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Mit eben so großer Spannung, wie der Eröffnung des preußi schen Landtags, sieht man den Sitzungen der französischen Kammern entgegen, welche von jetzt ab wieder in Paris stattfinden und wahr scheinlich im November beginnen werden. Die innere Lage Frank reichs hat sich während der Parlamentsferien nicht geklärt, sondern mehrfach verwickelt. Die Unterrichtsfrage, welche ihrem Urheber Jules Ferry eine im Sinne freiheitlicher Entwickelung leicht lösbare erfchien, hat unerwarteten Widerstand gefunden und ist ein dunkler Punkt am Horizonte der inneren Politik Frankreichs geblieben, und ein vielleicht noch dunklerer ist hinzugekommen durch die Forderung unbedingter Amnestie von Seiten der Radikalen, die leicht wieder zu vollständiger Anarchie führen kann. Daß Paris der Commune wieder zusteuert, beweist die Wahl des berüchtigten Communisten Alphonso Humbert zum Mitgliede des Pariser Gemeinderaths. Also einen Mann, der 1871 Paris mit in Brand gesteckt hat, wählt man jetzt in die Verwaltung der Stadt. Freilich sitzt er noch nicht drin, da der Präfecturrath des Seine-Departements die Wahl voraussicht lich für ungültig erklären wird. Denn nach dem Wahlgesetze vom 7. Juli 1874 muß man, um wählbar zu sein, mindestes sechs Mo nate seinen Wohnsitz in der Gemeinde gehabt haben, und Humbert ist erst seit einigen Wochen aus Kaledonien zurück. Seine Wähler behaupten, durch die Amnestie sei seine siebenjährige Abwesenheit von Paris als nicht vorhanden anzusehen. Uebrigens ist diese Wahl eines Amnestirten bereits in den am 13. unter Vorsitz des Präsidenten der Republik Grövy abgehaltenen Kabinetsrathe verhandelt worden. Grovy hat erklärt, daß dieselbe die Haltung der Regierung in der Amnestie frage in keiner Weife ändern werde; damit wäre den Hoffnungen der Communisten, welche den Erlaß einer allgemeinen Amnestie von Seiten der Regierung und der Kammern für unausbleiblich halten, ein vorläufiger Dämpfer aufgefetzt. Kabul ist von den Engländern am 12. d. besetzt worden, ohne daß ihnen in der Stadt selbst Widerstand entgegengesetzt wurde. Viel mehr erschienen schon nach Besetzung Balarhissars, des Schlüssels von Kabul, die vornehmsten Einwohner Kabuls dort, um dem General Roberts ihre Ergebenheit kund zu geben, und die in Kabul einrückende englische Kavallerie fand die Stadt von den Aufständischen bereits ge räumt, nachdem letztere noch zuvor die Pulverfabrik in die Luft gesprengt hatten; 72 Geschütze hatten sie im Stich gelassen und sich nach ver schiedenen Richtungen zerstreut, weshalb man ferneren Widerstand für aufgegeben erachtet. Darüber, was England ferner zu thun gedenkt, um für die Zukunft Sicherheitsmaßregeln zu treffen, welche ähnliche Vorfälle, wie die in Kabul geschehenen zu verhindern geeignet seien, verlautet noch nichts Bestimmtes und dürfte mit großen diplomatischen Schwierigkeiten verknüpft sein. OertlicheS un- Sächsisches. — Sachsens Landtag wird voraussichtlich erst am 8. oder 10. November zusammentreten. Ohne Zweifel wird den Kammern gleich bei Beginn der Sefsion das diesmal in ganz neuer Form erscheinende Budget für die Finanzperiode 1880/81 vorgelegt werden. Es ist hin länglich bekannt, daß für jedes der genannten beiden Jahre außer dem gewöhnlichen Staatsbedarf in Sachfen gegen fünf Millionen Mark Defizit aus der vorhergehenden Finanzperiode aufzubringen sind. Dieses Defizit läßt sich nicht durch einen erhöhten Zuschlag zur Einkommen steuer decken, denn schon der Umstand, daß jetzt bereits in Sachsen ein solcher Zuschlag von 50 "/o besteht, und daß dieser Zuschlag für die Jahre 1880/81 nicht vermindert werden kann, bildet kür unsere Steuer zahler eine keineswegs erfreuliche Erscheinung. Außer einer Steuerer höhung sind aber nur zwei Wege denkbar: entweder sucht die Regierung jenes Defizit durch eine Anleihe zu decken, oder sie wartet die Sache vor der Hand noch eine Zeit lang in der stillen Hoffnung ab, daß sich die Staatseinnahmen event. besser gestalten werden, als sie im Voran schlag angegeben sind. Und in der That ist diese Hoffnung bei der sich allmählig allerwärts auch in Sachsen heute bereits bemerkbar machenden Besserung ver Verhältnisse eine begründete. — Nach einer im „Dresdn. Journ." veröffentlichten Bekannt machung des k. sächs. Gesammtministeriums hat Se. Maj. der König beschlossen, die getreuen Stände des Königreichs Sachsen zu einem in Gemäßheit von 8 115 der Verfassungsurkunde abzuhaltenden ordent lichen Landtage auf den 3. November d. I. in die Residenzstadt Dresden einberufen zu lassen. An die Mitglieder beider ständischer Kammern werden noch besondere Missiven aus dem Ministerium des Innern ergehen. — Nach einer Verordnung des kgl. Justizministeriums ist das Verzeichniß der zum Schöffenamte und Geschwornenamte be rufenen Personen (Urliste) von den Vorstehern der Gemeinden aufzu stellen. Die Vorsteher selbstständiger Gutsbezirke gelten nicht als Ge meindevorsteher im Sinne dieser Verordnung. Diese Urliste ist im Oktober auszulegen, hat neun volle Tage auszulegen und ist spätestens am 31. Oktober an den Amtsrichter des Bezirks einzusenden. — Die Gewerkschaft des zwischen Tharandt und Edle Krone liegenden Berggebäudes „Segen Gottes" hat ihr Bergbaurecht an dem ihr verliehenen Silbergrubenfeld aufgegeben. Den Gläubigern des Berggebäudes steht in Folge dessen nach den Bestimmungen des allg. Berggesetzes das Recht zu, nach drei Monaten auf gerichtliche Zwangs versteigerung des Bergwerkeigenthums anzutragen und ihre Befriedigung aus derselben zu verlangen. — Zum Ausfischen des Frauenteiches bei Moritzburg, wel ches Mittwoch und Donnerstag Vormittag erfolgte, hatten sich so viele Schaulustige eingefunden, daß Gendarmen die Ordnung aufrecht erhalten mußten. Zur Fischverkaufsstelle drängten sich u. A. solche Menschen mengen, daß nur Einzelne bedacht werden konnten und die Meisten leer abziehcn mußten. — Auf der Rittergutsflur Scharfenberg gerieth vorvorigen Sonntag gegen Abend ein 13 jähriger Knabe beim Kartoffeleinfah'ren unter einen im Gange befindlichen Wagen. Die Räder gingen ihm dabei über den Hals, so daß der Tod des Knaben sofort eintrat. Eine fremde Verschuldung soll nicht vorliegen. — Nossen. Am 6. November wird das Seminar das 25jährige Amtsjubiläum seines Direktors, des Herrn Schulrath Bräß, feiern. — Das „Dr. Journ." schreibt unterm 16. October: „Aus Zittau ist soeben die betrübende Nachricht eingegangen, daß der erst vor Kurzem in das Ministerium des Innern berufene Regierungsrath vr. Roscher bei einem gestern Vormittag zwischen ihm und dem Redakteur der „Zittauer Morgenztg." E. Billig in der Nähe von Zittau auf böhmifchem Gebiete stattgefundenen Pistolenduell durch einen Schuß vn den Unterleib schwer verwundet worden ist. Als Veranlassung zu diesem Zweikampfe werden die beharrlich wiederholten Verunglimpfungen bezeichnet, mit denen Regierungsrath Roscher in der „Zittauer Morgen zeitung" schon seit einigen Jahren verfolgt worden ist. Bei Allen, welche den ehrenwerthen Charakter und die wissenschaftliche Bedeutung jenes ausgezeichneten Beamten kennen, ist nur eine Stimme des Ab scheues und der Empörung gegen eine Handlungsweise zu vernehmen, durch welche ein so achtbarer Mann aufs Aeußerste getrieben und endlich dessen Leben in schwer verantwortlicher Weise ans das Spiel gesetzt worden ist." — Zwickau, 16. October. In der vergangenen Nacht sind aus einem am hiesigen Hauptmarkt gelegenen Uhrenlager mittelst Ein bruches 133 goldene und silberne Uhren nebst Ketten und Medaillons gestohlen worden und haben die Diebe, welche sich vermuthlich haben einfchließen lassen, den Zugang von der Hausflur zum Laden durch Ausstößen eines Thürfeldes der Ladenthür bewerkstelligt. Jie Hewatt der Wahrheit. Erzählung von Ludwig Habicht. Verfasser der Romane: „Auf der Grenze", „Der rechte Erbe", rc. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Alle Männer schwärmten für die schöne Müllerin; — die Frauen fanden sie freilich zu kühl und berechnend, und behaupteten, sie habe sich nur durch ihre Herzlosigkeit s» langt ihre Schönheit zu bewahren gewußt, sie besitze gar kein Gemüth, lasse sich durch nichts aufregen und erschüttern, so könne sie freilich ihr hübsches, regelmäßiges Lärv chen länger bewahren, als Andere, die an dem Leid und Wehe ihrer Mitmenschen den innigsten Antheil nehmen. Die Männer dagegen fanden gerade diese ruhige besonnene Lebens führung bewundernswürdig; sie hatte die zahlreichsten und und schwärmerischesten Verehrer, ohne daß sie nur im Mindesten aus ihrem bestimmten Geleise zu bringen war. Selbst die ärgste Verleumdung konnte ihr nichts Schlimmes nachsagen. Hans Ellbach war stolz auf die Schönheit seiner Frau, die noch jetzt überall so viel Aufsehen erregte, wohin er mit ihr kam. Er zeigte auch nicht die geringste Eifersucht, selbst wenn Mancher gar zu schwärmerisch seine Gefühle für die schöne Frau an den Tag legte. Wußte er doch, daß er ihr völlig vertrauen konnte und es schmeichelte nicht wenig seiner Eitelkeit, daß seine Lebensgefährtin noch immer ein solch' lebhaftes Interesse einzuflößen vermochte. Selbst die Gesellen sprachen nur mit Begeisterung von ihrer schönen Meisterin und auch hier spalteten sich die Meinungen zwischen den beiden Geschlechtern. Während die Müllerburschen nicht genug die Schönheit und Güte der Frau bewundern konnten, sprach das weibliche Dienstpersonal des Hauses weit kühler von der Frau. Man konnte sich zwar nicht über sie beklagen; sie gab all' ihre Befehle in ihrer ruhigen, sanften Weise und zeigte sich niemals streng und un gerecht; aber man sagte doch, sie habe es hinter den Ohren sitzen und sie wurde von all' ihren Mägden heimlich und förmlich instinkt artig gehaßt. Man konnte ihr nicht verzeihen, dast sie trotz ihrer 30 Jahre noch gar so schön war und alle Männer von ihr mit wahrer Vergötterung sprachen. Nachdem die Müllerburschen nach lange bei ihrem todten Meister gestanden und darüber ihre Ansichten ausgetauscht hatten, wie derselbe wohl in den Teich gerathen sein könne, legten sie endlich den Leichnam auf die mitgebrachte Bahre, um ihre traurige Wanderung anzutreten. Die beiden Fischersleute folgten ihnen. Unterwegs berieth man hin und her, wie man der Meisterin die Schreckensbotschaft am schonendsten mittheilen könne. Keiner von den Leuten Ellbach's mochte sich dazu verstehen. „Na, da werd' ich's ihr sagen," erklärte endlich der alte Harms. „Aber Ihr müßt das auch geschickt machen," meinte einer der Müllerburschen; „denn unsere Frau Meisterin ist eine gar zarte und gebildete Frau und wenn die's plötzlich erfährt, kann sie den Tod da von haben." „Werd's schon machen," sagte der Fischer. „Aber wie wollt Ihr das anfangen'?" „Laß das nur meine Sorge sein, Du Grünschnabel!" fertigte der Alte sogleich den jungen Burschen ab und die Andern schwiegen, sie waren froh, daß Jemand ihnen die schierige Aufgabe abnehmen wollte. „Ich werde vorangehen," fagte der Fischer nach kurzem Ueberlegen. „Und ihr folgt niir langsam und bringt die Leiche in die Mühle, da mit sie das Unglück nicht so plötzlich erfährt." Die Müllerburschen nickten zustimmend mit dem Kopfe und der alte Harms schritt jetzt mit raschen Schritten dem Ellbach'schen Wohn hause zu. Es stand ein wenig entfernt von der Mühle und war erst vor einigen Jahren im elegantesten Villenstyl neu errichtet worden. Schon die äußere Einrichtung verrieth die große Wohlhabenheit seiner Bewohner, denn es war nichts gespart worden, was die Villa zu einem hervorragenden Gebäude in der Umgegend machen mußte. Ueberall zeigte sich eine Vereinigung von Reichthum und Geschmack. Die Augen des alten Harms schweiften mit einem seltsamen Aus druck über den Prachtbau, der bestimmt zu sein schien, nur glückliche Bewohner zn beherbergen. Wie bald sollte in die herrlichen Räume der Schmerz und die Trauer einziehen. „Diese Reichen spüren's dann zehnfach, wenn sie ein solcher Schlag trifft," dachte der Fischer und schritt langsam über die Schwelle. Im Hausflur 'trat ihm schon ein Dienstmädchen entgegen, sah ihn von oben bis unten verwundert an und fragte dann gedehnt, was er so früh eigentlich wolle? „Ich will mit der Frau Meisterin sprechen," erklärte Harms sogleich- „Da müßt Ihr schon noch einmal in ein paar Stunden wieder kommen, mein Lieber, jetzt schläft Frau Ellbach noch." „Dann weck' sie nur, ich habe ihr ganz wa» Nothwendiges zu sagen." „Wird mir gar nicht einfallen," antwortete das Dienstmädchen- „Uebrigens muß ich mir von Ihm das ,DW verbitten. Weiß Er nicht, was sich schickt?" Der alte Fischer hatte nicht Zeit, sich auf solche Höflichkeitsfragen weiter eiuzulassen und er sagte deshalb sehr entschieden: „Ich muß mit der Frau Meisterin augenblicklich sprechen. Es ist eine ganz wich tige Geschichte." „Ihr habt wohl einen großen Fisch gefangen und wollt ihn schnell los werden?" fragte das Mädchen spöttisch. „Da könnt Ihr schon warten, bis die Frau aufgestanden ist. Uebrigens werden wir woht heute keine Fische kaufen und Ihr braucht nicht erst —" „Ach, wer redet denn von Fischen," unterbrach sie der Alte ungt-