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Bettage z« Nr. 24 »es Wochenblattes für Wilsdruff re. Die Krankend nrg. Roman von Marie Romany. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Aber schon hatte Jener das Messer nach dem Haupte der Kleinen abgesandt. Der Wurf war gelungen; die Schneide biß sich dicht über die Mütze des Kindes in die Bretterwand ein. Ein zweiter Wurf folgte — ein dritter, und nicht lange währte es, so waren die Hände von einem Messerkranz eingefaßt; auch der Krone, welche das Köpfchen umrahmen sollte, fehlten nur wenige der blanken Steine mehr. Die Unruhe des Kindes wuchs von Minute zu Minute; die kleine Brust flog, die Augen schlossen sich konvulsivisch bei jedem Wurfe, den jedes Mal ein Angstschrei von ihren Lippen begleitete. Doch der Mann achtete dessen nicht; muthig, fast achtlos warf er ein Messer dem anderen nach, und je mehr er warf, desto toller wurde sein Spiel. Kaum noch nahm er sich Zeit, sein Ziel in's Auge zu fassen; die Schneide flog, sie traf, traf scharf und sicher die bleiche Wange des Kindes, das, überwältigt von Schrecken und Schmerz bewußtlos zur Erde fiel. Ein Schrei des Entsetzens durchhallte den Raum, doch Niemand hatte den Muth, der unglücklichen Kleinen zu Hülfe zu eilen. Die Männer auf der Bühne geriethen ob des Unfalls mit einander in Streit und hatten also dieser wichtigen Angelegenheit halber nicht Zeit, sich um das arme Wesen zu kümmern, das tödtlich getrosten zu ihren Füßen lag, und Frauen waren gerade nicht zugegen, mit Ausnahme eines alten Weibes, das indessen, halb betrunken, in einer Ecke des Raumes am Boden lag und schlief. Auf solche Weise wäre das unglückliche Kind ohne Gnade seinem Leiden erlegen, wäre nicht ein Herr aus dem Zuschauer raum auf die Bühne gesprungen und der Kleinen zu Hülfe geeilt. Graf Victor, denn er war es, zog sein Taschentuch und machte die nur möglichsten Versuche, das Blut zu stillen, welches über des Kindes Wange herunterlief; jedoch die Unzulänglichkeit dieses Hülfsmittels kam nur allzu bald und deutlich zu Tage, denn das Blut trat seins Wanderung zur Erde im nächsten Augenblick von Neuem an. Ist denn kein Arzt in der Nähe? rief der Graf. Jetzt erst begann man, dem Gegenstände seiner Theilnahme etwas Achtung zu schenken. Ah, wegen der kleinen Dirne! meinte frech ein Taschenspieler. Nun, man wird sich nachher schon um sie kümmern, jetzt giebt es hier Wichtigeres zu verhandeln, denn der gute Ruf, dessen sich meine Gesellschaft erfreut, ist durch diesen Unfall beschmutzt. Dem Grafen stieg das Blut in den Kopf. Etwas Wichtigeres kann es wohl nicht geben, als die Sorge um das kleine Opfer Eurer Tollheit, gab er barsch zurück. Habt Ihr nickt Herz genug, der Kleinen zu helfen, so wenigstens fürchtet die Folgen Eurer Nachlässigkeit. Das Leben des Kindes steht auf dem Spiele. So wird es Jener zu verantworten haben, der sie getroffen hat, meinte der Andere, mich geht die Sache nichts an. He, Gabriel! rief er dann laut zwischen die Männer; schaut hier das Kind! es ist Euer Werk. Der Mann kam herbei. Wahrhaftig, sie blutet, die kleine Dirne! stieß er hervor. Da habt Jhr's, was ich immer sage, daß sie nicht stille steht. Nun möchte man mich verantwortlich machen für ein Unglück, da von ihr selbst die Schuld zufällt! Trotzte sie mir doch schon im Voraus, die Dirne, die! Nicht das Kind hatte die Schuld, das Fehlen war Euer! rief jetzt der Graf in höchstem Grade entrüstet. Ich war Zeuge, daß sie sich nicht rührte. Doch darum handelt es sich nicht. Schafft einen Arzt zur Stelle, das ist die Sache; ich werde unterdessen hier bleiben und die Kleine pflegen, so gut es geht. Doch der Mann machte keine Miene, den Auftrag zu vollziehen. Aergerlich drehte er sich auf dem Absatz und erwiederts: Ich weiß nicht, wo ein Arzt hier zu finden ist. Unmensch! donnerte der Graf; Ihr tragt kein Verlangen, einen Arzt hier zu finden, wenn es sich um das Leben des Theuersten handelt, was Ihr besitzt, Euer schönes Kind? Mein Kind? höhnte jener. Ja, wenn sie meine Tochter wäre, dann würde wohl niemals geschehen sein, was da eben passirt ist! — Glauben Sie denn, mein vornehmer H^rr, daß Gabriel Leo sein eigenes Kind, wenn er ein solches besäße, zum Ziel seiner Messsrwürfe gemacht haben würde? Der Graf blickte, stumm vor Erstaunen, den Sprecher an. So ist sie nicht Eure Tochter? fragte er endlich. Nein, Herr, nicht meine Tochter, gab jener zurück, nur auf dem Pro gramm erhält sie meinen Namen, weil das zu unserm Vortheil ist. Sonst ist sie weder mein Kind, noch in irgend einer Weise mir anverwandt. Und was ist es mit ihr? Ei nun, dasselbe, was es mit dieser Art Kindern immer zu sein Pflegt. Sie werden gemiethct, erhalten dreißig Sou pro Abend, um unserem Spiel zu dienen; sind sie brav und verwendbar, so läßt man es an einer kleinen Aufmunterung nicht fehlen. Im anderen Falle aber, sind sie nämlich widerspenstig und störrisch, wie diese da heut: war, so giebt es die Peitsche. Den Grafen überlief es kalt. Deshalb wohl fuhr der Chinese fort: Ich selbst lasse niemals Kinder bestrafen, wenn sie nur einigermaßen folgsam und brauchbar sind; die Kleine da mag sich über mich nicht beklagen. Uebrigens bin ich ihr Wohlthater in gewisser Beziehung, denn ich war es, der sie in unsere Gesellschaft gebracht. Ich fand sie auf der Landstraße, die von Magoia nach Cevia führt, mit einem alten Weibe, ihrer Großmutter, die sie eben aus eine elende Weise schlug und mißhandelte und das nur aus dem Grunde, weil sie sich sträubte, zu betteln; da erfaßte mich Mitleiden, und ich machte mit dem Weibe einen Vertrag. Hier bei uns hat sie es denn doch noch besser, mein vornehmer Herr, denn hier ist sie nur selten gepeitscht worden und das nur zu Anfang. Und wo ist diese Großmutter? fragte Victor.