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Deutliches un- Sächsisches. Leipzig. Das neue Reichsgericht wird sofort nach seinen: Zu sammentritt am 1. October reiche Arbeit vorfinden. Bereits steht fest, das mindestens 1300 Restsachen, welche jetzt noch beim preußischen Obertribunal in 3. Instanz schweben und nicht bis zum 15. September abgeurtheilt sein können (von da bis zum 1. October findet die Ueber- siedelung des Obertribunals von Berlin nach Leipzig statt), sofort znr Rechtsprechung an das Reichsgericht kommen. Bayern und Sachsen werden zunächst dem Rerchsgerichte keine Arbeit verschaffen, denn beide Staaten machen von ihrem Rechte Gebrauch, die bei ihnen schwebenden Prozesse durch die Oberlandesgerichte in München und Dresden in letzter Instanz entscheiden zu lassen. Die ländlichen Wähler im Wahlkreis Leipzig haben wiederum den Sozialdemokraten Liebknecht in den Landtag'gewählt; sie wünschen also eine gründliche Aenderung der ganzen sozialen Verhältnisse. — Der „Chemnitzer Zeitung" zufolge sind jetzt fämmtliche Re sultate der Ergänzungs-Wahlen zum sächsischen Landtage bekannt. Im ! Ganzen wurden gewählt: 15 Konservative, 9 Liberale, 2 fortschrittliche Abgeordnete und 2 Sozialdemokraten. Ausgeschieden waren 15 Kon servative, 6 Liberale und 7 Mitglieder der Fortschrittspartei. Die Konservativen haben einen Landkreis gewonnen, dagegen einen Stadt kreis verloren. Eine Mäubersamilie. Erzählung der Neuzeit nach wahren Thatsachen von Emilie Heinrichs. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Da blickte er plötzlich in den Wagen hinein, mit einem traurigen Blick die Marchesa grüßend. Tita Maria sprang leichtfüßig hinaus uud schweigend bestieg Rapo den Wagen, sich der Signora gegenüber setzend. Der Kutscher war indessen von seinen Banden befreit worden und saß zitternd auf dem Bocke. „Nach Bisaccia!" tönte Croccos Ruf, und fort stürmten die Pferde, daß die Funken stoben. Im Osten leuchtete der junge Tag. Crocco ließ einen schrillen Pfiff ertönen, zwei drei Mal, dann bestieg er eine Anhöhe, um die Gegend zu überblicken uud kehrte eilig zurück. „Die Sbirren kommen!" rief er den fünf von Pasquale Rapo gesandten Räubern zu, die auf seinen Pfiff in diesem Augenblick er schienen. „Rasch diesen Koffer und dann vorwärts den bekannten Pfad!" Nach zwei Minuten war keiner der Räuber auf dem Platze mehr zu sehen. Mau vernahm nur noch den schwachen Hufschlag von Tita Marias Roß. Dreizehntes Kapitel. AirLLehr. Crocco hatte recht gesehen, denn nach Verlauf von nur wenigen Minuten erschienen im gestreckten Galapp die Sbirren auf dem Schau platze der That. Sie waren dem fliehenden Wagen mit der Dienerschaft begegnet und hatten kaum von dem Ucberiall gehört, als sie sich auch von dem alten Kammerdiener den Ort beschreiben und ihn auf sein Flehen hin ter einem der Sbirren aufsitzen ließen. Und nun waren sie da und fanden den Platz leer. DerSbirren- Anführer fluchte weidlich und berathschlagte mit seinen Leuten, ob sie der Spur des Wagens, die auf die Weiterreife deutete, folgen oder umkehren sollten. Da rauschten plötzlich in der Nähe die Büsche; Alle schauten sich überrascht um, und der Kammerdiener, welcher seinen unbequemen Sitz verlassen hatte, schrie vor Freuden laut auf. Der wahnsinnige Marchese kroch auf Händen und Füßen unter einem nahe am Wege befindlichen dichten Gebüsche hervor. Sein Ant litz war leichenhaft blaß, vom Arme tropfte ihm Blut. „Santa Maria, mein armer Herr!" schrie der Kammerdiener, auf ihn zueileud und in seine Arme nehmend, „er blutet — Jesus Maria, welch ein gräßliches Unglück!" „Still, still," flüsterte der Greis, „wecke ihn nicht, meinen Sohn, er schläft, — ich habe ihn bewacht." Dabei deutete er mit der blu tigen Hand rückwärts. Der Kammerdiener trug den unglücklichen Greis weinend nach einem Rasenplatz und zerriß sein Taschentuch, um das rinnende Blut zu stillen. Der Sbirren-Anführer stieg kopfschüttelnd vom Pferde und schritt auf das Gebüfch zu, welches er vorsichtig untersuchte. „Aha," rief er laut, „hier haben wir noch einen Knaben, er scheint ohnmächtig zu seiu." „Ach, Signor Fidelio, der arme Deutsche!" rief der Kammerdiener, als Jener ihn behutsam hervorzog. Agnes-Fidelio war in der That, durch die unnatürliche Aufregung der letzten Tage endlich erschöpft, zusammengebrochen, der zarte Körper hatte dem starken Geiste nicht mehr gehorchen wollen. Als Tita Maria am Rande des Hohlweges erschienen und Aller Aufmerksamkeit der Brigantine zugewandt war, da durchblitzte ein Ge danke ihr Gehirn, und einen raschen Blick umherwerfend, kroch sie, den Marchese mit sich fortziehend, in das nächste Gebüsch, welches sie von allen Seiten wie ein dichtes Laubdach umschloß. Vorsichtig bog sie die Zweige wieder zurecht und zog einen abgebrochenen Baumast vor die von ihnen verursachte Oeffnung. So kam es, daß man sie nicht fand. Den Marchese, welcher noch einige Male wie es schien, vor Schmerz an seiner Wunde stöhnte, wußte sie mit leisen, schmeichelnden Worten zu beruhigen. Dann aber war's ihr plötzlich, als schwanke der Boden unter ihren Füßen und drehe sich alles im Kreise herum; sie seufzte einige Male wie im Todeskampfe uud schloß dann bewußtlos die Augen. Der Greis streichelte ihr die Wange, er schien ein instinktartiges Gefühl ihres Zustandes zu haben, denn er summte leise, als wollte er sie in Schlaf wiegen. Und endlich, als das Stampfen der Rosse ihn gewaltsam aus seiner Apathie rüttelte, schien ein Funken des Geistes in ihn zurückzu- kehren; durch die dichten Zweige schimmerte es wie Tag; so kam er hervor, um von seinem treuesten Freund und Diener gefunden zu werden. Die Sbirren selbst waren erschüttert von dem erbarmungswürdigen Anblick, welcher sich ihnen bot, und von Wuth erfaßt, wurde sogleich eine kleinere Abtheilung abgesandt, um die Spur der Briganten zu versolgen. Der Marchese blickte lächelnd wie ein harmloses Kind auf Agnes- Fidelio, welche der Sbirren-Anführer so im bewußtlosen Zustande oder Tod, man konnte es ja nicht beurcheilen, vor sich auf fein Roß nahm, während ein Anderer den Marchese, an dessen Seite der Sbirren-Haupt- mann reiten mußte, damit der Greis seinen Liebling stets vor Augen haben konnte, auf sein Pferd hob und der Kammerdiener weiter seinen früheren Sitz hinter dem dritten Sbirren einnahm. Langsam und vorsichtig machten sie sich auf den Weg, es galt ja zwei Menschenleben zu erhalten. So erreichten sie endlich Neapel und erregten mit ihrem Aufzuge kein geringes Aufsehen in der Stadt, ja, man war anfangs sogar geneigt, die fremden Gestalten auf den Rossen der Polizeimannschaft für gefangene Briganten zu halten und an ihnen die gerechte Volkswuth auszulasfen. Doch bald wurde der Jrrthum aufgeklärt, und mit Wehklagen und Wuthsausbrüchen gegen die Räuber begleitete eine immer mehr an wachsende Menschenmenge den traurigen Zug nach dem Palaste Cantonelli. Unser alter Brigautenfreund Marco, welcher soeben den Palast verlassen wollte, um sich zu dem deutschen Baron zu begeben, blickte höchst erschreckt auf die Menge und die Sbirren. Sein erster Gedanke war Flucht, da er glaubte, daß dieser Besuch der Polizei ihm gelte. Hing doch wegen seiner Brigauten-Vergangenheit das Damoklesschwert noch immer dicht über seinem Haupte. Als er genauer hinunterblickte und den Kammerdiener und seinen Herrn erkannte, da sank eine Last von seinem Herzen, er murmelte einen Fluch auf den Studenten von Bisaccia und eilte hinaus, um in das allgemeine Wehklagen von Herzen mit einzustimmen. „O, das Unglück, das Unglück," jammerte Marco, indem er sich durch die Menge drängte, um unaufgefordert den Arzt herbeizuholen, und bei dieser Gelegenheit dem Baron im Hotel schleunigst Nachricht zu geben. Der alte Herr wäre vor Freuden fast ohnmächtig geworden, als Marco ihm die Nachricht von der Heimkehr seines Sohnes brachte, und ohne weiter au seinen Haß gegen den Marchese zu denken, eilte er nach der Toledostraße, wo sich die Menschenmenge ebenso rasch zer streute, wie sie sich angesammelt hatte. Kein Diener versuchte es in der allgemeinen Verwirrung, ihn zu rückzuweisen. Im Gegentheil, man zeigte ihm bereitwillig den Weg, und als der alte Hausarzt bestürzt die Treppen Hinaufstieg und Wal dau ihm mittheilte, daß er der Vater des jungen Deutschen sei, zog ihn der Arzt eilig mit sich fort, — der alte Herr fürchtete sich vor seinem eigenen Gewissen, das ihn laut anklagte, die entsetzliche Kata strophe, ja vielleicht gar den Tod des Marchese sowohl als des jungen Deutschen durch seine unbesonnenen Rathschläge verschuldet zu haben. Agnes - Fidelio lag noch immer bewußtlos. Waldau kniete vor ihrem Lager und benetzte ihre kalte, herabhängende Hand mit seinen Thränen. Als der Arzt den Marchese verbunden hatte und jetzt den Zustand des jungen bewußtlosen Deutschen untersuchte, erklärte er nach wenigen Minuten, daß nur eine tiefe Ohnmacht ihn umfangen hielte. Der Arzt wandte jetzt alle Mittel an, um die Ohnmacht zu bannen, — endlich gelang es ihm; Agnes-Fidelio erwachte, doch ihr Geist war verwirrt, sie erkannte Niemand, Fieberhitze durchraste ihr Gehirn. Mit einem bedenklichen Kopsschütteln verordnete der Arzt die nöthigen Heil mittel und meinte, es könnte gefährlich werden, doch hoffe er auf die Kräfte der Jugend. Der Baron entschloß sich nach kurzer Rücksprache mit dem Arzte und dem Kammerdiener, nach dem Palaste überzusiedeln, um sein ge liebtes Kind selbst Pflegen zu können. Letzterer hörte mit Wehmuth den Namen Waldau nennen, er hatte den Baron einst gekannt, da er die ganze schmerzliche Episode mit seinem nun unglücklichen Herrn durchlebt hatte. Die Wunde des Marchese schien dem Arzte ebenfalls bedenklich zu sein, es wäre leicht möglich, meinte er, daß er daran seinen Tod fände. Waldau aber stand vor dem Lager des schlummernden Feindes und betrachtete düster sein eingefallenes Gesicht und den wirren Aus druck desselben: das Seelenleweu des Unglücklichen spiegelte sich in je der Miene. „O Nemesis," murmelte er, „wie furchtbar hast Du diesen Mann ereilt!" Marco machte sich ganz besonders um den deutschen Baron zu schaffen, er war die Dienstfertigkeit selbst und machte sich diesem bald unentbehrlich, weshalb er von dem Kammerdiener als besonderen Diener des Barons bestellt wurde. Fast täglich mußte er ins Hotel, um sich nach Briefen zu erkun digen. Waldau hatte bereits nach der Heimath an seinen Inspektor geschrieben und ihm ihre glückliche Ankunft in Neapel, wie den ver gebliche Versuch, Leonhardt seiner Krankheit halber zu befreien, gemeldet. Von Georgs Wegschleppung durch die Räuber und Agnes'Schick sal schwieg er wohlweislich, um dem Inspektor, sowie der alten Doris Angst und Kummer zu ersparen. Warum sein Kind nicht selbst an den Vater schrieb, entschuldigte er mit einem leichten Unwohlsein, als Folge der ungewohnten Reise. Acht Tage waren vergangen und noch immer keinen Brief von Georg, dem armen Baron wurde es zuweilen recht bang um's Herz, er machte sich heimliche Vorwürfe, den treuen Burschen geopfert zu haben. Da sagte eines Tages Marco zu dem Kammerdiener: „Wäre es nicht gerathen, daß ich einmal nach Bisaccia reiste und bei der Familie Rapo nach den: Sohn und unserer gnädigen Signora Marchesa mich erkundigte? Ich war ja schon einmal dort, man' wird mich also wieder erkennen." „Du bist ein braver Bursche, Marco!" versetzte Jener, „reise in Gottes und der Madonna Namen, ich werde Dir Geld geben." Zn dem Baron aber sagte Marco heimlich: „Was gilt die Wette, Signor! ich bringe Ihnen Nachricht, so wohl von dem Sohn wie dem Schlingel von Corso." „Dann will ich Dich reich belohnen, mein Freund!" versetzte Wal dau erfreut." „Wollen Sie mich mit nach Deutschland nehmen, Signor?" „Gewiß, wenn es Dein Wunsch ist, Du sollst für den Rest Deines Lebens nicht zu sorgen habest," sprach Waldau feierlich. Am nächsten Morgen verließ Marco auf einem flinken'Renner die Stadt, um sich in so kurzer Zeit zum zweiten Male nach Bisaccia zn begeben. t (Forschung folgt.) . 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