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Tharandt, Nassen, Menlehn nnd die Umgegenden. Imlsblull für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrach zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Bit. 30 Pf., durch die Post bezogen 1 Mk. 55 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 10 Pfg. pro dreigespaltene Corpuszeile. Druck und Verla« von Martin Berger m Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion Martin Berger daielbst. No. 122. Donnerstag, den 15. Oktober 1W6. BekaRrttmachmrg, die Inbetriebsetzung beweglicher Dampfkessel (Lokomobilen) betreffend. Da die Borschrift in § 32 der Verordnung, die polizeiliche Beaufsichtigung der Dampfkessel betr., vom 5. September 1890, wonach, bevor ein beweglicher Kessel in Betrieb gesetzt wird, von dem Betriebrnnternehrner oder dessen Stell vrtretcr oder von dem Benutzer des Kessels der Polizeibehörde (An,tshauptinannsÄpaft) i.» deren Verwaltungsbezirke die Inbetriebsetzung erfolgen soll, und der zuständigen ALniglichen Gewerbeinspeiktion unter Angabe der Stelle, an welcher der Betrieb stattfinden soll, Anzeige zu erstatten, zeither in vielen Fällen unbeachtet geblieben ist, so wird "diese Bestimmung unter Hinweis auf die in 8 12 Punkt 2, 3, 5 und 6 der oben- gedachten Verordnung dazu ertheilten besonderen Vorschriften mit dem Bemerken hierdurch eingeschärft, daß Zuwiderhandlungen nach 8 42 derselben Verordnung bestraft werden. In den nach Obigem zu erstattende» Anzeigen ist übrigens stets die Fabriknummer des betreffenden Dampfkessels und der Tag, an welchem die letzte amt liche Prüfung des Kessels stattgefunden hat, mit anzugeben. Meißen, am 9. Oktober 1890. Königliche Slmtshauptmannschaft. VS« Schroeter. der unlautere Wettbewerb und das Detail reisen. Zwei Gesetzentwürfe, die längere Zeit gebraucht haben, khe sie zur Ausführung gelangten, derjenige über den un lauteren Wettbewerb und das Detailreisen sind es, die in Zahlreichen Städten Deutschlands die gewerbschützerischen Kreise veranlassen, alle Interessenten aufzufordern, gemein sam gegen die geschäftlichen Unlauterkeiten vorzugehen, »eden, der gegen das Gesetz verstößt, zu verwarnen bezw. Är Anzeige zu bringen. Aus Mauufakturisteukreisen er- W sich eine Stimme, die sich in der „Kol.-Ztg." folgender maßen vernehmen läßt: „Wir werden auch in Zukunft Geschäfte finden, die Dermal im Jahre Ausverkauf haben werden: Saison-, ^eihnachts-, Inventur-, und dann event. einen Ausverkauf Megen Umbau des Geschäftslokals. Inzwischen noch „Ver lauf z» ermäßigten Preisen". So lange sich solche Ge- Mftsmanipulationen lohnen, d. h. so lange die Dumm- W der Käufer nicht ausstirbt, so lange werden auch diese Wverkäufe bestehen, das Gesetz schützt uns dagegen nicht. werden wir nach wie vor in den Inseraten die un glaublichsten Dinge finden, z. B. auch iu Zukunft lesen: "Hemdentuche, Halbleinen, Bett-Kattune, zu billigsten Jn- ^utur-AusvcrkanfSpreisen." — In Dresden schrieb z. B. kürzlich eine Handelsfrau auf der Flemmingstraße einen Drdineu-Gelegenheitskauf, wegen Aufgabe eines Engros geschäfts, aus, und offerirte — man staune: Stückwaare, ,as Neueste und Theuerste für den Garnpreis, Reste in l ongreß, Engl. Tüll pro Pfund (zu für 1 bis 5 Fenster Essend) zu 75 Pfennige» (früherer Preis 1Mk. 40 Pf.) ... „Schriebe ein Materialwaarenhändler Heringe, Harz te im Inventur-Ausverkauf aus, würde er sich unsterb- H lächerlich machen, und doch hätten diese Artikel, weil M dem Verderben ausgesetzt sind, mehr Berechtigung, als angegebene, stets kurante Artikel, die heute denselben Derth haben wie in einigen Jahren. Derartige Inserate Dören aber heute mit zu einer „schneidigen Geschäfts- Drung"; sie sind dem Geiste nach unlauter — aber da- Mn schützt das Gesetz uns nicht. Von allen Branchen ist die Mannfakturwaaren-Branche ' dieser Weise sehr verbesserungsbedürftig. , Wenn auch nicht zu leugne» ist, daß uns das Gesetz ^as Hilfe bringen wird, so ist es doch lebhaft zu be- ^"crn, daß ein solches Gesetz erst zur Nothweudigkeit m^de, dauu aber nicht scharf und präzise genug entworfen sx. .sehnlich geht cs mit dem Verbot des Detailrcisens. ja unstreitig hart, daß gesetzlich einem großen Theile Kaufmannsstandes verboten wird, die Kundschaft zu O"chcn. Die Kundschaft eines Geschäftsmannes, die dieser L durch große Mühe nnd Opfer erworben hat, ist eigent- „5 sein Eigenthum, und es ist unverständlich, wie man Wlich pm Besuch der Kundschaft verbieten konnte. muß anerkannt werden, daß hier eine Aeudernng D.Msfen werden mußte. Die Sache war zu sehr ausgc- P, - Die Laudleute sagten: „Wir werden die jungen dm ganzen Tag nicht los, vorwiegend 14—20jährige lyg Dlmge, die uns bis in den Kuhstall verfolgen." Dies Ein unhaltbarer Zustand, der Abhilfe erforderte. Da E "der bei der schlechten Geschäftszeit und bei der nicht !mi,u Konkurrenz der Offizier- und Beamte»-Kon- die dem Geschäftsmanns das Leben sehr er- kbun 'l. ""d große Unzufriedenheit mit unserer Gesctz- M -Mvorgerufen haben, aus der Kaufmannschaft selbst " ^folgen konnte, mußte das Gesetz eingreifen. Aber es wäre wünschenswerth gewesen, dies wäre in präziser Form geschehen: Einfach das Verbot, ohne jede Ausnahme, — und gleichzeitig das Gesetz: Hausirscheine werden in Zukunft an gesunde Menschen nicht mehr ver abfolgt." Das Detailreisen wird beschränkt, dagegen werden wir in Zukunft erleben, daß die Hausirer jetzt per Wagen ihre Waaren trausportiren nnd vertreiben. Durch das Verbot, Hausirscheine auszustellen, wäre der Hausirhandel in 20 bis 30 Jahren allmählich aus dem Geschäftsleben verschwunden. Ein solches Gesetz würde keine Härten ent halten, und auch das Verbot des Detalreisens wesentlich unterstützt haben. Will man das Detailreisen verbieten, darf man dem Hausirhandel nicht neue Zufuhr verschaffen; dies ist aber unstreitig geschehen. Will man Gesetze schaffen, dann ganze, bestimmte, ohne Ausnahmen, und keine, die den Krebsschaden auf der einen Seite aufheben, auf der anderen vergrößern, wie es mit dem Hausirhandel ohne Frage der Fall sein wird. Weniger Gesetze, und bessere, wenigstens solche, die dann nicht gleich wieder verbesserungsbedürftig sind, werden wir nur dann erhalten, wenn nicht mehr so viele Beamte in den Reichstag gewählt werden; nur dann, wenn Ge setze mehr den praktischen und nützlichen Standpunkt ver treten, wenn darin mit wenig Worten kurz gesagt wird:, „so soll es sein", und dabei alle Hinterthüren verschlossen werden. Weshalb wird nicht endlich ein Gesetz geschaffen, das Niemand Schaden zufügen, und dazu veranlagt sein würde, viele unzufriedene Bürger zufrieden zu machen, — ein Gesetz, das kurzer Hand alle Waarenhäuser für Heer, Marine und Beamte, sowie alle Beamten-Konsumvereine verbietet! Mit einem schönen Beispiel ist uns darin der Prinz-Regent von Bayern vorangegangen; hoffentlich folgen wir bald nach, obgleich es besser wäre, wir gingen voran!" Tagesgeschichte. Berlin. In Paris 'scheint nach den vorliegenden dortigen Zeitungsstimmen die hochgradige Begeisterung der Czarentage einer natürlichen Abspannung und Ernüchterung gewichen zu sein. Die Franzosen sind bei all ihrem Ueber- schwang gute Geschäftsleute und werden nicht ermangeln, ans der jüngsten Festwoche eine Bilanz zu ziehen, um zu sehen, ob ihre großen Unkosten einigermaßen wieder herein gebracht sind, «sie werden aber vielleicht gut thun, mit dieser kaufmännischen Aufstellung noch ein wenig zu warten. Denn bereits verlautet aus Petersburg, daß Verhandlungen mit der Pariser Rothschild-Gruppe über eine neue russische Anleihe von 1200 Millionen Rubel dem Abschlusse nahe seien. Dieser Posten würde natürlich in die Rechnung mit einzustellen sein. Aber auch sonst werden die Fran zosen gut thun, uoch etwas mit dieser Bilanz zu warteu. Anscheinend stehen ihnen noch manche kleine Ueberraschungen bevor. Die erste dürfte die Meldung sein, daß der Leiter des russischen Ministeriums des Aeußerem v. Schischkin, sich auf der Rückkehr von Paris nach St. Petersburg hier aufhalten und mit den leitenden deutschen Staatsmännern Besprechungen haben wird. Das sieht garnicht darnach aus, als ob das offizielle Rußland nach den Verbrüderungs festen von Cherbourg, Paris und Chalons von Deutsch land jabrücken wolle. Vielmehr deutet es daraus hin, daß die russische Regierung das ernste Bestreben habe, den Draht zwischen Petersburg uud Berlin nicht abreißen zu lassen, sondern womöglich noch fester zu knüpfen. Ver- muthlich wird dieses Bestreben in der nächsten Zeit noch durch einen bedeutungsvollen Vorgang zum weithin erkenn baren Ausdruck gebracht werden. Eigentlich haben die Franzosen auch keine Ursache, sich darüber zu beklag.» wenn der Czar sich ihretwegen nicht mit seinem nächsten Nachbar überwerfen will. Das hätte ja nur dann einen Sinn, wenn die „Bundesgenossen" fest entschlossen wären, in absehbarer, naher Zeit, spätens im nächsten Frühjahre, einen gemeinschaftlichen Angriffskrieg zu beginnen. Vor läufig können aber die Franzosen schon mit Rücksicht auf die weit vorgeschrittenen Vorbereitungen zur Pariser Welt ausstellung an keinen Krieg denken. Bis zum Jahre 1900 sind ihnen so ziemlich die Hände gebunden, und wer will bei der weltbekannten französischen Veränderungssucht heute mit Bestimmtheit Voraussagen, wie sich die europäischen Verhältnisse nach 1900 gestaltet haben werden. . Der Pariser Korrespondent des „Chemnitzer Tagebl." schreibt demselben: „In vielen deutschen Zeitungen hat eine veränderte Beurtheilung der politischen Lage platzge griffen und ein großes rheinisches Blatt versteigt sich sogar zu der Behauptung,, das russisch-französische Bündniß sei nach den Vorgängen bei den Czarentagen in Paris nicht mehr zu bezweifeln. Einsichtsvolle Politiker sind hier gerade entgegengesetzter Meinung, indem sie nämlich sagen, Niko- lans II. hätte gewiß dem vielseitigen Drängen nachgegeben und das Wort Allianz in einem Toaste erwähnt, wenn eine solche, selbst defensiver Natur, schriftlich abgeschlossen wäre. Für diese bedarf es aber keines Vertrages und für ein offensives Bündniß liegt auch nicht das geringste Anzeichen vor. Daß jedoch die eingangs genannte neue Anschauung sich geltend machte, liegt an den Telegrammen, die über den Besuch des russischen Kaiserpaares seitens des offiziösen Telegraphen in Deutschland verbreitet wurden. Es sind dies nämlich dieselben Auslassungen, welche den französischen Blättern zugingen und später auch im „Journal offiziell" veröffentlicht wurden und in denen natürlich die Dinge von einem anderen Standpunkte beleuchtet werden, als ihn selbst ein durchaus objektiver deutscher Korrespon dent einnehmen könnte. Dadurch müssen selbstverständlich in Deutschland falsche Ansichten über die betreffenden Vor gänge und die Folgen, die dieselben möglicherweise haben könnten, gezeitigt werden. Ich möchte mit Vorstehendem, so bedauerlich auch der Effekt sein mag, indes; keinen Vor wurf gegen das „Wolffsche Bureau" erheben; bei seiner Organisation ist ein anderes Resultat eben nicht möglich. Dasselbe hat einen Kartellvertrag mit „Reuter" und der „Agence Havas" in der Art, daß die drei Gesellschaften ihre Nachrichten austauschen und sich dagegen keine Kon kurrenz in ihren betreffenden Ländern machen. Daher kommt es, daß den Deutschen die Vorgänge im Auslande stets entweder durch eine französische oder englische Brille gezeigt werden." Wir sind keine Freunde von Silben- stechereien und glauben, daß es ziemlich unwesentlich ist, ob man das zwischen Frankreich bestehende Äerhältniß Union, Bündniß oder Allianz nennen will. Auch der Frage, ob ein schriftlicher Vertrag existirt oder nicht, vermögen wir keine allzu große Bedeutung beizumeffen. Thatsache ist, daß ein Uebereinkommen besteht, freilich ein solches ganz eigener Art. Der Czar darf sich als oberster Kriegs herr Frankreichs betrachten; wie er aber diesen Zuwachs seiner Macht gebrauchen wird, wissen die Franzosen wahr scheinlich so wenig, wie andere Leute. Die Gewinnung der russischen Bnndesgenossenschaft für einen Rachekrieg gegen Deutschland wird der französischen Diplomatie sicher lich nicht gelingen. Damit ist nicht gesagt, daß der Czaren- besuch in Frankreich überhaupt keine Bedeutung gehabt habe und insbesondere für die Franzosen ohne jeden Nutzen gewesen sei. Es giebt eine Reihe von hochbedeutsamen politischen Fragen, in welchen Frankreich und Rußland, auch ohue einen geschriebenen Bündnißvertrag, in wohl-