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Wochenblatt für für für die König!. Amtshauptiuannschnft zu Meißen, das König!. Gerichtsamt und den Stadtrath zu Wilsdruff. Neunund-reißigster Jahrgang. Rr. 5t. 187». Dienstag, den 1. Inti Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag). AbonnementSprei» vierteljährlich 1 Mark Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratenannadme Montags u. Donnerstag» bis Mittag 12 Uhr. Erscheint »ichentltch 2 Mal Dienstag und Freitag). Abvnnementspreis vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratenannakme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Tagcsgeschichte. Die sogenannten Garantien, von deren Gewährung die Be willigung der Finanzzölle im Reichstage abhängig gemacht werden soll, haben nunmehr eine greifbare Gestalt angenommen. In der Tarifcommission hat von nationaler Seite Herr v. Bennigsen den An trag gestellt, 1) daß Kaffee und Salz alljährlich durch den Etat quotisirt werden sollten d. h. daß der Reichstag bestimme, welchen Ertrag die Zölle aus diesen Artikeln höchstens ergeben sollen, derselbe also jährlich nach den Zollergebnissen des Vorjahres den Zoll sür die selben auf das kommende Jahr selbst feststelle; 2) daß ein nach Be willigung der Zölle und Steuern etwa im Reichshaushalt sich ergeben der Einnahmeüberschuß durch Festsetzung im Etat an die Einzelstaaten nach Maßgabe der Bevölkerungszahl vertheilt werde. Dem gegenüber steht von Seiten der Centrumspartei der Antrag des Freiherrn v. Franckenstetn: 1) daß der Ertrag der Zölle und der Tabakssteuer direct den einzelnen Staaten nach Maßgabe der Bevölkerung zufließe, vorbehaltlich einer definitiven Abrechnung zwischen der Reichskasse zur Deckung ihrer Bedürfnisse und den einzelnen Staaten; 2) daß die Abgabe von Salz und die Zollsätze für gewisse Nummern des Tarifs bis zum 1. April bewilligt und von da ab alljährlich in den Etat ein gestellt werden. Der Antrag des Herrn v. Bennigsen enthält die so genannten konstitutionellen, der des Herrn v. Frauckcnstein die föderativen Garantien, wie sie Windthorst bezeichnet hat. Es ist noch zweifelhaft, sür welchen der beiden Anträge, deren principieller Gegensatz ins Auge springt, die Kommission sich entscheiden wird; im Reichstage dürfte wohl für ersteren auch ohne das Centrum eine Ma jorität sich ergeben, da er jedenfalls das Ergebniß einer zwischen Bennigsen und Bismarck getroffenen Uebereinkunft ist. Nach der Meinung Anderer findet der erste Theil des Frnnckensteiu'schen Antrages in konservativen Kreisen den meiste» Anklang, da nach ihm das Reich sür die Zoll- und Steuereinnahmen nur das Jncasso hat, dieselben nach Maßgabe der Bevölkerung auf Grund der Vierteljahresabschlüsse an die Einzelstaaten vertheilt werden, wogegen diese wieder durch Ma- tricularbeiträge für die Bedürfnisse des Reiches aufkommcn. Das wäre freilich ganz gegen Bismarcks mehrfach ausgesprochene An- und Ab sichten. Die deutsche Reichspartei, die Nr. 1 des Beunigsen'schen An trages für ebenso unannehmbar hält, als Nr. 2 des Franckenstein'schen, beabsichtigt zur Lösung der schwebenden Fragen einen Gesetzentwurf, betreffend Artikel 70 der Reichsverfassung, einzubringen, der sich weniger als eine Acnderung, als vielmehr als eine Ergänzung derselben kenn zeichnet. Der Artikel 70 lautet jetzt: „Zur Bestreitung aller gemeinschajuiHen Ausgaben dienen zunächst die etwaigen Veberjchüsse der Vorjahre, sowie die aus den Zöllen, den gemeinschaftlichen Ver brauchssteuern und aus dem Post- und Telegraphenwescn fließenden gemeinschaftlichen Einnahmen. Insoweit dieselben durch diese Einnahmen nicht gedeckt werden, sind sie, so lange Rcichssteuern nicht cingesührt sind, durch Beiträge der einzelnen Bundes staaten nach Maßgabe ihrer Bevölterungcn aufzubringen, welche bis zur Hohe des budgetmäßigen Betrages durch den Reichskanzler ausgeschrieben werden." Nach der veränderten Fassung soll er lauten: „Zur Bestreitung aller gcmemfchaftlichen Ausgaben dienen zunächst die rech nungsmäßigen Ueberschiissc der Vorjahre, sowie die aus den Zollen, den ge meinschaftlichen Verbrauchssteuern und aus dem Post- und Telegraphenwesen Meßen den gemeinschaftlichen Einnahmen. Insoweit di« gemeinschaftlichen Ausgaben durch diese Einnahmen nicht gedeckt werden, sind sie durch Beiträge der einzelnen Bundes staaten nach Maßgabe ihrer Bevölkerung auszubringen, welche bis zur Höhe des budgetmäßigen Betrages durch den Reichskanzler ausgeschrieben werden. Die nach dem Reichshaushalts-Etat veranschlagten Ueberschüsse der Einnahmen über die Aus gaben sind im budgetmäßigen Betrage nach demselben Maßstabe auf die einzelnen Bundesstaaten zu vertheilen." Die Beschäftigung der Strafgefangenen bei der Cigarren fabrikation. In der Tabaksteuercommission des Reichstages sollen nach Beendigung der zweiten Lesung der Vorlage der Antrag der Abgg. Bebel und Genossen, auf Erlaß eines Verbots der Beschäftigung Ge fangener bei der Cigarrenfabrikation, zur Berathung gestellt werden. Es läßt sich nicht in Abrede stellen, daß namentlich in diesem Fa- brikätionszweige den freien Arbeitern aus der Gefangeneuarbeit eine starke Konkurrenz erwächst. So wurden in Preußen am 1. Dez. 1875 von 16,592 Strafgefangenen genau allein 2317 in der Cigarren fabrikation beschäftigt. Es wäre deshalb billig, mindestens auf eine größere Verschiedenheit hinsichtlich der Beschäftigung der Gefangenen bedacht zu fein. Wie die „Voss. Ztg." hört, glaubt man jedoch in Regierungskreisen von einer starken Heranziehung der Gefangenen zu Eigarrenarbciten deshalb nicht abgehen zu können, weil die Cigarren fabrikation schneller zu erlernen ist, als andere Arbeiten, und weil die selbe die Beschäftigung einer großen Anzahl von Personen in einem verhältnißmäßig kleinen Raume ermöglicht, wodurch die Aufsicht er leichtert und weniger kostspielig wird. Alich glaubt man, daß, wenn Man wirklich die Befestigung der Gefangenen in der Cigarrenfabrikation vbschaffe, es dann den Clgarrenarbeitern doch nicht gelingen würde, auf die Dauer ihren Arbeitsverdienst über das Durchschnittsmaß des Arbeitslohnes hinauf zu schrauben, da der momentan bessere Verdienst wfort eine so große Anzahl von Arbeitskräften anlocken würden, daß durch das größere Angebot von Arbeit das allgemeine Lohnniveau wieder ausgeglichen werden würde. Die französische Republik stellt sich vorläufig, als ob sie Leben und Sterben der Napoleons nichts angehe. Gambetta erklärte in der Kammer, das Unglück des Prinzen und die Trauer der Kaiserlichen sei Privatsache und Präsident Grevy ist derselben Meinung, er hält nicht einmal Hoftrauer wie die anderen Höfe und z. B. auch der preußische. Der alte Thiers sagte einmal kurz vor seinem Tode: Frankreich wird dem Klügsten zufallen! Er hatte leider keine Zeit, es abznwarten. — Dann füllt es mir zu! sagte Priuz Plon-Plon be scheiden, und seitdem glaubt er an seinen Stern, obgleich er kein Blut sehen kann und ein Spötter ist wie Voltaire und ein Wüstling wie Mirabeau. Ich söhne mich mit dem Papst und den Jesuiten aus, sagte er; für mich ist der französische Thron gerade so gut eine Messe Werth, wie s. Z. für den Hugenotten Heinrich I V. Er will aber selbst regieren, nicht als Stellvertreter seines ältesten Sohnes Victor. Als ein Freund ihn auf dessen Candidatur ausmerksam machte, unterbrach er ihn sofort und sagte: es gibt Dinge, über die Wan nicht einmal sprechen darf. In England giebt sich immer mehr eine gewisse Beschämung kund, daß die mangelhafte Kriegführung im Kaplande, welche Archibald Forbes, der Korrespondent der ,,l)»il^ novs" zu geißeln nicht müde wird, in unverantwortlicher Weise auch den Tod des Prinzen Louis Napoleon herbeigeführt habe. Im Oberhause las der Herzog von Cambridge, der Oberbefehlshaber der englischen Truppen, die Empfeh lungsbriefe vor, die er dem Prinzen mitgegeben und in denen er her vorgehoben, daß dieser den Feldzug nur als Zuschauer mitmachen solle; Lord Beaconsfield sprach die Ansicht aus, daß das Leben des Prinzen grausam und unnöthigerweise geopfert worden sei, und Lord Granville wünschte Aufklärung zu erhalten, wie man den Prinzen bei seiner Stellung und Jugend überhaupt in eine so verhängnißvolle Lage habe versetzen können. Auch der Mangel an kameradschaftlichem Sinn, welcher den Kapitän Carey und seine Reiter bewog, beim Erkennen der Gefahr, unbekümmert um des Prinzen Schicksal, nur die eigene Hant in Sicherheit zu bringen, findet scharfe Verurtheilung. In der englischen Armee spielt bekanntlich die sogenannte neun schwänzige Katze, die eat ok nine tails. eine Peitsche mit neun Leder riemen, als Disziplinarmittel eine wichtige Rolle. Als nun dieser Tage im Untcrhause die neue Armeediszipliubill berathen wurde, kam bei Artikel 44 auch die neunschwänzige Katze zur Sprache. Einige Mitglieder verlangten die Abschaffung der Prügelstrafe in der Armee und deren Ersetzung durch Gefängnißstrasen. Der Kriegsminister Oberst Stanley trat diesem Verlangen entschieden entgegen; wo sollte man denn im Felde, meinte er, die Arreste hernehmen, da gäbe es nur die Alternative Kugel oder Peitsche, und einen Mann zn peitschen sei doch milder, als ihn zu erschießen. Die neunschwünzige Katze wurde denn anch beibchalten, aber die höchste Zahl der Hiebe ans 25 herabgesetzt, statt auf 50, wie die Regierung beantragt hatte. Früher war diese Maximalzahl viel höher gewesen und mancher Soldat war zu Tode geprügelt worden. Die Nagelschmiede in Ostworcestershire und Südstaffordshire haben ihren Arbeitgebern angezeigt, daß sie eine Erhöhung ihrer. Löhne um 20 Proz. beanspruchen. Falls ihnen diese Lohnerhöhung nicht zu- gestanden wird, beabsichtigen etwa 20,000 Nagelschmiede binnen 14 Tagen die Arbeit einzustellen. Aegypten. Die Absetzung des Khedive durch den Sultan ist eine vollzogene Thatsache. Abdnl Hamid's unerwarteter Widerstand war hauptsächlich auf zwei Gründe zurttckzuführen. Der Sultan fühlte sich verletzt, weil die Westmächte es unterlassen haben, ihn im Vor hinein von ihrem Schritte beim Khedive zu verständigen. Alle Mel dungen, welche Gegentheiliges behaupten, sind falsch. Sie dürften da durch entstanden fein, daß man das korrekte Vorgehen Deutschlands, welches allerdings vor Erlaß seines Protestes auch den Souzerain des Khedive verständigte, vor Augen hatte. In Konstantinopel hat man sogar diese korrekte Haltung Deutschlands ausdrücklich dem Vorgehen der Westmächte gegenübergestellt und letztere lebhaft getadelt. Zu der Verstimmung hierüber gesellte sich aber noch eine für die Pforte höchst ernste Erwägung. Wenn Mißwirtschaft und Insolvenz den Groß mächten das Recht geben sollen, die Absetzung des Herrschers zu ver langen und sich in die innere Verwaltung des betr. Landes einzu- mifchen, dann könnte ja auch bald genug die Reihe au den Sultan kommen, und was heute dem Khedive pafsirt, möchte morgen seinem Oberherrn gegenüber angcwendet werden. Das ist es, was in Kon stantinopel Bedenken erregt. Ob außerdem noch andere Gründe mit- pielten, ist authentisch nicht bekannt. Thatsache ist also, daß der Khe dive Ismail die Regierung niedergelegt hat und die Proklamirung des Erbprinzen Mohamed Tewfik zum Khedive für unmittelbar be vorstehend gilt. Wassers- und Feuersnoth, Krieg und Pestilenz, Sturm, Heuschrecken und Hungersnoth, kurz so viele nur denkbare Unglücksfälle sind über das russische Reich in letzter Zeit gekommen, daß man beinahe hätte meinen sollen, noch neue Uebel gäbe es nicht mehr. Und doch meldet der Telegraph wieder eine neue gefährliche Erscheinung. Ein Tele-