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Vaterländisches. — Nack der alten Bauernregel, daß es am besten ist, wenn das Obst in einem Monate abblüht, eröffnen sich für dieses Jahr günstige Aussichten, da jetzt die ersten Kirschblüthm sich enfaltet haben und mit einer längeren Reihe warmer Tage ein schneller Verlauf der Blüthe wohl zu erwarten steht. Soviel sich bis jetzt beurtheilen läßt, haben Kirschen, Pflaumen und Aepfel reichen Blüthenansatz, dagegen werden Birnen gegen voriges Jahr, wo sie in übergroßer Menge vorhanden waren, etwas zu rückbleiben. Die Feldbestellung wird nach Eintritt günstigerer Witterung mit Anspannung aller Kräfte in Angriff genommen, da dieselbe gegenüber anderen Jahren ungewöhnliche Verzögerung erfahren hat, doch kann eine Reihe wärmerer Tage viel von dem Versäumten wieder einbringen. — Der Bezirkstag der landwirthschaftlichen Vereine zu Hainsberg hatte im Jahre 1888 den landwirthschaftlichen Verein zu Wilsdruff ersucht, Vorschläge im Bezug auf eine bessere Gcsindevermittelung auszuarbeiten. Fünf Vereine äußerten ihre Ansichten über die Frage; davon verneinte der Verein Dippoldiswalde die Nützlichkeit einer Vermittelungsstelle für die dortige Gegend, weil sich dann noch schneller der Zug der Dienstboten aus dem Gebirge nach den industriereicheren Gegenden einstellen würde, was ihm nur noch mehr Mangel brächte und von Schaden wäre. Die andern Vereine sind für die Errichtung von Vermittelungsstellen, bez. für den Anschluß an den im Frühjahr 1888 in Berlin begründeten Verein für Arbeitsnachweis ländlicher Arbeiter. So beschloß denn auch der Hainsberger Bezirkstag, in 5 Orten seines Bezirkes Gesindevermittelungsstellen einzu richten, welche den Zweck haben sollen, „den Landwirthen Arbeiterpersonal zuzuweisen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor grober Ausbeute zu schützen, das Gesindevermittelungsgeschäft in lauter, gesunder Bahn zu erhalten und das Vertrauen zwischen Dienstherrschaften und Dienstpersonal zu wecken und zu stärken. Die Vermittelung soll für Dienstboten unentgeltlich sein. Herrschaften zahlen 3 bis 4 Mk. für jede Vermittelung. — Dresden, 4. Mai. Wie verlautet, wird Se. Maj. der Kaiser Wilhelm II. zuni Wettiner Jubiläum drei Tage in Dresden Aufenthalt nehmen. Se. Majestät wird am 17. Juni cintrcffen und auch noch dem Abendfest des 19. Juni (Mittwoch), welches die Stadt Sr. Maj. dem König geben wird, beiwohnen. Das Abcndfcst wird seinen Glanzpunkt finden in einem großartigen Feuerwerk auf der Neustadtseite des Elbufers. Das Feuerwerk wirb von denselben Pyrotechnikern aus Rom hergestellt, welche die Münchener Centennarfeier mit geradezu herrlichem Kunstfcuer- wcrk krönten. Dieselben waren bereits dieser Tage in Dresden, um das Terrain zu besichtigen. Wie man vernimmt, wird das große Armcefest, welches in dem Exerzier- und Reithause der hiesigen Kavalleriekaserne in der Albertstadt in Vorbereitung begriffen ist, drei Tage umfassen. Es bildet den Schluß der Wettiner Festtage. Bereits jetzt gehen zu demselben viele Anmeldungen ein, so daß es bei den Leitern schon jetzt Befürchtung erregt, ob man allen Anforderungen wird Folge geben können, da nur 4—5000 Plätze geschaffen werden können. — Am Mittwoch sind in das Festungsgefängniß in Dresden 14 Großenhainer Husaren eingeliesert worden, welche wegen ihrer Betheiligung an den vor einigen Monaten in Großenhain verübten Excessen vom Di visionsgerichte zu Gefängnißstrafen von 3 Monaten bis zu 1 Jahr ver- urtheilt worden sind. — Freiberg, 1. Mai. In Anwesenheit der Vertreter der Königs. Behörden, der sämmtlichen Mitglieder des Stadtraths und der Stadtver ordnetenschaft zu Freiberg und unter Theilnahme zahlreicher auswärtiger und hiesiger Vertreter der Leder-Industrie fand heute Vormittag 11 Uhr iu der festlich geschmückten Aula des Realgymnasiums zu Freiberg die Er öffnung der deutschen Gerberschule statt. Fabrikant Rudolf Bierling aus Dresden hielt als Vertreter des Schulvorstandes der deutschen Gerberschule die Eröffnungsrede, in der er die ganze Entstehungsgeschichte der Anstalt schilderte, zu der die „Günthersche Gerber-Zeitung" vor 12 Jahren die erste Anregung gab, deren Begründung aber erst am 12. December 1886 in Hainichen von dem Verband der sächsischen Leder-Industriellen beschlossen wurde. Der Redner rühmte das Verdienst der Leipziger Gerber-Innung um das Zustandekommen der deutschen Gerberschule, sowie die Opferwillig keit des Centralverbandes der deutschen Lederindustrie und berichtete dann, wie das Königliche Ministerium des Innern durch Zusicherung eines Jahresbeitrages von 2500 M. das Bestehen der Anstalt sicherte. Die Stadt Freiberg erbot sich für den Fall der Hierherverlegung außer un entgeltlicher Beschaffung der Schulräume, Beleuchtung und Heizung auch zu einem Jahresbeitrag von 750 M. Nach Erörterung der Gründe, welche das Curatorium bewogen, Freiberg vor 4 anderen sich ebenfalls um die Anstalt bewerbenden Städten den Vorzug zu geben, wandte sich der Redner an die künftig an der Anstalt wirkenden Lehrer (die Herren Direktor Courtier, Dr. Spindler, Rother, Richter und Rudolph) mck einer kurzen Erörterung deS Lehrzieles. Er gedachte zuletzt der wohlwollenden Fürsorge der Reichsregierung und der sächsischen Staatsregierung für das Gewerbe und die Fachschulen und knüpfte daran ein Hoch auf Ihre Majestäten den Kaiser Wilhelm II. und den König Albert, in das alle Anwesenden drei Mal jubelnd einstimmten. — Eine Schreckenskunde durcheilte Freitag früh das Dorf Dorn- reichenbach bei Wurzen. Man fand den dortigen Gasiwirth Fleischer ermordet auf. Die Fleischer'sche Gastwirthschaft wurde gern von Hand werksburschen zur Uebernachtung gewählt und so war auch am Donnerstag noch spät Abend ein solcher zugereist und hatte da übernachtet. Früh war der Handwerksbursche weg und den Wirth Fleischer fand man in der Stube liegend ermordet vor. Nach der That muß auch noch ein Raub und Diebstahl ausgeübt worden sein, denn das zugängige Geld aus der Tasche und dem Kasten in der Gaststube war verschwunden. Der That dringend verdächtig ist eben dieser Handwerksbursche, dessen Signalement noch nicht genau feststeht. Es soll ein langer kräftiger Mensch sein. Schritte zu seiner Habhaftwerdung sind ungesäumt von den Sicherheitsorganen gc- than. Der ermordete Fleischer ist ein Mann in den 40er Jahren, still und ruhig und lebte in glücklichen Verhältnissen. — Auf dem Böhmischen Bahnhofe wurde dieser Tage Abends ein Posthilfsbote von seinem Vorstande dabei ergriffen, als derselbe einen Brief, welcher mit vielen Marken beklebt war, in seiner Tasche verschwinden ließ. ES sollen dort schon seit längerer Zeit Briefe weggekommen sein. — In Leipzig wurden am 2. Mai nicht weniger als 4 Personen todt aus dem Wasser gezogen, welche sich insgesammt aus den verschiedensten Gründen selbst getödtet hatten. — Einer der streikenden Schmiedegehilfen in Leipzig nahm Donnerstag Vormittag zum Scheine Arbeit bei einem Meister an, in dessen Werkstatt noch ein anderer Gehilfe arbeitete, welcher sich der Arbeitseinstellung nicht angeschlossen hatte. Während beide Gehilfen zusammenarbeiteten, überfiel der Neueingetretene den Anderen hinterwärts, versetzte ihm mittelst eines schweren Gegenstandes einen wuchtigen Schlag auf den Hinterkopf und ergriff sodann die Flucht. Die Ermittelung des Verübers dieser beispiellosen Frechheit wird mit großen Schwierigkeiten verknüpft sein, da der betreffende Meister nicht einmal den Namen desselben sich hat angeben lassen. — Zschopau, 4. Mai. Der am vergangenen Donnerstag über Waldkirchen und den umliegenden Ortschaften niedergegangene Wolkenbruch hat ganz bedeutenden Schaden angerichtet. Hat schon der durch Krum" hermersdorf fließende Bach die Ufer vielfach zerrissen und die Wiesen ver sandet, so ist doch der in Waldkirchen angerichtete Schaden viel gewaltiger. Der Plötzlich mächtig angeschwollene Dorfbach hat die Ufer vollständig, oft meterbreit, in's Gartenland hineingerisscn, gewaltige Stcinmassen haben sich aufgethürmt, die schöne Dorfslraße ist zum Theil vollständig zerstört, Häuser und Gärten sind beschädigt worden. In Waldkirchen werden be kanntlich viel Holzwaaren gefertigt. Von den vorhandenen Holz-, nament lich Brettervvrräthen haben die Fluthen Vieles fortgeführt. Angebaute Stallungen mit Schweinen, Ziegen, Gänsen sind fvrtgeschwemmt worden. Wiesen und Gärten sind mit Schutt gefüllt. Wie schon berichtet wurde, sind auch in die am Anfänge deS Dorfes an der Zschopau stehende Rolle'sche Mühle die Fluthen in Massen eingedrungen, der Fabrikgraben ist verstopft, in der Mühle, wie in Wunderlich's Fabrik konnte nicht gearbeitet werden. Ganz bedeutend haben auch die nach Norden liegenden Fluren in Wald kirchen gelitten. Vom Höhenkamm bis hinab ins Thal hat das Wasser breite, metertiefe Furchen, fast Schluchten gerissen. Auch die Waldkirchner Straße ist vielfach beschädigt worden und waren heute viel Straßenarbeiter beschäftigt, die Schäden wieder auszubesscrn. Ein Glück war es, daß das Unwetter noch am Tage auftrat. Dcr Gemeinde Waldkirchen, sowie den einzelnen Grundstücksbesitzern werden ganz bedeutende Opfer erwachsen. Zum Glück sind Menschenleben bei dem Unwetter nicht verloren gegangen. Große Menschenmengen von allen Orten strömten heute nach dem vom Unglück heimgesuchten Orte. — Vor einigen Tagen erschienen in einem Damenkleidergeschäfte zu Chemnitz zwei Frauen und ließen sich verschiedene Umhänge zur Ansicht und Anprobe vorlegen, fanden aber nichts passendes und verließen das Lokal. Hierbei bemerkte dcr Buchhalter des Geschäfts daß der einen Frau der Aermel eines Trikotjackets unter den Röcken hervorhing. Die Frau wurde zurückgehalten und nun ergab sich, daß dieses Jacket aus dem er wähnten Geschäft mit sammt dem hölzernen Bügel, auf welchem es gehangen, gestohlen war. Weiter wurde in der Wohnung dieser Frau ein neuer Umhang vorgcsunden, welcher 14 Tage früher ebenfalls aus jenem Ge schäft gestohlen worden war. Zu der gedachten Zeit hatten die beiden Frauen einen Damenmantel gekauft. Durch ein mehrere Stunden anhaltendes wolkenbruchartiges Un wetter, Welches am 2. Mai Abends die Umgebung von Schellenberg und Hermsdorf heimsuchte, ist sehr beträchtlicher Schaden angcrichtet worden. Mehrere Gebäude, darunter eine Fabrik, wurden theilweise zerstört, mehrere Brücken sind fortgerissen, Felder und Wiesen überschwemmt. Der Betrieb der Wasserleitung, welche der auf hohem Berge liegenden Stadt Schellen berg und dem Schloß Augustusburg Wasser zuführte, ist unterbrochen. — Reichenbach. Seiten der städtischen Vertretung wurde die Anlegung eines Stadtparkes beschlossen. Die hierzu nöthige Summe von 10 000 M. ist auf die Zeit von 4 Jahren vertheilt worden, sodaß nach Ablauf dieser Zeit die Parkanlage in der vorgezeichneten Weise fertig sein wird. Zur Wettinfeier wird durch eine zweckentsprechende Feier der Platz geweiht werden. — Die sächsischen Sozialdemokraten haben den dritten Oster tag benutzt, um eine Landeskonsercnz abzuhalten, über welche dem „Berl. Volksbl." aus Chemnitz berichtet: Die sächsische Sozialdemokratie hielt heute im benachbarten Kapvcl eine Landeskonferenz ab, welche polizeilich angemeldet worden war und dementsprechend überwacht wurde. Die Tages ordnung bildete: Besprechung über die nächsten Reichstags- und Land tagswahlen. Den Vorsitz führten Bebel und Geyer. Man verständigte sich über die Aufstellung folgender Kandidaten: Zittau: Keller-Görlitz; Löbau: Postelt-Dresden; Bautzen: Kandidatur Vorbehalten; Dresden r. d. Elbe: Kaden-Dresden; Altstadt-Dresden: Kandidatur Vorbehalten. An Bebels Stelle, der für Leipzig und Hamburg bereits kandidirt, soll ein Kandidat aufgestellt werden: Tharandt: Horn-Löbtau; Meißen: Buchhänd ler Goldstein-Dresden; Pirna: Schriftsteller Wurm-Dresden; Freiberg: K. Riemann-Chemnitz; Döbeln: Fabrikant K. Grünberg-Hartha; Oschatz- Wurzen Kandidat Vorbehalten, der bisherige Kandidat Kögel-Wurzen lehnt ab; Stadt Leipzig: Bebel; Leipzig-Land: Geyer-Großenhain; Borna-Penig: Musikdirektor H- Stolle-Meerane; Mittweida-Burgstädt: Schippel-Berlin; Chemnitz: Kandidatur Vorbehalten, der in Aussicht genommene Kandidat Fr. Hoffmann-Chemnitz batte im letzten Augenblicke die Kandidatur abge- lchnt; Glauchau-Meerane: I. Auer-München; Zwickau-Crimmitschau: W. Stolle-Gesau; Stollberg-Schneeberg: I. Seifert-Zwickau; Zschopau: Th. Sust-Chemnitz; Annaberg: E. Grenz-Chemnitz; Reichenbach - Auerbach: Rob. Müller-Reichenbach; Plauen i. V.: A. Kaden-Dresden. Für die Landtags-Ergänzungöwahlen werden für 10 Wahlkreise Kandidaten aus gestellt, Leipzig und Dresden sollen ihre Kandidaten selbst aufstellen. — Oel önitz im Erzgeb., 30. April. In den Nachmittagsstundcn des 28. April verunglückte in dem Hedwigschachte hicrselbst, durch Herein brechen des Dachgebirges, der Häuer Petrac aus Böhmen tödtlich, indem derselbe einen Schlüsselbein- und Brustwirbclbruch, sowie Rückcnmarkver- letzung erhielt. Der Verunglückte, welcher ledig war, beabsichtigte, die hiesige Gegend zu verlassen. Die letzte Schicht, die er in dem Schachte ansuhr, war auch die letzte Schicht seines Lebens. — Tortz der häufigen Warnungen, bei der Anfgabc von Postsendungen der richtigen und vollständigen Adresse die größte Aufmerksamkeit zu widmen, haben sich doch die unbestellbaren Postsendungen immerhin wieder ver mehrt. Die Zahl der im Jahre 1887 nicht bestellbar gewesenen Post sendungenbetrug 858 197 Stück gegen 817 801 im Vorjahr. Hiervon konnten den Absendern 588 383 zurückgebengeben Werden, während 200 114 endgiltig unbestellbar blieben. — Bereits am 26. April d. I. haben ziemlich ausgedehnte Gewitter in Sachsen und Schlesien staltgefunden, welche, wie wir hören, an dem Winterroggcn durch Hagelschlag in einigen Ortschaften dermaßen Schaden angerichtet haben, daß die Felder umgeackert werden müssen. Viele der Betroffenen sind allerdings durch ihre fortlaufenden Versicherungen gedeckt gewesen, aber mancher Landwirth, der seine Gegend für Hagel fr ei gehalten hat, und daher unversichert blieb, muß jetzt zu seinem Schaden erfahren, daß keine Flur hagelsicher ist. Es ist mithin jedemZ Landwirthe die Hagelversicherung dringend anzurathen, zumal es an guten Anstalten zu dem Zwecke keinen Mangel giebt. Als besonders den Bedürfnissen des Landwirths entsprechend, können wir auf die altbewährte, 1833 gegründete Hannover-Braunschweigische Hagelversicherungs-Gesellschaft Hinweisen, welche unter Controle Landwirthschaftlicher Vereine steht und deren Beiträge erst im Herbst bezahlt werden. Der Durchschnittsbeitrag pro 100 M. Versich. Summe stellte sich pro 1888 auf 61^/,» Pf., während der Bei trag pro 1887 auf 57 Pf. kam, und sind diese Abschlüsse unseres Wissens die günstigsten von allen Gesellschaften gewesen. t lecbmoum V — 8»cll-«n. — ») »»»cklvrii - d) ^erkwel«l,r-8cklllt. — Voruvterrlodt lr«l. —