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UchM MMss WmM, KO», Aeiichii md die UmWidul. AmtsbLatt für die Ml. Umlsbauptmannschast zu Weiten, das Ml. Amtsgericht und den Ktadtrath zn Wilsdruff. Erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags. — Abonnementpreis vierteljährlich 1 Mark. Einzelne Nummern 10 Psg.— Inserate werden Mont«-k und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Nr. 9. Freitag, den 1. Februar 1889. DogeSgeschichte. Wilsdruff, 31. Januar. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel wirkte die durch den Telegraphen verbreitete Nachricht, daß der einzige Sohn des Kaisers Franz Joseph von Oesterreich, Kronprinz Rudolf, Mittwoch Bormittag in Maier ling bei Baden im blühendsten Mannesalter plötzlich gestorben ist. Das Haus Habsburg und mit ihm die Bevölkerung des ganzen österreich ungarischen Ätaates wird in die tiefste Trauer versetzt über den Verlust eines allgemein geliebten und verehrten Prinzen, der berufen war, einst die Krone zu tragen. Aber auch in Deutschland, das mit Oesterreich-Ungarn durch einen Bündnißvertrag auf das Engste verbunden ist, und desfen Kaiser Wilhelm in dem innigsten persönlichen Freundschaftsverhältniß zu dem Heimgegangenen stand, wird das schmerzliche Ereigniß allgemeine tiefe Theilnahme erwecken. Nicht minder wird unfer theures Königshaus, das nicht weniger durch Bande der Verwandtschaft und Freundschaft an das österreichische Kaiserhaus geknüpft ist, durch den Trauerfall auf das Schmerzlichste berührt werden. Der so jäh dem Leben Entrissene ist wenig über 30 Jahre alt geworben; er war am 21. August 1858 geboren. Die Völker Oesterreich-Ungarns blickten auf ihn mit großen und berech tigten Hoffnungen. Namentlich durften unsere deutschen Stammcsgenoffen ihm ihr volles Vertrauen zuwenden. Kronprinz Rudolf hat wiederholt durch Wort und That bekundet, daß die Deutschen bei ihren schweren Kämpfen seiner Sympathieen gewiß sein konnten. Der Kronprinz war namentlich der erklärte Liebling der Wiener. Er huldigte freieren An schauungen, die er in seinem Umgang mit Schriftstellern zu stärken wußte. Kronprinz Rudolf war ein überzeugter Anhänger des Bündnisses der österreichischen Monarchie mit Deutschland. Hart trifft sein Tod vor Allem seinen Vater, den Kaiser Franz Joseph. Unter den vielen Prüfungen, die diesem Monarchen das Schicksal auferlegt hat, bildet der Tod seines Sohnes und Erben wohl die schwerste. Vor Kurzem feierte er sein 40hriges Regierungs-Jubiläum — jetzt steht er an der Bahre seines ein zigen Sohnes! Schwer geprüfter Kaiser! Beklagenswerther Vater! Kronprinz Rudolf hinterläßt eine einzige Tochter im Alter von 5 Jahren. Seinen Lieblingswunsch, einen Sohn sein eigen zu nennen, hat ihm das Schicksal versagt. Dem Throne der österreichischen Monarchie stünde da her jetzt der um 3 Jahre jüngere Bruder des Kaisers Franz Joseph, der Erzherzog Karl Ludwig, geb. 1833, am nächsten. — Ein Extrablatt der offiziellen „Wiener Zeitung" meldet über den Todesfall des Kronprinzen Rudolf, der mit mehreren Jagdgästen zur Jagd nach Maierling sich be geben hatte, Folgendes: Der Kronprinz fühlte sich schon Tags vorher etwas unwohl. Als die Jagdgäste früh sich versammelten und sich nach dem Kronprinzen erkundigten, wurden dieselben durch die entsetzliche Nach richt vom Schmerz überwältigt, daß der Kronprinz in Folge eines Schlag anfalles seine edle Seele ausgehaucht habe. Einer der Jagdgäste, Graf Hoyos, brachte die Trauerkunde in die kaiserliche Hofburg. Der Kaiser zog sich, nachdem er die Nachricht erhalten, zurück und ist für Niemand zu sprechen. In der ganzen Kaiserlichen Familie herrscht namenloser Schmerz und Verwirrung und eine ungeheure Aufregung in der ganzen Stadt. Nachmittags und Abends durchzogen die Hauptverkehrsadern der Stadt große Menschenmengen, in deren Haltung sich tiefe Bestürzung und innigste Theilnahme kundgab. Das Parlament, die Theater und die Börse sind geschloffen. Die Kapelle des Berliner Königsschlosses war am Sonntag aus Anlaß der feierlichen Bedeutung des Tages, des Geburtstagsfestes Sr. Majestät des Kaisers, festlich geschmückt. Um 10'/, Uhr erschienen der Kaiser, die Kaiserin mit den fürstlichen Gästen und Gefolge in der Kapelle zum Gottesdienst. Die Kaiserin ging zwischen dem Kaiser und dem Könige von Sachsen. Dem Gottesdienste folgte alsbald die große Gratulations kur im Thronsaale, welche ein wahrhaft glanzvolles Bild darbot. Als Fürst Bismarck und Generalfeldmarschall Graf von Moltke sich dem Kaiser näherten, ging der Kaiser denselben entgegen und schüttelte ihnen die Hände; die Kaiserin reichte beiden die Hand zum Kusse. — Die Gratulation in der Kaiser!. Familie vollzog sich Vormittag um 9 Uhr in dem Pseilersaale des Berliner Schlosses. Auf zwei mit grünem Epheu umrankten und mit reich geschmückten Tischen lagen die Geschenke für Se. Majestät den Kaiser. Hinter den Tischen stand ein lebensgroßes Bildniß Ihrer Majestät der Kaiserin. An Geschenken bemerkte man ein Gewehr, ver schiedene Schalen und viele kleinere Sachen. Kurz nach 9 Uhr that sich die Flügelthur auf, und herein marschirten in festem, strammen Parade marsch der Kronprinz, sowie seine beiden ältesten Brüder; alle drei waren feldmarschmäßig in die Uniform ver 2. Kompagnie des 1. Garderegiments zu Fuß mit Helm und Haarbusch gekleidet. Nachdem die militärischen Meldungen von statten gegangen, marschirten die kleinen Soldaten wieder ab, um gleich darauf mit Blumensträußchen jubelnd wieder zurückzukommen. Diesmal hatte sich auch der vierte Prinz im weißen Kleidchen angeschlossen. Mittag gegen 1 Uhr fand im Opernhause eine von 300 Bläsern veran staltete Anfführung statt, der ebenfalls die Kaiser!. Majestäten mit ihren Gästen beiwohnten. — Der Kaiser hat zu seinem Geburtstage folgende Verfügung erlaffen: Ich will das Andenken an Meine in Gott ruhenden Vorfahren, sowie diejenigen hochverdienten Männer, welche im Kriege und im Frieden ihnen mit besonderer Auszeichnung zur Seite gestanden und sich gerechte Ansprüche auf die dankbare Erinnerung von König und Vater land erworben haben, dadurch ehren und für alle Zeiten lebendig erhalten, baß Ich Regimentern und Bataillonen Meiner ruhmreichen Armee ihre Kamen verleihe. — Dieser Auszeichnung sind 41 Infanterie-Regimenter, 1 Jäger-Bataillon, 13 Kavallerie-Regimenter, 10 Feld- rcsp. Fußartillerie- Regimenter und 2 Pionier-Bataillone theilhaftig geworden. Seine Majestät der Kaiser und König haben dem Reichskanzler den folgenden Allerhöchsten Erlaß zugehen lassen: Aus Anlaß Meines Ge burtstages, des ersten, den Gottes Gnade Mir nach einem so überaus wch- muthsvollen Jahre auf dem Throne Meiner Väter beschieden hat, sind Mir von nah und fern zahlreiche Glück- und Segenswünsche mannich- fachster Art dargebracht worden. Aufs Freudigste bewegt durch diese Be weise treuer Liebe und Anhänglichkeit, ist es Mir lebhaftes Bedürfniß, Allen, welche Meiner mit so inniger Theilnahme gedacht haben, Meinen warm empfundenen Dank auszusprechen. Ich beauftrage Sie, diesen Er laß zur öffentlichen Kenntniß zu bringen. Berlin, den 28. Januar 1889. Wilhelm II. U. An den Reichskanzler. Der erste Gratulant am königlichen Schloß in Berlin war am Sonn tag früh ein Postillon, welcher auf seiner gelben Postkutsche um S'/zUhr über den Schloßplatz fuhr. Vor den Zimmern Ihrer Majestäten hielt er plötzlich an, nahm sein Posthorn zur Hand, und gleich darauf drangen schmetternd die Weisen des alten Liedes: „Schier dreißig Jahre bist Du alt" zu den kaiserlichen Gemächern empor. Die Hellen reinen Töne lockten das Publikum in der Umgend vor das Schloß, und als es sich hinter den Vorhängen oben zu bewegen schien, da erscholl ein brausendes Hurrah empor. Gerade während sich der Reichstag mit den ostafrikanischen Ange legenheiten beschäftigt, sind aus Afrika abermals Nachrichten über neue Kämpfe zwischen den aufständischen Arabern und den Deutschen eingelaufen. Der Schauplatz derselben war der Hafenplatz Dar-es-Salam und endeten die Kämpfe mit der Niederlage der Aufständischen, von denen viele getödtet wurden. Die Deutschen hatten bei dem Gefecht keine Verluste, leider starb aber nach Beendigung desselben der Kapitän-Lieutenant Landfermann an den Folgen eines Sonnenstiches. Besorgnißerregend klingt eine eben falls jetzt eingegangene Meldung bezüglich der von den Arabern jüngst gefangen genommenen deutschen Missionäre. Die Araber haben die An nahme des Lösegeldes für die gefangenene Missionäre verweigert undHalten an der natürlich unerfüllbaren Forderung fest, das die Fremden die ge jammte Küste des aufständischen Gebietes räumen und daß außerdem die Gefangenen zum Islam übertren. Die am Sonntag in Paris erfolgte Ersatzwahl zur Deputirten- kammer hat ein Resultat ergeben, das allgemeine Sensation hervorzurufen geeignet ist. Boulanger wurde mit 244070 von 435 860 Stimmen gewählt. Die Wahl Boulanger's ist ein betäubender Schlag für die Re publik, aber auch eine harte Prüfung für Frankreich. Es ist interessant, auf die Stimmen zu horchen, welche zu seinem Lobe ertönten. Seine Freunde rühmen seine Tapferkeit, sic weisen auf die drei Kugeln hin, die im Kampfe für das Vaterland seinen Körper verwundet haben; sie preisen ihn, weil er die Armee mit einem neuen Gewehre ausgerüstet, sie erzählen, wie er als Kricgsminister im Geheimen die Festungen an der Grenze besichtigt hat, aber selbst seine Schmeichler haben noch niemals behauptet, daß er ein bedeutender Mensch sei. Eine solche Huldigung würde wenig kosten, und wenn sie denooch unwillkürlich unterlassen wird, so kann man den Ein druck beurtheilen, den Boulanger auf seine nächste Umgebung hervorbringt. Wenn Frankreich solchen Händen sein Loos anvertraut, dann führt es seinen Ruin durch eigene Schuld herbei. Eine Nation mag geistreich, gebildet, arbeitsam, begabt sein, aber sie muß auch politischen Ernst besitzen, wmn sie sich im Wettbewerbe der Völker behaupten will. Boulanger hat seinen Haß gegen die Verfassung nie verborgen, und er wird sie zum Schemel seiner Diktatur umgestalten. Diese Revision wird einen Sturm in Frank reich entfesseln, und wenn die widerstrebenden Elemente sich nicht fügen sollten, so wird ein System der rücksichtslosen Strenge die Opposition brechen. Schon als Kriegsminister wollte Boulanger sich der Armee bemächtigen, und er war bemüht, seine persönlichen Anhänger zu vermehren, um die selben seiner Willkür dienstbar zu machen. Ist er einmal Präsident ge worden, dann verfügt er über die bewaffnete Macht, kann Generale er nennen und absetzen, die wichtigsten Posten mit seinen Günstlingen besetzen und alle Fäden der Verwaltung in seiner Hand vereinigen. Weiß man aber in Frankreich nicht, was die Diktatur bedeutet? Schon jetzt war die Liga der Patrioten, welche den Krieg um jeden Preis will, bemüht, den Triumph des Generals zu sichern. Offen und versteckt wird in dem Wahl aufrufe Doroulsdc's verkündet, Boulanger verbürge den Sieg Frankreichs und die Rache an den Feinden. Man denke an Napoleon, welcher nur widerwillig gegen Oesterreich zu Felde zog, aber die Unterstützung Italiens nicht vermeiden konnte, weil er als Prätendent den geheimen Gesellschaften bindende Versprechungen gemacht hatte. Lange zögerte er, sein Wort zu erfüllen, als die Bomben Orsini's ihn schauerlich an seine Verpflichtungen mahnten. Boulanger genießt die Unterstützung jener Vereine, die über ganz Frankreich verbreitet sind und die Eroberung von Elsaß und Lothringen anstreben. Dsroulsde würde sich nicht für Boulanger begeistern, Wenner nicht sicher wäre, daß der General nicht allein die Verfassung, sondern auch den Frankfurter Frieden umstoßen will. In Frankreich ist die Vorstellung nicht auszurotten, daß es bei Metz verrathen worden und bei Sedan nur einem Zufalle unterlegen sei. Wie leicht kann ein Verführer Glauben finden, welcher erklärt, eine Nation, welche über drei Millionen Streiter verfügt, sei unbezwingbar. Frankreich hat durch seine Unterwürfigkeit gegen Rußland viele Sympathien in Europa verloren, aber es giebt dennoch keinen Staat, welcher nicht die Leiden eines Volkes beklagen würde, welchem die Menschheit die Ausbildung der freien Gesellschaft zu danken hat. Es wäre