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wurde das gesammte Gepäck in ihr Zimmer geschafft, bis auf drei Hut schachteln, welche sie am sichersten vor dem Zerdrücktwerden in der Spei sekammer an zwei Schinkenhaken aufhängen zu können erklärte und wäh rend ich dann vor Schweiß triefte und meine Frau mit dem Dienstmädchen an das nachträgliche Aufräumen des in allen Stuben hervorgezauberten Chaos ging, legte sich Tante Lina im Wohnzimmer auf das Sopha und bekam einen Anfall, wobei sie mich ihr beizustehen bat. — Ein Anfall war bei Tante Lina nichts Bestimmtes, sondern etwas ungemein Wechselvolles. Es gab nicht viele Capitel der Pathologie, welche nicht schon einige ihrer Paragraphen zu Anfällen für Tante Lina hergc- geben hatten. Heute war es ein Schluckauf. Irgend welcher unselige Zugwind im Eisenbahnwaggon hatte ihr denselben zugezogen und sie lag auf dem Sopha und schluckte. Nicht gerade, daß der Schluckauf sehr stark gewesen wäre — er war im Gegentheil nur ganz schwach. Aber sie erklärte, es sei Gefahr vorhanden, daß er stärker werde und es sei ein regelrechter „Anfall." Da sie versicherte, sich den Magen »erkältet zu haben, so mußte ich ihr das Perlkissen vom Salonsopha auf den Magen zu legen geben, weil dessen Plüschrückseite am Besten wärme; darüber deckte sie ihr wollenes Morgentuch, das ihr meine Frau aus dem einen Koffer hcraus- suchen mußte und dann bat sie mich, zu ihrer Schwägerin Ulrike zu gehen und diese zu benachrichtigen, daß sie hier sei, da sie dieselbe möchlichst bald sprechen wolle. Ein Bote oder ein Brief hätt's auch gethan. Aber ich ging lieber selber, — der Leser wird diese Galanterie begreifen! Ich ging gern. Man muß gefällig sein, man muß ... nun, kurz und gut, ich war froh, daß ich wegkam! Als ich meine Bestellung bei Tante Ulrike hastig ausgerichtet, spielte ich mit meinem Freunde Norden eine Partie Billard. Im Cafe „Er holung" traf ich ihn. — Schöne Leserin! Halten Sie die Ohren zu, indem ich dies Bekenntniß ablege! Du aber, lieber Leser, wirst mich ver stehen, wenn ich Dir sage: diese Karambolage war eine Naturnothwendig keit! Es giebt im Eheleben Augenblicke, wo man dem Billard näher ist als sonst und eine Stunde frei hat an dem Tuche! — Wer sich frei von Sünde fühlt, nucfe den ersten Ball auf mich! Ja, ich vernachlässigte meine Frau, vernachlässigte Tante Lina und spielte Carambolage! Norden war mein einziger Freund, mein Haus freund, der auch mit Laura von Jugend auf bekannt war und der im Begriffe stand, mir in die reizenden Fesseln des sammetnen Ehejoches zu folgen, denn er hatte das Jawort der jüngsten Tochter des Geheimraths Brausig erhalten und in wenigen Wochen, wo das Trauerhalbjahr um einen reichen Onkel um war, würde, das wußte man, die jetzt noch nicht officielle Verlobung stattfinden. Dr. Norden war Geschichtsforscher, ein äußerst liebenswürdiger Mensch, ziemlich leichtlebig, was Laura ihm sehr entfremdete, aber mir durch seine Geistesrichtung sehr sypathisch und spielte samos Billard. Schade, daß er heute nicht noch eine zweite Partie spielen konnte, denn er war gerade so hübsch zerstreut, ich hatte die hundert Points ausnahmsweise gewonnen und freute mich darüber sehr! Jndeß mußte er fort, eine geheimnißvolle Angelegenheit rief ibn, ja, ja, ein galantes Abenteuer, das galanteste und reizendste der Welt, wie er mir lächelnd anvertraute. Ein Bote hatte ihm während des Spiels ein Briefchen ge bracht, das er mit Ueberraschung, aber sehr geheunnißvoll gelesen und dann hatte er so schlecht und so hastig gespielt, daß ich gewann, was mir nicht oft mit ihm passirte. Darauf hatte er mir vergnügt seine Mittheilung in's Ohr geraunt, seine Zeche berichtigt und war fortgeeilt. — In den nächsten Tagen würden wir uns nicht sehen, er trete eine kleine Reise an, nach Nauheim, hatte er mir noch mit pfiffigem, geheimnißvollem Lächeln zugeflüstert. Ich halte bedenklich den Kopf geschüttelt und „hm, hm!" gemacht als mir der dreiviertel verlobte Bräutigam von einem galanten Abendteuer gesagt ... ich hatte ihn in den letzten Jahren für gesetzter gehalren und sah ihn nun gerade jetzt wieder in seinen Leichtsinn zurück fallen, Laura hatte also Recht mit ihrem Tadel — aber er war ja fort, ehe ich mich in dem belebten Lokal zu einer Moralpredigt hatte sammeln können! Jndeß sollte sie ihm nicht geschenkt sein, dem Leichtsinn, sobald wir uns wiedersahen, sollte er sie schon tüchtig zu hören bekommen. Ich wäre wirklich recht unwillig über ihn gewesen, wenn ich nicht meinen Kopf gleich wieder mit so vielen anderen Dingen vollgehabt hätte. Die Differenz mit meiner Frau lag mir zwar schwer auf dem Herzen und ich wußte, daß es noch einen heißen Kampf kosten werde, um diesen ersten, ernstlichen Streit, wie ich als nothwendig erkannte, zu meinen Gunsten zu entscheiden. Aber Tante Lina's taktvolle Neutralität, wie konnte ich daran zweifeln, war ja ein offenbares Wunder gewesen, das zu meinen Gunsten zu intervenirt hatte, das gab mir Muth und klar präcisirt lag die Rede vor mir, mit der ich, wie ich mir vornahm, Laura ruhig, aber in bestimmter Weise zu Verständigung zurückführen würde. —Himmel, wie dumm ist der Mensch manchmal — selbst, wenn er Philosophie studirt hat. Als ich zu Hause ankam, erklärte mir das Dienstmädchen, meine Frau sei fortgefahren — verreist. Ich war eine Bildsäule. Nein, ich war ein Granitblock, ein Klumpen erstarrten Gußstahls, ein Unicum der Geologie, denn hätte mich in jenem Augenblick ein Naturforscher gesehen, er durfte sich rühmen, den ersten wirklich versteinerten Menschen gefunden zu haben und ich wäre einem Museum einverlcibt worden! Als ich fünf Minuten sprachlos damit zugebracht, abzuwarten, ob^mich vielleicht ein Geologe fände, kam soweit wieder Bewegung über mich, daß ich Etwas thun konnte. Ich stürzte in's Zimmer und schrie athmenlos: „Laura! Wo ist Laura?!" Tante Lina saß auf dem Sophha, ernst, feierlich, durchaus ohne Anfall Md blickte gefaßt auf mich hin. „Mäßigen Sie sich, Neffe, be ruhigen Sie sich," sagte sie würdevoll, „Sie werden Alles hören." (Fortsetzung folgt.) Wochenmarkt zu Wilsdruff, am 22. Februar. Eine Kanne Butter kostete 2 Mark 20 Pf. bis 2 Mark 30 Pf. Ferkel wurden eingebracht 100 Stück und verkauft » Paar 15 Mark ' — Pf. bis 27 Mark — Pf. Meißen, 23. Februar. 1 Ferkel 6 Mk. —Pf. bis 14s Mk.— Pf. Eingebracht 260 Stück. 1 Läufer — Mk. — Pf. bis — Mk.— Pf. Butter 1 Kilogramm 2 Mark 40 Pf. bis 2 Mk. 60 Pf. Dresden, 22. Februar. (Getreidepreise.) An der Börse: pro 1000 Kilogramm: Weizen, weiß 183—192 M., Weizen, braun 183—190 Mk., Korn 155—158 Mk., Gerste145—160 Mk, Hafer 135—150 M. — Auf dem Markte: Hafer pro Hektoliter 7 Mk. 20 Pf. bis 8 M 40 Pf. Kartoffeln 4 Mk. 40 Pf. bis 5 Mk. — Pf. Butter 1 Kilo gramm 2 Mk. 20 Pf. bis 2 Mk. 80 Pf. Heu pro Centner 4.Mk.80 Pf. bis 5 Mk. 40 Pf. Stroh pro Eckvä 42—44 Mk.