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Dessau, 19. Oktober. Mit Bezug auf die Zeitungsnachricht, daß der preußische Finanzminister einen Gesetzentwurf über die Ein führung einer Schankstättensteuer ausgearbeitet hätte, welcher nach erfolgter königlicher Ermächtigung dem Landtage bald nach seinem Zusammentreten vorgelegt werden solle, weist eine der „Magdb. Ztg." von hier zugehende ausführlichere Korrespondenz darauf hin, daß eine solche Besteuerung seiner Zeit von der hiesigen Laudesvertretung mit 20 gegen 13 Stimmen angenommen wurde, die hier nun schon 10 Jahre in Uevung ist. Der Ertrag dieser Steuer beläuft sich gegen wärtig auf mehr als 25,000 M. pro Jahr:, sie würde nach der dies bezüglichen Korrespondenz in Preußen, wenn man dieselben Sätze wie hier aunühme, ca. 3,000,000 M. jährlich einbringen. Naumburg a. S. Von welcher Qnalität der diesjährige Trauben- anhang ist, ergiebt die Thatsache, daß in diesen Tagen die Ernte eines der bestgelegenen Weinberge mit einem Quantum von 300 Ctr. weißer und 80 Ctr. blauer Trauben, guter Rebsorten, zum Preise von 540 M. auf dem Stiele verkauft worden ist, pro Ctr. also noch nicht ein mal 1^2 M., während in guten Jahrgängen schon 15—16 M. be zahlt wurden. Am Mittwoch fand in Wien beim Kaiser von Oesterreich die feierliche Werbung des Königs von Spanien um die Hand der Nichte des Kaisers, der Erzherzogin Marie Christine durch den außer ordentlichen spanischen Botschafter, Herzog von Bahlen, statt. Nach erfolgter Zustimmung des Kaisers holte sich der Herzog von Baylen auch das Jawvrt der Braut. In Frankreich geht man jetzt den Gegnern der bestehenden Re gierungsform scharf zu Leibe. Es sind nicht nur vo» Neuem eine Anzahl Maires abgefetzt, fondern es ist auch der in die Pariser Ge meindevertretung gewählte Communist Humbert, vormaliger Redakteur des berüchtigten Journales „Pare Duchesne", zu 6 Monaten Gefäng- niß und 2000 Francs Geldstrafe verurtheilt worden, weil er den Richter stand beschimpft und Thatsachen verherrlicht habe, welche vom Gesetz als Verbrechen angesehen werden. Gleichzeitig wurde der Leiter des Journals „Marseillaise" wegen Wiedergabe der betreffenden Rede Humberts zu 2 Monaten Gefängniß und 5000 Fr. Geldstrafe, sowie wegen Veröffentlichung eines Briefes Rocheforts zu 1000 Fr. Geld strafe verurtheilt, das Journal selbst aber auf 14 Tage unterdrückt. Die Kaiserin Eugenie soll fest entschlossen sein, eine Wallfahrt nach dem Znlulande anzutreten, um an der Stelle, wo ihr Sohn ge fallen, zu beten. Frankreich zählt jetzt 36,068 Gemeinden; von diesen erhalten 26,311 oder 73 Prozent Unterstützung seitens des Staates zu Zwecken des Volksschulwesens. Das Budget der Stadt Paris betrug für 1879 201,559,948 Fres. Das „N. W. Tagebl." erhält aus Rom einen Brief, worin es heißt: Seitens Rußlands werden hier heftige Anstrengungen gemacht behufs Abschluß einer russo - italienisch - französischen - Allianz. Der italienische Botschafter Nigra in Petersburg habe seinen Auf enthalt in Italien dazu benutzt, um König Humbert dafür einzunehmen. Nigra arbeite im Einvernehmen mit der russischen Kaiserin, welche jetzt ein lebhaftes politisches Interesse bekunde. Einflußreiche Pariser Persönlichkeiten seien dem Geheimniß dieser Verhandlungen nicht fremd. Gewisse bevorstehende diplomatische Veränderungen hingen damit zu sammen, indem nämlich die französischen Botschafter Noailles nach Wien oder Konstantinopel und Fournier nach Nom versetzt würden. Spanien. Der König ist mit unbeschreiblichem Enthusiasmus in den durch Ueberschwemmung heimgesuchten Gegenden empfangen worden. Er hat zu Pferde Murcia und einen Theil der Umgegend besucht. Die Sammlungen für die Ueberschwemmten erreichen bereits eine unerwartete Höhe. Ein Bürger von Alicante hat 8 Millionen Realen (2 Millionen Francs) gegeben. Der Papst spendete 6000 Fr. für die Ueberschwemmten in Murcia. OertlicheS und EächfifcheS. — Das „Dr. I." enthält eine Verordnung an alle öffentlichen Cassen, am chO. d. M. bei dem Cassenschlusse festznstellen, welche Be träge nach Markwährung an Einthalerstücken und an Reichsgoldmünzen vorhanden sind, um den Umfang des Umlaufes, sowie Las gegenseitige Verhältniß betr. Münzen zu einander thunlichst übersehen zu können. — Elterlein, 20. Oktober. Nach 1l jähriger verdienstvoller Thätigkeit wird unser auch in weiteren Kreisen durch seine Bemühungen um Verbreitung christlicher Volksschriften wohlbekannte Pastor Reuter demnächst hiesigen Ort verlassen, um das ihm übertragene Pfarramt zu Somsdorf bei Tharandt zu übernehmen. — Der Polizeidirektor von Chemnitz erklärt, daß er die Hirsch-Dunkerschen Gewerkvereine nicht auf Grund des Socia- ustengcfetzes, sondern des sächsischen Vereinsgesetzes aufgehoben, welches die Gründung von Vereinen verbietet, die sich mit öffentlichen An gelegenheiten beschäftigen und unter einander in Verbindung stehen. — Die Kartoffelernte soll sich günstiger herausstellen, als dies anfänglich erwartet wurde und eine weitere Steigerung der Kartoffel- weise daher nicht zu erwarten fein. Wenn sich die Nachricht nur be tätigt; das Aufkäufen größerer Quantitäten von Kartoffeln ourch Eng- änder, welches wie neulich gemeldet, in unseren Weberdistrikten statt- indet, dient aber jedenfalls nicht dazu, die Erhöhung unserer Kartoffel preise zu verhindern. — Meißen. In unserer Stadt ist eine Schneiderfachschule im Entstehen. Der Obermeister des Schneiderhandwerkes hat die Idee angeregt und die Meister haben sie mit Lust und Liebe ergriffen — schon im nächsten Monat wird die Schule ins Leben treten. Außer anderen nützlichen Kenntnissen soll namentlich Schnittzeichnen, Plaß nehmen und Waarenkunde gelehrt werden. — Die Weinlese in den Meißner Bergen ist nun überall im Gange; der Ertrag ist leider ge ring und der Most läßt an Güte sehr zu wünschen übrig, doch soll er an Süßigkeit den 1877er hier und da noch übertreffen. — Zwickau, 24. Oktober. Heute Vormittag wurde an der Mulde in der Nähe der eisernen Brücke bei Cainsdorf die Leiche des hiesigen Musikdirektors Max Steindel, zum Theil im Wasser liegend, aufge funden. Da dieselbe eine erhebliche Kopfverletzung zeigte und auf der in der Nähe vorüberführenden Schneeberger Chaussee eine Blutlache zu bemerken war, so liegt die Vermuthung nahe, daß hier ein Verbrechen vorliegt. Ob jedoch Steindel, welcher am gestrigen Nachmittag inGe- fchäftsangelegenheiten in Cainsdorf gewesen und von da nicht zurück gekehrt ist, das Opfer eines Mordes oder auf andere Weise ums Leben glommen, ist bis jetzt noch nicht festzustellen gewesen. Derselbe ge noß den Ruf eines tüchtigen, strebsamen Künstlers, hatte sich erst kürz lich ein eignes Musikcorps gegründet, war 22 Jahre alt und unver- hcirathct. — Zwickau, 25. Oktober. Die Vermuthung, daß der hiesige Musikdirektor Steindel, dessen Leiche gestern Vormittag in Cainsdorf auigefunden wurde, ermordet worden sei, hat leider Bestätigung ge funden. Gestern Nachmittag wurde der Bäckergeselle Johann Gottlob Oettel aus Langenbernsdorf, 22 Jahre alt, wohnhaft in Vielau, der That verdächtig eiugezogen und soll derselbe an der Leiche, Steindel's das Geständniß abgelegt haben, daß er diesem gestern Abend, als er von Haßlau nach Zwickau heimgegangen, aufgelauert und denfelben auf der Chaussee überfallen habe. Die Leiche zeigt übrigens mehrfache Verletzungen. Oettel foll in diesem Jahre wegen Körperverletzung bestraft und das Motiv zu seiner letzten mörderischen That Eifersucht sein. — Am 15. Oktober wurde in dem eine Stunde von Elsterwerda entfernten Dorfe Döll in gen die verehel. Häusler Schulze in dem zu dem Gehöft befindlichen Brunnen todt aufgefunden. Am Kopfe der Leiche waren fchwere Verletzungen wahrzunehmen, welche die Ver muthung begründet erscheinen ließen, daß die Frau erschlagen sei. Die telegraphisch herbeigerufene Untersuchungs-Commission war gestern am Thatorte anwesend, und als des Gattenmordes verdächtig ist der etwa 60 Jahre alte Häusler Schulze in das Amtsgefängniß eingeliefert worden. — Oelsnitz, 19. October. Am 8. d. früh 2 Uhr verbrannten im Friedensschachte (Oelsnitzer Bergbaugesellschaft) zu Oelsnitz durch schlagende Wetter drei Bergleute: Carl August Büttner aus Ehren friedersdorf, Johann Koteck aus Proschwitz in Böhmen und Friedrich Albert Pilz aus Elterlein. Leider waren die Verletzungen so große, daß Koteck und Pilz in den letzten Tagen ihren Wunden erlegen sind. — Aus Lindenau meldet das dortige Wochenblatt: Nachdem unsere Gemeindebehörde und gewiß auch noch andere Orte vielfach die Erfahrung gemacht, daß es leider eine nicht geringe Anzahl Steuer zahler giebt, die trotz eines angemessenen Verdienstes ihre ^Steuern nicht zahlen, sich sogar erfolglos darauf auspfänden lassen, liegt ein Entwurf dem Gemeinderathe vor, nach dem diese böswilligen Steuerzahler zu anderen Leistungen, als Arbeiter beim Straßenwesen, Schleußenbau rc. herangezogen werden sollen. Dem Entwürfe gemäß sollen rückständige Steuern in der Höhe bis zu 2 Mark gleich einem Arbeitstage von 12 Stunden gerechnet werden. Wer also bis zu 2 Mark Steuer der Ge meindekasse schuldet, soll im Nothfalle zwangsweise zu einer 12 stündigen Arbeit für die Gemeinde herangezogen werden können, um durch diese seine Gegenleistung die Steuerschuld zu tilgen. Gelangt das Regulativ zur Annahme und oberbehördlichen Sanctiouirung, so wird sich bald seine heilsame Wirkung gegen solche Steuerverweigerer bemerkbar machen. — Wie der „Stollb. Anz" berichtet, wurde neulich ein eigenthüm- licher Fund in der Cigarrenfabrik von Dathe zu Stollberg gemacht. In einem Ballen brasilianischen Rohtabaks fand sich nämlich ein gol dener Ring mit einem L jonr gefaßten Brillanten vor. Sich auszu malen, wie der Ring in jenen Ballen gcratheu, welche schöne Brasili anerin ihn vorher getragen und welche Geschichte er überhaupt erlebt, ist jedenfalls eine dankbare Aufgabe für eine lebhafte Phantasie. — Kleinneuschönberg, 21. Oktober. (Freib. Anz.) Die über 70 Jahre alte Armenhausbewohnerin Mühl hier ist gestern Abend, von Sorgau und Blumenau zurückkehrend, von einem Stege, der durch hiesige Torfgrundstücke führt, abgekomwen und in ein Torfloch gerathen. Die Aermste hat sich aus dem Torfschlamme nicht wieder herausarbeiten können und, da ihr Rufen in der stürmischen Nacht von den schon ent fernt liegenheu Wohnhäusern aus nicht gehört worden ist, gegen 12 Stunden in der kalten Nacht in schrecklicher Lage befunden. Erst nach Tagesanbruch ist sie von den auf Arbeit gehenden Personen zwar noch lebend gefunden worden, aber schon auf dem Transporte nach ihrer Wohnung gestorben. — Wurzen. Auf dem Volksschulbauplatze, und zwar auf dem Platze der Superintendentur, fanden die Arbeiter am 23. Oktober bald nach Beginn der Arbeit, in der Nähe einer alten Ofenblatte unter de^ Kellersohle im Erdboden verstreut 23 Stück Goldmünzen, größere und kleinere, eine mit Henkel versehen, jedenfalls in den Zeiten des Dreißig jährigen Krieges dort vergraben. Das Gepräge einzelner Stücke trägt die Jahreszahl 1580 und die Namen deutscher Kaiser und sächsischer Kurfürsten aus jener Zeit. Die Freude der Finder war eine nicht ge ringe, und die Spannung unter dem Personal ist nun selbstverständlich eine große; Hacke und Schaufel werden um so eifriger getrieben, seit dem man hofft, daß nuten im bergenden Schooße der Erde noch liegen „die Schätze zu Hauf". Eigenthumsrechte stehen übrigens den glück lichen Findern nicht zu; laut baukontraktlichen Bestimmungen sind sämmt- liche bei Aushebung des Grundes aufgefundene Werthobjekte an den Stadtrath abzuliefern. Die Hewa!t der Wahrheit. Erzählung von Ludwig Habicht. Verfasser der Romane: „Auf der Grenze", „Der rechte Erbe", rc. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Anfangs wäre es auch im Zimmer sehr leise zugegangen, aber zuletzt immer lauter; dennoch hätte Niemand an derThüre zu horchen gewagt, aus Furcht, der Herr könne rasch heraustreten und sie über raschen. Er sei auch wirklich einmal gekommen, habe an seinem Geld schrank herumgewirthschaftet und sich wahrscheinlich eine Summe für den Fremden geholt und sei dann wieder im Salon verschwunden. Nun sei es drin noch lebhafter geworden; der Fremde habe immer lauter und heftiger gesprochen und es sei gewesen, als ob er dem Herrn die bittersten Vorwürfe gemacht habe. Ob und was diefer darauf erwidert, das hatten sie freilich nicht verstehen gekonnt. Auch die Frau habe sich wohl an der Unterhaltung betheiligt, aber nicht laut gesprochen. Nur was der Fremde beim Abschiede gesagt, hatten die beiden im zweiten Zimmer vorsichtig aufhorchenden Mädchen dennoch ganz deut lich vernommen, denn der Fremde hatte noch weit lauter als frührr gesprochen und seine Stimme hatte wie ferner Donner geklungen: „Und so überlasse ich Dich der Gewalt Deines Gewissens, das ich endlich geweckt habe, und das Dich langsam aber sicher zerschmettern wird... Lebe wohl, Stephanie, ich habe Dich heiß und namenlos ge liebt und werde es bis zum letzten Athemzuge..." Nach diesen Worten sei der Fremde in wildester Aufregung hinausgestürzt. Was dann zwischen den Ehegatten vorgegangen, darüber wußten die Mädchen noch seltsamere Dinge zu berichten. Es war nach dem Verschwinden des Fremden sehr lange ganz still im Salon geblieben; aber plötzlich hätten sie die Frau sehr laut sprechen gehört und so habe die Neugier der Mädchen den höchsten Grad erreicht, und sie hätten sich vorsichtig an die Thüre des Salons geschlichen, um zu horchen, auf die Gefahr hin, darüber ertappt und fofort aus dem Dienst gejagt