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Eage8ges<Hichte. Berlin, 12. Januar. "Zum Geburtstag Sr. Majestät des Kaisers wird vom „Ham. Korr." ein größerer Akt von Gnaden be weisen angekündigt; bekanntlich versagte sich der Kaiser, solche anläßlich seiner Thronbesteigung zu vollziehen. Berlin, 11. Januar. Der gestrige Tag hat für das königl. Haus ein freudiges Ereigniß gebracht, denn es hat sich Prinz Friedrich Leopold mit der Schwester I. Mas. der Kaiserin, der Prinzessin Luise von Schles wig-Holstein, verlobt. Prinz Friedrich Leopold, Rittmeister und Comman- deur der Leibescadron des Regiments der Gardes du Corps, ist am 14. November 1865, die Prinzessin Luise von Schleswig-Holstein am 8. April 1866 zu Kiel geboren. Die „Nordd. Allgem. Ztg." ist in den Stand gesetzt, das nachfolgende Handschreiben, welches Kaiser Friedrich an den Fürsten Bismarck bei Ge legenheit der fünfzigjährigen Erinnerung an dessen Eintritt in die Armee gerichtet hatte, zu veröffentlichen, weil in demselben der hochselige Kaiser selbst Zeugniß dafür ablegt, wie weit seine Intentionen von der Richtung der landläufigen Opposition des Fortschritts und der freisinnigen Partei abwichen, und wie vollkommen sie dem Geiste entsprachen, in welchem Kaiser Wilhelm 1. regiert hat. Ein derartiges Zeugniß wirft ein scharfes Schlaglicht auf die Frivolität des Bestrebens der freisinnigen Presse, den hochseligen Kaiser noch im Grabe zu einem Gesinnungsgenossen zu stem peln. Das Handschreiben lautet: „Charlottenburg, 25. März 1888. Ich gedenke mit Ihnen, mein lieber Fürst, der heute abgelaufenen 50 Jahre, welche verstrichen sind, seitdem Sie in das Heer eintraten, und freue Mich aufrichtig, daß der Garde-Jäger von damals mit soviel Zu friedenheit auf dieses abgelaufene halbe Jahrhundert zurückblicken kann. Ich will Mich heute nicht in lange Auseinandersetzungen über die staats männischen Verdienste einlassen, welche Ihren Namen für immer mit un serer Geschichte verflochten haben. Aber das Eine muß ich hervorheben: daß, wo es galt, das Wohl des Heeres, seine Wehrkraft, seine Schlagfer tigkeit zu vervollkommnen, Sie nimmer fehlten, um den Kampf aufzunehmen und durchzuführen. Somit dankt Ihnen das Heer für erlangte Segnungen, die es Ihnen niemals vergessen wird, und an der Spitze desselben der Kriegsherr, der erst vor wenigen Tagen berufen ist, diese Stellung nach dem Heimgang Dessen einzunehmen, der unausgesetzt das Wohl der Armee auf dem Herzen trug. Ihr wohlgeneigter gez. Friedrich." Eine recht bewegte Woche liegt hinter uns! Das politische Feuer schlug einen Moment so blendenv empor, daß man nicht wußte, wohin zuerst sehen. In den weiten Volkskreisen berührt am meisten unstreitig die Trauernachricht aus Samoa, dis über einen verrätherischen Angriff der Eingeborenen aus unsere Seeleute berichtete. 16 Todte und 38 Ver wundete forderte die Affaire, eine so große Zahl von Opfern, wie sie unsere Marine bei einem blutigen Zusammenstoß mit einem Feinde noch nie erlitten hat. Der hohe Verlust erklärt sich nur dadurch, daß unsere Blaujacken plötzlich von einem Kugelregen überschüttet wurden, unter dem so viele blühende Männer dahinsanken. Bei einem sich regelrecht ent wickelnden Gefecht hätte die Zahl der Gefallenen nie so groß werden kön nen. Der Zwischenfall hat jedenfalls das Gute, daß er die sehr verwor renen Verhältnisse auf Samoa schnell zum Abschlusse bringen wird. Deutschland hat den größten Besitz und die größten Interessen auf den Samoainseln, und dieselben werden unbedingt sicher jetzt gestellt werden. Mit ganz anderem Recht kann Deutschland im vorliegenden Falle ein- schrciten, als s. Z. England in Aegypten und Frankreich in Tunis. Sehr bedauerlich ist die fortwährende Agitation der Amerikaner in Samoa gegen die Deutschen. Von der Regierung in Washington werden dieselben sicher nicht beeinflußt, und um so eher wird die nordamerikanische Union bereit sein, dem Auftreten ihrer Staatsangehörigen einen Riegel vorzuschieben. Von den Nationalliberalen wird eine Anzahl von Abänderungsan trägen zu der Vorlage, betreffend die Alters- und Jnvaliditatsversicherung für Arbeiter, im Reichstage eingebracht werden. Hauptsächlich soll der Versuch gemacht werden, eine Reichsanstalt in, Anschluß an das Reichs versicherungsamt zu konstruiren, welche sich auf der durch das Kranken versicherungsgesetz geschaffenen Grundlage aufbaut. Der „Köln. Ztg." wird von hier unterm 8. Januar telegraphirt: „In zwei Monaten wird das preußische Heer und das deutsche Volk einen Gedenktag feiern, der in der vaterländischen Geschichte ewig denkwürdig bleiben wird. Am 8. März ds. Js. wird Feldmarschall Graf Moltke siebzig Jahre lang Soldat gewesen sein. Kaiser Wilhelm 1. hatte unter Berücksichtigung der in dänischen Diensten zugebrachten Zeit das 50jährige Dienstjubiläum des damaligen Chefs des Generalstabes "auf den 8. März 1869 festgesetzt, doch wurde der Tag in Folge eines Trauerfalles nur still verlebt. Das bevorstehende 70jährige Jubiläum des großen greisen Feldmarschalls aber wird im ganzen deutschen Volke die lebhafteste und wärmste Theilnahme erwecken; kein Name ist unter den jetzt noch lebenden Theilnehmern der letzten Kriege so sehr mit den militärischen Erfolgen ver bunden, wie der des verehrten Feldmarschalls, und Keiner hat mehr in der langen Zeit des Friedens für die Wehrhaftigkeit unseres Volkes gewirkt, als der oberste militärische Berather unseres dahingeschiedenen glorreichen Kaisers, und so wird denn auch der alte preußische Grundsatz, daß es keinen Unterschied giebt zwischen Volk und Heer, bei der bevorstehenden Feier wieder seine volle Verwirklichung und seine bezaubernde Kraft finden. In unserem Heere gehört das 70jährige Dienstjubiläum zu den allergrößten Seltenheiten. Unseres Wissens hat es in diesem Jahrhundert nur Kaiser Wilhelm begangen und diesem war es vergönnt, am 1. Januar 1887 sogar noch sein 80. Dienstjubiläum zu feiern. Auch der Feldmarschall Wrangel, der am 1. November 1877 gestorben ist, hätte 1876 sein 80jLhriges Dicnst- jubiläum feiern können, doch hatte er bereits seit dem Jahre 1864 sich aus dem aktiven Dienst zurückgezogen. Aus Schlesien. Die oberschlestschen Landwirthe haben alljährlich über die „Sachsengängerei", d. h. über die Auswanderung der Arbeiter und Arbeiterinnen nach dem Königreich und der Provinz Sachsen zu klagen. Diese Auswanderung, welche sonst erst im Frühjahr zu erfolgen Pflegt, hat diesmal zu Neujahr begonnen, und zwar in einem für die oberschlesischen Grundbesitzer so bedenklichen Umfange, daß die Pfarrer sich genöthigt sahen, von der Kanzel herab vor der „Sachsengängerei" zu warnen. Am 4. Adventssonntage hat dieser Gegenstand in nicht weniger als vier Kirchen des Oppelner Kreises den Stoff zur Predigt gegeben. Auch die Grund besitzer ihrerseits haben Schritte gethan, um den Auswanderungsstrom ein zudämmen, und sich deshalb mit der Bitte an den preußischen Eisenbahn minister gewandt, die im Jahre 1886 erfolgte Herabminderung der Fahr preise auf den Eisenbahnen rückgängig zu machen. Ob dieses Gesuch Er folg haben wird, ist zweifelhaft; einfacher wäre es, die Löhne auf eine an nähernd gleiche Höhe mit denen in Sachsen zu bringen. Aber freilich liegen die Verhältnisse in Oberschlesien so, daß der Gutsherr sich nicht leicht auf eine solche Mehrausgabe einlasfen kann. In Sachsen dagegen werden solche Löhne gezahlt, daß in der letzten Woche des verflossenen und in der ersten des neuen Jahres in eine Raiffeisen'sche Darlehnskasse von den in Sachsen beschäftigt gewesenen jugendlichen Arbeiterinnen nicht weniger als 7000 Mk. Spareinlagen gemacht werden konnten. Halle. Der „Verein für Volkswohl" hat ein Grundstück an der Merseburger- und Königsstraßenecke für 90 000 Mark angekauft, um ein Arbeiterheim zu errichten. Die unteren Räume sollen eine Volkskasfee halle, Volksküche rc. enthalten. Der Bau selbst ist auf 220 000 Mark veranschlagt. Die „Nordd. Allg. Ztg." theilt mit, daß in Deutsch-Avricourt ein unbekannter Franzose in der Nacht die Fensterscheiben des dortigen Zoll amtes zertrümmerte und verschiedene Schriftstücke mit aufreizenden In schriften hineinwarf. Sie bemerkt dazu: „Wir sind seitens der Franzosen an Schlimmeres gewöhnt, es ist aber ein neuer Beitrag zum Rechtsschutz in Frankreich, daß französische Beamte sich geweigert haben, den Thäter zu ermitteln. Pest, 11. Januar. In der heutigen Sitzung des Abgeordnetenhauses brach Guida Baußnern Angesichts der bezüglichen Erklärungen und An spielungen im österreichischen Abgeordnetenhause wieder einmal eine Lanze für das deutsche Bündniß und insbesondere für Fürst Bismarck. Neber Letzteren sprach Redner, nachdem er das Bündniß für eine der herrlichsten Blüthen im unverwelklichen Ruhmeskranze des Fürsten bezeichnet hatte, Folgendes aus: einen loyaleren und jeden Augenblick zu einem gerechten und billigen Ausgleich bereiteren Gegner habe es niemals gegeben, als es Bismarck gegenüber Oesterreich seit Beginn der 1850er Jahre bis zur 1866er Katastrophe war, und wieder einen aufrichtigeren und wohlmei nenderen Freund habe Oesterreich bezw. Oesterreich-Ungarn"'niemals ge habt, als denselben Bismarck seit 1866 bis zum heutigen Tage. In Italien 'scheint eine Aera der Dynamit-Attentate7angebrochen zu sein. In Livorno ist der Versuch gemacht worden, das Polizeigebäude in die Luft zu sprengen. Ein Theil des Gebäudes wurde zerstört, auch erlitten die anstoßenden Häuser erhebliche Beschädigungen. Ferner wurde zum Neujahrstage dem Steuerdirektor in Como eine Höllenmaschine nach dem Muster derjenigen übersandt, vermittelst deren seineYZeit'das Scheu sal Thomas in Bremerhafen die Explosion des Dampfers" „Mosel", her beiführte. Im vorliegenden Falle war das Attentat mit besonderem Raf finement vorbereitet worden. Kurz vor Neujahr hatte nämlich der er wähnte Stcuerbeamte eine natürlich gefälschte Postkarte erhalten, in welcher ihm eine Mailänder Firma elektrische Apparate anbot und „Proben" zu schicken versprach. Der Advokat hegte in Folge dessen, als das angekün digte Packet wirklich eintraf, keinerlei Verdacht. Er unternahm es, die Kiste selbst zu öffnen und war eben im Begriffe den Deckel abzuschrauben, as er in der Kiste ein verdächtiges Geräusch zu hören glaubte. Syfort stürzte er ins Nebenzimmer, gerade noch zur rechten Zeit, um nicht durch die furchtbare Explosion zerschmettert zu werden. Am Arm und an der Seite wurde er dennoch verwundet. Die Kiste enthielt Dynamit, das durch ein Uhrwerk zur Explosion gebracht worden war. Neapel. Ueber den jüngsten, bereits gemeldeten Ausbruch des Ve suvs wird weiter berichtet: Seit einigen Tageu wirft der Vesuv größere Massen von Steinen aus, welche sich bereits zu einem Kegel von 160 Fuß Höhe um den Auswurfskrater gesammelt haben. Nach einer merklichen Erderschütterung spaltete sich am 7. d. M. die Südostseite'des Auswurfskraters, aus welchem zwei Lavaströme flossen, von denen der eine sehr bald die Basis des Vesuvkegels erreichte, der andere aber nach einem Laufe von 250 Fuß erstarrte. Der große Schneefall, welcher in den letzten Tagen fast ganz Spa nien bedeckte, ist immer noch ganz derselbe. Speziell in Catalonien läßt sich der Schnee in solchen Massen nieder, daß die Wölfe davon wiederholt bis mitten in die Dörfer getrieben worden sind. Aus Newyork wird über einen Wirbelsturm in Nordamerika berichtet: Man kann sich schwer eine Vorstellung von den entsetzlichen Verheerungen machen, welche der Wirbelsturm in den verschiedenen Staaten des Westens angerichtet hat. Es erhob sich in den Morgenstunden eine von Osten kommende leichte Brise, wuchs aber im Laufe von Minuten zu solcher Gewalt an, daß die auf d^er Straße befindlichen Personen gehoben und Schritte weit getragen wurden. Die Zahl der eingestürztm Häuser, der verheerten Waldungen, der zu Grunde gegangenen Schiffe ist heute noch uicht konstatirt, obwohl von allen Seiten schauererregende Details über das Wüthen des Orkans hier einlaufen. In Sueburg, Harrisburg, Williamsport und Wheeling hat der Wirbelsturm unerhörte Verheerungen angericktet und die Städte gleichen in einzelnen Theilen Schutthaufen. Ueberall beklagt man den Verlust an Menschenleben. In Brooklyn s wurden die Baracken der Marinewerfte förmlich fortgetragen und mehrere ! Marinesoldaten schwer verletzt. In Pittsburg, welches den ärgsten Schaden - erlitten, ist kein Haus intakt geblieben. Alle Gewölbe sind daselbst ge schlossen, alle Geschäfte ruhen, die Stadt ist von allem Verkehr abge schnitten, da alle Bahnlinien der Umgebung zerstört sind. Auch zahl reiche Eisenbahnunfälle kamen in Folge des furchtbaren Cyklons vor. Auf sicherer Fährte. Criminal-Roman von Emilie Heinrichs. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) „Konnte er Euch nicht sehen?" requirirte der Staatsanwalt weiter. „Wir standen im Schatten, ich glaube, die Sonne blendete ihn. „So steht's auch genau in dem Bericht des Gebirgs-Toni," bemerkte Stevenson. „O, ich bezweifle seine Schuld durchaus nicht mehr," sprach der Staatsanwalt, „und bin Ihnen, mein Fräulein, nebenbei zu großem Dank verpflichtet, daß Sie Ihre Reise selbst in der Nacht fortgesetzt haben, weil Sie in der That zur rechten Minute erschienen, um die Nachtscene zum dramatischen Höhepunkt zu steigern. Da Sie und Dr. Stevenson alte Bekannte sind," setzte er mit einem liebenswürdigen Lächeln hinzu, „so werden Sie sich am Ende noch viel zu erzählen haben und mir erlauben, mich einstweilen zu empfehlen." Er erhob sich, nahm seinen Hut und verbeugte sich. „Ah, mein kleiner Freund!" wandte er sich bei der Thür um, „Du wirst gewiß gern einmal in der Stadt Umschau halten, hast Du Vertrauen zu mir?" Clara erröthete und machte eine abwehrende Bewegung. „Ich bin für Otto verantwortlich, Herr Staatsanwalt!" sagte sie zögernd, „wollte auch soeben mit ausgehen." „O, ich gehe gern mit diesem Herrn, liebe Clara!" versicherte der ! Knabe, der befürchten mochte, daß der Amerikaner sich sobald noch nicht entfernen werde. „Sie können ihn getrost dem Herrn Staatsanwalt anvertrauen, Fräulein Hagen," nahm Stevenson rasch das Wort, „es wäre nur sehr lieb, einige Worte unter vier Augen mit ihnen zu reden," setzte er leiser hinzu, „weil ich eine wichtige, die Familie Brunner betreffende Mittheilung zu machen habe." Sie zuckte zusammen und blickte ihn überrascht an. „Ihr Schützling darf also mit mir gehen, Fräulein?" fragte der Staatsanwalt noch einmal. „Wenn Sie so gütig sein wollen, ihn zum Herrn Commerzienrath Hilberg zu bringen," erwiderte Clara mit stockender Stimme, „ich werde dann ebenfalls dort hinkommen."