Volltext Seite (XML)
„Woraus schließest Du das?" fragte der Graf in hoher Spannung. „Als des jungen Herrn Diener das Todtengemach betrat, hatte ihn der Ton der Glocke Eures Sohnes hineingerufen," fuhr die Alte hustend fort, ohne die Frage des Grafen zu beantworten. „Wer hat geläutet, Herr? Die Einen sagen: Der Teufel that es als ein Frmdengeläut über sein Würgen. Die Anderen sagen: Der Todte that es, um vom Scheiden seiner Seele Kunde zu geben. Hihihi! Ich sage: Schaut Euch einmal das Glöckchen an, wo ist es?" Der Graf blickte sich hastig um, die schüchtern näher getretenen Diener ließen gleichfalls ihre Blicke durch das Zimmer gleiten. Man hatte in demselben auf Befehl ihres Herrn Alles in dem Stande gelassen, wie man es vorgesunden; nur den Körper des Ermordeten hatte man in dem großen Prunksaal des Schlosses feierlich gebettet. Die Glocke, welche man suchte, stand nicht auf dem Tischchen vor der Lagerstatt, wo sie sich sonst zu befinden pflegte. Die forschenden Augen suchten vergeblich nach ihr. „Dort liegt sie — auf dem Sefsel an der Thür!" sagte, den dürren Arm ausstrcckend, die Zigeunerin, deren nur scheinbar blöde Augen, emsig umherspähend, den gesuchten Gegenstand zuerst erblickten. Die Glocke lag in der That auf einem Polstersessel, wie dorthin geworfen, entfernt von dem Lager an einer entgegengesetzten Thür des Gemaches. Der Graf nahm die Glocke in die Hand und erschrack heftig. „Zeigt her, zeigt her!" rief die Alte begierig: „Sagt, was seht Ihr daran?" Der Graf starrte, ohne zu antworten, auf das Glöckchen in seiner Hand, das er in anscheinend tiefer Bestürzung vor sein Gesicht hielt. Die scharfen Augen der Zigeunerin hatten bereits wahrgenommen, wonach sie geforscht zu haben schien. „An dem Griffe sind silberne Ver zierungen mit Blättern und Ranken von dem schmucken Metall," rief sie wie triumphirend. „An den Ranken hängen Fäden und ein künstlich verschlungenes Gewebe von Zeug, das sich daran verfitzt!" Sebt's Euch an: es ist ein Stücklein von den Spitzen, die ich Euch gebracht!" „Weib, bist Du mit dem Teufel im Bunde?" rief der Graf in tiefer Erregung aus. In der That hing von den Verzierungen des Glockengriffes, in die selben verwickelt, ein Stück zerrissener Spitzen herab, ähnlich denjenigen, welche die Alte dem Grafen übersandt. „Seht zu, ob's nicht paßt!" fuhr diese eifrig fort, „legt das Stück lein an die schmucke Handkrause, die ich Euch gegeben und schaut, ob cs nicht just das Stücklein ist, das an der Handkrause fehlt! — Hihihi, Herr Graf: Zweifelt ihr noch? Die Hand, die diese Krause trug, war's, die das Glöcklein rührte: die schmucke Krause verfing sich an den blanken Silberhäklein, die Hand riß es los und warf das Glöcklein fort, dort auf den Sessel an der Thür — und dort hinaus geht der Weg, auf dem die kecke Hand entkam!" „Du hast Recht, Weib!" stöhnte der Graf dumpf, „ich ahne, was geschehen." „Ihr ahnt es nur, ahnt es nur?" drängte die Alte lauernd. „Ei, ei, hihihi, erkennt Ihr nicht, wem die Krause gehört?" „Ich erkenne sie!" sagte der Graf und sein Auge starrte düster auf das Stückchen Zeug in seiner Hand. „Durch jene Thür, durch welche die Mörderhand entwich, geht der Weg nach dem stillen Thurm — hört Jbr's wohl? nach dem stillen Thurm des Schlosses!" raunte ihm die Alte näher tretend, leise zu. „Dort ist das Archiv, — nur Er vermochte es zu öffnen. Ja, zweifelt Ihr nock, wer Euren Sohn erschlug und warum er fiel?" „Ich weiß es!" sagte der Graf, desfen Stimme bebte, und dessen Gesicht tief erbleicht war. „Ich weiß es und ich werde ihn rächen, furcht bar rächen!" »Ja, ja, hm, hm, versucht's!" hüstelte die Alte, „versucht's, aber ritzet Euch dabei nicht an den Nägeln dieser Hand — sie sind scharf wie das blanke Metall dort, das die Krause festhielt und zerriß! Herr, Herr, hütet Euch, — die Hand ist furchtbar, die Euren Sohn erschlug, Ihr wißt es!" „Schweig!" donnerte der Graf ihr heftig zu und warf einen finsteren Blick auf die fernstehende Dienerschaft, welche scheu der Scene beiwohnte, „Ihr aber," herrschte er ihnen streng zu, „macht Euch hinweg, an Eure Arbeit! Richtet die Zimmer her im westlichen Theil des Schlosses, es kommen Gäste!" Er schloß hastig die Thür hinter der weichenden Dienerschaft uud blieb mit der Alten allein. „Was bringst Du mir für Kunde," fragte er, die Zigeunerin scharf anblickend, ist unser Geheimniß entdeckt?" „Noch ist es sicher." Aber hütet das Archiv! Wenn die greise Thurnika ihn erblickte ..." „Schweig' von ihr, nenne den Namen nicht!" fuhr der Graf heftig zusammen. „So lebt sie noch?" fragte die Zigeunerin lauernd. „Sie lebt! Suche sie auf, so bald Du mich verlassen. Geh' die Stiege hinan zum stillen Thurm, dort weilt sie verborgen Du weißt, ich betrete ihn nicht, diesen Unglückstheil des Schlosses." „Glaub's wohl, glaub's wohl!" kicherte die Alte. „Wär' auch nicht gut, heut, nachdem Ihr das Kräuslein erhalten, daö ist Euch gebracht!" „Ha, dieie Krause!" zuckte der Graf auf. „Weib, sprich, — bei dem furchtbaren Bande, das Dich an das Geheimniß unseres Hauses fesselt, beschwör' ich Dich, künde mir die Wahrheit: wer gab Dir jene Hand krause, die, wie Du weißt, mir eine furchtbare Botschaft ist?" „Ernst Heinrich brachte sie mir auf schweißbedecktem Gaule!" „Ernst Heinrich? Entsetzlich! Und von — von Ihm? „Von Ihm?" „So muß Sorbenna sterben!" murmelte der Graf dumpf. „Hütet Euch!" warnte die Alte, sich scheu umblickend. Er steht unter des Mächtigen Schutz!" „Forscht er nach seiner Tochter?" „Er weiß, daß sie entronnen! Er vermulhet sie — bei ihm!" „Der Thor! — Und Ludmilla von Warnburg?" „Fragt den Grafen! In einer Stunde ist er hier!" „So bringe heimlich Botschaft an Margarethe!" „Margarethe, ha, die schmucke Braut? Ich weiß nickt, ob ick's kann!" sagte die Alte und trippelt ängstlich hin und her. „Ich werd's, werd's, wenn mir's gelingt!" „Du mußt, es darf nicht anders sein und wenn es Dein Leben kostet!" drängte der Graf heftig. „Und von ihm weißt Du Nichts?" „Ich werde Euch Alles sagen," raunte ihm die Alte scheu zu. „Ich werde Euch das Geheimniß des Schrecklichen enthüllen! Führet mich an das Todtenbett Eures Sohnes, dort will ich Euch weisen, was Euch das dunkle Räthsel lösen wird!" „Schnell komm!" Der Graf durchschritt hastig einige Zimmer, öffnete den schwarz verhangenen Trauersaal und trat ein. Das Weib folgte ihm, die Thür sorgfältig hinter sich schließend. Sie befanden sich in dem ein samen Prunkgemach, das heut das Todtenzimmer des jungen Grafen ge worden. Düstere, kalte, öde Stille lag wie bleischwer ringsum, bleich fiel das Dämmerlicht durch die geschlossenen Scheiben auf das Antlitz des Todten und auf die stummen Mienen der beiden Gestalten au seiner Bahre; in furchtbarer Spannung blickte der Graf auf das zerlumpte Weib, von dem er hier die Lichtung so tiefen Dunkels erhalten sollte, das ihn noch umgab. Otto von Markheims Leiche .... (Fortsetzung folgt.) Vermischtes. * Zur Geschichte vom patriotischen Postillon, der am Morgen des Kaisers-Geburtstages vor dem königl. Schlosse erschien, um auf seinem Posthorn dem Kaiser das berühmte Mantellied (Schier dreißig Jahre rc.) in die Fenster zu blasen, hat Kaiser Wilhelm folgendes Schlußkapitel ge schaffen. Schon am Dienstag hatte die bekannte postalische Findigkeit den musikalischen Frühgratulanten voni Sonntag in der Person des Postillons Gerlach entdeckt, den die Kunde, daß er zum Kaiser befohlen sei, in ge lindes Entsetzen jagte. Doch wer A. gesagt hat, muß auch B. sagen. Unter verschiedenen Stoßseufzern warf sich der „Schwager" in seine Gala uniform, um sich in schwer definirbarer Gemüthsstimmung aus den Weg zu machen. Im Vorzimmer des kaiserlichen Arbeitskabinets sank sein Muth beinahe auf den Gefrierpunkt. Wie freudig überrascht aber war er, und wie glänzte sein ehrliches Postillonsgesicht, als er unmittelbar daraus vor den Kaiser geführt wurde und dieser ihm in gütigen Worten seinen Dank für die originelle Gratulation ausdrückte. Freilich gab es dabei noch einen heiklen Moment, nämlich als der Kaiser die Frage stellte: „Haben Sie auch am Sonntag dadurch nichts im Dienst versäumt?", worauf sich der Stephansjünger zu dem Geständniß bequemte: „Hab' ick allens wieder injeholt, Majestät!" Höchlichst ergötzt von dem unverfälsch ten Berliner Jargon des Mannes, entließ der Kaiser hierauf seinen Gast, jedoch nicht, ohne'demselben „zur wünschenswerthen Fortentwickelung seiner musikalischen Talente" einen Hundertmarkschein mit auf den Weg geben zu lassen. Mit wonnestrahlendem Gesicht kehrte der Glückliche heim, und die postamtliche Benachrichtigung, daß er „wegen Abgabe von außerdienst lichen Signalen im Dienst" in eine Ordnungsstrafe von drei Mark ge nommen sei, bereitete ihm weiter keinen Kummer. Er hielt diese drei Mark schon längst in der Tasche gelockert; wußte er doch, daß in Preußen ein Vergehen gegen Dienstvorschriften nickt ungcrocken bleiben darf. Eispalast. Auf dem Grundstücke des Petersburger Aquariums ist gegenwärtig ein großer, völlig aus Eis gebauter Palast zu sehen. Der selbe nimmt einen Flächenraum von 24 Faden Länge und 12 Faden Breite ein, ist drei Stock hoch und mit 12 Thürmen verziert. Zum zwei ten Stock führt eine doppelte Eistreppe, welche mit verschiedenen Büsten, Figuren und Vasen aus Eis geschmückt ist. Das dritte Stockwerk endigt mit einem hohen Thurm. Die Einrichtung des Palastes besteht aus Mö beln, Sophas, Tischen, Stühlen, Ständern mit verschiedenem Geschirr, Vasen, Figuren, Rittern, Kamin mit brennendem Holz rc., Alles aus Eis. Aus dem Platze vor dem Palaste befindet sich ein Bassin, über welchem sich die Statue des Neptun, umgeben von Nymphen, erhebt. Der Eis palast ist auf der Stirnseite mit einer Balustrade umgeben, welche mit Löwen, Vasen und anderen Verzierungen geschmückt ist. Vor dem Eis paläste sind ferner noch Ritter, Statuen der Venus und Kanonen aufge stellt. Das Ganze wird Abends elektrisch erleuchtet. * Wahlberechtigung. Richter: „Angeklagter, Sie haben also im Wahl lokal einen fremden Hut genommen und dafür den Ihrigen zurückgelassen?" Angeklagter: „Sehen Se, Herr Präsident, die Sache hat seine Richtigkeit un is geschehen in Ausübung meiner Reckte, denn weil ich nach das Wahllokal kam, wo ich berechtigt bin, da krichte mir en ganz schnobel aussehender Herr kein Kragen un schnauzte mir an: „Wählen Se, es is de höchste Zeit," und dabei zeigte er nach die Hüte, die auf'n Nagel hingen. Sehen Se, Herr Präsident, da habe ich mich noch nich mal den besten ausgesucht. * Eintausend achthundert Centner Salz hat die Große Berliner Pferdebahn in den letzten vier Tagen gebraucht, um den Verkehr auf ihren Linien aufrecht zu erhalten. " In dem Dorfe Springsdorf bei Falkenberg (Oberschlesien) wurden zwei Soldaten erhängt aufgefunden. Die Unglücklichen hatten sich an einem und demselben Zweige und an demselben Stricke, Jeder an einem Ende, erhängt, weil sie von ihren Truppentheilen wegen eines in ihrer Heimath veranstalteten Tanzvergnügens desertirt waren und nun Furcht vor der Strafe hegten. Die Selbstmörder waren Brüder. * Brennendes Wasser. Aus New-Aork wird geschrieben: In der Nähe von Decker im Staate Indiana steht ein See in Hellen Flammen, die einen sehr starken Schwefelgeruch ausströmen, sodaß die Bewohner der Umgegend sich zur Flucht aufmachen. Doch nicht der betäubende Dunst allein ist die Ursache des Aufbruchs, sondern die mit dem Feuer einher- gehende Gefahr eines Waldbrandes, denn der in der Länge und Breite je 600 Aards messende See ist ringsum von Wäldern eingeschlossen. Die Ansickten über die Entstehung des Brandes sind bis jetzt verschiedene. Manche glauben, es seien durch eine unterseeische Eruption Mineralien und Oele ins Wasser getreten, die sich bei der Berührung mit der Luft selbst entzündet hätten; Andere behaupten, einige oder mehrere Oeladern in der Nähe des Sees seien geplatzt, hätten sich Bahn gebrochen und die Oberfläche des Wassers mit einer dicken Oelschicht überzogen, die dann aus irgend einem Grunde in Brand gerathen sei. Der bestbesoldete Beamte Kölns soll, wie in der Finanzkommission und in der Stadtverordnetenversammlung gesprächsweise geäußert wurde, der Verwalter des Friedhofs zuMelalln sein. Das Einkommen desselben aus den Gebühren für die Beerdigung der Leichen, Unterhaltung der Gräber, Herstellung der Fundamente für Denkmäler rc. wird auf 36- bis 40 000 Mark geschätzt. Der nächstfolgende bestbesoldete Beamte ist der Direktor 'der Gas- und Wasserwerke; diesem folgt erst der Oberbürgermeister. Warnung. Vielfach laufen Beschwerden bei uns ein, daß bei Nachfrage nach Warner's Safe Cure in den Apotheken gewisse Apotheker sich abfällig über diese Medizin äußern und dadurch versuchen das Publikum abzuhalten, dieselbe in Anwendung zu bringen. Den Grund solcher Aeußerung wird sich wohl Jeder leicht erklären können und ist anzunehmen, daß jeder ver nünftige Mensch sich unter entschiedener Zurückweisung derartiger ver leumderischer Bemerkungen an diejenige Apotheke wendet, welche es sich zur Aufgabe macht, dem Publikum solche Medizinen zu verabreichen, welche nützlich und erfolgbringend sind. Daß Warner's Safe Cure eine erfolg reiche Medizin ist, beweist schon der Umstand, daß Tausende derselben ihre Heilung verdanken und Aerzte dies Mittel in Anwendung bringen, nach dem alle anderen Kuren erfolglos waren. Auf Wunsch wird an jede Adresse gratis und franco eine populär-wissenschaftliche Schrift, welche Hunderte von Attesten von hochstehenden Persönlichkeiten und Aerzten in Deutschland enthält, zugesandt, und kann Jeder sich selbst zur Ueberzeug- ung an die Attestirenden wenden. Frankfurt a. M. H. H. Warner u. Co. Redaktion, Druck und Verlag von H. A. Berger in Wilsdruff.