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vor einem dräuenden Schlag. Selbst Fräulein Born wankte zurück, ihr schönes Antlitz wurde erdfahl unter dem Schleier. „Wollen Sie mit diesem unzurechnungsfähigen Kinde eine Komödie aufsühren, Fräulein Hagen oder vielmehr — Brunner, wie Ihr rechter Name lautet?" rief sie drohend. „So sind Sie doch Ingeborg, wie ich ahnte," versetzte die junge Dame mit bebender Stimme. „Ach, Fräulein Born," klagte Otto Waldorf, „nun erkenne ich S»e erst, wie kommen Sie zu diesem schrecklichen Menschen? Sie haben es doch auch gesehen, nicht wahr? O, haltet ihn fest," schrie er angstvoll auf, „er ist ein Mörder!" „Elende Kröte!" knirschte Santen, „ist das vielleicht ein staatsan waltlicher Theater-Coup?" setzte er höhnisch hinzu. „Nein, es ist Gottes Hand!" sprach der Staatsanwalt ernst, „vor- wäns Leute! — Kugler!" wandte er sich an diesem, „Sie begleiten die Eskorte, während ich diese Dame und den Knaben nach dem Hotel geleite?" So still als möglich ging der Zug nun über die Promenade nach dem Gefängniß, dessen Pforte sich hinter den beiden unseligen Menschen schloß. Als Kugler sie ganz sicher untergcbracht hatte, schritt er langsam durch die Straße der Wohnung des Staatsanwalts zu, der ihn, wie er voraussetzte, unzweifelhaft erwartete. „Ah, vortrefflich, daß Sie auf mich gewartet haben, mein Lieber! — Kommen Sie nur mit auf mein Zimmer. Das ist ja eine ereignißvolle Nacht!" Er schloß leise die Hausthür auf, um die Schläfer nicht zu stören, sah sich aber im nächsten Augenblick seinem Freunde, dem Obergerichts- rath gegenüber, den die Neugier auf das Ergebniß dieser Nacht nicht hatte schlafen lassen. „Kommen Sie nur mit, liebster Freund!" flüsterte der Staatsanwalt ihm zu, „wir haben ein ungeahntes Resultat erreicht." In seinem Zimmer angelangt, reichte er zuerst dem Detectiv die Hand und sagte mit aufrichtiger Bewunderung: „Dieses Resultat habe ich Ihnen zumeist zu danken, mein lieber Kugler! — Die thatsächliche Anerkennung dasür soll nicht ausbleiben. Nun setzen Sie sich und erzählen Sie mir vor allen Dingen, wie es möglich gewesen, die beiden Flüchtlinge auf der Reise abzufangen, während wir hier die ganze Nacht alle denkbaren Aus gänge bewacht haben." „Za, das weiß ich selbst noch nicht zusammen zu reimen, Herr Staatsanwalt!" versetzte Kugler kopfschüttelnd, „darüber wird die Unter suchung Licht bringen müssen. Was mich anbetrifft, so war mir, wie Sie wissen, diese überstürzte Reise nach Meran höchst unbequem, weil ich von der Flucht unseres Pärchens zu fest überzeugt war. Dieses Fräu lein Born, alias Kronau, ist ein famoses Weib, was Selbstbeherrschung anbetrifft, ich habe sie bewundert, aber doch auch an einigen kleinen Zeichen ihre innere Angst erkannt. Selbstverständlich ließ ich sie, mein kleines Rendezvous mit Fräulein Sauer abgerechnet, nicht mehr aus den Augen und sehe richtig den Hausknecht vom „Deutschen Kaiser" wieder mit einem Brief dem Krankenhaus zusteuern. Es gelang mir leider nicht, wie das erste Mal, den Brief in meine Hand zu bekommen, er nahm die gebotene Havana mit Dank an, meinte aber, diesmal seinen Austrag persönlich ausführen zu müssen. Ich wartete und sah ihn mit einer Antwort zurück kehren, erfuhr dann Abends, daß Fräulein Born in einer Stunde mit Extrapost nach B. abreisen werde, wovon ich mich auch in der That überzeugte." „Weshalb verschwiegen Sie mir das ?" fragte der Staatsanwalt erstaunt. „Um Verzeihung, Herr Staatsanwalt, ich fürchtete, daß Sie meine Combination in diesem Falle ohne Weiteres sür eine leere Phantasie er klärt und jede Wachsamkeit unterlassen hätten." Der Staatsanwalt lächelte gezwungen und winkte, fortzufahren. „Ich sagte mir sofort, daß diese Extrapostreise nur auf Augenblendung berechnet, daß irgend etwas für diese Nacht im Werke sei. Meine An deutungen waren in einen fruchtbaren Boden gefallen und hatten unsern Herrn von Santen aus seiner Sicherheit aufgeschreckt. Der Schatten seiner Frau kreuzte unheimlich seinen Weg. Da störten Sie meinen Plan durch di- Reise nach Meran, Herr Staatsanwalt! Ich fühlte in der That eine gelinde Verzweiflung darüber, bis mir der Gedanke kam, auf der ersten Station, wo die Züge von allen Seiten zusammentreffen, auszu steigen, und die Augen offen zu halten, weil es ja immerhinmöglich war, daß das Wild Ihnen entschlüpfe. Ich nahm mir deshalb auch nur ein Billet bis dahin —" „Ach, deshalb waren Sie zuletzt so gefügig," bemerkte der Staats anwalt lachend. „Ich kann's nicht leugnen, daß dies er Entschluß mich wieder beruhigte, zumal ick die Ahnung nicht los wurde, daß der sicherlich durchtriebene Santen seine absonderlichen Wege und Mittel suchen werde, aus dem Kran kenhause und von da aus der Stadt zu kommen." „Er wußte aber doch nichts von der Ueberwachung," schaltete der Regierungsrath ein. „Mag sein," sagte Kugler, „doch wird der Brief seines Liebchens ihn wohl von selber auf den Gedanken, daß das Auge des Gesetzes sich auf ihn gelenkt, gebracht haben. Genug, daß er richtig die Mittel und Wege gefunden, sich unsichtbar zu machen und die Wachsamkeit der ganzen Polizei zu täuschen. Diese Flucht muß allerdings ziemlich früh vor sich gegangen und, was Santen anbetrifft, eine bedeutende Strecke zu Fuß erfolgt sein. Ich denke mir, daß Fräulein Born mit ihrer Extrapost im ersten besten Wirthshause geblieben und dort den Flüchtling erwartet haben muß, worauf sie zusammen nach dem B. gefahren, von da mit einem andern Wagen sich nach der Station Z. begeben haben, um den Zug nach dem Norden zu benutzen, und von Bremen aus nach Amerika zu entkommen. „Eine kühne Combination," bemerkte der Obergerichtsrath kopfschüttelnd. „Aber jedenfalls logisch," sagte der Staatsanwalt mit einem zufriedenen Lächeln. „Das gebe ich zu," fuhr jener rasch fort, „nur will es mir nicht einleuchten, weshalb ein Mann wie Herr von Santen, welcher die öffent liche Meinung in einem seltenen Grade für sich hatte, und das Geständniß des jungen Schwarz als feste Basis seiner Unschuld besaß, so kopflos war, den furchtsamen Drängen eines jungen Mädchens ohne Weiteres nachzu geben, um sich in einer solchen verrückten Flucht selber zu denuncircn und die Grube zu graben." „Ja, bester Freund, das sind eben die Räthsel der menschlichen Natur, sobald eine wirkliche Schuld die Meute der Angst losläßt. Jedenfalls kannte er die Dame als äußerst klug und scharfsinnig und wird, von der Außenwelt abgeschlossen, sich für verloren gehalten haben, da der gute Herr aller Wahrscheinlichkeit nach mehr dergleichen Sünden auf dem Kerb holz seiner Vergangenheit hat." „Herrgott, Staatsanwalt, Sie ersckrecken mick," rief der Obergerichts rath, „mit einem solchen Menschen hat man gesellschaftlich verkehrt." „Ja, wer das immer wüßte, mit wem man eigentlich umgeht," be merkte der Staatsanwalt trocken, „kommen Sie zu Ende, Kugler!" „Nun, der letzte Act ist kurz erzählt, — mein Pärchen kam auf den Bahnhof, wurde von mir, der auf der Wacht stand, sofort entdeckt und mit Hülfe der beiden Gendarmen, die ich in meiner Eigenschaft als Detectiv requirirte, und die mir von der Behörde auch bereitwillig zu Diensten gestellt wurden, verhaftet und hierher transportirt, während die Flüchtlinge natürlich nack einer andern Richtung abzureisen gedachten. Daß in diesem Zuge auch jene Beiden saßen, um derenwillen ich nach Meran dampfen sollte, ist schon mehr eine Fügung der Vorsehung zu nennen." „Allerdings," siel der Staatsanwalt hastig ein, „die Sache hat sich vortrefflich gefügt, Ihr Ungehorsam diesmal die besten Früchte getragen, mein lieber Kugler! — Ich will denselben damit nicht ein sür allemal sanctioniren. Hören Sie, wie es sich mit diesem Reise-Project nach Meran verhält," wandte er sich an den Obergerichtsrath, welchen er jetzt das Zu sammentreffen mit der jungen Dame und dem Knaben sowie die betreffende Scene am Bahnhof anseinandersetzte. „Nemesis," sprach der Obergerichtsrath zusammenschaudcrnd, „wer hätte einen solchen Abgrund in diesem zärtlichen, glatten Gentleman ge sucht, der am Ende auch gar kein Edelmann ist." „Glaub' es selber nicht," erwiderte der Staatsanwalt, „bin vielmehr der Ansicht, daß Dr. Stevenson aus New-Jork sobald als möglich befreit werden muß, um uns Material zur Feststellung seiner Personalien zu verschaffen. — Was halten Sie nun von dem Mörder der alten Wirth- schafterin, Kugler?" „Ich denke mir, daß wir auch diesen soeben abgefaßt haben, Herr Staatsanwalt!" (Forts, folgt.) Vermischte». * Vor einiger Zeit hatten sich zwei Knaben aus Langenleuba-Nieder- Hain, welche nächste Ostern die Schule verlassen, ohne ihren Eltern etwas zu sagen, mit einem Bittschreiben an Se. Majestät den Kaiser gewandt, sie doch gleich nach ihrer Konfirmation in den Militärdienst aufzunehmen. Nachdem dieser Brief zur weiteren Untersuchung durch die behördlichen Hände gegangen, ist auch dem Willen dieser jugendlichen Vaterlandsfreunde mit Einwilligung der Eltern entsprochen worden. ^Verkehrsstockung. Sämmtlicke Eisenbahnen im südwestlichen Ruß land sind eingeichneit. Die Personenzüge verkehren nur noch mit großen Schwierigkeiten; die Einstellung des Gesammtverkehrs ist bevorstehend. * Ein Naubanfall wurde in Frankfurt a. M. auf die Frau des Lohnkutschers Wolff verübt. Die 62jährige Frau war allein zu Hause. Zur angegebenen Stunde traten zwei Handwerksburschen zu der Frau in die Küche und baten um ein Stück Brod. Als Frau Wolff sich zum Küchenschrank wandte, um der Bitte zu entsprechen, ergriff einer der Stromer sie am Halse, würgte sie, bis sie besinnungslos war und warf sie zu Boden. Während dieser Zeit bat der andere der beiden Gesellen ein in der Küche stehendes Beil ergriffen, war in die nebenan liegende Stube getreten und erbrach dort eine Tischschublade gewaltsam. Der letz teren entnahmen die Räuber ein braunes Säckchen, das rund 500 Mark enthielt. Nebenstehendes Geld ließen sie unberührt. Beim Fortgehen ver setzte einer der Räuber der sich erhebenden Frau nochmals einen Schlag auf den Kopf, so daß sie abermals besinnungslos niedsrstürzte. * Drei Mädchen erstickt. Auf dem Gute Alt-Prochnow bei Märk, Friedland sind drei Dienstmädchen durch Kohlengas erstickt. Als am Sonnabend srüh das Zimmer der drei Mädchen geöffnet wurde, war dasselbe vollständig mit Kohlendunst angefüllt und die Mädchen lagen leblos auf ihrem Bette. Es wurde festgestellt, daß eines der Mädchen bereits todt war, die beiden anderen aber noch schwache Spuren von Leben zeigten. Trotz aller angewendeten Mittel sind die letzteren aber inzwischen ebenfalls gestorben, nachdem sie noch beinahe zwei Tage in todcsähnlichem Zustande gelegen haben. Die Ofenklappe ist an diesem Unglücke nicht schuld; es war eine solche in dem Zimmer und auch sonst auf dem Gute nicht vorhanden. Wahrscheinlich haben die Dienstmädchen ihren Ofen übermäßig geheizt und der Wind hat den Dunst in das Zimmer getrieben. " Theatcrbrand in Rußland. Aus der Gouvernementsstadt Nowgorod wird der „Krzl-Ztg." gemeldet, daß das dortige Stadttheater während der Vorstellung niedergebrannt ist. Das Feuer ist durch Platzen einer Gas röhre entstanden. Zwei Personen sind im Gedränge erdrückt worden, eine größere Anzahl hat Brandwunden davongetragen. MM* Wem die ManneSzierde, der 831-1: -MI von der Natur versagt ist, der probire getrost den ächten, unüber troffenen garantirten Weißbachs Barterzeuger W in Flaschen zu Mk. I.— und Mk. S — in Wilsoruff nur bei 8 Herrn Friseur HöiiS. Nachtwächter - Gesuch. Die Gemeinde Saalhausen sucht zum ersten April 1889 einen zuverlässigen, sittlichen Mann als Nacktwächter, passend ist es für einen Schuhmacher, da keiner im Orte ist. Bewerber wollen sich bis 20. Januar beim Gemeindevorstand daselbst meloen. Aäckerlehrüngsgesuch. Ein «Knabe kann unter günstigen Bedingungen Ostern in die Lehre treten. Jnnungsmeister Urrinunu «luulkuvr, Dresden, Freiberger Platz 6. Liu Iriviirvrv« I-UKi» steht zu vermiethen und Ostern zu beziehen. Näheres bei im goldn. Löwen. Eine große Werkstatt nebst Wohnung für einen Tischler oder Stellmacher passend, steht zu vermiethen und zu Ostern zu beziehen; bei wem, sagt die Exped. d. Bl. Drechslerlehrling. Ein junger Mensch, welcher Lust hat, Drechsler zu werden, findet gute Aufnahme bei L. Murrt« Mvissirvr. Wilsdruff. Wochenmarkt zu Wilsdruff, am 47 Januar. Eine Kanne Butter kostete 2 Mark 30 Pf. dis 2 Mark 40 Pf. Ferkel wurden eingebracht 30 Stück und verkauft a Paar 12 Mark — Pf. bis 24 Mark — Pf. Meißen, 5. Januar. 1 Ferkel 3 Mk.— Pf. bis 11 Mk. — Pf. Eingebracht 169 Stück. 1 Läufer — Mk. — Pf. bis — Mk. — Pf. .Butter 1 Kilogramm 2 Mark 10 Pf. bis 2 Mk. 52 Pf.