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Minister und Botschafter, sowie Politiker aller Arten hoffnungsvoller und zuversichtlicher in dem Glauben auf Aufrechterhaltung des Friedens als seit geraumer Zeit gefunden. „Die von Fürst Bismarck gehegten und von Anderen ausgedrückten beruhigenden Anschauungen stützten sich, so heißt es in dem Bericht, auf eine wirkliche Besserung der allgemeinen Lage. In Wien aus der deutschen Hauptstadt eingegangene Privatbriefe bestätigten diese Ansicht." Die auswärtige Lage trägt zur Zeit ein durchaus friedliches Ge präge. Dies sprach auch am Montag der von den Nachwirkungen des gegen ihn verübten Mordanfalls wieder genesene italienische Ministerprä sident Crispi in der Programmrede bei einem ihm zu Palermo veran stalteten Festmahl in vollster Ueberzeugung aus. Diese Rede, welche u. A. den Bruch der Handelsbeziehungen mit Frankreich und die italienische Kolonialpolitik rechtfertigte, erweckte in Italien großen Enthusiasmus, fand aber auch in anderen Ländern, abgesehen natürlich von Frankreich, rück haltslose Anerkennung. Besonders stimmte man in England den Friedens versicherungen bei und betonte die Nothwendigkeit des Dreibundes für Italien. Petersburg, 19. Oktober. Der Kaiser, die Kaiserin und die Mit glieder der Kaiserlichen Familie sind gestern Abend von ihrer Reise in das Ausland nach Gatschina zurückgekehrt. Lissabon, 19. Oktober. Der König von Portugal ist heute Vor mittag 11 Uhr gestorben. Um 1 Uhr Nachmittags verkündeten Kanonen schüsse von den Kriegsschiffen und der Festung sowie Glockengeläute der Hauptstadt das Ableben des Königs. Sämmtliche Läden und Magazine wurden sofort geschlossen, überall erschienen Trauer-Insignien. Die Mi nister, der pästliche Nuntius, der Patriarch und andere hohe Würdenträger umgaben das Todtenbett des Königs in dem Fort Cascacs. Die Königin, welche 12 Stunden das Sterbezimmer nicht verlassen hatte, hielt die Hände ihres Gemahles zwischen den ihrigen bis zu dessen letztem Athem- zuge. Es ist noch ungewiß, ob die Leiche des Königs zu Wasser oder Lande nach der Hauptstadt gebracht wird. Der Konseilpräsident hat dem neuen König Karl die Entlassung des gesammten Kabinets überreicht. Der König hat dieselbe abgelehnt und sämmtliche Minister durch eine Proklamation in ihren Stellungen bestätigt. Der verstorbene König Lud wig 1. war 1838 geb., hat also sein 51. Lebensjahr noch nicht vollendet. Er folgte seinem Bruder Petro V. 1861 und vermählte sich 1862 mit der italienischen Prinzessin Maria Pia, Schwester des jetzigen Königs von Italien. Sein Nachfolger ist der bisherige Kronprinz Karl, der am 28. Sept. 1863 geb. und mit der Prinzessin Amalie, Tochter des Grafen von Paris, verheirathet ist. Das portugiesische Königshaus ist also durch seinen neuen Vertreter sowohl mit dem italienischen Königshause wie mit den Orleans und durch diese mit dem gegenwärtig regierenden spanischen Königshause verwandt. Dom Luis war bekannt als Freund der Wissen schaften und Künste; durch eine Uebersetzung Shakespeare's in's Portu giesische hat er sich auch einen literarischen Namen gemacht. Unter seiner Regierung, die eine gut konstitutionelle war, hat Portugal manche, nament lich wirthschaftliche Fortschritte gemacht. Vaterländisches. Wilsdruff. Der Ausschuß für die Wilsdrusf-Deutschenbora- Gadewitzer Eisenbahnlinie hielt am letzten Sonntag im Hotel zum weißen Adler allhier eine Versammlung ab, zu welcher eine Anzahl Interessenten von hier und der nächsten Umgegend eingeladen und erschienen waren. Der Vorsitzende des Ausschusses, Herr von Schönberg-Pötting auf Tanneberg, wußte unter gleichzeitiger Vorlegung von bezüglichen Karten in längeren Darlegungen über gedachtes Project die Anwesenden zu fesseln. Ueber das gedachte Project haben wir in früheren Nummern unseres Blattes bereits ausführlicher berichtet und sehen deshalb heute davon ab. In der den Ausführungen des Vorsitzenden folgenden kurzen Debatte legte Re ferent dieses den Standpunkt Wilsdruffs den nunmehr bestehenden drei Projecten eines Weiterbaues der Bahnlinie Potschappel-Wilsdruff dar, be tonend, daß die Stadt Wilsdruff, indem sie der ganzen großen, schönen und weiten Umgegend Bahnverbindung wünsche, sich aber im eigenen In teresse an der Agitation für eines der drei bestehenden Projecte noch nicht betheiligt habe und sich wahrscheinlich auch heute nicht entschließen werde, ohne vorher über den Stand der andern Projecte Erkundigung eingezogen zu haben, sich dem vorliegenden Projecte anzuschließen. Nachdem hierauf der mitanwesende Herr Dr. Kalberla von Hirschfeld in schneidiger Rede für die Linie Wilsdruff-Deutschenbora-Gadewitz gesprochen, wurde, um wenigstens einen Schritt weiter zu kommen, der Antrag gestellt und einstimmig angenommen (Herr Bürgermeister Ficker enthielt sich der Abstimmung): Der Ausschuß für die gedachte Linie möge an den hiesigen löblichen Stadgemeinderath sowie an den Gewerbe- und Gemeinnützigen Verein unter gleichzeitiger Einsendung ausführlicher Begründung des Pro jektes ein Gesuch um Betheiligung an den weiteren Arbeiten zur Herbei führung der auch für Wilsdruff vortheilhaften Schmaleisenbahn zwischen Wilsdruff-Deutschenbora-Gadewitz richten. Nach einem Schlußwort des Herrn Vorsitzenden und nach Verlesung des Protokolles wurde die Versamm lung geschlossen. — Gleichzeitig tagte im Adlersaale der hiesige landwirth- schaftliche Verein, in welchem der stellvertretende Anwalt ländlicher Ge nossenschaften, Herr Ra ffeisen aus Neuwied einen Vortrag über „Bildung von Darlehnskassenvereinen in Verbindung mit Consumvereinen" hielt, worüber uns vielleicht für nächste Nummer schon ein ausführlicher Be richt zugeht. — In Anlaß des Verscheidens des Königs von Portugal, der bekanntlich ein Schwager Sr. Kgl. Hoheit des Prinzen Georg war, wird am Kgl. HostDresden Trauerinder Dauer von 3 Wochen angelegt. Der Entschlafene erlag derselben tückischen Krankheit, wie seine hohe Schwester, Prinzeß Georg, dem Typhus. — Das Gesammtministerium erläßt folgende Bekanntmachung, die Versammlung der Stände des Königreichs Sachsen zum nächsten ordentlichen Landtage betreffend: „Se. Majestät der König hat beschlossen, di« getreuen Stände des Königreichs Sachsen zu einem in Gemäßheit von § 115 der Verfassungsurkunde abzuhaltenden ordentlichen Landtag auf den 11. November dieses Jahres in die Residenzstadt Dresden einberufen zu lasten. Allerhöchstem Befehle gemäß wird Solches und daß an die Mit glieder beider ständischer Kammern noch besondere Missivcn aus dem Mi nisterium des Innern ergehen werden, hierdurch zur öffentlichen Kenntniß gebracht." — Bei der Königlichen Altersrentenbank zu Dresden (Landhaus, König-Johannstraße) sind im Monat September d. I. 257 201 Mk. in 508 Einlagen eingegangen. Das dritte Vierteljahr 1889 führte der Bank im Ganzen 1649 Einlagen mit 646 350 Mk. zu, während bis zum 30. September überhaupt im laufenden Jahre 2 010 472 Mk. in 4 915 Ein lagen zur Erwerbung von Alters- und Zeitrenten eingezahlt worden sind. — Vor einigen Tagen wurde die Frau eines Steuermanns in Rasteln bei Tetschen begraben, welche an einer Blutvergiftung durch wollene Strümpfe gestorben ist. Die Frau hatte sich eine leichte Verletzung am Schienbein zugezogen, derselben aber keine Bedeutung beigelegt, daher auch die Wunde nicht verbunden. Nun trug die Frau rothe Wollstrümpfe, und diese sollten ihr verhängnißvoll werden. Das Bein schwoll stark an und der jetzt hinzugemfene Arzt konnte keine Rettung mehr bringen; die Frau starb unter heftigen Schmerzen. — Am Anfang dieses Monats stach sich der Gartennahrungsbesitzer Traugott Dienel in Kiesdorf a. d. Eigen bei einer Feldarbeit den Stachel von einer Distel in einen Finger. Um denselben wiederherauszubekommen, bediente sich derselbe einer Stecknadel. Nach einiger Zeit schwoll die Hand und sodann der Arm an, und der hinzugerufene Arzt konstatirte Blutver giftung, an deren Folgen der in den besten Jahren stehende Dienel nun mehr verstorben ist. — Auf der Haltestelle Ulberndorf an der Hainsberg-Kipsdorser Eisenbahn kam dieser Tage eine alte Frau im Morgengrauen mit einem Trag korbe an den ersten Zug, um mit demselben nach Dippoldiswalde zu fahren. Vielerfahren schien sie im Eisenbahnfähren gerade nicht zu sein, dmn sie erkundigte sich, wie die Sache anzustellen und erhielt dabei von irgend Je mand den Rath, nur „um den Zug herumzugehen." Dieser Rath hatte den überraschenden Erfolg, daß der Lokomotivführer, im Begriffe abzn- fahren, plötzlich bemerkt, daß die Alte sammt ihrem Tragkorbe vorn auf der Lokomotive Platz genommen hat und so nach Dippoldiswalde zu kut- schiren gedenkt. Da die gute Frau zu den hellsten ihres Geschlechts offen bar nicht zählte, so begnügte man sich, sie von ihrem seltsamen Sperrsitze wieder herabzuholen und anderweit unterzubringen. — In Seifhennersdorf wurde ein 17- bis 18jährigesMädchen, Tochter einer geachteten Familie, gelegentlich des Kirmesfestes stattfindenden Tanzvergnügens plötzlich während des Tanzens im Arme ihres Tänzers vom Tode ereilt; ein Herzschlag hatte ihrem jungen Leben ein so jähes Ende bereitet. — Geldrollen, welche mit der Bezeichnung ihres Inhalts und mit einem zu dieser Bezeichnung in Beziehung gebrachten Namen versehen worden sind, können nach einer Entscheidung des Reichsgerichts für beweiserheb liche Privaturkunden gelten und es kann mithin das Beschreiben einer solchen Geldrolle mit einer wissentlich falschen Gehaltsangabc als Urkundenfälschung angesehen werden. — Entgegen den Wahrnehmungen in anderen Städten hat die Flei scherinnung in Colditz beschlossen, von Erhöhungen der Fleischpreise z. Z. abzusehen, weil man die künstliche Vertheucrung der Viehpreise nur für eine vorübergehende hält. — Pirna. Ein gräßliches Unglück mit tödtlichem Ausgange ereig nete sich am 17. Oktober Nachmitttags in der 3. Stunde auf dem Pras- scr'schen Steinabladeplatze an der Elbe, woselbst bei dem Fortrollen eines großen Sandsteinquaders, behufs Verladung desselben der hierbei beschäf tigt gewesene Arbeiter Rehn aus Zehista, verheirathet und Vater dreier Kinder, in Folge des Nachrutschens der anderweiten dort stehenden Stein kolosse derart auf den ersterwähnten Quader zu liegen kam, daß der Kopf des Unglücklichen sofort vollständig zerquetscht wurde, während ein zweiter Arbeiter, der ebenfalls in große Gefahr gekommen war, noch rechtzeitig auf die Seite zu springen vermochte. — Am Dienstag waren es 50 Jahre, daß Musikdirektor Hart mann in Meißen zum ersten Male den Taktirstock schwang. Im Juli des nächstfolgenden Jahres kam derselbe dann nach Meißen und übernahm die Stelle des Stadtmusikdirektors. In aller Stille beging der greise Jubilar diese Erinnerungsfeier, nicht einmal sein Musikchor hatte von diesem Ehrentage Kenntniß erhalten. — Neulich jagten einige Personen in der Umgegend von Rochlitz, als sich harmlos ein Hjähriges Mädchen mit ihrem sechsjährigen Brüder chen nahte. Trotzdem einer der Schützen auf diesen Umstand warnend aufmerksam machte, war ein Nimrod aus Zöllnitz so vom Jagdeifer besessen, daß er, als einige Rebhühner sich in der Richtung nach den Kindern zu erhoben, hineinfeuerte und leider das Mädchen unmittelbar über dem linken Auge und an der linken Backe recht bedenklich verletzte, so daß das Kind in ärztliche Behandlung gegeben werden mußte. Nur wenige Centimeter tiefer und dasselbe hätte für immer erblinden können, oder nur einige Schrote mehr, und die Eltern wären für immer ihres Kindes beraubt gewesen. Durch fremde Schuld. Original-Roman von E. v. Linden. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) „Einst sicherlich schön und wohlgepflegt", bemerkte er leise, „;etzt aber ziemlich vernachlässigt gewesen, scharf am Fingerrand abgeschnitten. Ueber- zeugen Sie sich, Herr Litenant!" „Ich sehe", sprach dieser, „die Wunden auf der Brust rühren von fremden Nägeln her. Der Mörder scheint ihn mit der einen Hand nieder gedrückt zu haben." „Das wäre ihm wohl schwerlich gelungen, da der alte Herr jeden falls erwacht ist und alsdann auch seine Arme gebraucht hat. Untersuchen wir dies einmal." Sie streiften die Hemdärmel empor, da man den Todten, so wie man ihn gefunden, nach oberflächlicher Besichtigung in den Sarg gelegt und begraben hatte. Ueberall befanden sich blaue Flecken, die man allenfalls, so meinte Reinecke, für beginnende Zersetzung erklären konnte. Aber die Hautabschlürfung an beiden Handgelenken, bei welcher die spitzen Finger nägel wiederum eine wesentliche Rolle spielten, mußten doch einen andern Grund haben und nicht so leicht abgethan werden, wie geschehen war. „Leider müssen wir nun", fuhr der Detectiv fort, „den Todtcn wieder der Erde übergeben, um ihn dann zum zweiten Male der letzten Ruhe zu entreißen." „Zum zweiten Mal?" fragte Frank bestürzt, „wie meinen Sie das, Herr Reinecke?" „O, so haben wir nicht gewettet, Herr!" rief Niklas Fischer stirnrunzelnd. „Doch, doch, ich verstehe sckon", beschwichtigte ihn Frank, „und muß meinem Freunde beipflichten. Allerdings wird mein Pflegevater sowohl wie auch jene Frau an seiner Seite einen anderen und würdigeren Ruhe platz finden als in der Armensünderecke, und werde ich an betreffender Stelle sofort die nöthigen Schritte thun." „Recht so, Herr Lieutenant, schieben Sie das nicht auf", sprach der Detectiv, „es muß dies Ihre erste und heiligste Pflicht sein. Nun aber vor allen Dingen den Sarg wieder an seinen Platz und — reinen Mund gehalten." Nach wenigen Minuten bewegte sich der gespenstische Zug wieder über den monderhellten Friedhof nach der offenen Gruft zurück, wo der Sarg geräuschlos hinabgelassen und mit Erde bedeckt wurde. Dann verließen die drei Männer den stillen Ort, während die Todten gräber sich in ihr Häuschen und zur Ruhe begaben. Achtes Capitel. Am nächsten Morgen durchlief das Gerücht die Stadt, daß der alte Fichtner, welcher als Selbstmörder an der Kirchhofsmauer eingescharrt worden sei, wieder ausgegraben werden solle, weil sein Pflegesohn, der als Offizier vor Paris bei irgend einem Scharmützel verschwunden gewesen, plötzlich heimgekehrt wäre und den Todten mitnehmen wolle, um ihm auf seiner Besitzung, die er von dem verrückten Sonderling geerbt hab«, «in Mausoleum zu errichten.