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Wochenblatt für für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden fLr die König!. Amtöhauptmannschnst zu Meißen, das König!. Gerichtsamt und den Stadtrath zu Wüsdruff. Neunun-breißigster Jahrgang. 187S. Freitag, de» 3. Oktober Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag). Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratenannabme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag) Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mark Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratenannabme Montags u. Donnerstag- bis Mittag 12 Uhr. Bekanntmachung. «ivn 1L OQtovvi S«. ^l«^ Bormittags S Uhr, findet im hiesigen Verhandlungssaale öffentliche Sitzung des Bezirksausschusses statt. Die Tagesordnung ist aus dem Anschläge in hiesiger Hausflur zu ersehen. Meißen, am 1. October 1879. Königliche Amtshauptmannschaft von Bosse. Bekanntmachung. — Von der Bezirksvertretung der unterzeichneten Königlichen Amtshauptmannschaft sind in der zur Diaconissenanstalt in Dresden als Filiale gehörigen Siechen- nnd «Krankenanstalt „Bethesda" in MiederlößniK zwei halbe Freistellen für dem hiesigen Bezirke angehörige und bez. in demselben unterstützungswohnsitzberechtigte Personen, ohne Unterschied des Geschlechts, Alters nnd der Confession, welche an unheilbaren Krankheiten, andauerndem Siechthum, Epilepsie oder Blödsinn leiden, gegründet worden. Ueber die Besetzung dieser Freistellen entscheidet der hiesige Bezirksausschuß. Diesfallsige Gesuche sind von den betreffenden Gemeinden resp. Ortsarmenverbänden bei unterzeichneter Königlicher Amtshauptmannschaft einzureichen. Der von der betreffenden Gemeinde bez. dem Ortsarmenverbande zu bezahlende Verpflegungsbeitrag beträgt für über 10 Jahr alte Per sonen 45 Pfennige und für Kinder bis zu erfülltem 10. Lebensjahre 20 Pfennige pro Tag. Meißen, am 30. September 1879. Königliche Amtshauptmannschaft von Bosse. Der bis vor Kurzem als Obstpflücker in Rvthschönberg beschäftigt gewesene Handarbeiter Eduard VIvtrivIi aus Lommatzsch hat sich auf eine wider ihn erstattete Anzeige zu veramworten; da jedoch sein dermaliger Aufenthaltsort hier unbekannt ist, so wird er hierdurch vor« geladen, binnen 14 Tagen und längstens bis zum 20. October d. I. an Ämtsstelle allhier persönlich sich einzufindeu oder bis dahin seinen gegenwärtigen Aufenthalt anher anzuzeigen. Gleichzeitig werden alle Polizeibehörden und deren Organe ersucht, den P. Dietrich im Betretungsfalle auf diese Vorladung aufmerksam zu machen und davon Nachricht anher zu geben. Wilsdruff, am 29. September 1879. Königliches Gerichtsamt. vr. Gangloff. Erledigt hat sich die unterm 22. September d. Js. hinter dem Tischlergesellen Theodor Strohbach, zuletzt hier aufhältlich, erlassene öffentliche Vorladung. Königliches Gerichtsamt Wilsdruff, am 30. September E , Tagesgeschichte. Leipzig, 1. Oct. Heute Nachmittag 1 Uhr faud die feierliche Eröffnung des Reichsgerichtes statt. In der Aula der Uni versität hatten sich eingefunden der Präsident des Reichsjustizamtes, der Staatssecretär vr. Friedberg, mehrere Commiffarien genannter Behörde, die Mitglieder des Reichsdisciplinarhofes, der sächsische Justiz minister, der Präsident des vormaligen Reichsoberhandelsgerichts Ur. Pape, die Spitzen der hiesigen kaiserlichen, königlichen und städtischen Behörden, der Rector der Universität und die Mehrzahl der Universi tätsprofessoren, sowie der Präsident des Reichsgerichts, Or. Simson, der Reichsoberauwält, die Senatspräsidenten und die Räthe des Reichs gerichts vollzählig. Staatssekretär Ur. Friedberg leitete die Feier mit einer Ansprache ein und betonte, der heutige Tag sei die Spitze und die Krönung des großen Justizreformwerkes. Er gedachte dankbarst des Reichsoberhandelsgerichts von dessen Wirken er sagte, daß es sich die allgemeine Anerkennung des deutschen Vaterlandes erworben habe. Redner hofft, das Reichsgericht werde nicht nur der Erbe der Auf gaben des Reichsoberhandelsgerichts, sondern auch der Erbe dessen Ruhmes sein. Mit dem heutigen Tage gehe endlich der lang ersehnte Wunsch des deutschen Volkes nach einheitlicher Gerichtsverfassung in Erfüllung. Redner forderte sämmtliche Angehörige des Reichsgerichts zu einem kollegialischen Zusammenwirken auf und hofft, das Reichs gericht werde sich als starker Hort des deutschen Rechts erweisen. Der Umstand, daß es seinen Sitz an der Stätte eines hohen geistigen Stre bens aufgeschlagen habe, berechtige zu der frohen Erwartung, daß das Reichsgericht sich kräftig entwickeln werde. Staatssecretär Di-. Friedberg nahm hierauf die Vereidigung des Präsidenten Simson und des Reichs oberanwalts v. Seckendorf vor, worauf der Präsident Simson die Räthe des Reichsgerichts vereidigte. Der Präsident Simson dankt dem Reichs justizamt und den Justizverwaltungen der Einzelstaaten für die kräftige Förderung und das Jnslebentreten der neuen Reichsjustizgesetze. Mit der Einheit der Justiz werde neben der Einheit des Heerwesens, der auswärtigen Beziehungen und des öffentlichen Verkehrswesens der vierte Grundpfeiler der deutschen Einheit aufgerichtet. Das Reichs gericht sei nicht eingeschränkt, in größeren oder kleineren Gruppen stehe es da als Repräsentant der Justizhoheit des Reiches; was ihm jetzt Noch fehle, werde noch vervollkommnet werden. Das Vorbild des Reichsoberhandelsgericht werde nicht aus Augen gelassen werden, den Segen zum kräftigen Wirken erbitte man sich aber vom Höchsten, im Vertrauen auf ihm werde das Reichsgericht seine Wirksamkeit beginnen. Das Reichsgericht werde seine Aufgabe darin fuchen, das Recht des Volks streng zu hüten und die mühevoll errungene Einheit des Vater landes vor jeder Zersplitterung zu bewahren. In diesem Sinne solle heute das feierliche Amtsgelöbniß abgelegt werden. Hierauf erfolgte die Vereidigung des Rechtsanwälte durch den Reichsoberanwalt und die Ansprache dieses Beamten und des Justizrath Dorn, der namens der Rechtsanwälte des Reichsgerichts sprach. Staatssecretär Ör. Friedberg schloß den Akt, worauf Präsident Simson ein Hoch auf den Kaiser ausbrachte, in welches die Versammlung begeistert einstimmte. Der Lateiner sagt: ropotitio ost matsr stuäiorum, der Deutsche: Auf eineu Hieb fällt kein Baum, man muß repetiren! Kaiser Wilhelm und sein Kanzler Bismarck leben beide dieses Glaubens und fahren gut dabei. Zu den Elsässern kam der Kaiser dreimal; das erstemal sagten sie von ihm: „Der Kaiser"; 1877 sagten sie schon: „Der Kaiser Wilhelm" und in diesem Jahre sagten sie: „Unser Kaiser!" Das ist eine recht schöne Steigerung von Besuch zu Besuch und eine Bestätigung, daß sie im Grunde gute Deutsche sind; denn der Deutsche muß warm werden. Aehnliche Erfahrungen machte Bismarck mit seinen Besuchen in Wien. Bei seinem ersten Besuche 1852 in Wien war er der Pommersche Junker und man kannte ihn nicht; 1864 (AL. das war gerade 2 Jahre vor 1866!) kannte man ihn zwar, denn er war preußischer Ministerpräsident und Vater manches geflügelten Wortes auch über Oesterreich, er brachte auch geheime Vorschläge über eine gütliche Einigung Preußens und Oesterreichs mit, aber — man sah ihn über die Achsel an und er schrieb heim: „mit diesen Leuten sind keine Geschäfte zu machen." 1873 bei der Ausstellung sah man ihn vollends als eine Art Gottseibeiuns an und hätte am liebsten ge sagt: Hebe dich von uns! 1879 aber empfingen ihn die Wiener mit entblößtem Haupte, die Wachen traten vor ihm ins Gewehr, er kam und ging als Triumphator und — „das Geschäft war gemacht." Wie der Advokatenverein zu Dresden, fo hat auch der zu Zwickau mit großer Majorität die Anlegung des Amtskleides abgelehnt. Ei« Drama aus dem Lebe«. Aus Breslau vom 26. Sept, wird der Volkszeitung berichtet: „Ein erschütterndes Familiendrama, welches seinerzeit unsere Stadt auf das tiefste bewegte, erlebte heute vor dem Schwurgericht ein er greifendes Nachspiel. In der Nacht vom 28. zum 29. März fand man den Tischlergesellen Ernst Joseph Seidel mit seinen drei Kindern (acht-, neun- und dreizehnjährige Knaben) in seiner Dachstube durch Kohlenoxydgas erstickt vor. Die angestellten Wiederbelebungsversuche führten nur den Vater sowie den dreizehnjährigen Sohn in das Lebe» zurück. Der Thatbestand der nun gegen den erstern erhobenen und heute verhandelten Anklage wegen Nordes ergibt sich aus dem Ge-