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NchMMckff Freitag, de» 22. November 1888. 2. Beilage zu No. 93. Vaterländisches. Wilsdruff. Vergangenen Sonntag bot sich Gelegenheit, wieder einmal^: die hiesig« Stadtkapelle zu hören und auf ihre Leistungsfähigkeit hin zu prüfen. Leider war, wohl auch durch die Ungunst des Tages, der Saal des Hotels zum Adler sehr schwach besucht, und mochte es störend sein, vor so vielen leeren Tischen und Stühlen spielen zu müssen. Unter den 10 Nummern des Zettels mag als wertvollste und gediegendste die k-äur Ouvertüre v. Kalliwoda hervorgehobcn werden. Dieselbe bot für die jungen Kräfte ziemliche Schwierigkeiten, welche jedoch mit Leichtigkeit überwunden wurden. Strauß, Hayd'n, Resch und Verdi hatten den Bei fall aus) ihrer Seite. Die Polka für Trompete von Reichert wurde recht sauber gespielt und wirkte sehr zierlich und nett. Man zollte auch mit vollem Rechte dem Vortragenden allgemeinen Beifall. Unter den Nummern konnte man sich nur wenig für Lumbys's „Traum einer jungen Mutter" und ^Goldschmidts Potpourri „Kunstsinn und Liebe" erwärmen. Beide Musikstücke haben auch keinen Anspruch auf Gediegenheit und tiefen In halt''zu machen, wurden aber sehr gut gespielt. Nach allem Gehörten hat man aber doch, trotzdem daß 6 Mann der Kapelle fehlten, abermals di« Ueberzeugung gewonnen, daß unser Herr Musikdirektor Jahn selbst hoch- gestepten Forderungen gerecht wird und bei seiner beneidenswerthen Be scheidenheit sich wieder mancher Herzen erworben hat. Möge man seinen Bemühungen stets die rechte Anerkennung zollen, daß der klingende Er folg «in anderer sei, als er in diesem Konzerte war. Durch die Wärme im Saale hatten sich die Instrumente gezogen und waren daher an einigen Stellen Unreinheiten zu merken, welche aber den Spielern nicht zur Last zu legen sind. Für folgende Konzerte möchte sich empfehlen, während der Schlußnummer (und sei dieselbe Zugabe) nickt schon den Saal zu räumen,' da durch das Geräusch der Eindruck gestört wird. t?. »— Wir verfehlen nicht, unsere geehrten Leser auf den heute Freitag Abend im Hotel z. g. Löwen stattfindenden Vortrag des Herrn O. Küchenmeister aufmerksam zu machen. Herr Küchenmeister ist dem hiesigen Publikum bereits durch seine früher hier arrangirten Concerte eine beliebte Persönlichkeit geworden, was wohl zur Folge haben dürste, daß man ihn auch heute auf diesem Gebiete kennen lernen und seinen Vortrag über „Norwegen's Land und Leute" hören will. Zur Empfehlung für Herrn Küchenmeister schließen wir hier eine Kritik des „Kissinger Bade blattes an, worin es heißt: „Vor einem gewählten Auditorium sprach gestern Herr O. Küchenmeister im Knrsaal über Norwegen's Land und Leute. Der Vortragende verfügt über große Redegewandtheit, wobei ihm noch sein schönes, sonores Organ zu Gute kommt. Er versteht es seine Zuhörer unwiderstehlich mit sich fortzureißen, wohin er sie haben will. Mitunter erscheint seine Prosa geradezu Poesie zu werden, so hoch schlagen die Flammen der Begeisterung in dem Vortragenden. Eine scharfe Be leuchtungsgabe documcntirt sich deutlich und läßt den Vortrag nicht nur als genußreichen, sondern ebenso auch als lehrreichen betrachten." — Die sozialdemokratischen Abgeordneten haben folgenden Antrag in der gweiten sächsischen Kammer eingebracht: Die Kammer wolle die Staatöregierung ersuchen, noch diesem Landtage einen Gesetzentwurf vor- zulegrn, durch welchen das Gesetz über das Volksschulwesen vom 26. April 1873, daß für alle auf auf Grund von 8 3 des erwähnten Gesetzes er richteten Schulen u) die Erhebung von Schulgeld, b) die Erhebung be sonderer Schulanlagen stattzufinden hat, aufgehoben werde, dagegen angc- ordnet wird, daß die Aufbringung der Unterhaltungskosten für die Volks schulen, soweit diese nicht aus vorhandenem Vermögen oder Stiftungssonds bestritten werden, durch Besteuerung der Gemeindemitglieder nach Maßgabe des Einkommensteuergesetzes vom 2. Juli 1878 stattzufinden hat; daß der Staat die Verpflichtung übernimmt, den Schulgemeinden zur Unterhal tung der Volksschulen einen jährlichen Beitrag von zehn Millionen Mark aus der Staatskasse dergestalt zu überweisen, daß dieser Beitrag, soweit er nicht für Pensionen und Unterstützungen an Lehrer und an Pensionen und Unterstützungen an Hinterlassene von Lehrern oder zu Deckung der Beiträge der ständigen Lehrer an den Volksschulen und an den höheren Schulanstalten zur Allgemeinen Lehrer-Wittwen- und Waisenkasse, sowie zur Allgemeinen Lehrerpenstonskasse Verwendung findet, nach der Kopfzahl der schulpflichtigen Kinder an die einzelnen Schulgemeinden vcrtheilt wird; daß schießlich in den Volksschulen einheitliche Lehrbücher für das ganze Land eingeführt, deren Auswahl eine alljährlich stattfindende Conferenz der Schulinspektoren vorzunehmcn hat, und daß die Lehrmittel an die Schulen unentgeltlich verabfolgt werden. — Dresden, 19. November. Ihre Majestäten der König und die Königin von Sachsen werden bei jedem Besuch in Sibyllenort von der gesammten Bevölkerung mit Jubel empfangen, haben doch beide Ma jestäten rasch die Herzen von Alt und Jung gewonnen. Als Ihre Ma- lestätrn mit den Königl. Hoheiten Prinz Georg und Prinzessin Mathilde Freitag Abend kurz nach 6 Uhr ankamen, hatten sich außer den Verwaltern und Beamten Sibyllenorts eine große Zahl Schulkinder eingefunden, welche mit lauten Zurufen und Tüchcrschwenkcn die hohen Herrschaften grüßten. Ihre K. K. Hoheiten Erzherzog Otto und Erzherzogin Josopha, welche vorher «intreffen sollten, waren durch einen Zwischenfall in Bres lau aufgehalten worden und fuhren kurz nach 6 Uhr vor. Um 7 Uhr sand große Tafel und um V»10 Uhr Soirse statt. Andern Tags, am Sonnabend, begannen die Fasanenjagden, an welchen Se. Maj. der König, Se. Königl. Hoheit Prinz Georg und Se. K. K. Hoheit Erzherzog Otto, sowie mehrere Cavaliere und die Förster der Reviere theilnahmen. Gegen 11 Uhr fuhren auch Ihre Majestät die Königin, Ihre K. K. Hoheit Erzherzogin Josepha, sowie Ihre Hoheit Prinzessin Mathilde mit vier Damen zum Frühstück in den Wald. Um 6 Uhr fand gemeinschaftliche Tafel und um 9 Uhr Soirse statt. Ihre Majestät besuchte Schulen und Wohnungen und vertheilte an Kinder und arme Bewohner abermals Ge schenke aller Art, besonders wärmere Kleidungsstücke, welche vor der Ab reise nach Sibyllenort in Dresden theils fertig gekauft, theils aber auch unter Anleitung Ihrer Majestät erst angefertigt worden sind. Den Sonn tag verbrachten die hohen Herrschaften in aller Stille, während Montag di« Jagdm fortgesetzt wurden. Da- Wetter ist durchweg prächtig, nur kalt, das Thermometer zeigt fast immer auf 0 und — 2 Grad, und der starke Reif ruft jeden Morgen den Eindruck einer Winterlandschast hervor. Dresden, 18. November. „Das „Dresdner Journal" schreibt: Auf Wunsch des Herrn Präsidenten der Oberrechnungskammer v. Schönberg bringen wir zu Kenntniß, daß die von einigen hiesigen Blättern über seine Ernennung zum Generaldirector der Königlichen musikalischen Capelle und des Hoftheaters gebrachte Nachricht jeder thatsächlichen Begründung entbehrt. — Am 19. November sah man in Dresden eine große Anzahl der versckiedensten Feuerwehr-Uniformen Sachsens und dabei außerordentlich viele Commandirende der verschiedenen Corps. Es fand auf dem Trini- tatisfriedhofe die feierliche Enthüllung und Weihe des von den 560 Feuer wehren Sachsens ihrem ehemaligen Vorsitzenden, Branddirector Ritz-DreS- dcn ('s 19. Nov. 1887), durch Sammelgelder (ca. 4000 Mk.) gestifteten Denkmals statt. Es sanden sich zu dem festlichen Acte ein die 9 Mit glieder des Landesausschusses sächs. Feuerwehren, die Abgeordneten der 98 sächsischen Bezirksverbände und vieler einzelner Wehren, insbesondere je 3 Abgeordnete der 29 Vereine, welche zum Bezirk Dresden und Umgegend ge hören, und dessen vollzähliger Ausschuß, die städtische Berufsfeuerwehr mit ihrem Direktor, Brandmeister und der dienstfreien Corporalschaft (28 Mann stark.) Die Ansprache zur Enthüllung hielt Vorsitzender Bergmann, di« Weihrede sprach Sup. P. Dr. Dibelius. Am Denkmal legten Ehrenkränze nieder: Der Landesverband durch Bergmann, der Bezirksverband Dresden durch Oeser, die Berufsfeuerwehr Dresden durch Director Thomas und die Stadt Dresden durch Stadtrath Teucher. Das Denkmal ist über 2 Meter hoch. Der Denkstein trägt Widmung und Namen des Gefeierten. Dessen Bronzebüste (90 Centimeter hoch) in doppelter Lebensgröße steht auf dem Scheitel des Steines, zu Füßen befinden sich Feuerwehr-Embleme in Bronzeguß. Die Modellirungen führten Bildhauer Professor Dr. Schilling, den Erzguß und dessen Ciselirung die Erzgießerei von Pirner und Franz in Dresden aus. — DieDresdnerBäckermeisterhabenin ihrer jüngsten JnnungS- versammlung Beschlüsse gefaßt, welche die Haushaltungen sehr nahe angehm. Es wird künftig das 3-Pfennig-Gebäck als „Normalgebäck" festgestellt werden; also wird man nicht mehr 2 Brodchen für 5 Pfennige kaufen können, sondern man muß 6 Pfennige dafür anlegen. Die Zugabe ist gänzlich abgeschafft, und das ist kein Fehler, denn alle Zugaben sind vom geschäftlichen, wie vom moralischen Standpunkt aus für verwerflich zu be zeichnen.' Ferner soll eine Metze Stollen nicht mehr unter 1 M. Backgeld gebacken werden. — Wegen Brandstiftung wurde dieser Tage von dem Königl. Schwur gericht Dresden nach einer sehr umfänglichen Beweisaufnahme der 21 Jahre alte Handarbeiter Ernst Richard Müller aus Naundorf bei Großen hain zu 9 Jahren Zuchthaus und 10 Jahren Ehrenrechtsvcrlust verur- theilt. Der Verbrecher hatte in der Nacht zum 6. September die Scheune des Gutsbesitzers Lehmann in Naundorf ohne die geringste Veranlassung angezündet und es brannten infolgedessen noch das Wohnhaus Lehmann's, sowie die Scheunen zweier benachbarter Gutsbesitzer völlig nieder. Der Gesammtschaden bezifferte sich auf ca. 20000 M. und bei dem Brande, der sämmtliches Mobiliar, sowie die Erntevorräthe und den größten Theil des Viehbestandes verzehrte, wurde der jetzt noch an den Brandwunden darniederliegende Abbrändler Lehmann schwer verletzt. — Freiberg. Ein Unfall im Bahnbetriebe, der leider ein Menschen opfer forderte, ereignete sich am 17. November zwischen hier und Mulden hütten. Der Schaffner 1. Kl. Nauschütz ans Dresden, welcher dienstlich bei dem 5 Uhr 33 Min. Nachmittags nach Dresden abgehenden Personen zuge beschäftigt war, schlug beim Durchfahren der unweit des „Silber- hofeS" gelegenen Ueberbrückung für die Linie Freiberg-Halsbrücke mit dem Kopfe an das aufgestellte Holzgerüst, stürzte vom Trittbrett herab und zog sich einen Schädelbruch an der linken Kopfseite zu. Der Schwerver letzte wurde sofort in das hiesige Krankenhaus überführt, woselbst er, ohne das Bewußtsein wieder erlangt zu haben, am Vormittag des 18. November verschieden ist. Nauschütz hinterläßt eine Frau und 5 kleine Kinder. — Eine aus 6 Schulknaben bestehende Spitzbubenbande ist jetzt in Oelsnitz entdeckt worden. Dem dortigen Uhrmacher Töpfer wurden vor 8 Tagen 5 goldene Damenuhren im Werthe von etwa 200 Mark aus dem Schaufenster entwendet. Am Donnerstag wurden die jungen Diebe erst durch einen Zufall entdeckt. Dieselben hatten die etwas kleinen Uhren mittelst eines Hakens durch die im Ladenfenster befindlichen Luft löcher gezogen. — Am vergangmen Donnerstag Nachmittag gegen 4 Uhr hat sich im Bahnhof Eibenstock ein entsetzliches Ereigniß zugetragen. Eine Tenderlokomotive war vom Zug weg an das Wasserhaus gefahren worden, um Wasser zu nehmen. Beim Zurückfahren der Maschine an den Per- soncnzug mochte der Feuermann Jahn aus Chemnitz, oben auf der Ma schine stehend, an der am Wasserkrahn angebrachten Kette mit dm Kleidern hängen geblieben sein. Der Krahn, welcher schon in seine vorgeschrieben« Lage gebracht worden war, wurde dadurch wieder nach der Maschine herum gedreht und das Verhängniß wollte, daß Jahn zwischen den Krahn und die Ueberdachung der Maschine gerieth, wodurch ihm 4 Rippen gebrochen und der Brustkasten eingedrückt wurden. Jahn war sofort eine Leiche. Der Verunglückte hatte die Wittwe seines früher bei einem Grubenunglück in einem Kohlenbergwerke zu Lugau mit umgckommenen Bruders geheirathet, er hinterläßt jetzt eine hochschwangere Frau und 8 lebende Kinder in der ärmlichsten Lage. Die Familie lebt in Chemnitz. — Seit Freitag haben in Meerane etwa 300 Arbeiter in d«r Webfabrik der Firma Straff u. Sohn die Arbeit eingestellt. In einer Versammlung wurden nachstehende Forderungen verlangt: 1) soll besseres Material als zeither beschafft, 2) 25 Proz. Lohnzuschlag gewährt, 3) dm Frauen gestattet werden, bereits halb 12 Uhr, nicht mehr wie zeither 12 Uhr Mittags, die Arbeitssäle zu verlassen, 4) soll an jedem Sonnabend Nachmittag die früher eingeführt gewesene Vesperpause stattfinden, 5) sollen die Arbeitslöhne auf die Musterzettel eingeschrieben werden, 6) soll auf die schmalen Waaren, welche auf breiten Stühlen gefertigt werden, ein Lohnzuschlag gewährt «erden, und 7) sollen die Gemaßregelten wieder in