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Wochenblatt für für für die König!. Amtshauptmannschast zu Meißen, das Königl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. NeunundvreiHigfter Jahrgang. Nr. 93. 1879. Dienstag, den 25. November Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag) Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Znseratenannahme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag) Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mark Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratenannabme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden Tagcsgeschichte. Von einer im diplomatischen Dienste stehenden Persönlichkeit an einem deutschen Hofe wird Folgendes geschrieben: Der Besuch des russischen Thronfolgers in Berlin gilt als ein eminenter Be weis dafür, daß Rußland nicht im Stande ist, eine Kriegspolilik zu befolgen. Soviel Staub in letzter Zeit auch aufgewirbelt wurde, hier ist man keinen Augenblick in der festen Ueberzeugung beirrt wor den, daß wir jedenfalls für die Dauer einiger Jahre eine Friedens- Aera haben werden. Die letzten Stürme sind jetzt verrauscht und der Anfang der ruhigeren Situation wird sehr bald beginnen. Die Sache ist überaus einfach. Diejenigen Mächte, denen man mit Recht den Wunsch beilegt, kriegerische Verwickelungen herbeizuführen, besitzen nicht die Macht hierzu. Rußland sowohl wie Frankreich Haven nach sorgfältiger Prüfung ihrer Kräfte die Ueberzeugung gewonnen, daß diese einer kriegerischen Initiative nicht gewachsen sind. Was in den maßgebenden russischen Kreisen in dieser Beziehung vorgeht, spie gelt sich in kleinerem Rahmen hier ab. Man ist gerade über die Maßregeln auf militärischem und diplomatischem Gebiete besser unter richtet als in manchen Centren der europäischen Diplomatie. Die Agenten Rußlands in Generals-Uniformen haben über die von der „Köln. Ztg." in Scene gesetzten Truppenkvnzentrirungen an verwest- Uchen Grenze gelächelt, well sie den Regisseur kennen und genau . wissen, nach welcher hohen Stelle hin diese Nachricht wirken sollte. ^Korrespondirte doch diese alarmirende Nachricht mit einem Artikel der „Nordd. Mg. Ztg.", der am Tage der Ankunst des russischen Thronsolgers erschien. Den Hintergrund dieses Artikels bildeten die Instruktionen, die seiner Zeit General v. Manteuffel vor der Zusam menkunft von Alexandrow an den Czar Alexander erhalten hatte. Der deutsche Kronprinz hat allerdings nachdrücklich den Abschluß der Allianz mit Oesterreich empfohlen, aber Kaiser Wilhelm ist von der Nothwendigkeit derselben nicht durch militärische, sondern durch an derweitige Gründe überzeugt worden. Daran hat der Besuch des Großfürsten-Thronfolgers nichts geändert; jedoch ist man in der Umgebung des Kaisers Wilhelm weniger denn je geneigt, an eine militärische Demonstration Rußlands, geschweige denn an kriegerische Vorbereitungen gegen Deutschland zu denken. Der demonstrative Charakter des Besuchs des französischen Botschafters in Varzin rich tete sich denn auch gegen Baden-Baden, wo bekanntlich Fürst Gort- schakoff weilt. Seine bevorstehende Ankunft in Berlin wird dem Reichskanzler noch weniger genehm sein, als der Besuch des russischen Thronfolgers. Es wird am Berliner Hofe Niemanden Wunder neh men, wenn bis zu diesem Zeitpunkte irgend eine neue Demonstration des Reichskanzlers unsere moskowitischen Freunde in Aufregung ver setzen würde. Berlin. Man schreibt der „Nat.-Ztg.": Gegenwärtig finden im preußischen Staatsministerium Berathungen statt über die Verlängerung des sogenannten kleinen Belagerungszustandes, welcher bekanntlich am 28. November 1878 infolge eines Bundesrathsbeschlusses von dem selben Tage durch das preußische Staatsministerium über die Stadt Berlin und die angrenzenden Kreise auf die Dauer eines Jahres ver hängt wurde. Der bezügliche Antrag Preußens wird in derselben Weise wie im Vorjahre dem Bundesrathe zur Genehmigung vorgelegt werden und wahrscheinlich bereits auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung desselben gelangen. Dem Vernehmen nach soll die Verhängung der Ausnahmemaßregeln auf die Dauer eines Jahres verlängert werden. Die „Nat.-Ztg." bemerkt hierzu: Wir dürfen hoffen, daß die Ver längerung des Ausnahmezustandes über Berlin nicht als eine bloße Formalität von dem Staatsministerinm betrachtet, sondern eine ernste und eingehende Prüfung über die Nothwendigkeit des Fortbestandes der Maßregeln eintreten wird. — Ueber den gegenwärtigen Stand der Hebungsarbeiten beim Panzerschiff „Großer Kurfürst" bringt die „Weser-Ztg." folgende Mit- theilung: Der „Große Kurfürst" wird auf keinen Fall in diesem Jahre gehoben werden, den« der erste Bergungsdampfer ist total unbrauchbar geworden, seine Luft- und Wasserpumpen siud entzwei, einer seiner Kessel gesprungen — Wochen und Monate werden vergehen, bis seine Reparatur beendet ist. Die ganzen Arbeiten werden für den Winter eingestellt werden müssen, da jetzt wie schon seit längeren Wochen, der unruhigen Witterung halber, wenig oder fast nichts gearbeitet werden kann. In Posen ist, wie die „Post" erfährt, aus Warschau die Nach richt eingetroffen, daß daselbst und in der Umgegend die Rinderpest wieder mit Heftigkeit ausgebrochen ist. In der Alexander - Citadelle ind 8, im Kreis Warscha auf Gut Sluzewicz 120 Stück Rindvieh ofort getödtet. Im Kreis Sochaczewo grassirt die Seuche ebenfalls -eftig. Posen, 18. November. Ein hübsches Sümmchen, nämlich 16,000 Lire, hat Graf Ledochowski am 27. v. M. dem Papste, — jedoch nicht aus eigener Tasche, sondern aus der Tasche der Diöcesanen unserer Provinz wieder zu Füßen gelegt, und dafür den Segen des Papstes für die Geber erhalten. Es ist dies in diesem Jahre die zweite Geldsendung aus unserer Provinz, die im Vatikan angelangt ist; die erste hat 20,000 Lire betragen; die katholischen Bewohner unserer Provinz haben somit an Rom im Laufe eines Jahres 36,000 Lire (ca. 30,400 Alk.) Abgaben bezahlt. Der Papst soll, wie dem „Knrher Pozuanski" aus Rom geschrieben wird, sehr gerührt über diesen neue« Beweis der Anhänglichkeit und Opferfreudigkeit der katholischen Be wohner unserer Provinz gewesen sein, und erklärt haben, daß er ihr Geschenk mit dankbarem Herzen annehme. (Pos. Ztg.) Den „Hamb. Nachr." wird von Berlin ein auffälliger Vorgang in folgender Weise berichtet: Ein hiesiger freisinniger evangelischer Geistlicher ist vom Konsistorium in eine Geldstrafe genommen worden, weil er jüngst die Ehe des ans seinem Amte entlassenen Predigers Kalthoff eingesegnet hat. Die Sache ist in Wahrheit eine ziemlich absonderliche. Herr Kalthoff wünschte eine religiöse Ce- remonie bei seiner Eheschließung und wollte andererseits doch auch wieder nicht die eigentlich» kirchliche Trauung seitens der Kirchenge meinschaft, welche ihn aus dem geistlichen Amte entfernt hat. Ein hiesiger Geistlicher hatte sich demgemäß entschlossen, die kirchliche Trau ung, welche auch wieder keine seine sollte, in der Weise zu vollziehen, daß er sie — im Frack statt im Talar, natürlich nicht in der Kirche, sondern in der Wohnung, vornahm. Für dieses, subjektiv sehr harm los gemeinte Verfahren, über dessen Angemessenheit aber auch in kirch lich freisinnigen Kreisen die Ansichten getheilt sind, ist dem betreffenden Geistlichen eine ansehnliche Geldstrafe und die weitere Buße auferlegt worden, daß ec im Talar vor dem Konsistorium erscheinen soll, um einen Verweis entgegenznnehmen. Als ein sehr günstiges Zeichen der Zeit muß es angesehen wer den, daß, wie sich im Allgemeinen die Geschäfte zn bessern anfangen, auch auf der Krupp'schen Gußstahlsabrik in Essen jetzt Arbeit in Hülle und Fülle, wenigstens soweit es die Fabrikation von Eiscn- bahnmaterialen, wie Schienen, Bandagen, Axen, Räder re. betrifft. In der letzten Zeit sind in diese« Artikeln so große Aufträge einge laufen, daß die Firma bereits Aufträge in Höhe einer vollen Jahres produktion hat zurückweisen müssen. Ein erheblicher Theil des Krupp schen Fabrikates geht nach England, ja sogar nach Amerika. Hamburg, 20. November. Ein entsetzliches Brand-Unglück ereignete sich gestern Stachmittag in der Wexstraße.' Die Hamb. Nachr. berichten darüber: Kurz nach 4V> Uhr explvdirte in dem Hinterzimmer der in dem Hause Nr. 21 der genannten Straße befindlichen Pelz- waarenhaudlnng von Augner auf bis jetzt unaufgeklärte Weise die dort befindliche Gasuhr, was zur Folge hatte, daß nicht nur der Laden, sondern auch das Treppenhaus sofort iu vollen Flammen stand. Be vor noch an Hilfe zu denken war, hatte das Feuer seinen Weg bereits bis zum Boden hinauf genommen und schlug aus den Fenstern und zum Dache hinaus. Die in den Etagen befindlichen Personen flüch teten znm Theil auf den Boden, zum Theil verfochten sie noch die brennenden Treppen hinunter zu kommen. Diese Unglücklichen sind in den Flammen umgekommen oder im Rauch erstickt. Elf erwachsene Personen, darunter zwei Dienstmädchen, wurden im Treppenhausc als Leichen aufgefunden. Vier Kinder wurden gestern Abend noch ver mißt. Mit voller Bestimmtheit konnte indessen sicht festgestellt werden, wie viel Personen umgekommen sind, da man Ursache hat, zn befürch ten, daß außer den Gefundenen noch andere unter Schutt und Trüm mern begraben liegen. Eine ältliche Frau sprang bei Ausbruch des Feuers aus dem Fenster der zweiten Etage. Dieselbe erlitt einen Beinbruch. Herzzerreißend war das Jammern einer etwa 40jährigen Frau, welche auf der Brandstätte umherirrte und ihren Ehemann suchte, der auf dem Boden des Hauses gearbeitet haben soll und seitdeni ver mißt wurde. Die Feuerwehr erschien mit drei Zügen auf der Brand stelle, vermochte aber erst nach etwa dreistündiger angestrengter Arbeit des Feuers Herr zu werden. Gegen 8^ Uhr brannte es noch auf dem Boden. Auch die alte Feuerwehrmannschaft war auf der Brand stelle. Das Haus ist im Innern bis zum Dach hinauf fast zerstört. Namentlich hat die linke Seite, wo sich der Treppenaufgang befindet, schwer gelitten. Die Leichen wurden in Säcken heruntergefchasit und durch den Stadtleichenmann nach dem Kurhaus gebracht. Die Kunde von dem furchtbaren Ereigniß versetzte die Bevölkerung in sicht ge ringe Aufregung. Augenzeugen, welche die entsetzliche Katastrophe von Anfang an beobachtet haben, sprechen mit Entsetzen davon. Das Jammergeschrei der unglücklichen Opfer soll fürchterlich gewesen sein. Einen traurigen Anblick gewährte auch das Fvrtschaffen der Leichen. Dieselben wurden in die Knrhaussärge gelegt und ans drei Wagen fvrtgefahren. Eben so wenig, wie die Zahl der Verwundeten gestern Abend genau anzugeben war, vermochte man mit einiger Bestimmtbeit die Identität der Verunglückten festznstellen, indem die Leichen fast sämmtlich bis zur Unkenntlichkeit entstellt waren. Unter den Verun glückten befinden sich mehrere, welche nicht zu den Hausbewohnern ge hören, sondern sich zufällig oder in Geschäften dort befanden. So be findet sich unter den vermißten Kindern auch die zehnjährige Tochter eines Schlächters in der Neustadt, welche bei Verwandten, die in der zweiten Etage des zerstörten Hauses wohnten, zum Besuch war und dort ihre Schularbeiten machte. An der preußisch-russischen Grenze wird trotz der schärfsten Ue- berwachung der Schmuggelhandel flott fortbetrieben. So ist am 15, Nov. wieder eine Schmuggler-Caravane mit Seidenwaaren in