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schreiben gerichtet: „Mein lieber General! Um in Zukunft jede Ge legenheit zu einem Konflikte oder jede Unsicherheit in dem Auftreten der Militärbehörde zu vermeiden, wenn gewissen örtlichen Gebräuchen gemäß eine Mitwirkung der Truppen zur Erhöhung des Glanzes einiger religiösen Zeremonien verlangt wird, halte ich es für nützlich, daran zu erinnern, daß die Armee, ausgenommer die Fälle, welche in den Reglements (Dekret vom 24. Messidor des Jahres XII. und des Ui. Oktober 1863) vorgesehen und näher bestimmt sind, in keinerlei Weise an Festen oder Feierlichkeiten, welcher Art sie auch sein mögen, theilnehmen darf. Wenn Grund vorliegt, eine Ausnahme von dieser Regel zu machen, so werden besondere Befehle von dem Kriegsminister ertheilt werden." Diese Instruktionen des Kriegsministers werden von den republikanischen Blättern als nothwendig hingestellt, da das Be nehmen der klerikalen Offiziere die Ultramvntanen und Royalisten zu einem nur zu verwegenen Auftreten verführt haben. Deutliches und Sächsisches. Wilsdruff, 22. September. Vorgestern Nachmittag beehrte der Herr Kreishauptmann von Einsiedel aus Dresden unsere Stadt mit einem Besuche und nahm unter der Führung des Herrn Bürger meister Ficker eingehend Kenntniß von der Sparkasse, den kommunlichen Kassen, ganz besonders auch von der Führung der Standesamtsregister, überall den betreffenden Beamten seine Freude über schnelle und über sichtliche Abschlüsse der Kassen wie über exacte Führung der Registran den und Standesamtsregister aussprechend. Hierauf besuchte der Herr Kreishauptmann wiederholt unter Führung des Herrn Bürgermeisters noch das Rathssefsionszimmer und die Bürgerschule und ließ sich von Herrn Schuldirector Beck über die hiesigen Schulverhältnisse Bericht erstatten. Während dieser Zeit wurde die frw. Feuerwehr allarmirt, welche, Feuer wähnend, wie immer schnell zur Stelle war. Mit sichtlicher Freude beobachtete der Herr Kreishauptmaun die Exercizien der Feuer wehr am Steigerhause sowohl als an der Spritze, welche mir einer Ruhe und Raschheit ausgeführt wurden, daß nach Beendigung derselben die sämmtliche Mannschaft durch die anerkennendsten Worte des Herrn Kereishauptmanns erfreut wurden. In der siebenten Abendstunde fuhren der Herr Kreishauptmaun mit Gemahlin, welche diesen Ausflug mit unternommen, und während des Nachmittags die Conservenfabrik der Herren Sebastian u. Co. besucht und durch Einkäufe beehrt hatte, nach der Residenz zurück. — Die Kirmeßfreuden der guten Stadt Wilsdruff sind nun mit der gestrigen Kleinkirmeß zur Zufriedenheit hoffentlich fast Aller be endet. Die Hauplsestlichkeiten gestern vor 8 Tagen bilden den Glanz punkt; begünpigt von dem prächtigsten Wetter hatten sich sehr viele Fremde eingefunden, so daß ein sehr bewegliches Leben znerst in den Straßen der Stadt und später erst recht auf der Schießwiese sich ent wickelte; die zahlreichen Schau- und Verkaufsbuden machten mit ihren Glücksspielen bis zur späteren Abendstunde glänzende Geschäfte, während im Schießhanse sowie aus den Sälen der Sradt die lustigsten Tanz weisen für die Kirmeßgäste aufgespielt wurden. Am letzten Sonntag strömten von allen Setten der Stadt Landleute herein, um die so genannte Rasselbude — ein althergebrachter Ausdruck — zu srequentiren, nnd in der dritten NachmittagSsiunde war es fast nicht möglich aus der Schießwiese zu gehen, das bunteste Bild bot sich uns dar; dort saßen auf dem Carroussell zu Pferde die stärksten Landburschen und Mädchen, um sich im Ringel zu drehen, dort standen Andere am Glücksrade, um einen Wassereuner oder eine Lampe oder Michkännnchen zu gewinnen, wieder Andere stärkten sich mit einem Würstchen oder Fischchen und einem feinen Grogg u. s. w., bis auf einmal in der 4. Stunde ein Gewitterregen den Platz lichtete und das Publikum in Zelter und Schießhauslokalitäten trieb; leider hielt der Regen, mit Nur kurzen Unterbrechungen, an, so baß das Leben auf der Wiese sich nicht wieder in vorheriger Weife entwickeln konnte, denn Viele eilten der Heimath zu, oder besuchten die Stadt. Immerhin werden die meisten hier gewesenen Geschäftsleute mit dem Geschäfte zufrieden ge- wefen sein, was hauptsächlich auch unser Wunsch ist. — Meißen. Den vielen Bemühungen des Amtshauptmanu von Bosse und dem Entgegenkommen der Großgrundbesitzer in Roitzschen ist es zn verdanken, daß nach Verhandlungen von einem Vierteljahr- Hundert in Miltitz am 19. Sept, die ersten Spatenstiche zu zwei neu anzulegenden Straßen gethan wurden. Dieselben sollen Miltitz mit Krögis und mit Sönitz verbinden. Die Berufung des sächsischen Landtags ist, wie die „Dr. Nachr." aus bester Quelle vernehmen, auf den 3. November bestimmt. Die Regierung gedenkt dem Landtage außer dem Staatshaushalt nicht viele und nicht gerade bedeutungsvolle Vorlagen zu unterbreiten. Der Haus halt selbst wird in einer gegen früher wesentlich veränderten Gestalt aufgestellt werden; Finanznuuister v. Könneritz hofft durch rationellere Budgetaufstellung die Klarheit und die Durchsichtigkeit der sächsischen Finanzverwaltnng zu erhöhen. Auch ein vollständiges Budget des bis her nur in den Hauptsummen vorgelegten Staatseisenbahnwefens kommt neu zur Vorlage. Unter solchen Umständen ist wohl die Hoffnung ausgeschlossen, daß der Landtag den ihm völlig neu gegenübertretenden Staatshaushalt bis zum Jahresschluß durchberathen kann; seine Ver handlungen werden sich bei so spätem Zusammentritt bis zum Früh jahr, d. h. in den Reichstag hineinziehen. Plauen. Daß das Eingießen von Petroleum iu brennende Lampen immer eine gefährliche Sache ist, beweist ein neuerlich hier vorgekommener Fall. Als die Fran des an der Reichsstraße wohnenden Kohlenhändlers Funk am Dienstag Abend in die auf dem Tische stehende Lampe, nachdem sie den brennenden Docht zurückgedreht hatte, Petroleum eiugoß, explodirte dasselbe, spritzte ihr an die Brust und verbrannte sie derart, daß sie das Bett hüten muß. Ihr Mann, der ihr zur Hülfe kam, erlitt Brandwunden an der rechtön Hand. In der am 17. Sept, bei dem Königl. Bezirksgericht in Zwickau stattgefundenen Schwurgerichtsverhandlung wider den Sträfling Carl August Lehmann aus Liebenau bei Lauenstein wurde derselbe wegen des von ihm am Morgen dos 19. Juni d. I. in der Strafanstalt zu Zwickau an dem Aufseher Carl Friedrich August Bernstein verübten Mordes dem Wahrspruch der Geschworuen gemäß zum Tode verurtheilt. Eine Räuberfamilie. (Fortsetzung.) Michel Napo und fein Bruder Pasquale begleiteten den Onkel Pfarrer nach Bifaccia zurück und bestürmten ihn unterwegs, den ver maledeiten Tedesco Leonardi dem verhängnißvollen Keller zu übergeben. „Ich darf's der Seraphine nicht zu leide thun," versetzte der Pfarrer nachdenkend, „sie ist in solchen Dingen zu leidenschaftlich und könnte uns allen die Köpfe heiß machen. Der Tedesco ist reich, sie liebt ihn und will ihn heirathen. Je mehl Bande uns an die gute Gesellschaft fesseln, Kinder, desto sicherer ist unsere Zukunft." „Mit dem Damoklesschwert," murmelte Michel Rapo. „Schaffe den Tedesco auf die Seite, er bringt uns ins Unglück," flüsterte er dann mit bittender Stimme, „der Schiavone muß schon auf die Lösesumme verzichten. Da es bekannt ist, daß sich der Deutsche bei uns befindet, sprengen wir dann aus, er sei plötzlich abgereist." Pfarrer Gennaro wurde von der Unruhe des Neffen selbst an- gestcckt und sagte endlich entschlossen: „Gut, Tu sollst Deinen Willen haben, ich überlasse Dir den Tedesco; die Seraphine wird sich wohl auch beruhigen. Damit wäre Deine Furcht, die wirklich ansteckend wirkt und einem die nö« lhige Sicherheit rauben könnte, gehoben. Wirf den Tedesco zu den Todten. Was hätten wir dann noch weiter: Du, Pasquale, mit Deiner Marchese. Wie wars doch mit dem Vater oder Oheim, ist er todt?" „Leider nein, entflohen mit einem deutschen Knaben, dem Bruder unseres Tedesco's." „Verdammt," rief Michel Rapo halblaut, „so taucht das alte Gespenst wieder auf." „Pah, was will er erzählen? Nichts weiter als von dem Ueber- fall der Briganten," versetzte Pasquale leicht hin, um die eigene Un ruhe zu verbergen. „Ganz recht," sagte der Pfarrer, „ich verstehe in der That Deine weibiscke Furcht nicht, mein Sohn. Nun, mein theurer Pasquale, wie willst Du es mit Deiner Marchesa halten? Waun willst Du sie hei rathen? Ich könnte Euch ja hier in Bisaccia trauen?" „Die Marchesa Cantonelli heirathet Dich nicht, Pasquale!" sprach Michel entschieden. „UaUckotto, bist Du heute ein Unglücksrabe?" rief Pasquale zornig „Woher hast Du diese bestimmte Kunde erhalten?" „Von meinen Augen," versetzte jener finster. „Die Marchesa liebt Dich nicht, sie geberdet sich nicht als eine glückliche Braut." „Ich habe ihr Wort." „Aber noch nicht ihre Hand; bis zum Trau-Altar ist noch ein mächtiger Spruug. Eile Bruder, bevor ein Unwetter Dich überrascht." „Nun ist's genug," gebot Pfarrer Gennaro mit harter Stimme, alberne Träume haben Dich zum Kopfhänger gemacht." „Nein, Onkel, Lupparelli hat's gethail mit seinem Streiche gegen den Major — seit jener Stunde ist die Luft schwüler geworden." Pah, der Major ist wieder hergestellt." „Aber er meidet unser Haus und selbst Seraphinens Liebenswür digkeit vermag ihn nicht zurückzuführen, er sinnt auf einen Anschlag." Sie waren vor dem Hause des Pfarrers angelangt und dieser trat rasch mit dem Zeichen des Kreuzes hinein, während die beiden Brüder dem Hause ihrer Mutter zuschritten. „Willst Du m dieser Nacht noch zu dem Tedesco?" fragte Pas quale leise. „Ich schiebe niemals auf, was ich einmal als nothwendig erkannt." „Gut, dann laß mich theilnehmen." „Wie Du willst, mein Bruder!" Und Beide traten geräuschlos iu ihr Haus. Fünfzehntes Kapitel. Marco and Corso. Leonhard hatte sich unausgekleidet auf sein Lager geworfen. Die letzte Vergangenheit zog wie ein Traumbild an seinem Geiste vorüber und drohte ihn fast wahnsinnig zu machen. Er suchte den Schlaf, um diesen wirren Bildern zu entfliehen, und fand ihn nicht; immer aufs Neue verfolgte ihn Arabellas Bild mit höhnischer Geberde, Arm in Arm mit dem Studenten, der ihn in dieses Elend hineingestoßen. Und jetzt suchte nun eine andere Zauberin mit dem Schlangeulächeln der Medea sein Herz zu umstricken. „Nein, in dieser nächtlichen Stunde fühlte er, daß diese beiden Ge stalten Truggebilde waren, für welche sein Herz niemals Liebe em pfinden konnte. Leonhardi befand sich jetzt in der Stadt, wohin man ihn, als er so weit genesen war, gebracht, und ihm dort in dem großen Hause eiu stilles, entlegenes Zimmer eingeräumt hatte. Erst zwei Nächte hatte er hier geschlafen, aber in diesen nächtlichen Stunden wars ihm gewesen, als wenn das Haus lebendig würde von geisterhaftem Geflüster, als ob Gespenster umherwandelten, nach Ruhe und Frieden vergebens suchend. Er wußte nicht, daß Arabella Cantonelli mit seinem Todfeinde unter diesem Dache weilten und in der Stadt bereits als Verlobte galten. Verschiedene Briefe hatte er nach Deutschland geschrieben, aber noch immer vergebens auf Antwort gehofft. Sollten seine Briefe gar nicht abgesandt sein, um seine Abreise zu verhindern? Seraphinens Leidenschaft für ihn war ihm kein Ge heimniß geblieben. „O Mntter, Mutter, schütze Deinen Sohn vor diesem bösen Zauber und leite seinen Fuß glücklich in die Heimath. — O, hätte ich meinem väterlichen Freunde Gehör gegeben und dieses unselige Land niemals betreten." Es war lange nach Mitternacht, als er endlich ein wenig ein schlummerte, um sich auch dann noch mit den Bildern seiner wache» Gedanken zu quälen, dann wurde sein Schlummer ruhiger, sanftere Bilder zogen im Traum an ihm vorüber. Es war ihm, als schwebe ein lieber Engel an der Hand des geliebten Pflegevaters auf ihn zu, und daneben tönte Georgs Stimme in sein Ohr, mit dem bittenden Rufe: „Tausend Grüße an die kleine Agnes Walther." — Ach, das mußte sie wohl sein, — jetzt hatten sie ihn erreicht, und beugten sich lächelnd und leise flüsternd zu ihm nieder. Plötzlich fühlte er einen heftigen Ruck und erwachte. Frische belebende Luft wehte ihn an, er fühlte sich von starken Armen eine Leiter hinabgetragen. Als er eine Bewegung des Widerstandes machte, flüsterte eine Stimme an fein Ohr: „Bei Ihrem Leben, Signor! ruhig wir, befreien Sie!" Leonhard rührte sich nicht mehr. Jetzt fühlte er, daß sie auf festem Boden waren, und wie er in der dunklen Nacht von zwei Männern fortgetragen wurde. Jetzt standen sie still, nm sich von , dem Laufen zu verschnaufen und ihn dann- in einen Wagen zu heben, der im sausenden Galopp davon jagte. Nur der eine der Männer saß neben ihm im Wagen, während der andere wahrscheinlich als Kutscher fungirte. Es war albs so geräuschlos, so blitzschnell gegangen, daß Leon-