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Auf sicherer Fährte. Criminal-Roman von Emilie Heinrichs. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Er zog sie neben sich auf's Sopha nieder und drückte zärtlich ermu- thigend ihre Hand. Albertme blickte ihn dankbar an und erzählte dann leise, was sich an jenem Nachmittag zwischen Sanna und ihrem Neffen zugetragen, wie die beiden sich heftig entzweit, Sanna ihn mit Enterbung gedroht hätte und diese dann nach wenigen Stunden ermordet worden wäre. Der Notar hörte aufmerksam zu, in seinem Innern stritten sich Zorn, Schmerz und Mitleid über die Unbesonnene, welche so leichtsinnig ihren Ruf auf's Spiel gesetzt und hinter dem Rücken der Eltern ein Verhältniß angeknüpft hatte, das vollständig aussichtslos sie nur ins Unglück führen mußte. Er war aber auch ein besonnener Mann, welcher mit denThat- sachen rechnete und jede überflüssige Rederei, jeden unnützen Vorwurf jetzt als Ballast betrachtete, der über Bord geworfen werden mußte, um das Schiff vor dem Sinken zu bewahren. „Ich bin der Einzige, dem Du dies erzählt hast, Kind?" fragte er, als sie schwieg. Albertine fuhr zusammen und blickte den Vater angstvoll an. „Ach nein, nein, Papa!" stöhnte sie, „der schreckliche Mensch peinigte mich zu sehr, er ließ nicht ab, bis ich ihm Alles gesagt." „Unglückskind! — von wem sprichst Du?" Das arme Mädchen seufzte herzbrechend und erzählte dann ihr Zu sammentreffen mit Kugler, als er Rudolf Schwarz nach dem Gefängniß gebracht, wie er heute dann dieses Haus betreten und sie durch Drohungen zu der Unterredung auf der Promenade gezwungen, wo sie ihm Alles erzählt habe. „Der Mensch ist also ein Detectiv?" „So sagte er mir." „Es ist gut, Albertine! — beruhige Dich jetzt mit dem Tröste, daß Dein Vater, dem Du früher hättest Vertrauen schenken sollen, für Dich eintreten wird. Du bist für Deine Unbesonnenheit hart genug bestraft, sollst aber in dieser Nacht ruhig schlafen, da es trotz alledem doch noch nicht ausgemacht ist, ob der Tölpel von Schwarz seine Tante mit so ge übter Hand hätte kalt machen können. Deine Liebe muß nicht so sehr groß sein, da sie die erste Feuerprobe des Vertrauens nicht bestehen konnte." Er stand auf, um Hut und Stock herbeizuholen. Albertine saß erst wie ein Steinbild, nun erhob sie sich mit leuchtenden Augen und schlang beide Arme um den Hals des Vaters. „O, Du bester Papa!" schluchzte sie, „wie bin ich Dir dankbar für dieses Wort. Du glaubst an ihn und verzeihst Deiner leichtsinnigen schlechten Tochter, die den Unglücklichen verrathen, ihm eine Todsünde zugetraut hat. O, wie soll ich Dir das jemals vergelten, Papa!" „Na, na, laß es gut sein, Kleine! - ich muß jetzt fort, habe ja nicht behauptet, daß der Tölpel ganz unschuldig ist. Komm, trockene Deine Thränen und dann erfinde irgend etwas, die Mama darf nichts davon erfahren." Er riß sich los und eilte rasch hinaus, während Albertine ihre Thränen trocknete, auf ihr Taschentuch hauchte, um alle Spuren zu tilgen und der Familie, die vor Angst und Neugierde verging, ein unbefangenes Gesicht zu zeigen, was ihr auch zum Theil gelang. XXVI. In der Stadt hatte die Verhaftung des jungen Schwarz eine große Aufregung hervorgerusen, obgleich cs selbstverständlich ein Jeder geahnt und der Polizei ganz gut diese Spur hätte zeigen können, man hatte ja so zu sagen bereits mit Fingern auf ihn gedeutet, wie der Kupferschmied wohlmeinend sich äußerte. Ein Complot also, das so ziemlich durchsichtig gewesen, wie es hieß, wozu kein Staatsanwalt von Berlin nöthig gewesen wäre. Letzterer halte die Verhöre im Gefängniß, bemerkte der Krämer, hm, ja, der kleine Notar Sauer sei auch dabei gewesen, er habe in selber hin eingehen sehen. Na, er sei doch der Anwalt des Herrn von Santen, der gottlob wieder „bei sich" wäre und die Geschichte nun in's rechte Fabr- wasser gebracht habe. Er wisse bestimmt, daß der junge Wittwer ganz hergestellt und fest entschlossen sei, die beiden Verbrecher unter's Beil zu bringen, der Kaiser dürfe hier nicht begnadigen, denn warum?-—Gerech tigkeit müsse sein, hm, ja! Es war in der Gefängniß-Zelle Nr. 8, wo Dr. Stevenson saß, an diesem Abend recht lebhaft hergegangen. Als der kleine Notar Sauer endlich, von dem Staatsanwalt und den Gefangenen ungeduldig erwartet, in die Zelle trat, wunderte er sich nicht wenig, die beiden Herren in der heitersten Unterhaltung zu finden. „Ah, mein bester Herr Notar!" rief der Amerikaner ihm entgegen, „wie freue ich mich, Sie wiederzusehen, wenn auch in ziemlich eigener Häuslichkeit. Sie wollen mir ein Document von meinem getreuen New man bringen? Ihre Gewissenhaftigkeit kann meine Achtung für Sie nur erhöhen." Der Notar lächelte gezwungen und nahm die dargebotene Hand etwas zögernd an. „Ja, so," fuhr Stevenson ironisch fort, „Sie wissen nicht, ob Sie's möglicherweise mit einem Mörder zu thun haben. Pardon, Herr Notar!" „O, ich bitte, Herr Doctor, dieses Hotel ist auch verdächtig genug," bemerkte Sauer ernsthaft, „doch kommen wir zur Sache. Ich habe Ihnen in der That dieses Document einzuhändigen." „Sie kennen den Inhalt desselben, Herr Notar?" fragte Stevenson, das Papier entgegen nehmend. „Es ist mir offen übergeben worden mit der Aufforderung, Kenntniß davon zu nehmen." Stevenson überflog das Schriftstück und nickte dann zufrieden. — „Sie glauben nicht daran, Herr Notar?" fragte der Staatsanwalt. „Nein, ich halte dieses Zeugniß für einen verhängnißvollen Jrrthum, für ein strafbares Machwerk, der Einfalt abgerungen, und wäre entschieden, daraufhin Schritte zu unternehmen. „Bis der Vogel uns entwischt," rief Stevenson stirnrunzelnd, „worauf begründet sich denn im Grunde Ihr Urtheil auf diesen Herrn von Santen? Doch nur auf seine glatte Außenseite, seine Maske, welche er als gefühl voller Gatte der bethörten Frau und der Welt, daß heißt den Bewohnern dieser Stadt gegenüber trug. Weiter wissen Sie nichts von ihm, der ein schlauer Rechenmeister war und systematisch sein Ziel verfolgte. Ich bin davon überzeugt, daß er mit seiner so geflissentlich zur Schau getragenen Zärtlichkeit planmäßig zu Werke ging, daß er bereits im Einverständniß mit seiner frühern Geliebte die That, welche ihn von der ältcrn Frau befreite und zugleich Millionen in seinen Schooß warf, vollbrachte, Ja, ich behaupte —" „O, halten Sie doch mit solchen Räubergeschichten ein," unterbrach ihn der Notar in Heller Entrüstung, „damit werden Sie weder mich noch den Herrn Staatsanwatt überzeugen. Zum Henker, Herr! Sie kommen aus Amerika herübergeschneit und verlangen von uns, daß wir einen deutschen Mitbürger, der sich der allgemeinsten Achtung erfreut, so kurzer Hand für einen Mörder, einen raffinirten Raubgesellen halten? —. Das ist stark, zumal in Ihrer jetzigen Lage." „Nicht so stark, mein bester Herr Notar, als mir einen Mord zuzu- schieben, für den man gar keine Motive bei mir voraussetzen kann." „Hm, das wird die Untersuchung schon herausbringen," bemerkte der Notar triumphirend, „dieses Document ist eine plumpe Falle, ein schänd- Hf lichcs Manöver, ein Wisch, durch amerikanisches Gold erkauft — es ist Hf ganz dasselbe, wie das unselige Werkzeug, welches Sie hier verlockt haben , ? zur fluchwürdigen That, der bejammernswerthe Tölpel von Schwarz, der H nun auch hinter Schloß und Riegel seinem Verführer flucht." " ''E „Gemach, Herr Notar!" unterbrach ihn der Staatsanwalt erregt, „Sie überschreiten Ihre Function." „Schwarz ist ebenfalls verhaftet?" fragte Stevenson hastig, „und ihn hält man für den Mörder? Wer hat den armen Jungen deyuncirt?" „Sehen Sie da die Folge Ihres Ungestüms, Herr Notar!" M der Staatsanwalt vorwurfsvoll, „diese Verhaftung brauchte der Gefangene durchaus nicht zu erfahren. Sie verwirren mir meine' Kreise." „Lassen Sie sich das nicht zu Herzen gehen," sprach Stevenson, . „Sie haben nichts damit verschüttet, Herr Notar! — Im Gegentheil, die Kreise des Herrn Staatsanwalts sollen dadurch nur noch fester und deut licher werden. Ich wette darauf, daß der arme sensationelleMchwarz sich selber gestellt hat." „Allerdings hat er das gethan, versetzte der Staatsanwalt, einen grollenden Blick auf den bestürzten Notar werfend, „Sie haben das also von vornherein gefürchtet, wie ich merke." „Na, freilich, der Mensch ist förmlich transparant, man liest Alleß von seinem Gesichts ab." - „Sie hätten sich ein tauglicheres Werkzeug für Ihre Zwecke^wählen sollen, lieber Herr!" bemerkte der Staatsanwalt spöttisch. Dieser Schwarz war solchen gefährlichen Aufgaben nicht gewachsen." „Ganz richtig," sagte Stevenson, nachdenklich diese beiden Herren anblickend. „Ich fühle in der That jetzt Gewissensbisse und danke, nüx dem Himmel, daß auch Herr von Santen noch fest sitzt oder liegt, damit der edle Erbe uns nicht vor der Zeit entschlüpft." ( „Herr von Santen hat den Erstickungsanfall, der zeitweilig sein Ge hirn etwas in Unordnung gebracht, jetzt glücklich überwunden," sprach der Staatsanwalt gemessen, „er nannte mir bereits gestern den Mörder, der seltsamer Weise dann auch selber bei mir erschien. Wir mir Ker Arzt heute mittheilte, wird er morgen das Krankenhaus verlassen.". (Forts, f.) WermifchteS. " Im Jahre 1889 fällt das Osterfest wieder einmal recht spät, auf den 21. April. Infolge dessen fällt die Fastnacht erst auf den 5. März, so daß die Faschingszeit die lange Dauer von über acht Wochen hat. Pfingsten fällt auf den 9. Juni. — An Mondfinsternissen treten in diesem Jahre überhaupt nur zwei in Erscheinung. Beide sind bei uns sichtbar, die eine am frühen Morgen des 17. Januar, die andere am Abend des 12. Juli. Die drei Sonnenfinsternissen dieses Jahres können in Europa nicht wahrgenommen werden. * Ein grauenvoller Mord hält in Langenberg die Gemüther in Auf regung. Das Dienstmädchen einer Herrschaft hatte vor einigen Tagen' in einem Metzgerladen eine Rechnung zu bezahlen. Bei her Rückkehr wurde sie von einem Gesellen des Metzgers in einem Hohlweg« überfallen und ihr mit einem Schlachtmesser den Kopf vom Rumpfe getrennt. Der Mörder begab sich, nachdem er den Kopf des unglücklichen Opfers in ein Taschentuch gewickelt hatte, in eine Wirthschaft, wo er jedoch einem Gen darmen durch sein verstörtes und scheues Benehmen auffiel. Als der Be amte das Bluttriefende Taschentuch bemerkte und den Gesellen nach dem Inhalte fragte, wurde dieser leichenblaß, sodaß der Beamte das Tuch nachsah und sofort zur Verhaftung des Mörders schritt. Dieser hat die That auch sofort eingestanden. Man nimmt an, daß das Mädchen eine größere Summe Geldes im Laden des Metzgers zurückerhielt, und daß der Verbrecher seine That in der Absicht ausführte, das Mädchen zu berauben^ * Es dürfte, wenn auch außergewöhnlich, nichts Neues sein,, daß Sechslinge das Licht der Welt erblicken, wie dies auö Texas vor einigen Tagen gemeldet wurde, daß aber alle sechs neuen Weltbürger lebensfähig, gesund und — von geringen Abweichungen abgesehen — normal gebaut sind, steht jedenfalls höchst vereinzelt da. Dieser letztere Fall trifft aber hier zu, und Mrs. Hirsh, die wackere Mutter, hat das Vergnügen, nun sechs Kinder auf einmal aufzuziehen, eigentlich aber neun, denn die drei- älteren in der Familie befindlichen haben kaum laufen gelernt. Navarro County, der Wohnplatz der Familie, ist von Fremden, Männern der Wissen-, schüft und Zeitungsberichterstattern, förmlich überschwemmt und Vater Hirsh hat nichts "weiter zu thun, als die Wunderkinder herumzureichen, welchem Geschäft er in etwas verschämter Weise, aber sonst gut gelaunt und bereit willig nachkommt. Mr. George Hirsh (eigentlich Hirsch) wurde von deutschen Eltern in Pennfylvanien geboren und ist 37 Jahre alt, er befarmt «in ansehnliches Stück Land mit gutem Erfolge und gilt, trotzdem er höchst einfach in einem aus Baumstämmen errichteten Hause wohnt (in einem so genannten „lozllousoH als ein wohlhabender Mann; seine Frau dagegen ist eine geborene Deutsche und zwar stammt sie aus Bayern, kam aber schon als Kind nach Amerika. Sie ist erst 27 Jahre alt und begreiflicher weise eine äußerst robuste Frau, davon legt unter Anderm auch der Um stand Zeugniß ab, daß Mrs. Hirsh 48 Stunden nach der Geburt ihrer Sechslinge schon wieder rüstig durch Haus und Hof schritt und ihrer ge wohnten Beschäftigung nachzugehen begann. Die Wohnung ihrer Familie liegt sehr einsam, die nächsten größeren Ansiedelungen sind meilenweit ent fernt, sodaß bei der Geburt der Sechslinge keinerlei Hilfe herangezogen, werden konnte, zudem befand sich der Gatte auf dem Felde und nur eine alte Mutter im Hause, sodaß er, heimkehrend, zu seinem Erstaunen die unerwartete sechsfache Bescheerung schon vorfand. Vier der Kinder, kamen im Zeiträume von zwölf Minuten zur Welt, die beiden anderen binnen einer Stunde, doch wurden die Kinder sogleich vermischt, sodaß es jetzt' nicht mehr festzustellcn, welches das erstgeborene ist. Gelungen ist die Vor sichtsmaßregel, um sie nunmehr beim Vorzeigen an Besucher nicht zu ver wechseln. Jedes derselben trägt nämlich — eine Etiquetie mit seinem Namen. Es sind vier Knaben und zwei Mädchen, die sich folgender schöner Namen erfreuen. Einer der Knaben heißt „Friedrich" zu Ehren des deutschen Kaisers, ein anderer trägt den bekannten Namen: „Grover Cleveland", der dritte denjenigen des Vicepräsidmten: „Allan G. Thurman" und der vierte heißt „Roger O. Mills" (Name eines amerikanischen Staatsmannes).- Die Mädchen sind „Victoria" (Kaiserin Friedrich) und „Louise". SämMt- liche Kinder sind echte wahre Däumlinge, von unglaublicher Kleinheit, waren jedoch bei ihrer Geburt ziemlich vollkommen, hatten offene, klare Augen und Nägel an den Fingern und die Mädchen brachten sogar einen zier lichen Haarwuchs mit zur Welt. Die Mutter ist völlig gesund und klagt nicht einmal über ihre „Nerven", obgleich das Geschrei im Zimmer nie aufhört, denn einige von den Sechsen machen stets Lärm, und wenn dir einen einschlafen, fangen die andern wieder an. Redaktion, Druck und Verlag von H. A. Berger in Wilsdruff.