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gut organisirten Staates. Die Darlehnskassen seien ein Mittel, den Mittelstand zu kräftigen und so zur Lösung der sozialen Frage bcizutragen. Diese Kassen sollen alle Klassen der landwirthschaftlichen Bevölkerung um fassen. Redner definirt die Darlehnskassen als eine Genossenschaft, be gründet auf Solidarhaft mit unbeschränkter Haftpflicht. Die Schrecken der Solidarhaft existirten hier nicht, wenn statuten- gesetz- und instruk tionsgemäß verfahren werde. Sein Beweis hierfür stützt sich auf die Er fahrung. Die Raiffeisenschen Darlehnskasfen bestehen seit 40 Jahren und sind heute nicht blos über das gesammte deutsche Reich verbreitet, sondern auch über Italien, Oesterreich-Ungarn, Schweiz und Frankreich. Es existiren heute 3500 solcher Kassen in Europa, wovon 1200 auf Deutschland entfallen. In diesen 40 Jahren hat von den sämmtlichen Vereinen nicht einer die Zahlung eingestellt und nicht ein Mitglied ist durch die Solidarhaft geschädigt worden. Sein theoretischer Beweis gründet sich daraus, daß durch Aus schluß jeder Gewinn- und Selbstsucht ein Schaden nicht entstehen kann. Vorstand. und Verwaltungsrath üben ihre Aemter als Ehrenämter aus. Das Gefühl, ihrer Christenpflicht genügt zu haben, ist ihnen mehr werth, al- die wenigen Mark, die sie am Schlüsse des Jahres erhalten. Zudem ist der ganze Verwaltungsapparat ein sehr einfacher. Börsengeschäfte, die bei ähnlichen Kassen oft zum Bruch geführt haben, sind von vornherein hier ausgeschlossen. Der einzige besoldete Beamte ist der Rechner oder Geschäftsführer. Dieser ist der einfache Beamte des Vereins und wird mit festem Gehalt bezahlt. Die Mitglieder verzichten von vornherein auf pe kuniären Gewinn, da sie in den Darlehnskassen nur eine Hilfsanstalt er blicken. Geschäftsantheile werden nur in der Höhe von 15 Mk. ausge- qeben, doch darf die Dividende nie höher sein als der Zinsfuß, der für Anleihen bezahlt wird. Da indeß nach dem neuen Genossenschaftsgesetz ein Gewinn vertheilt werden muß, so kommt außer der Dividende ein kleiner Betrag zur Vertheilung. Von dem jährlichen Bruttoüberschuß fließen zwei Drittel in den Stiftungsfond. Von dem Restdrittel werden 20"/« dem Rcservefond überwiesen und der Rest auf die einzelnen Mit glieder nach Abzug der Dividende vertheilt. Dieser Stiftungsfond wächst nur langsam an. Beispielsweise erreichte er in der Rhcinprovinz bei einer solchen Kasse erst nach 30 Jahren die Höhe von 30000 M. Hat dieser Stiftungsfond die Höhe des Betriebskapitals erreicht, so soll das jährlich verbleibende Kapital zu gemeinnützigen Zwecken (Wege- Brücken bau, Drainirung, Zusammenkoppelung) Verwendung finden. Ein Haupt- erforderniß bei Errichtung solcher Kassen ist die Beschränkung auf einen möglichst kleinen Bezirk. Fünf Vorsteher und neun Verwaltungsraths - Mitglieder stehen an der Spitze des Vereins. Sie kontrolliren dieCredit- fäbigkeit und prüfen die Creditwürdigkeit, auf welch' letztere das größte Gewicht gelegt wird. Das Geld für dergleichen Kassen wird aufgebracht durch Geschäftsantheile und durch geliehene Spargelder. Vermöge seiner Solidarhaft repräsentirt er außerdem Millionen. Das Geld wird nur auf Schuldscheine ausgegeben. Jede Art von Wechsel ist von vornherein ausgeschlossen, da in ihr etwas Unmoralisches liege. Das Geld kann bis zu 20 Jahrm hinaus geliehen werden. Der Landwirth kann sich den Termin der Rückzahlung selbst setzen, da lange Fristen und die Leich tigkeit zur Rückzahlung für die landwirthschaftlichen Verhältnisse durchaus nöthig seien. Nach § 2 der Statuten kann der Verein auch Dreschmaschinen und landwirthsckaftliche Geräthe für allgemeine Zwecke beschaffen. Der Verein kann auch Konsumverein und Verkaufsgenossenschaft sein und den gemeinschaftlichen Ankauf und V wkauf besorgen. Die Verwaltung ist eine sehr einfache. Statt 3 —4 eingetragener Genossenschaften giebt es alsdann nur eine, wovon Produzenten und Konsumenten Vortheile haben. Im Jahre 1876 ward der Generalanwaltschaftsverband ländlicher Genossen schaften für Deutschland mit dem Sitze Neuwied ins Leben gerufen. Sein Zweck ist, die gemeinsamen Interessen aller Mitglieder nach außen wie innen zu vertreten und die Vereine durch eigens angestellte Revisoren zu revidiren. Der Revisor nimmt nicht blos Einsicht von den Büchern, sondern kontrollirt auch jedes einzelne Verwaltungsorgan. Zur Zeit werden von dem Verbände Kohlen, Düngmittel, Kraftfuttermittel und land-, nicht hauswirthschaftliche Bedarfsartikel eingekauft, wodurch bei Baarzahlung ein günstiger Preis erzielt wird. Am Schluffe seines Vortrages sprach der Redner den Wunsch aus, seine ausgesprochenen Ansichten möchten weiter ausgesponnen werden und in Sachsen zur Errichtung von Darlehnskassen beitragen. Nachdem dem Herrn Vortragenden der Dank der Versammlung geworden war, eröffnete Herr Dr. Platzmann die Debatte, ausführend, daß er in drei Monaten an 25 Orten über in Frage stehendes Thema gesprochen habe und daß im Laufe des Winters vier solcher Kassen ins Leben gerufen werden seien. Referent nahm hiervon mit Freuden Kennt- niß und erwähnte, daß vor einigen Tagen durch seine und des Herrn Oeconomierath v. Langsdorfs Initiative in Tauscha ein Darlehnskassen- verein mit 22 Mitgliedern gegründet worden sei. Herr Oeconomierath v. Langsdorfs führte aus, daß dergleichen Vereine wohl entstanden, indessen noch nicht eingetragen seien. Eine große Anregung habe von j her die Oeconomische Gesellschaft gegeben. Bei jedem neuen anregenden Vortrag sei der Wunsch zur Errichtung solcher Vereine ein lebhafter geworden. Da« lebendig- Beispiel an Ort und Stelle fördere die Angelegenheit. In einer Nachmittags abgehaltenen zweiten Sitzung, in welcher Herr Raiffeisen nur vor Mitgliedern der Oeconomischen Gesellschaft sprach, sollten die Satzungen zur Errichtung einer Darlehnskaffe, die bereits schon mehrfach berathen sind, ein r näheren Besprechung unterzogen werden. Für das Königreich Sachsen soll alsdann ein Unterverband von den bestehenden ländlichen Genossenschaften ins Leben gerufen werden. Die Geschäftsstelle für Dresden würde der Verein zur Wahrung landwirthschaftlicherHandels- interessen bilden. Gleichzeitig sollten 5 Sonderausschüsse mit Obmännern an der Spitze von der Oeconomischen Gesellschaft gebildet und weitere diesbezügliche Mittheilungen gemacht werden. Auch der landwirthsch a ftliche Verein zu Wilsdruff hat Stellung zu den Raiffeisenschen Darlehnskassen genommen und dem für dfesen Verein stets in höchstem Grade opferbereiten Vorsitzenden, Herrn Rittergutspachter Andrä-Limbach, gelang es, obgedachten Henn auch für seinen Verein zu einem Vortrage über dasselbe Thema zu gewinnen. — Dieser Vortrag hat am 20. v. M. im Adlersaale allhier vor zahl reicher Hörerschaft stattgefundcn, und es dürfte die Zeit nicht so fern liegen wo sich infolge dessen auch in unserer ländlichen Gegend solche Darlehns- kassenvereine bilden werden, umsomehr, als diese Kassen ihren Mitgliedern die Anschaffung von Dreschmaschinen, Futter-, Düngemitteln, Nutzvieh, Saatfrüchlen u. s. w. vermitteln und so zugleich als Consum- und Ver- kaufSgmossenschaften wirken. — Zittau. Im nahen Kamnitz sind in Folge Denunziation beim Gürtlermeister Wünsche 8000 falsche Fünfmarkstücke vergraben gefunden worden. In verschiedenen nordböhmischcn Ortschaften wurden zahlreiche Personen bei Ausgabe der Fälschungen verhaftet. — Ein schwerer Unglückssall ereignete sich am 29. Oktober in der Eisengießerei des Riesaer Eisenwerkes. Ein gegen 30 Centner schwerer Eifenblock, welcher in den Ofen eingesetzt werden sollte, wobei eine Anzahl Leute beschäftigt waren, fiel zurück und traf den an der Arbeit mitbe- schäftigten Lorenz aus Gröba so unglücklich aus den Unterleib, daß der Bedauernswerthe auf der Stelle getödtet wurde. — Der orkanische Sturm, welcher in voriger Woche im Erzge birge und im Voigtlande hauste, hat allenthalben großen Schaden ange richtet. besonders wurden die Wälder hart mitgenommen. Die Straß« zwischen Eibenstock uud Schönheide war stundenlang ungangbar, da der Sturm in der Nähe des heitern Blickes eine große Menge der stärksten Bäume entwurzelt und quer über die Straße geworfen hatte. In Schöneck wurde die Kirchthurmspitze abgehoben und auf den Marktplatz geschleudert, wobei das Kirchendach zertrümmert wurde. — Der Prof. Dr. Biedermann hat in der gemeinnützigen Gesell- schäft zu Leipzig einen Vortrag gehalten, der sich namentlich mit den sächsischen Parteiverhältnisfen befaßte. Bezüglich der Scheidung, die sich innerhalb der freisinnigen Partei Sachsens vollzieht, bemerkt der Redner dem „Leipz. Tagebl." zufolge: „Bei dieser Gelegenheit will ich hier er wähnen, daß die Scheidung von denjenigen Anhängern des sogenannten Deutschfreisinns in Sachsen, die sich noch zu Richter und zur Berliner Parteileitung halten und von denen die Herren Schreck, Streit rc. sich zunächst absonderten, daß diese Scheidung wahrscheinlich, ich hoffe in nicht ferner Zeit eine durchgreifende sein wird. Es verlautete schon vor einiger Zeit in den öffentlichen Blättern, daß sich eine sogenannte national ge sinnte Fortschrittspartei bilden wolle. Zu ihr sollen alle Diejenigen ge hören, die in inneren Fragen fortschrittlich gesinnt sind, also weiter links j stehen als wir, die aber in den großen nationalen Fragen, z. B. wenn j es sich um die Kräftigung des Reiches und der Sozialpolitik handelt, mit ! uns gehen würden. Das hat im Lager Les Deutschfreisinns doch einen großen Schrecken hervorgebracht, und man hat die unbequeme Frage hin- weggcleugnet und gesagt: Das ist ja dummes Zeug. Nein, meine Herren, so ist es nicht. Ich glaube, es sind Vorbereitungen getroffen, um in nächster Zeit eine solche Partei zu bilden, und es steht zu hoffen, daß sie zu Stande kommen werde. Es würde diese Partei, ich möchte sagen, ein drittes Glied in unsereuz Kartell sein neben den Konservativen und Na tionalliberalen, es würde diese nationale Fortschrittspartei in allen nationalen Fragen mit uns gehen." — Das „Chemnitzer Tagebl." schreibt: Die Streikbewegung in den Wirkwaarenfabriken unserer Stadt und der Umgegend dauert zum Theil noch fort, ja es hat den Anschein, als sollte sie in der nächsten Zeit noch eine weitere Ausdehnung gewinnen. Man wird zugeben können, daß ein Theil der Arbeiter und Arbeiterinnen iu dieser Branche in der That nur gering bezahlt sind und solchen wären höhere Löhne wohl zu gönnen. Ob diese aber in jedem Falle durch einen Streik zu erreichen sind, ob überhaupt dieser das rechte Mittel ist, auf die Dauer eine Besse rung der wirthschaftlichen Lage der in der Wirkindustrie beschäftigten Ar beiter herbeizuführen, dürfte mindestens sehr zweifelhaft sein. Jedenfalls möchten wir den Arbeitern in ihrem eigensten Interesse dringend rathen, den Bogen nicht zu straff zu spannen. Einer Zeit, in der die Dinge für diese Industrie vielleicht noch leidlich günstig liegen, könnte leicht eine andere folgen, in der den Arbeitgebern ein Streik vielleicht ganz erwünscht käme, weil sie es dann selber nicht in ihrem Interesse finden, weiter ar beiten zu lassen. Wir müssen aber Alle wünschen, daß dies nicht geschieht, und den Fabrikanten, wie bisher, auch dann geneigt bleiben, ihre Arbeiter zu beschäftigen, wenn das Geschäft einmal nicht geht oder nichts verdient wird. Man sagt, ein Theil der Arbeitgeber sei schon jetzt nahezu ent schlossen gewesen, neue Forderungen der Arbeiter selber mit einer Arbeits einstellung zu beantworten und die Fabrik zu schließen. Um so mehr müssen wir rathen, die Dinge nicht auf die Spitze zu treiben und dadurch un fehlbaren Schaden herbeizuführen. — Nach eingeholter Erlaubniß hat am Mittwoch Nachmittag der bei dem Schornsteinfegcrmeister Müller in Freiberg arbeitende Schornstein feger Kubasch die hohe Esse der fiskalischm Halsbrückener Hütten an den außen angebrachten Steigeisen in etwa 13 Minuten erklommen und sich oben kerzengrade aufgestellt. Der Abstieg nahm 9 Minuten in Anspruch. — Netzschkau. Ein grausiger Fund ist am Reformationstage Vor mittags auf Brockauer Flur, und zwar zwischen Reuth und Brockau, ge macht worden. Dort lag ein fremder Mann erdrosselt, lang ausgestreckt und mit dem Gesicht nach unten gewendet, am Boden. Der Entseelte hatte einen Gurt, wie von Hosenträgern herrührend, um den Hals gelegt und mit dem Stocke zusammengedreht. Der Mann war fein gekleidet und trug einen goldenen Ring mit der Gravur ll. bei sich. In den Taschen fanden sich 9 M. 64 Pf. in Baarem vor und ein Schlüsselbund mit 7 Schlüsseln. Die Leiche ist zur Zeit noch nicht recognoscirt, doch soll der Verlebte aus Greiz stammen, da dort ein Mann seit 14 Tagen vermißt wird und auch der Hut des Todten inwendig den Stempel einer Greizer Firma trug. - Es wurde sofort ein Sarg beschafft und die Leiche mittels Wagens nach der Leichenhalle des Elsterberger Friedhofs übergeführt. — In Chemnitz verunglückte auf der Sonnenstraße ein Geschirrführer dadurch, daß er beim Einfahren mit einem mit zwei Pferden bespannten und mit Scheitholz beladenen Wagen in ein Grundstück im Thorweg von dem Wagen direkt gegen die Wand gedrückt wurde, daß er nach wenigen Minuten seinen Geist aufgab. — Weiter ereignete sich Abends fast zur gleichen Zeit noch ein zweiter Unglücksfall, indem in einem Hause auf der Poststraße ein sechs Jahre altes Kind aus einem Fenster der vierten Etage hinab in den Hof stürzte. Das Kind war sofort eine Leiche. Vermischtes. Eine tragische Begebenheit wird aus Didsvury unweit Manchester gemeldet. In der Union-Bank daselbst erschien kürzlich ein Unbekannter und wünschte 50 oder 100 Pfd. Sterl, zu deponiren. Der Geschäftsführer wies ihn an den Kassirer, worauf er einen Revolver zog und den Geschäfts führer in die Brust schoß. Dann feuerte er einen zweiten Schuß auf den Kassirer ab, der indeß nicht traf. Hierauf sprang er über den Ladentisch und entnahm der Kasse 78 Pfd. Sterl, in Gold, womit er die Flucht ergriff. Er wurde verfolgt und als er sich umringt sah, jagte er sich eine Kugel durch den Kopf und stürzte todt nieder. Das gestohlene Geld wurde an seiner Person vorgefunden. Der Geschäftsführer ist schwer ver wundet, aber man hofft ihn am Leben zu erhalten. In dem Selbstmörder wurde ein gewisser James Dwyer erkannt. * Ein riesiger Haifisch wurde dieser Tage bei Toulon gefangen. Derselbe war 4 ru lang, maß im Umfange 4,05 na und wog an 1200 KZ. Die vorstehende Zähnereihe maß 50 cm. In dem Leibe des Un gethüms fand man die Ueberreste eines Menschen, der noch nickt lange verschlungen worden war, aber schon geraume Zeit im Wasser geweilt haben mußte. Was davon ü'rig blieb, wurde auf einem Friedhöfe der Stadt beigesetzt. Den Fisch zerlegten die Matrosen an Ort und Stelle und schafften ihn dann aus den Markt. Die Eingeweide und der Kopf zusammer wogen 100 KZ. Ball-Seidenstoffe von 93 Pfge. bis 14.80 p. Met. — glatt, gestreift u. gemustert — Vers, robsn- und stückweise Porto-und zollfrei das Fabrik-Depot G. Henneberg (K. u. K. Hoflief.) Zürich. Muster umgehend. Briefe kosten 20 Pf. Porto.