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'und hat eine regelmäßige Missiouspredigt zur Bekehrung der Christen gehalten. Die Zeitungen fügen hinzu, die Predigt sei sehr geschickt gewesen. OertlicheS und Sächsisches. Wilsdruff, 23. October. Am Montag Nachmittag machte der hier wohnhafte Eolporteur Mosig in seiner Wohnung durch Erhängen einen Selbstmordversuch, welcher ihm aber durch rechtzeitige Dazwischen kunft der polizeilichen Organe mißlang; die letzteren waren im Begriff gewesen, Mosig wegen an den Tag gekommener, an sehr jugendlichen Mädchen begangener Vergehen zu verhaften. Mosig konnte erst spät in der Nacht, nachdem er wieder vollständig zu Bewußtsein gekommen, zur weiteren Untersuchung dem hiesigen König!. Amtsgericht über geben werden. — Daß der Geschäftsgang im großen Ganzen allmälig doch einen kleinen Aufschwung nimmt, zeigte der Verlauf des diesmaligen Böttcher- und Tischlermarktes in Dresden, sowie das Verkaufsgeschäft in Pvlster- möbelwaaren. Was zunächst letztere anlangt, so blieb nicht ein einziges 'Stück unverkauft, da die aus Finsterwalde und Liebenwerda gekom menen Fabrikanten den verbliebenen unbedeutenden Rest schließlich noch an hiesige Händler los wurden. Noch flotter verkauften die aus Alten berg, Geising, Kamenz und Neustadt bei Stolpen erschienenen Böttcher namentlich am Sonnabend Vormittag an die Landleute aus der näheren und entfernteren Umgegend von Dresden. Von den ganzen nach Dresden gebrachten Böttcherwaaren ist höchstens der siebente Theil un verkauft geblieben. Auch die Wilsdruffer, Meißner, Radeburger, Königsbrücker, Kamenzer und Pulsnitzer Tischler, welche theilweise zum ersten Male wieder nach langer Zeit einzelne Möbel von Kirschbaum, Mahagoni und Nußbaum zum Verkauf gestellt hatten, sind weit über zwei Drittel der gebrachten Waare los geworden und hatten nicht — - wie früher so oft — uöthig, zu Spottpreisen an Händler abzugeben, um nur wenigstens Geld mit nach Hause zu bringen, wenn sie auch direkt an den Consumenten theilweise zu gedrückten Preisen ver kaufen mußten. — Zur Warnung für unsere Gastwirthe diene die Mittheilung, daß die Zechprellerei vor dem Gesetze nicht mehr straffällig ist, da hierbei ein Betrug nicht konstatirt werden kann. Erst neulich war in einem Dresdner Restaurant gelentlich eines Einzugsfchmaußes, der Fäll vörgekommen, wo ein Arbeitsmann an der wohlbesetzten Tafel sich es gut sein ließ und als es zum Berappen kam — das Geld fehlte und ihm deshalb nichts genommen Werden konnte. — Die Idee, für die fächsifchen Gemeiudebeamten einen „Pen sionskassenverband" ins Leben zu rufen, ist neuerdings von einem Komitee , in Gohlis, Lausigk und Trebsen wieder ausgenommen worden. Zu diesem Behufs hat dasselbe eine Vorlage ausgearbeitet und solche an alle jene Stadt- und Landgemeinden versandt, welche nicht der re- vidirten Städteordnung unterstellt sind und über 2000 Ortseinwohner zählen. Natürlich giebt sich in den betreffenden Kreisen für die Aus führung des obigen Plaues ein großes Interesse kund und hegt man den Wunsch, es möchten die vorgesetzten Dienstbehörden sich diesem Verbände anschließen und auf diefe Weife das Leben der Hinterlassenen ihrer verstorbenen Gemeindebeamten sicher stellen helfen. — Meißen. Am 16. Oktober wurde die hiesige landwirth- schastliche Winterschule mit 22 Schülern eröffnet. — Borna. Innerhalb der letzten beiden Wochen sind in dem benachbärten Dorfe Witznitz elf Kinder an der Diphtheritis erkrankt und fünf daran gestorben. Seit einigen Tagen hat infolge ocssen die dortige Schule geschlossen werden müssen. — Geithain, 19. Oktober. Heute früh gegen 4 Uhr brannte das Wohnhaus des Schmiedcmeisters Görnitz in Niedergräfen hain vollständig nieder. Das Feuer ist in den Bienenstöcken heraus- . gekommen und wird Brandstiftung vermuthet. — Reichenbach. Der Thierarzt Weber hat in diesen Tagen in dem ihm von einem Einwohner eines benachbarten Dorfes zur i Untersuchung übergebenen Fleische eines Schweines massenhaft Trichinen entdeckt, infolgedessen dieses Fleisch ortspolizeilicherseits konsiszirt und vergraben worden ist. Da das betreffende Fleisch resp. Wurst ver- pfändet zu werden bestimmt war, so ist großes Unheil vom Publikum des Orts wie auch der Nachbarorte ferngehalten worden. — Leipzig, 20. Okt. In der verflossenenMichaelismesse wur den beim FremdenbUreau des hiesigen Polizeiamts 19,840 Fremde angemeldet, und zwar 10,704 aus Gasthäusern und 9136 aus Privat wohnungen. Anmeldescheine wurden 8406 ausgefertigt, darunter 540 an Personen, welche Dienst oder überhaupt Unterkommen suchten. - In der vorigen Ostermesse betrug die Zahl der angemeldeten Fremden 20,253, daher 413 mehr, die Zahl der ausgestellten Anmeldescheine 926ß, daher 857 mehr, in der vorjährigen Michaelismesse die Zahl der Ersteren 20,134, also 294 mehr und die Zahl der letzteren 9063, also 657 mehr. — Der Polizeidirektor von Chemnitz hat ein gegen die Organi sation der Hirsch-Dunkerschen Gewerkvereine gerichtetes Verbot erlassen. Dieselben stehen, wie bekannt, in direktem Gegensätze zu den (früheren) fozialdemokratifchen Gewerkschafts-Verbänden und sind im ° Wesentlichen eine von der Fortschrittspartei errichtete Vereinigung, um die Arbeiter der Sozialdemokratie zu entfremden; sie fallen keineswegs unter das Sozialistengesetz. Der Verbandsanwalt dieser Vereine, Or. Max Hirsch, ist nach Dresden gereist, um bei dem Minister des Innern, Herrn v. Nostitz-Wallwitz, die Zurücknahme des polizeilichen Verbotes ; zu erwirken. Me Hewatt der Wahrheit. Erzählung von Ludwig Habicht. Verfasser der Romane: „Auf der Grenze", „Der rechte Erbe", rc. (Nachdruck verboten.) ? (Fortsetzung.) Dem alten Fischer kam dies Benehmen förmlich unheimlich vor. Wußte sie denn schon, was vorgefallen war, oder hatte nur die Ahnung eines Unglücks ihr völlig die Zunge gelähmt? Jetzt wußte er sich keinen Rath mehr, wie er seine Nachricht Vorbringen sollte und einen muthi- gen Anlauf nehmend, begann er von Neuem: „Wir haben heute Nacht im Mühlteich gefischt. Zuletzt hoben wir eine Reuse, die war furchtbar schwer. Das konnten keine Fische sein, das merkten wir sogleich , entweder war ein Baumstamm Hinein getrieben worden, oder es mußte ein Mensch drin liegen, der im Teich verunglückt." Harms machte eine Pause; er hoffte noch immer, sie würde irgend eine Frage stellen und damit seine schwierige Aufgabe etwas erleichtern; aber sie verharrte in ihrem dumpfen, räthselhaften Schweigen. Dem Alten blieb deshalb nichts weiter übrig, als nach einer Weile in feiner Erzählung fortzufahren: „Wir hatten die größte Mühe, unsern Fund an's Land zu bringen, und der Klaus schimpfte dabei fortwährend. Wenns nach ihm gegangen wäre, hätten wir unsere Last wieder in den Teich geworfen — so ist einmal die Jugend; aber ich dachte: der arme Mensch soll wenigstens ein christlich Begräbniß haben, denn das merkten wir schon, daß es ein Mensch war, den wir aus dem Wasser zogen.^ Es war freilich noch stockfinster — die Sonne sollte noch 'rauf kommen j und es war recht kühl, aber uns fror nicht, wir hatten uns warm ge^ arbeitet. .Wenn er wenigstens noch lebte,' sagte Klaus, ,danu kriegten wir die Rettungsmedaille, so haben wir uns umsonst geplagt/ und der Bursche machte mir allerhand Vorwürfe — fo ist einmal die Jugend." „Na, ich hörte nicht weiter darauf," erzählte Harms in seiner bedächtigen Weise weiter. „Klaus, sagte ich, leucht' einmal mit der Laterne über's Gesicht, damit wir wissen, wer hier im Teich verun glückt. — Es wird wohl Einer in der Betrunkenheit in den Teich ge stolpert sein, meinte Klaus und trieb allerhand Späße^, die mir nicht gefielen. Un,er junges Volk hat jetzt den Geier im Leibe." Wenn der alte Fischer gehofft, daß er durch seine umständliche Erzählung endlich die Aufmerksamkeit der Müllersfrau erregen würde, hatte er sich geirrt. Sie schien gar nicht mehr auf ihu zu hören, denn ganz in sich versunken saß sie da und ihre Gedanken mochten ganz wo anders weilen. Die Müllerin ist doch zu merkwürdig, dachte der Alte; doch er war jetzt einmal im Zuge und nun ließ sich das Verhängnißvolle seiner Nachricht nicht länger aufhalten. — „Ja, wo war ich denn stehen geblieben?" fuhr Harms wie nachsinnend fort. „Richtig, der Klaus leuchtete endlich über das Gesicht des Ertrunkenen hinweg, wie ich ihm geheißen; aber Sie müssen nicht erschrecken, Frau Ellbach — der Tod kommt einmal an Jeden — freilich ist es schlimm, wenn eine Frau ihren Mann Plötzlich verliert, und Sie haben bisher in schönster Eintracht und im Glück gelebt, und es thut mir recht leid —" „Mein Mann ist todt?" sagte Frau Ellbach endlich leise und tonlos. Dem Alten war es, als ob er von einem Alpdruck erlöst würde. Hatte doch wenigstens die Frau ihr unheimliches Schweigen gebrochen und ein Lebenszeichen von sich gegeben. Er nickte mit dem Kopfe und fetzte dann laut mit bewegter Stimme hinzu: „Ja, Frau Ellbach, es war Ihr Mann, den wir vor ein paar Stunden aus dem Teich gezogen. Wie er nur verunglückt sein mag? — Die Mühlknechte können sich's gar nicht erklären." Frau Ellbach strich sich mit der Hand über die Stirne und holte tief Athen:. Sie wollte fprechen, aber sie preßte die Lippen wieder fest zusammen und schwieg. Der alte Harms hatte geglaubt, sie würde bei der furchtbaren Nachricht laut aufjammeru und in den lebhaftesten Schmerz ausbrechen und statt dessen kam es ihm vor, als ob das bisher jblasse Gesicht sich lebhafter färbte und die starren Augen zu funkeln begannen. Hätte der Alte nicht gewußt, daß die Müllersleute in fehr glücklicher Ehe gelebt, er würde geglaubt haben, daß die fchöne Frau mit wahrer Befriedigung die Nachricht von dem Tode ihres Mannes empfing. So wenigstens war ihr Benehmen, und der ehrliche Fischer konnte darüber seine Entrüstung nicht ganz unterdrücken. Er hatte sich die größte Mühe gegeben, ihr die Schreckenspost so schonend wie möglich mitzutheilen, und ihr schien sie eine förmliche Erleichterung zu ge währen. So hatte Klaus am Ende doch Recht und die Müllerin war fo, wie manche Weider, und über den Verlust des ersten Mannes leicht getröstet. Deshalb sagte er etwas scharf und höhnisch: „Nicht war, eine solche Nachricht, die greift ans Herz? Da verliert man ganz die Sprache, aber sie thun ganz recht, daß Sie nicht so weinen und lamentiren, da verlieren die Weiber ihre Schönheit." Sie sah den Alten mit ihren großen blauen Augen ernst und traurig an. Trotz ihrer seelischen Erstarrung hatte sie den Spott, der in seinen Worten lag, erkannt, dennoch hegte sie kein Verlangen, sich zu vertheidigen; sie sagte nur ebenso tonlos wie bisher: „Wo haben Sie ihn gesunden?" „Im Schiifwinkel," antwortete Harms. „Wie er nur da hin- eingerathen? Klaus sagte freilich, cs wird ihn wohl Jemand um die Ecke gebracht haben, aber wir haben keine Wunde an seinem Körper entdecken können. Na, wenn hier fremde Hände im Spiel, da werden es die Gerichte schon ermitteln." „Und wohin haben Sie ihn gebracht?" fragte sie von Neuem. „Sie sollten nicht so erschrecken, deshalb sagte ich: Schafft nur den Meister zuerst in die Mühle." Frau EUbach nickte wie zustimmend mit dem Kopf, dann versank sie wieder in ihr vorheriges Hinbrüten. Sie rang sichtbar mit einem Entschlusse. Plötzlich erhob sie sich. „Es muß sein!" murmelte sie vor sich hin, und festen Trittes verließ sie das Zimmer, dem Alten einen Wink gebend, ihr zu folgen. Beide schritten jetzt, ohne ein Wort weiter zu sprechen, der Mühle zu. Die Müllerburschen waren bereits mit ihrer Bürde dort ange langt und die Leiche lag noch auf der Bahre. Das Licht des Tages fiel jetzt hell und voll auf den Todten. Müller EUbach mußte ein stattlicher Mann gewesen sein. Der stark gebaute Körper verrieth bereits eine Neigung zur Ueberfülle. In dein jetzt schon ausgedunsenen Antlitz zeigte sich unverkennbar eine bequeme Gutmüthigkeit, und das Aeußere des Müllers verrieth deut lich, daß er ein Genußmensch gewesen, der gern behaglich und ver gnüglich in den Tag hinein gelebt. Selbst sein Stolz, den er zu weilen zur Schau trug, war niemals ganz abstoßend; Meister Ellbach war deshalb auch als gutmüthiger, trefflicher Mensch überall bekannt und geschätzt. Sein plötzlicher Tod erregte gewiß in der ganzen Um gegend die lebhafteste Theilnahme. Um so befremdender war es, wie kühl und ruhig sich jetzt Frau Ellbach auch an der Leiche ihres Mannes benahm. Ihre Augen hafteten eine lange Zeit auf dem Todten, aber sie blieben trocken; ja die Näherstehenden wollten bemerkt haben, daß sie wie grollend und zürnend auf dem bleichen Antlitz ihres Mannes geruht. Diese Frau hatte keine Thränen, zeigte keinen Schmerz . . . und doch wußten Alle, daß ihr Mann sie auf den Händen getragen und ihr jeden Wunsch erfüllt hatte, den er ihr an den Augen absehen konnte. All seine Gedanken, sein ganzes Leben drehte sich um seine Frau; ihr Besitz machte den höchsten Werth seines Daseins aus... Sie hatte freilich in ihrer ruhigen besonnenen Weise sich von ihm j lieben und hätscheln lassen und seine stürmischen Gefühle niemals mit