, welche durch Krankheit, und solche, die wegen anderer Gründe er werbslos waren, und daraus ergaben sich nun folgende Zahlen: Arbeitslose am 14. Juni 2. Dezember. 1895 ») wegen Krankheit 120,348 217,365 d) aus anderen Gründen 179,004 553,640 Die bei 6) verzeichnete Personenzahl bedeutet also die wirklich Erwerbslosen, während die bei a) verzeichnete solche Arbeitnehmer angiebt, die zwar zur Zählungszeit sich nichts durch Arbeit verdienen konnten, aber doch, dank unserer Arbeiterversicherung, wenigstens zum allergrößten Theil vor Noth bewahrt waren und eine ordentliche Ver pflegung genossen. Die zu 6) augeführten 179,004 bezw. 553,640 umfassen nun wieder zwei Kategorien von Arbeit nehmern, nämlich diejenigen, die nicht arbeiten wollen, und diejenigen, die ^keine Arbeitsgelegenheit trotz guten Willens finden. Wie stark der Antheil der ersten Kategorie sei, wird nian dahingestellt sein lassen müssen. Da aber bekanntlich der Mensch sich vom Thier außer durch die von Beaumarchias in der Hochzeit dts „Figaro" sehr präzis bezeichneten beiden Eigenschaften auch noch durch eine dritte, hier in Betracht kommende unterscheidet, nämlich daß er die Fähigkeit hat, trotz besserer Einsicht und Arbeitsgelegenheit zu faullenzen, so darf man die Zahl der freiwillig Arbeitslosen nicht zu gering anschlageu, und jedenfalls dürfen obige Zahlen als Maximalzahlen der Arbeitslosen gelten. Auf eine Anzahl von mehr als 16 Millionen Arbeitnehmern entfallen also 1,1 Prozent Arbeitsloser im Sommer, 3,4 Proz. im Winter. Wenn mau zu den obigen Erwägungen nun noch die anstellt, daß es eine Anzahl von Arbeitslosen immer aus dem Grunde geben muß, daß Austritte aus der Arbeit wegen Differenzen mit dem Arbeitgeber und Verlust der Arbeit wegen plötzlichen Stillstandes des Geschäfts, wegen Todes oder Zahlungsstockung des Arbeitgebers geschehen, so kann das eine Prozent Arbeitsloser, wie es die Sommerzählung zeigt, nicht als hoch bezeichnet werden. Aber freilich, die mehr als 3 Prozent im Winter (in absoluter Zahl über eine halbe Million) sind eine hohe Zahl. Um diese zu würdigen, müssen wir auf die Untersuchung der Arbeits losen nach dem Beruf eingehen, und wir entnehmen hier der Statistik folgende lehrreiche Zahlen: In den nachge- nannteu Berussgruppen waren Arbeitslose am 14. Juni 2. Dez. 1895 Laudwirthschaft und Gärtnerei 18,442 158,340 Industrie der Steine und Erden 3,058 20,615 Baugewerbe 19,408 145,121 Verkehrsgewerbe 4,163 11,603 Beherbergung und Erquickung 5,948 11,838 Während die Gesammtdifferenz dez Arbeitslosen an den beiden Stichtagen 374,636 beträgt, weisen diese fünf Gruppen zusammen eine Differenz von 296,498 zn Un gunsten des Winters auf, so daß für alle übrigen Berufe nur ein Mehr von 78,138 übrig bleibt. Die winterliche Arbeitslosigkeit in jenen fünf Gruppen — man denke bei der Industrie der Steine und Erden insbesondere an die Ziegelei, bei den Vcrkehrsgewerben an die Schifffahrt und Flößerei, bei Beherbergung und Erquickung an die Bäder und Sommerfrischen — beruht aber auf den unabänder lichen Naturgesetzen, welche jene Gewerbe un Winter zu treiben verhindern. Ob es einer besser eingerichteten Volks- wirthschaft gelingen würde, dieser Reservearmee von Arbeits kräften, die im Winter ruhen, uni im Sommer zu arbeiten, für das ganze Jahr gleichmäßige Arbeit zu beschaffen, bliebe zu beweisen. Die Räuber. Frei nach Schiller bearbeitet von Gustav Lange. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) „Ei du mein Gott, Aehnlichkeit babt Ihr in der alten häßlichen Vermummung gor nicht viel mit ihm, aber das ganze Wesen hat mich gleich von Anfang an meinen lieben Junker Karl erinnert, und ich konnte diesen Gedanken nicht mehr los werden, bis ich mir jetzt Gewißheit darüber verschafft habe — diese Narbe hier an Eurem Arm, die Ihr Euch als ganz kleiner Knabe bei einem Fall auf einen spitzen Stein zugezogen habt, ist zur Lerrätherin an Euch geworden. Begreift Ihr nun auch, warum ich Euch die Hand küssen wollte? Es war nur eine kleine List von mir, sie ist mir aber gelungen. Ach, wenn ich mir das hätte träumen lassen sollen!" Die Worte des alten treuen Dieners brachten Karl von Moor um den letzten Rest seiner Fassung, er konnte nicht länger das falsche Spiel demselben gegenüber fortsetzen. Die treue Liebe und der feste Glaube Daniells an die Reinheit seines Herzens rührte ihn fast zu Thränen, und noch ehe Daniel wußte, wie ihm geschah, hatte ihn der Junker in seine Arme geschlossen und drückte ihn an sein Herz. „Ja, Daniel, ich will's nicht länger mehr leugnen — ich bin Karl, der von den Todten wieder auferstanden istundheim- ich in sein väterliches Schloß Emkehr hält. Verrathe aber meinem Bruder nicht, wer hinter dem Grafen Brand steckt. Verstehst Du mich?" „I, wo werd' ich dies, aber es ist auch gar nicht nöthig, denn er wird Euch wohl schon erkannt haben," entgegnete Daniel. „Mein Bruder sollt- mich erkannt haben? — Du bist wohl nicht bei Sinnen, ich bin ihm doch gar nicht zu Gesicht gekommen, er hat sich doch von Anfang an verleugnen lassen und sich geweigert, mich zu empfangen?" fragte Karl von Moor erstaunt. „Da kenntJhr den gnädigen Herrn schlecht," sagte Daniel aber so leise, daß es der junge Mann kaum verstehen konnte, „der hat seine Augen überall, ihm bleibt nichts verborgen, und er traut auch keinem Menschen — doch weiter kann ich nichts sagen — soviel ist gewiß, er hat Euch erkannt, mein lieber Junker. Ach, es giebt recht garstige Menschen , schlechte Eltern, schlechte Kinder — und auch schlechte Brüder!" „Was soll diese letzte Andeutung Daniel? Willst Du damit sagen, daß mein Bruder mir feindlich gesinnt ist? Sprich, ! Du weißt mehr, als was Deine Zunge sagt — ist er vielleicht gar schuld, daß mich mein Vater verstoßen hat und alle Welt ! mich für lobt hält?" „Ich kann jetzt nichts sagen — die Zeit ist noch nicht ge- ! kommen," wich Daniel der direkten an ihn gestellten Frage aus, § denn er fürchtete, eS möchte ein großes Unheil geben, wenn er Alles ausplauderte. „Sie sollten nur manchmal hören, wie ihn das gnädige Fräulein abkanzelt, wenn er ihr alle Tage seinen Antrag wiederholt, denn er möchte sie gern zur gnädigen Frau machen, aber sie bleibt standhaft in ihrer Liebe zu Euch I" „So bin ich betrogen von ihm, den ich Bruder nennen muß — es ist mein Lebensglück, der Friede meiner Seele von ihm vernichtet worden — durch spitzbübische Künste sind wahr scheinlich meine Briefe von ihm unterdrückt worden. O, wie wird mir sitzt so klar vor Augen, welche Gedanken steigen in mir auf — so schlingt sich ein Band um zwei Brüder, das nur dazu sngethan, den Einen um Alles — Alles zu bringen — Hohn und Spott auf solch' ein brüderliches Band, auf Bruder liebe!" Es trat eine unheimliche Pause ein — tiefes, ernstes Schweigen — weder 'Karl von Moor, noch Daniel wagte ein Wort auszusprechen, denn ein solches konnte nur eine Anklage gegen Franz von Moor sein, der sicher schon jetzt im Stillen sich oben freute, wie Daniel seinen Auftrag ausführen werde. „Ach, wie so gerne würde ich noch ein Stündchen mit Dir mich unterhalten, Du müßtest mir erzählen, wie mein lieber guter Vater hinübergeschlummert ist und ob er in seinem letzten Augenblick auch meiner noch einmal gedacht hat," unterbrach Karl von Moor nach einer Weile das Schweigen. „Doch ich muß wieder fort, ich werde aber noch einmal wiederkommen — später — und es dann so Anrichten, daß wir dann ungestört ein Stündchen plaudern können." Noch ehe Daniel zur Erwiderung kam, erschien Kostnsky auf der Schwelle des Zimmers. „Die Pferde sind gesattelt, wir können abreisen und ich erlaube mir noch die Bemerkung, daß wir abreisen müssen, wenn wir vor Sonnenuntergang noch am Orte unserer Bestimmung sein wollen. Der Stand der Sonne ist schon ein recht tiefer!" „Gut, gut! Ich komme gleich — geh' hinunter zu den Pferden," sagte Karl von Moor. Wir reiten dann mit dem Winde um die Wette und holen sicher das Versäumte wieder nach!" Kostnsky entfernte sich wieder und auch Karl von Moor reichte Daniel zum Abschied die Hand. „Ich fliehe w eder aus diesen Mauern, denn wenn ich noch länger warie, so kann ich noch wüthend werden," sagte er. „Mag me n Bruder, der mich in'S Elend gestürzt hat, auch weiterhin die Früchte seiner Thaten in Ruhe genießen — ich will ihm den Genuß vorläufig nicht stören." „Möge unser allgütiger Gott Euch beschützen und schließlich auch wieder zu Eurem Rechte verhelfen," entgegnete Daniel und geleitete seinen Junker bis an die Thür. Ungeduldig scharrten die Rosse im Schloßhofe und wieher ten muthig, als Karl von Moor dle breite Freitreppe, welche zum Herrenhause emporführte, hinabschritt, und Kostnsky hatte Mühe, die Thiere im Zaume zu halten. Karl von Moor unter ließ es, noch einmal zurückzuschauen nach den Fenstern des Schlosses, denn er fürchtete, an irgend einem derselben vielleicht snnen Bruder den unrechtmäßigen Herrn des Schlaffes, und falschen Reichsgrafen, zu erblicken.' Ein Glück war es auch, daß er dies nicht that, sonst würde er aus dem Eckstübchen das wuthoerzerrte Gesicht Franz von Moor's erspäht haben, den das Scheitern seines schändlichen Planes in einen Zustand versetzt Hane, in welchem er am liebsten die ganze Menschheit und vor Allem Daniel, weil dieser seinen Befehl mißachtet hatte, umge bracht hätte. „Gedulde Dich noch zehn Minuten, mein lieber Kostnsky, ich will noch einen Moment dort hinter den Schloßhof gehen, es wartet meiner dort noch ein seliger Augenblick — dann sprengen wir unverzüglich davon!" Die Sicherheit, mit welcher der vermeintliche Graf von Brand den Weg nach dem Licblingsaufenthalt im herrlichen Garten hinter dem Schloßhof zu finden wußte, bestärkte den heimlichen Beobachter oben am Fenster, Franz von Moor, vollends in seiner Vermuthung und veranlaßte ihn zu dem Ausruf: „Verdammt, er ist es, da ist kein Zweifel mehr, und jetzt wird er der halsstarrigen Maid heimlich seine Aufwartung machen!"