Volltext Seite (XML)
für Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden siir die Königl. Amtöhanptmannschast zu Meißen, das König!. Gerichtsamt nnd den Stadtrath zu Wilsdrnff. Erscheint dichentltch 2 Mal Dienstag und Freitag). Abonnementspreis vierteljährlich I Mark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Ps. Jnseratenannahme Montags u. Donnerstags bit Mittag 12 Uhr. Erscheint wichentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag). Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mark Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratcnannahmc MontagS u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. NeunundLreiHigster Bahrgang. Nr. 55. Dienstag, den 15^Jnli 1870. Bekanntmachung. Der am 15. dieses Monats fällige . II. Termin Einkommensteuer Ist vom 16. bis spätestens den 26. dieses Monats unter Vorweisung der iu deu Häudeu eines jeden Steuerpflichtigen befindlichen Anfertigung an die Stadtlämmerei abznführen. Wilsdruff, am 12. Juli 1870. Der Stadtgemcindentth. .Ficker, Brgmstr. Tagcsgcschichte. Berlin, 12. Juli. Bei der heutigen Schlußabstimmung wurde das Zolltarisgcsetz unter namentlicher Abltimmung mit 217 gegen 117 Stimmen angenommen. Ter Reichskanzler schließt darauf die Session Mittelst Verlesung einer kaiserlichen Ordre. Der Präsident schließt den selben mit einem dreifachen Hoch auf deu Kaiser. Eine neue conser- bative Aera in Staat und Kirche wird folgen; auf diese deuten viele Zeichen hin. Eine Wendung tritt wahrscheinlich zunächst ein im Verhältnis; der Regierung zu dein Culturkampf. Windthorst, der Führer des Cenirums, brüstete sich auf der Rednerbühne ungescheut, „als Freund in der Noth". Man konnte es Bismarck fast vom Ge sichte ablesen, wie er dachte: Weiche Dreistigkeit, sich als Freund iu der Noth aufzuspielcn! wer >Ü in Noth? Ich? was fällt dem Menschen ein?" Er sagte es aber nicht uud er schwieg auch, als derselbe Windt- hvrst höhnisch sagte: Ich und meine Partei sollen angeführt sein? nein, Mir sind nicht angeführt, wer mich anführen will, muß frühansstehen; es ist uns nichts versprochen worden uud wir haben keine Zugeständ nisse gemacht, „wir rechnen auf die Logik der Thalsachen." Das Marc» tast Herausforderungen, aber Bismarck überfah und umging sie in seiner Rede, die an andern Enthüllungen so reich war. Eine Ant wort uud eine Hindeutung auf die Zukunft lag deutlich genug in seiner Absage an die liberalen Parteien und in folgenden Erklärungen über den Culturkampf: „Ich halte es mite* Umständen für tapfer, Cvnflikte durchzukämpfcn, sie sind aber keine auf die Dauer zu erstrebende In- sütution, uud wenn sich Mittel uud Wege bieten, die Schürfe der Gegensätze zu mildern, so daß inan an die Prinzipien der eigentlichen Streitfrage überhaupt uoch nicht rührt, daß man sich gegenseitig kennen lernt, das; man'durch gemeinsames Arbeiten an einein gemeinsamen und hohen Zwecke sich gegenseitig achten lernt, so liegt cs nicht in Weiner Berechtigung, diesen Weg zn verschmähen und von der Hand Zu weisen." Diese Worte galten dem Culturkampf, der liberalen Partei «der Folgendes: Z,Wenn ich durch von mir nicht abhängige Erscheinungen enger an die liberale Partei gedrängt wurde, als es-für den Minister .Und für deu Reichskanzler auf die Dauer vielleicht haltbar ist, wenigstens grade so weit, wie cs möglich war, so habe ich dadurch die Bezieh ungen zu den übrigen Kreisen des Reiches und der Bevölkerung ovch Unmöglich für immer aufgeben können." Berlin, 11. Juli, lieber das Inkrafttreten der neuen Zölle werden folgende Angaben, die sich in der „Frkf. Ztg." zusammengestellt finden, von Interesse sein. 1) Die neuen Zölle sind bereits in Kraft gesetzt für Eisen und Einsenwaaren, Petroleum, Bier Branntwein, Hefe, Essig, Wein, Butter, Fleisch, Wild, Geflügel, Fische, Südfrüchte, Ge würze aller Art, Heringe, Honig, Kaffee, Kakao, Kaviar, Käse, Kon fitüren, getrocknetes und.eingemachtes Obst, Sämereien, Muschel- uud Schalthiere, Reis, Salz, Syrup, Thee, Zucker, Tabak. 2) Die Zölle treten sofort nach der Publikation des Zolltarifgesetzes in Kraft für Hopfen, Instrumente, Maschinen und Fahrzeuge, Lichte, Fette (d. h. schmalz von Schweinen und Günsen, Stearin, Palmitin, Paraffin, Kalrath, Wachs, Fischspeck, Fischthran und anderes Thierfett), Eier, Vieh. 3) Die Zölle treten vom 1. October d. I. ab in Kraft für ^ile Getrcidcarten, Hülsenfrüchte, Anis, Koriander, Fenchel und Kümmel, Vaps und Rübsaat, Holz jeder Art, Gerberlohe, grobe Holzwaaren. 4) Für alle nicht besonders genannten Artikel erlangen die neuen Zölle ?w I. Januar 1880, dem generelle» Einsührungstermin des Tarifs, >hre Giltigkeit. Die Stellung gewisser Abgeordneten zu der Tarifreform Minnt ihre Früchte zu tragen. Sv lesen wir im „Schweidnitzcr Stadtblatt" folgende Erklärung: Wir erfüllten gestern die für uns keineswegs angenehme Pflicht, unsern Lesern mitthcilen zu müssen, un)er Rcichstägsabgcordneter Herr Appellationsgerichtsrath Aitte, wie er beim Getreide gethan, so auch beim Kaffee und veim Petroleum, für die Vertheuerungszölle gestimmt und da- "Urch dazu beigetragen hat, gerade diese, der ärmsten Bevölkerung jedem Tage unentbehrlichen Bedürfnisse mit einer Preissteigerung belasten. Es sind nur 13 sogenannte Liberale, die mit unserem Herrn Abgeordneten für die Zölle auf Kaffee und Petroleum gestimmt Und dadurch,den Bruch mit allen liberalen Grundsätzen definitiv voll- zvgen haben. So lebhaft wir beklagen, die politische Stellung des Herrn Appellationsgerichtsrath Witte nicht mehr theilen zu können, w. sind wir doch schon jetzt zu der Erklärung genöthigt, daß wir der nächsten Neuwahl die Wiederwahl unseres bisherigen Ver treters nicht mehr unterstützen können, da vom liberalen Standpunkte ans die Vcrthenernng der nvthwcndigsten täglichen Bedürfnisse nicht zu rcchtfcrügeu ist. Die „Magdeb. Ztg.", ihrer Farbe nach dem linken Flügel der nationalliberalcn Partei angehörig, schreibt: „Man kann sich wohl vvrstcllcn, wie gedrückt, niedergeschlagen, halb verzweifelt die Stimmung auch dort ist, wo man bis zuletzt immer noch guten Muth hatte. Wo soll dies Alles hinaus? Windthorst und Franckenstein, der sich dawider erklärt hatte, daß Bayern im Jahre 1870 den Feldzug gegen Frankreich mitmache, sind jetzt die Männer, mit denen der Reichskanzler vertrau liche Unterhandlungen pflegt! Welcher Umschwung! Wo giebt es noch einen Hall? Ja wohl, dieser Gang der Dinge ist abenteuerlich, so abenteuerlich, daß man stntzig werden und fragen muß, ob hinter als dem Erstaunlichen, was sich ereignet, nicht ein großes Räthsel ver borgen sei, dessen dcrcinstige Lösung die Erklärung für diese Wendung enthalten und unsern groszen Reichskanzler rechtfertigen wird? Wenn wir dies nicht annehmen dürften, dann müßten wir alle Hoffnung sinken lassen und deu schwärzesten Pessimismus zu unserm Programme machen. Wie sehr auch Alles gegen den Kanzler spreche, wir geben das Vertrauen zu ihm nicht auf. In dieser kritischen Zeit wird das selbe auf die Probe gestellt, wir geben es zu, auf eine harte Probe. Es müßte aber nicht so tief begründet gewesen sein, wenn es derselben nicht Stand zu halten vcrmöcht. Wir erachten es für schbchthin un möglich, daß ein mit so unsterblichen Verdiensten bedeckter Mann seinem geschichtlichen Namen so dunkle Flecken anspritzen könnte. Wir halten es für schlechthin unmöglich, daß, wer einen so hohen staats männlichen Gang genommen, zuletzt wie irgend ein grundsatzloser Vir tuose der Diplomatie enden sollte. Wir nehmen es schlechthin unmög lich an, daß er, der einen solchen Kampf mit dem Centrum geführt, uun mit diesem Arm in Arm gehen und einen traurigen Waffenstill stand mit der Curie schließen könnte, ohne daß sehr wichtige Interessen ihn dazu uöthigen, ohne daß höhere Gesichtspunkte ihm dies rüthlich und geboten erscheinen lassen. Wir wiederholen: Hier muß ein Räthsel im Hintcrgrnnd liegen, etwa in der auswärtigen Politik, ein Räthsel, dessen Lösung auch die Rechtfertigung des Reichskanzlers bedeuten wird. Wir täuschen uns? Nu» wohl, wen» wirklich alles das ein grausamer Jrrthum gewesen ist, woran wir bisher geglaubt haben, wen» wirklich alles, worauf die deutsche Nation ihren Stolz, ihr Vertraue» stellte und ihre Hoffnung baute, ins Wanken und zum Sturze kommen sollte, was bedeutete dann gegenüber einem so ungeheure» Zusammenbruch die letzte Täuschung! Nein! Wir vertrauen dem Kanzler und seinem Stern. Mögen die Liberalen sich nicht einer allzn pessimistischen Stimmung hingeben! Der Kanzler hatte Unrecht, wenn er von ihnen verlangte, sie sollten zu Allem, was er unternahm und vorschlug, blindlings ihre Zustimmung geben. Eine solche Stellung ziemt sich wohl für einen Lakaien, aber nicht für selbstständige Männer, ist einer Partei unwür dig, die ihre Zukunft nicht preisgebe» will. Wird sie m die Oppo sition gedrängt, so muß sie dieselbe anfnehme»; aber eine Freude kann sie daran nicht haben; sic darf und soll auch in Zukunft nicht Oppo sition treiben ans Liebe zur Opposition. Sie muß mannhaft ihren Besitzstand vertheidigen, sich sammeln und stärken. Vor Allen» darf sie denn Radikalismus, der sich wieder zu rühren und z» fühlen beginnt, das Thor nicht öffnen. Die Tage werden dann sticht ausblciben, wo auch ihr Verhalten seine Rechtfertigung finden wird." Wie stark Deutschlands Interessen durch den Krieg zwischen den südamcrikanischeni Republiken Chile, Boliviauud Peru gefährdet sind, mögen folgende Angaben beweisen. In Chile wohnen gegen 4000 Deutsche; von den Waaren, welche in den Zollspeichern der chilenischen Hauptstadt Valparaiso durchschnittlich im Werth von 200 Millionen Mark lagern, ist der vierte Theil deutsches Eigenthnm. Siebzig deutsche Schiffe, darunter mehr als 20 Dampfer, berühren durchschnittlich diese Stadt; Glaswaaren, Farben, Chemikalien, Drogucn, Waffen und Kleiderstoffe, Gußstahlartikel von Deutschland ein- nnd Sohlleder, Honig, Wachs, Seifenrinde ausführcnd; auch mit ander» chilenischen Küsteiistädten hat Deutschland lebhafte Verkehrsbczieh ungen. Andern handeltreibenden Nationen gegenüber nimmt Deutschland in Chile rücksichtlich des Schifffahrtsverkehres die zweite, rücksichtlich der Einfuhr die dritte Stelle ein. Ebenso steht Deutschland mit Pern in nicht nu- bedentendem Handelsverkehr. Es ist am dortige» Ein- und Ausfuhr geschäft nach England und Frankreich in dritter Stelle betheiligt. Guano und Salpetersäure sind die wichtigsten Ausfuhrartikel, daneben auch Wolle, Baumwolle, Häute, Hörner, Tabak. Gegen 40 deutsche