Volltext Seite (XML)
Wie schon mehrfach erwähnt, haben die deutschen Fürstinnen -er Kaiserin Augusta zu deren goldenen Hochzeitsfeier eine größere Geldsumme für die Kaiserin Augusta-Stiftung als Gabe dargebrächt. Die Anregung hierzu erfolgte durch die Königin Carola von Sachsen, welche der Großherzogin von.Baden (Tochter der Kaiserin) die Freude bereitete, für die künstlerische Umrahmung des Geschenkes bemüht sein zu können. Gewählt wurde eine Kassette in Form einer kleinen Hochzeits, truhe des Mittelalters. DieUebergabe dieser Truhe fand am 11. Juni durch die Königin von Sachsen und die Großherzoginnen von Baden, Sachsen-Weimar und Mecklenburg-Schwerin statt. Die in dem Kasten befindliche Geldspende (24600) M.) war durch duftende Blumen ver deckt, eine Erinnerung an die Legende, die sich an eine Ahnfrau der Kaiserin, Landgräfin Elisabeth, knüpft, die ihre wohlthätigen Spenden in einer Hülle von Rosen darzureichen Pflegte. Die deutsche Kaiserin hat unterm 19. Juni an die deutschen Fürstinnen ein dankbares Hand schreiben gerichtet, welches damit schließt, daß die hohen Wohlthätermnen auch nach dem Scheiden der Kaiserin ihre treue Fürsorge dem Werke widmen möchte, zu dessen nationaler Befestigung dieselben so wesentlich beigetragen haben. Die richterliche Amtstracht in Preußen ist die Robe aus einem leichten schwarzen Wollenstoff und für alle Richter dieselbe. Die Kragen der Richter sind aus Sammt, der Staatsanwälte aus Seide, der Gerichtsschreibcr aus Wolle. Das Barett entspricht dem Stosse der Robe. Alle müssen weiße Halsbinden tragen. Besondere Ab zeichen für die Rangstufen der Richter sind nur für die Präsidenten in Aussicht genommen. Die betr. Verordnung liegt dem Kaiser zur Unterschrift vor. Daß zwischen Berlin und St. Petersburg nicht Alles so ist,, wie es sein sollte, darf für ein öffentliches Geheimniß gelten. Vor wenigen Tagen erst hatte die Norddeutsche Allgemeine Zeitung eine heftige Anklage gegen das russische auswärtige Amt geschleudert, indem sie dessen Organ, die „Agence Russe" beschuldigte, die deutsche Politik in Egypten ungerechter Weise zu verdächtigen. Auch in Paris will man neuerdings leise Empfindlichkeiten wahrgenommen haben, die in Berlin wegen angeblicher französischer Neigungen für eine russische Allianz sich geltend gemacht haben. Man möge aber, so schreibt man aus der französischen Hauptstadt, nur die Haltung Frankreichs und Rußlands in der letzten egyptischen Krise ins Auge fassen und man werde nicht im Zweifel darüber sein, daß es mit den vermeintlichen Allianz-Tendenzen blutwenig auf sich habe. Man will in Paris nicht in Abrede stellen, daß mancherlei Symptome einer Verstimmung Ruß lands gegen die deutsche Politik, wie beispielsweise die unterbliebenen Reisen des Kaisers Alexander nach Berlin und Ems, der Inkognito- Aufenthalt des Fürsten Gortschakoff in Berlin, wo er mit Niemandem in Berührung getreten ist, und die unverweilte Reise des russischen Botschafters Fürsten Orloff nach Baden - Baden, uni mit Fürst Gort schakoff zu konferiren, zu Tage getreten sind. Diese Symptome sind auch m Frankreich wahrgenommen worden; es kann aber mit Be stimmtheit versichert werden, daß Frankreich an denselben total unbe- theiligt ist. Minister Waddington ist weiter denn je davon entfernt, sich mit Allianzprojekten zu beschäftigen. Und wenn man sich schon über die Konformität der Interessen Rechenschaft geben will, so wird man doch ohne Weiteres zugeben müssen, daß ein Zusammengehen Frankreichs mit England vor jeder andern Kombination den Vorzug hat. Da England mehr als ein Interesse mit Oesterreich-Ungarn ge?i mein hat, und in Wirklichkeit zwischen diesen beiden Mächten ein sehr gutes Einvernehmen besteht, so würde es sich für Frankreich noch weit eher empfehlen, in den orientalischen Angelegenheiten eine engere Ver ständigung mit Oesterreich-Ungarn als mit Rußland zu suchen. Wie aber bereits erwähnt, verfolgt die französische Diplomatie augenblicklich keine Allianz-Projekte; sie ist bestrebt, gute Beziehung zu allen Mächten zu erhalten und ein Einvernehmen über die Durchführung des Berliner Vertrages in der griechischen Frage und allen ander» Angelegenheiten Ler Balkan-Halbinsel zu erzielen. Die Streikes scheinen sich jetzt auch in Rußland Bahn brechen ,zu wollen. So wird der„Rnßkaja Prawda" aus Zw an o w geschrieben, Laß dort auf zwei Fabriken circa 1500 Arbeiter einen. Streik in Scene gesetzt uud Lohnerhöhung von 10 resp. 8 Prozent verlangt haben. Die eine Fabrik bewilligte diese Forderung, die andere nur theilweise. In dieser streikte die Hälfte der Arbeiter weiter. Die Sache endete mit Arrestverhangung über verschiedene Personen. In demselben Kreise ist bereits einmal in diesem Jahre ein Arbciterstreik vorgekommen. Im Gouvernement Kowno in Rußland liegt das fast nur von Juden bewohnte Städtchen Uziany. Der geheimeNihilisten-Ausschuß hatte ihm unter Drohung eine Steuer von 200,000 Rubel anferlegt und die Gemeinde verweigerte die Zahlung. Da wurde Feuer in dem Städtchen angelegt und 300 Häuser brannten nieder. Das Feuer brannte vier Tage, die Bauern ans der Umgegend eilten zwar herzu, löschten aber nicht, sondern retteten nur die heiligen Gefäße aus der katholischen Kirche und das Eigenthum des Popen. Vierzehn Juden, 8 Männer, 2 Frauen und 4 Kinder, fanden den Tod in den Flammen. In einem Artikel „Die Scenen zu Versailles" macht die „Post" von den wiederholten Skandalscenen daselbst, (die sämintlich von den Bonopartisten ausgingen) folgende zutreffende Nutzanwendung: „Die Nutzanwendung aus dieser Thatsache für uns kann nur die Ueberzcugung sein, daß eine Partei, welche im innern Staatsleben gegen die eigenen Volksgenossen so verfährt, im völkerrechtlichen Ver kehr noch viel brutaler, cynischer und maßloser verfahren würde. Das Wiederauskommen des Bonopartismus in Frankreich wäre die perma nente Bedrohung des europäischen Friedens, darüber kann kein Zweifel sein, und beruhigend ist nur, daß die Auftritte in Versailles auch da- für Zeugniß ablegcn, wie gering die Aussichten dieses Wiederaufkommens sind. Denn so die Häßlichkeit seiner Natur zu entfalten, wagt nur, wer nichts zu verlieren hat." ' OertlicheS und GächfischeS. Nach einer Correspondenz des Leipziger Tageblattes aus Dresden vereinigten sich daselbst am 29. Juni die Socialdemokratxn zu einer geheimen Besprechung bezüglich der Laudtagswahle n. Wie es heiße, weigere sich Bebel wegen Mangel an Zeit, ein Mandat anzunehmen. Die Wahl Liebknecht's und Klemich's solle eifrig betrieben werden. Nossen. Ain 1. Juli Nachmittags brach in der im Muldenthal gelegenen großen Papierfabrik, gen. Steiermühle, von Eichhorn Feuer aus. Dasselbe zerstörte sämmtliche Gebäude bis auf die Mahlmühle. Das Feuer soll in der Leimküche ausgekommeu sein. Meißen. Se. Maj. König Albert besichtigte am 1. Juli die dem Königspaare bei Gelegenheit des silbernen Ehejubiläum vom Ge- werbverein gestifteten Gegenstände in der Albrechtsburg. Nachmittag? Vr2 Uhr erschien Se. Maj. unter Führung des Schloßinspektors, be gleitet von Hofrath Roßmann, Oberhofmarschall v. Könneritz, Adjutant Hauptmann v. Kirchbach. Außerdem befanden sich im Gefolge Sr. Maj. Amtshauptmann von Bosse, Bürgermeister Hirschberg, die Ver treter des Osfiziercorps hiesiger Garnision rc. Beim Eintritt in das Meißner Zimmer wurde Se. Maj. durch ein vom Borstand, Stadtrath Hofmann, ausgcbrachtes Hoch empfangen, in welches der Ausschuß lebhaft'einstimmte; darauf folgte eine warm empfundene Ansprache. Nach Ueberreichung einer vom Maler Hummel gefertigten Stiftungs urkunde sprach Se. Maj., zu den AuSschußmitgliederu gewendet, seinen Dank aus uud unterzog die Gegenstände einer genauen Besichtigung, bei welcher Gelegenheit der Verfertiger des Tisches, Tischlermeister Schubert, vorgestellt wurde. Als sich hierauf Se. Maj. zum Weiter gehen wendete, trat ihm Böttchermeister Talkenberg mit einem mit gut gepflegtem 1875er Meißner Wein gefüllten Glaspokal entgegen, welchen Vorstand Hofmann freundlichst anzunehmen und Prokuren zu wollen bat, worauf Se. Maj. den Pokal auf das Wohl des Meißner Ge werbevereins leerte. Se. Maj. verabschiedete sich mit herzlichen, kurzen Worten und besichtigte noch einige andere Räume der Albrechtsburg. Das „Sächs. Wockenbl." theilt folgende behördliche Entscheidung mit: „Jemand, dem behufs der Aufnahme in den hiesigen Staats verband der Unterthaneneid abgenommen werden sollte, hatte zwar die Ableistung dieses Eides nicht verweigert, hierbei sich jedoch ausdrücklich an Amtsstelle als Atheisten mit dem Hinzufügen bekannt, daß die Eidesleistung für ihn bloße Formsache sei, da ein Gott für ihn nicht existire und der Eid in seinen Augen einem gewöhnlichen Ver sprechen bezüglich der Wirkung vollständig gleichstehe. ,Dse betr. Be hörde beanstandete unter solchen Umständen die Eidesabnahme und legte auf dagegen eingewendete Beschwerde der kgl. Kreishauptmaunschaft die Sache zur Entschließung vor. Letzere befand, daß die erwähnte Erklärung einer Eidesweigerung gleichkomme und daher die Jnpflicht- nähme des Beschwerdeführers als sächsischer Staatsangehöriger nicht stattfinden könne, die für denselben bereits ausgestellte Aufnahmeurkunde vielmehr zu kassiren sei. Auch das kgl. Ministerium des Innern war mit dieser Auffassung einverstanden." Leipzig. Leider grassirt unter den hiesigen Stndirenden gegen wärtig wieder die Duellwuth in bedenklichem Maße. Die Zahl der Studenten, welche mit frischen Zeichen einer überstandenen Mensur nmherlaufen, ist eine auffallend große, so daß in der hiesigen Presse die Aufmerksamkeit hierauf hingelenkt wird. Eine Paukerei vor wenigen Tagen in dem Gasthause eines nahen Dorfes soll einen sehr üblen Ausgang genommen haben, indem dem einen Duellanten eine tiefe Schädelwunde beigebracht worden ist. Die Studenten suchen, nachdem ihnen in der Stadt gehörig auf die Finger gesehen wird, mit Vorliebe die Gasthäuser der umliegenden Ortschaften zu ihren Paukereien auf. Eine kräftige Verfügung der Amtshauptmannschast an die Wirthe, daß Jeder, der sein Local zur Veranstaltung eines Studentenduells hergiebt, seine Schank - Concession riskirt, würde jedenfalls sehr heilsam wirke». Vermischtes. * Wenn der russische Gardevberst v. Basilevitsch sich de» Berliner Staub von den Füßen schüttelt, kann man es ihm nicht verdenken. Er wurde, wie bekannt, vor einiger Zeit im PanvptieuM als Taschendieb verhaftet und von dem Gericht erster Instanz zu 8 Monat Gefängniß verurtheilt. Er appellirte an das Kammergericht und wurde gestern freigesprochen. Einem 15jährigen frühreife» Mädchen Rosa Kobelt sollte er das Portemonnaie aus derGretchcn- tasche gestohlen haben, ein paar Zeugen, Färber und Freund, junge Männer von 21 und 24 Jahren, wollten's gesehen haben und das Mädchen des Russen Hand in ihrer Tasche gespürt haben. In der öffentlichen Verhandlung des Kammergerichts zeigte es sich, daß das Mädchen eine frühreife, von ihrer eigenen Mutter angeleitete Dirnt und ihre Zeugen nicht nur ihre nächsten „Freunde", sondern junge Taugenichtse und Genossen und Hehler von Spitzbuben waren. Es wurde sehr zweifelhaft, ob das Mädchen ein Portemonnaie geführt habe und noch mehr, ob Geld darin gewesen. Das angeblich ge stohlene Portemonnaie fand sich nirgends, obwohl der verhaftete Oberst auf der Stelle bat, ihn zu untersuchen. —Der Staatsan walt beantragte selber die Freisprechung des Oberst. * Karlsbad. Am 30. Juni gingen aus dem Wege zwischen Gieß hübel und hier die vor einen Miethwagen gespannten Pferde durch uud eilten einem mehrere Klafter tiefen Abgrunde zu. In dem Wage» befanden sich die .Fürstin Metternich-Winneburg, zwei junge Damen der Aristokratie und Graf Oktavian Kinsky. Im Augenblicke der höchsten Gefahr gelang es der Geistesgegenwart des Grafen Kinsky, die im Wagen befindlichen Damen und sich selbst vor dem sichere» Tode zu retten, denn einige Sekunden später stürzte das schwere Fuhrwerk sammt den Pferden in die Tiefe hinab. Der Wagen wurde in tausend Stücke zertrümmert, die Pferde arg beschädigt. Der Kutscher war noch rechtzeitig herabgesprungen und rettete so sei» Leben. Leider aber kam ein anderer Kutscher, welcher in dem Augen blicke, als die Pferde den Abgrund erreichten, helbeigeeilt war, m» durch das Abschneiden der Stränge noch die Pferde zu retten, unter eines der hinabrvllenden Thiere lind blieb auf der Stelle lobt. * Sechs Menschenleben durch einen Blitzschlag vernichtet. Dies ist der Inhalt einer schrecklichen Katastrophe, die sich am 28. Juni in der Nähe von Ennigerloh (Regierungsbezirk Minden) abspieltr, wo ein Blitzstrahl dem Leben von 6 Personen ein jähes Ende ge macht. Am Sonnabend Nachmittag, so meldet man dem „W. Mer kur", als sich die ersten Gewitterwolken zeigten, fuhren die Leute eines hiesigen Gutsbesitzers, denen sich ein Mauermeister mit zwei Geselle» anschloß, hinaus, um einiges im nahen Kirchspiel Bekum liegendes Heu vor Ausbruch des Gewitters unter schützendes Dach zu bringe». Noch hatten sie nicht alles auf den Wagen gebracht, als das Unwetter losbrach. Die Leute flüchteten vor dem strömenden Regen in ei»e naheliegende Scheune, wohin gleich darauf ein mit Mähen beschäftigt gewesener Arbeiter aus Bekum kam. Ein Blitzstrahl fuhr hernieder unter krachendem Donner, und die Trümmer der zusammengesallene» Scheune bargen sechs Leichen. Alle waren vom zuckendin Strahle getroffen. Der Knecht und ein kleines Kind waren fortgeschleudert worden, befanden sich aber unverletzt. Ebenso waren die Pferde weggeschleudert und eins getödtet. * „Siehst Du, Mann", sagte die Gattin beim Morgenkaffee, „iÄ habe Bucb geführt! In diesem ganzen Monate bist Du 27 M»' nach 12 Uhr Nachts nach Hause gekommen und nur 3 Abende Z" Hause geblieben". — „Scheußlich!" seufzte der Gatte zerknirscht, „die schönen drei Abende so zu verbummeln!"