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Zweites Blatt. WeM für Ms-ruff TharM Nossen, Siebenlehu mid die UmMM. ,L x.— ImlsölM für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Agl. Lorstrentamt zu Tharandt. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1 Mk. 55 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 10 Pfg. pro dreigespaltene Corpuszeile. Druck und Verlag von Martin Berger m Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion H. A. Berger daselbst. No. «1. Sonnabend, den 23. Mai 18S«. l)fii»gstfeste. Jona 4, 2: Ach Herr, ich weiß, daß du gnädig, barmherzig, langmütig und von großer Güte bist nnd lässest dich des Uebels renen. Sacharcha 2, 8: So spricht der Herr: Wer euch autastet, der tastet seinen Augapfel an. Zwei Worte heute zur Ueberschrift, eins für den Pfingstsonntag, das andere für den Pfingstmontag, beide durch Prophetenmund gesprochen. Im Alten Bunde war zwar der Geist Gottes noch nicht ausgegossen auf die Gesamtheit der israelitischen Frommen, aber Er redete doch durch einzelne, durch Propheten und Sänger. In diesem Sinne sind die beiden alttestamentlichen Gottes worte auch für uns Pfingststimmen. Jonas ruft: Ach HErr, ich weiß, daß du gnädig, barmherzig, langmütig und von großer Güte bist und lässest dich des Uebels reuen. Wie er die Worte meinte, ent halten sie einen Vorwurf gegen Gott; für uns sind sie ein trostreiches Zeugnis der Liebe unseres Gottes. Auch dann noch, wenn schon die Gerichte Gottes drohend über unsern Häuptern schweben, die unsere absichtliche Sünde schließlich heraufbeschworen hat — auch dann noch giebt es bei Gott Barniherzigkeit. Erkennst du Gottes Fiuger, demütigst du dich von ganzem Herzen, sodaß du zerschmettert vor Seinem Antlitz liegst, so reut Ihn des Uebels, das Er zum Gerichte über dich thun wollte, und thut es nicht. Wie Gott Ninive verschonte, als König und Volk Buße thaten, so ließ Er auch über David Seme Gnade groß werden, als er vor Nathan bekannte: Ich habe gesündigt wider den Herrn! Nathan sprach zu David: So hat auch der Herr deine Sünde weggenommen, du wirst nicht sterben. Wer solche Nahrung einnial ini Leben gemacht hat, dem wogt eine mut von Dankgebeten in der Seele. Wem aber Gott vergeben hat in unbegreiflicher Güte, oeiu können die Menschen nichts mehr anhaben, auch wenn es noch so böse anfangen. Wer euch antastet, spricht oas Wort für den Pfingstmontag, der tastet seinen ^stapfel au. Wer den von Gott Begnadigten Gruben Mot, fällt selber hinein und kommt darin um. „In allen ^.Mmen, in aller Not wird Er uns beschirmen, der treue s Das gilt auch für neue Anfechtungen nnd Ver- Wungen, die der Erzfeind unserer Seele immer wieder ü Zurecht macht. Gott hilft dann, daß die Ver- ucyung so ein Ende gewinne, daß wir es können ertragen. Pfingsten. Jauchzet, ihr Thäler, frohlocket, ihr Berge, ihr Grüfte; Denn euch umgeben des Frühlings balsamische Lüfte. Leife und lind Säuseln die Blätter im Wind, Wehen die würzigen Düfte. Ringsum das Grünen, das Blühen, das sonnige Leben Mahnt uns, die Herzen vom Staube zum Herrn zu erheben. Allüberall Tönt es mit lieblichem Schall: Preis sei dem Schöpfer gegeben! Frühling des Geistes, o komm auch herab aus den Höhen; Laß deines Sturmes Gebraust die Herzen durchwehen! Herr, du verheißt Allen den heiligen Geist, Die darum bitten und flehen. Glockengelänte verkündet in mächtigen Chören: Pfingsten ist kommen! Nun laßt uns dem Geiste nicht wehren! Er nur allein Dringt in die Herzen hinein, Daß auch die Todten ihn hören. Jauchzet, ihr Menschen, frohlocket ihr himmlischen Heere, Pfingsten ist kommen, nun singet dem Herren zur Ehre: Kehr' bei uns ein; Laß deine Wohnung uns sein, Gott heil'ger Geist, uns erhöre! Das Organ, durch das der Allmächtige mit jden Seinen verkehrt, solange sie über die Erde wandern, ist der heilge Geist, und die Seinen hören Sein Sausen wohl. Möchte es in diesen Pfingsttagen jedem Leser vernehmlich werden, an jedem das Wort der Pfingstgeschichte sich wiederholen: „er setzte sich auf einen jeglichen unter ihnen". O du fröhliche, o du selige, guadenbringeude Psingstenzeit! Führ', Geist der Gnade, uns deine Pfade! Freue, freue dich, o Christenheit! Die Krönunasfeierlichkeiten in Moskau. Von Paul Lindenberg. (Nachdruck untersagt.) IV. Sim melsammelsurium. Moskau, 16. Mai. „Die Wolken zieh'«, der Wind saust durch die Blätter. Ein Regenschauer zieht durch Thal und Feld" — na ja, das mag ja zum Abschiednehmen just das rechte Wetter sein, wie es uns Meister Scheffel eingeredet und eingesungen hat, aber zum Bewillkommnen ist uns doch meist eine weniger trübselige Witterung sehr erwünscht! Die Freunde aus Deutschland, die gestern und vorgestern hier mit tüchtigen Erkältungen an- langtcn, sie suchten sofort zähneklappernd den wärmenden Ofen auf, in welchem für uns, die wir schon früher die Winter quartiere hier bezogen, Tag für Tag die Holzscheite knistern, und ausgefroren bis aufs Mark erzählten sie, wie sehr sie auf der Fahrt hierher (die Waggons waren nicht geheizt, es ist ja Sommer-Fahrplan!) unter der Kälte gelitten hätten und wie sie meilenweit durch öde Schneelandschaften "gefahren wären, gerad' als schrieben wir November oder Dezember. Ganz so schlimm ist's nun in Moskau nicht, aber jede Nacht bringt Frost und jeder Tag kalten, oft schneegemischten Regen, und wenn man in den kleinen, offenen JSwotschik's dahinsaust, so gedenkt man dankbar der schnell gewonnenen guten Bekannten hier, die einem den molligen Bärenpelz und die warme Krimmermütze mit auf die Fahrt gegeben. Letztere geht fast täglich nach dem von der mit den Vor arbeiten zu den Krönungsfestlichkeiten betrauten Kommission eingerichteten Bureau, das in einem nahe der vornehmen Pc- trovkastraße liegenden palaisartigen Gebäude sich befindet. Kaiser liche Diener in scharlachrothen, mit Kaiseradlern bestickten und Borden verzierten weitfaltigen Livreen nehmen einem in der Flurhalle die Ueberzieher ab, und grünuniformirte Lakaien ge leiten uns in den im ersten Stockwerk liegenden Empfangs- Salon, der mit seiner blumengemusterten Seidentapete, seinen werthvollen Oelgemälden, seinen kunstvollen Möbeln und den mit lichtrosa Seide bezogenen Sesseln einen sehr vornehmen Eindruck macht. Der Empfang seitens der mit der „Preß versorgung" betrauten Hofbeamten ist der denkbar liebenswürdigste, und man braucht nicht mühselig seine paar sauer erlernten russischen Brocken hervorzukramen, denn die Herren sprechen in gleicher Vollkommenheit wie ihre eigene Sprache deutsch, englisch, französisch. Nur unser japanischer Kollege, der aus Tokio hier her gekommen ist, wird vielleicht Mühe haben, sich zu ver ständigen! Wirr durch einander schwirren hier die Sprachen, Deutsch und Französisch aber dominiren, da die englischen Journalisten und Zeichner sich mit ihrer Ankunft noch etwas Zeit gelassen haben; alte Bekannte finden sich hier wieder, neue Bekanntschaften werden geschlossen, meist trifft man auf häufig gesehene Gesichter, gehören doch Jene, die sich in diesem Bureau melden, der Mehrzahl nach zu den Chronisten der Zeitgeschichte, die mit der Feder oder mit dem Zeichenstift alle bedeutungs vollen Ereignisse schildern: mag unser Kaiser in Konstantinopel weilen, mag die Königin von England ihren Sohn, den Herzog Alfred, in Koburg besuchen, mag der Nord-Ostsee-Kanal eröffnet werden oder Bismarck seinen achtzigsten Geburtstag feiern, mögen die Franzosen nach Kronstadt und die Russen nach Tou lon kommen, mögen in Fürstenpalästen Hochzeitsglocken erklingen oder Trauerweisen ertönen, mögen wichtige Ausstellungen eröffnet oder neue Verkehrswege erschlossen werden, sicher ist ein Theil der Herren hier dabei, und daß sie bei diesen Ereignissen an erster Stelle stehen dürfen, daß ihre Plätze vor manchem Fürsten und mancher Excellenz sich befinden, zeigt, wie allmählich die Re gierungen die Bedeutung der Presse einzusehen lernen, was ja in Deutschland bekanntlich . . . schon längst der Fall ist! Zu den hiesigen Krönungs-Feierlichkeiten hatten sich nicht weniger wie sechshundertfünfzig Korrespondenten und Künstler aus aller Herren Ländern gemeldet, aber nur einhundertzwanzig wurden zugelassen, und zwar mußte jeder von diesen von der Regierung seines Landes empfohlen sein; als Legitimation gilt seine von dem Polizeipräsidenten seines Wohnsitzes beglaubigte und der hiesigen Polizei abgestempelte Photographie, sowie ein sehr hübsches Emaille-Medaillon mit goldener Krone und Feder. Von Deutschland sind nicht viel mehr wie ein Dutzend Herren gekommen, unter ihnen Ludwig Pietzsch, der allezeit rüstige und fcstfreudige, und Eugen Zabel, durch seine geselligen und lite rarischen Beziehungen zu Rußland schon ein halber Moskowiter, ferner Emil Limmer, der treffliche Zeichner der „Jllustrirten Zeitung", der trotz der wenigen Tage sein Skizzenbuch schon mit einer großen Zahl interessanter Typen und eigenartiger Zeichnungen gefüllt hat. Ja, genug giebt's ja hier zu schauen und zu beobachten, und oft wissen die Blicke nicht, wo sie zuerst hinfliegen und haften bleiben sollen. Alles anders, alles verschieden, nicht nur wie bei uns, sondern auch hier innerhalb der Stadt, jede Kirche, jede Kapelle, jeder Thurm der langen Kreml-Mauer, jedes Palais hat seine besondere Gestaltung, die nicht immer eine schöne, stets aber eine fesselnde ist. Und ebenso ist's mit dem wechseloollen Straßenbildc, das ja schon, wenn das Leben seinen gewohnten Gang geht, überreich an einem bunten Durch einander aller Völkerschaften ist, welche aber in verzehnfachtem Grade die Aufmerksamkeit erregt, wo jede Stunde neue, kaum je zuvor geschaute Erscheinungen aus dem ungeheueren Völker gebiete Astens bringt, fast immer Figuren von malerischer Eigen- thümlichkeit und meist von seltsam kriegerischem Wesen, darunter viele mit reichverzierten Waffen beschwerte Männer, die mit er staunten Augen die Festvorbereitungen betrachten. Diese sind in den jüngsten Tagen weit gefördert worden, neue Pavillons, neue Triumphbogen sind erstanden, neue Ehren säulen errichtet worden, so vor der prächtigen Duma, dem Stadthause, wo vier gewaltige Obelisken ihren Platz erhalten haben, an ihrem weißen Unterbau je vier riesige täuschend nach gemachte erzene Schilder zeigend, oben dagegen mit farbigen Friesen umrankt und mit je vier kolossalen bunten Wappen in erhabenen Arbeit geschmückt, während auf den Spitzen je vier goldene Doppeladler thronen, die wiederum von einer aus matt weißen Lampions gebildeten Flammcnkrone überragt werden. Mit derartigen Lämpchen ist auch die ganze kolossale dunkel braune Vorderfront der Duma bedeckt, ebenso die Fagaden anderer öffentlicher und privater Gebäude — Millionen und aber Millionen derartiger Lampions sind schon befestigt worden und ihnen werden noch immer Tag für Tag viele Tausende hinzugefügt, sodaß die Stadt am Tage des Einzuges des Kaiserpaares, am 21. Mai, bereits in einem Meer von Licht schwimmen wird. Den Vorbereitungen nach wird die diesmalige Krönung an Glanz alle vorher stattgefundenen weit übertreffen. Man erzählt sich, daß der Zar aus seiner Privatschatulle weit über 30 Millionen Rubel für die Krönung bestimmt habe, und hierzu kommen noch die Beträge der Städte, der Gouverne ments, der Provinzen, der Adels- und Bcamten-Vereinigungen rc. Man wird wahrscheinlich noch zu wenig rechnen, wenn man annimmt, daß die Krönungsfeierlichkciten achzig bis hundert Millionen Rubel (mehr wie 200 Millionen Mark) zirkuliren lassen. Da der überwiegende Theil dieser Summen aber in Rußland verbleibt, da jeder Stand daran verdient, so ist die Befriedigung über diesen Aufwand keine geringe. Was müssen allein die Gold- und Silberschmiede eingenommen haben! Fast in jedem Schaufenster derselben steht man hier die herr lichsten großen goldenen und silbernen Schüsseln, viele einen Meter im Durchmesser haltend, die mit dem kaiserlichen Wappen und Namenszuge, dem Reichsadler, den Wappen der Provinzen und Städte rc., fast immer in überraschend künstlerischer und geschmackvoller Arbeit bedeckt sind; einzelne dieser Schüsseln kosten fünf-, sechs-, acht-, zehntausend Rubel, denn so manche von ihnen weisen die fettesten Edelsteine als Verzierungen auf. Viele flach geformte Schüsseln dienen zum Ueberreichen von Salz und Brod seitens der Deputationen, die zu vielen Hunder ten aus dem ganzen Reiche, selbst von der äußersten Grenze Sibiriens, hierher gekommen sind. Drei volle Tage sind in dem offiziellen Fest-Programm zu dem Empfange dieser Ab ordnungen im Kreml-Schlosse bestimmt und mehrere Säle des Petersburger Winterpalais, in denen bereits als Wandschmuck tausende von solchen Teller und Schüsseln, die von den letzten Krönungen herrühren, dienen, »erden mit ihnen ausgefüllt werden können.