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Eine uralte Ehrenschuld Berlins wird nun endlich abgetragen. Der größte Deutsche Dichter, Wolfgang v. Goethe, erhält — fast ein halbes Jahrhundert nach seinem Tode! — in der Hauptstadt des Deutschen Reiches sein Denkmal. Diese Angelegenheit ist nach langem Hangen und Bangen aus dem Stadium des Projektes in das der Thatsachen getreten. Am Donnerstag Vormittag erfolgte im Thier garten seitens der Thiergartenverwaltung an das Goethe-Komitee die Uebergabe des für das Denkmal bestimmten Terrains, das sich be kanntlich an der Promenade zwischen dem Brandenburger Thor und der Lennsstraße befindet und am Montag hat man bereits mit den Fundamentarbeiten begonnen. Der Platz soll noch in diesem Winter soweit hergerichtet werden, daß schon im Mai kommenden Jahres das imposante, aus siebe» Marmorfiguren bestehende Denkmal ausgestellt werde» kann. Die Betheiligung des deutschen Reichs an der internationalen Ausstellung in Melbourne ist, soweit Fürst Bismarck mitzureden hat — und das hat er ja doch wohl — beschlossene Sache. Er hat dem Bundesrath eine Vorlage darüber zugehen lassen, mit dem Be deuten, daß es Zeit sei, der Frage näher zu treten, wenn die Vor bereitungen für eine Betheiligung Deutschlands an der Ausstellung rechtzeitig getroffen werden sollen. Der Bundesrath wird demzufolge ersucht, er möge sich einverstanden erklären, daß für die Ausstellung in Melbourne ein Reichskommissar entsendet, und daß zur Be streitung der durch die Betheiligung des Reichs an dieser Ausstellung entstehenden Kosten der Betrag von 300,000 Mk. in den Reichshaus- Halts-Etat für 1880/81 ausgenommen werde. Ein eigenthümlicher Streit hat sich in London zwischen dem bekannten britischen Parlameutsmitgliede Sir Drummond Wolf und dem deutschen Militär-Attachve, Major von Vietinghoff ent- sponnen. Unser Londoner ^.-Korrespondent telegraphirt darüber: „Sir Drummond Wolf, Parlaments-Mitglied, und besonderer Protege des Lord Beaconsfield, englischer Kommissär in Ostrumelien und Aspirant für den englischen Botschafterposten in Konstantinopel, erklärte kürzlich in einer Rede: „Deutsche Offiziere schlügen ungestraft ihnen untergebene Soldaten ins Gesicht. Er (Wolf) habe dieses in Deutsch land gesehen und das geschähe täglich. Ein englischer Offizier würde niemals wagen, seine Soldaten zu schlagen; die deutschen Offiziere thäten dieses dagegen straflos." Hierauf erwiederte Major Vieting hoff, der hiesige deutsche Militär-Attache in einem geharnischten Schreiben an die „Times", worin er Drummond Wolfs Angaben als gröblichste Unrichtigkeit erklärt, da ein deutscher Offizier, welcher sich zu einem Schlage Hinreißen ließe, sicher strenge bestraft würde, an statt vollkommen straflos zu bleiben." Wir dürfen wohl aus nahe liegenden Gründen jegliche Bemerkung zu diesem Streit unterdrücken. (Berl. Tgbl.) Der Plan, in einigen Jahren in Berlin eine Weltausstellung in Scene zu setzen, ist aus Kreisen hervorgegangen, die es nicht ver schmerzen können, daß Berlin in diesem Punkte hinter London, Paris, Wien, Philadelphia und selbst australischen Städten zurückstehcn soll, und dem Gelingen der diesjährigen Berliner Ausstellung eine Bürg schaft für bessere finanzielle Erfahrungen finden, als man sie in jenen Städten gemacht hat, ohne zu bedenken, daß die Berliner Ausstellung ihren Erfolg gerade dadurch erzielt hat, daß sie keine Weltausstellung war. Der Plan findet übrigens von den verschiedensten Seiten und aus den verschiedensten Gründen Widerspruch und auch die Regierung scheint demselben nicht näher treten zu wollen. Die Ansprache, mit welcher Gambetta als Präsident der fran zösischen Kammer am Donnerstag die neue Session eröffnete, welche zugleich die erste seit dem letzten Kriege ist, in welcher die Volksver tretung wieder in Paris zu tagen verstattct wurde, diese Ansprache ist nach mehr als einer Richtung bcmerkenswerth. Wenn auch der Jubel des Republikaners durchklingt, welcher darüber triumphirt, daß Paris wieder in seine alten Rechte eingesetzt wurde, so hört man doch aus seinen Worten die sehr nüchterne Erwägung heraus, daß man nun ernstlich werde anfangen müssen, gesetzgeberisch, d. h. praktisch zu ar beiten. Die bisherigen Errungenschaften der republikanischen Regierung und Majorität war doch noch äußerlicher Natur gewesen und das Land selbst begann schon irre zu werden, an der Vortrefflichkeit seiner republikanischen Vertretung und Institution. Damm sagt auch Gam betta mit gutem Fug: „Jetzt gilt's, zu schaffen! Von Ihren Arbeiten erwartet ma» rothe Resultate". Madrid, 29. November, Die Vermählung des Königs mit der Erzherzogin Christine hat heute in der glänzend erleuchteten Kirche von Atocha in Gegenwart des diplomatischen Korps und der Hof- und Staatswürdenträger stattgefunden. Der König betrat die Kirche in Begleitung seiner Mutter, der Königin Isabella, die Erzherzogin Christine wurde von ihrer Mutter, der Erzherzogin Elisabeth, geleitet. Die Einsegnung erfolgte durch den in Stellvertretung des Papstes fungirendeu Cardinal, welcher auch die Traumeffe celebrirte. OertlicheS und TichfifcheS. Wilsdruff. Ein Beispiel unerhörter Rohheit, Lieblosigkeit und Härte wird aus dem benachbarten Dorfe Weistropp berichtet. Ein dortiger verheiratheter Handarbeiter hatte, um sich der Zahlung des geringen Ziehgeldes von jährlich 36 Mark für sei» außereheliches Kind — ein Mädchen von 5 Jahren — zu eutschlagen, dieses Kind vor einiger Zeit selbst zur Erziehung übernommen. Das im Publikum umlaufende Gerücht, daß das Kind neben nur mangelhafter Nahrung den rohesten Mißhandlungen und Züchtigungen Seiten des Vaters und der Stiefmutter ausgesetzt sei, veranlaßte die Ortspolizei, die nöthigen Erörterungen in der Wohnung der betreffenden Eltern anzustellen. Der Körper des Kindes zeigte sich nach Entfernung der mit Blut und Schmutz behafteten Kleidung bis zum Skelett abgemagert und äußerst schmutzig. Vernarbte Schwielen und blaue Flecken bezeugten die er littenen Mißhandlungen, und Kopf, Hände und Füße trugen tiefe, eiternde Geschwüre. Das Lager des Kindes bestand aus einem, auf der Diele der Kammer liegenden Strohsack, dessen Stoff und Füllung durch und durch naß und resp. verfault war. Als Zudecke diente ein alter Rock. Das Kind soll, bevor es in die Hände dieser rohen Leute gekommen ist, gesund und munter gewesen sein. Neben mangelhafter Nahrung hat es oft täglich mehrmals, theils von dem Vater, theils von der Stiefmutter schwere Züchtigungen mit einem Riemen zu er dulden gehabt uud ist nebenbei insbesondere von der Stiefmutter außer Püffen, Stößen und Ohrfeigen, mit Fußtritten regalirt worden, so daß sein jämmerliches Geschrei in der Nachbarschaft gehört wurde. Selbstverständlich ist das Kind sofort den rohen Menschen entnommen und in geeignete Pflege gebracht worden. Die strafrichterliche Ahndung wird nicht ausbleiben. — Tharand. Als Forst- und Landwirthschaft hier noch vereint waren, betrug die höchste Zahl der Studirenden an der hiesigen Aka demie 117. Jetzt ist die Zahl der hier studirenden Forstleute auf die noch nie erreichte Höhe von 119 gestiegen. — Dresden. Eine Bänerin aus einem Elbdorfe unterhalb Dresden wurde am Mittwoch vom hiesigen Amtsgerichte wegen Milch verdünnung zu 30 Mk. Geldstrafe oder 3 Tagen Haft und Tragung der Kosten vernrtheilt. — Die Zeiten müssen doch nicht so schlecht sein, wie man so oft klagen hört! So hat Adelina Patti in der vorigen Woche zwei ZelMansendmark-Vorstellungen im K. Hoftheater zu Dresden gegeben, welche dasselbe bis auf das letzte Plätzchen des 5. Ranges füllten, trotzdem die Preise um das Vierfache erhöht waren und z. B. ein Billet in dem 1., 2. und 3. Rang 20, 16 und 12 Mk„ in den Frem den- und Parquetlogen 18 und 17 Mk. und der billigste Platz auf dem 5. Rang 2 Mk. kostete. Au einen Billetverkauf an der Tages kasse war gar nicht zu denken, da das Haus schon tagelang vorher durch Bestellkarten ausverkauft war. Gern gesteht man zu, daß die Leistungen dieser ersten Gesangskünstlerin der Welt an das Wunder bare grenzen und Niemand, der sie gehört, den sympathischen Metall klang ihrer Stimme jemals wird vergessen können. — Nossen. Vorige Woche wurde dem hiesigen Stadtkranken hause ein Man« namens Werner zur Verpflegung überführt, welchem beide Füße vollständig erfroren waren. Derselbe hatte sich am Sonn abend Abend, wahrscheinlich um vor dem argen Schneegestöber Schutz zu suchen, in eine zum Kammergut Zella gehörige Strohfeime geflüch tet und daselbst übernachtet. Allein am folgenden Morgen hatte sich vor seiner Jnterimswohnung eine solche Schneewehe angestaut, daß er nicht im Stande war, dieselbe zu verlassen und alle Rufe um Hülfe ein me»schliches Ohr nicht erreichten. Am gedachten Donnerstag nun wollte es der Zufall, daß die Feime weggeräumt wurde, bei welcher Gelegenheit man den Aermsten m völlig hülflosem Zustande vorfand. Hätte die Wegräumung der Strohfeime einige Tage später stattge- fstnden, so war dem Unglücklichen ein qualvolles Ende beschieden. — Meißen. Seit Bestehen des hiesigen Vereins gegen Bettelei hat sich der Zug der sog. armen Reisenden nach hiesiger Stadt gar beträchtlich vermindert und Herbergen, die vorher täglich einen Ver kehr von gegen 100 Fremden hatten, haben nur noch den dritten oder vierten Theil dieses Verkehrs. Wie man erfahren, kommen viele der ungebetnrn Gäste dieser Art gar nicht mehr über die sächsische Grenze, weil es sich nicht der Mühe verlohnt, wie sie sagen. — Un ter den zur Entgegennahme des Vereinsgeschenkes sich am Montag hier angemeldeten armen Reisenden befand sich ein Braner, der vom Bürgermeisteramt? in Troppau in Mähren mit Marschroute nach seiner Heiniath „Washington in Nordamerika" gewiesen war. Wie derselbe über den Ocean gelangt, hat der Troppaner Behörde keine Sorge gemacht. — In Chemnitz erschien dieser Tage in einem Schirmgeschäft Nachmittags ein Mann und verlangte einen Regenschirm zum Kauf. Den Schirin wollte er, wie das „CH. Tgbl." berichtet, mit einem auf 6 Thlr. 26 Ngr 3 Pf. lautenden Coupon bezahlen. Der Geschäfts inhaber, der an der Echtheit des Coupons zweifelte, weigerte sich deshalb, denselben anzunehmen. Als der Käufer jedoch nunmehr den Kauf rückgängig machen wvüte, ließ ihn der Schirmfabrikant durch einen Schutzmann festnehmen. Der Coupon erwies sich bei genauer Besichtigung in der That als gefälscht uud zwar war der ursprüng liche Werthbetrag von 6 Ngr. 3 Pf. in 6 Thlr. 26 Ngr. 3 Pf. um- gewandelt worden. Es wurden bei dem Betrüger noch 4 andere in gleicher Weise gefälschte Coupons und ein ebenfalls gefälschter Coupon vorgefunden, auf welchem aus dem ursprünglichen Werthbe trag 1 Thlr. 15 Ngr., 10 Thlr. 15 Ngr. gemacht worden war. Der Betrüger hatte einen größeren Betrag baaren Geldes bei sich, was vermuthen läßt, daß er schon mehrere gefälschte Coupons ausgegeben hat. Er hatte Material, als Tinte, Feder, Buntstift rc. bei sich, wo raus man schließen kann, daß er selbst der Fälscher ist. — In Gröba bei Riesa hat sich jüngst folgender Vorfall ereig net, welcher verdient, auch in weiteren Kreisen bekannt zu werden. Aus einem dasigen Gute hatte ein Bediensteter seine Wohnung ge wechselt und seitdem blieb sein Hund verschwunden und alles Nachfor schen nach demselben war vergebens. Als nun kürzlich di« betreffende Wohnung renovirt werden sollte, fand man darin zum nicht geringen Staunen das vermißte Thier, zwar noch lebend, aber ganz kraftlos vor. Der Hund war bei dem Umzuge unbemerkt in der Wohnung geblieben und nun während einer Zeit von 14 Tagen und 18 Stunden ohne jede Nahrung gewesen. Nach der Auffindung hat man bas Thier in Pflege genommen und es hat sich nach und nach wieder erholt. — Zwenkau. Vor einigen Tagen begegnete der hiesige Gen darm der Ehefrau eines als Wilddieb berüchtigten Einwohners aus Kotschbar. Die Frau trug einen Korb mit Strohdecken auf dem Rücken, allein sie keuchte unter der verhältxißmäßig geringen Last so anffällig, daß der Beamte eine Revision des Tragkorbes für gut be fand, und richtig, es kam unter den Decken ein Reh zum Vorschein, welches die Frau zweifellos zum Verkauf bringen wollte. Das Ende vom Liede war die Arretur sowohl der Frau als auch des Mannes und es wurde alsbald festgestellt, daß das Reh kurz vorher im sog. Eichholz vom Wilddieb erlegt worden war. Vermischtes. Altona. (Schreckliches Ende.) Vor einigen Tagen erlöste der Tod einen noch in den beste» Lebensjahren stehenden Bürger un serer Stadt von schrecklichen Leiden. Der Mann war vor etwa vier Wochen von einem fremden Hunde in die Backe gebissen worden. Die ser Hund wurde bald daraus auf der Helbecke als toll erschossen. Erst einige T«ge nach dem Bisse nahm der Man» ärztliche Hülfe in An spruch, ohne vorher nur eine Ahnung von dem Tollsein des betreffen den Hundes gthabt zu haben. In den letzten Tagen nun kam bei dem unglücklichen Manne die Tollwuth in entsetzlicher Weis« zum Aus bruch und trat am Z7. v. M. der Tod ein. Der Verstorbene hatte die Feldzüge von 1866 uud 1870/71 mitgemacht und war glücklich aus dem Kriege zu den Seinigen zurückgekehrt, und nun mußte ihn hier ein solch trauriges Loos treffen. Derselbe hinterläßt Frau und Kinder. Dieser harte Schicksalsschlag findet in der ganzen Bürger schaft die allgemeine Theilnahme. (Alt. Krsbl.) * Der Werth des Menschen wird oft erst nach seinem Tode er kannt. Eine Amerikanerin widerholte ihrem Manne täglich, daß er nicht das Salz auf dem Brode werth sei. Als er jedoch in Folge eines Eisenbahnunfalls ums Leben kam, reichte sie bei der Bahnver waltung eine Schadenersatzforderung in der Höhe von 5000 Doll. ein.