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Wochenblatt für für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden Crsche'nt wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag). AbonncmentspreiS vierteljährlich 1 Mark Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratcnannabme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Erscheint wöchentlich 2 Mal lDienstag und Freitag). Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratenannahme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. für die König!. Amtshauptmannschaft zu Meißen, das König!. Gerichtsamt und den Stadtrath zu Wilsdruff. Neunun-Lreißigster Jahrgang. Nr. 73. Dienstag, den 16. September 1^79. Bekanntmachung Nach Beschluß des Königlichen Ministeriums des Innern wird mit Rücksicht auf den dermaligen Vcrmögensstand der Abtheilung für die Gebäudeversicherung bei der Landes-Brandversicherungs-Anstalt der auf das zweite Halbjahr 1879 entfallende, zum Oktober dieses Jahres zahlbare Halbjahresbeitrag von der Gebäudeversicherung zum dritten Theile erlassen und kommt daher nach Höhe von Einem Pfennig von jeder Einheit zur Erhebung. Dagegen bewendet es rücksichtlich der Abentrichtung der halbjährigen Beiträge für die Versicherung industrieller und landwirthschaft- licher Betriebsgegenstände, sowie wegen der Nachzahlung der auf frühere Termine sich berechnenden Stückbeiträge auch rücksichtlich der Gebäude versicherung, bei den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen. Es wird solches zur Nachachtung für Alle, die es angeht, hiermit zur öffentlichen Kenntniß gebracht. Dresden, am 6. September 1879. Königliche Brandversichernngscommission. Frhr. von Teubern. Tagesgeschichte. Auf der Tagesordnung dieser Woche stehen allerlei wichtige Dinge 1) und hoffentlich vor allem eine runde und bündige Erklärung des russischen Kanzlers Gortschakoff, daß die Hetzereien erlogen oder doch verdreht sind, die ihm von dem Franzosen Peyramont in den Mund gelegt werden. Eine solche Erklärung ist sehr nothwendig; denn die Richtigkeit jener Aeußerung vorausgesetzt, was kann Gortschakoff unter der „Schwächung" Frankreichs verstehen? Doch nur den Verlust von Elsaß, und diese „Schwächung" würde nach Gortschakoff so lange „anhalten", bis Elsaß zurückgegeben oder genommen wäre. Frankreich nimmt nach Gortschakoffs Meinung bis dahin „nicht den ihm ge bührenden Rang in Europa ein", ja es ist gleichsam „abgesetzt" und diese Absetzung ist eine „Majestütsbeleidigung der Civilisation". Wäre das nicht die unerhörteste Hetzerei in dem Munde eines Staatsmannes? Sind das nicht Sirenen-Gesänge? und werden sich die Franzosen immer die Ohren zustopfen? Und wer so singt, wird der vorher nicht im Stillen geworben haben? Alle Welt hält eine Erklärung sür unvermeid lich und hofft, daß Gortschakoff sein Schwanenlied gesungen hat. 2) Fürst Bismarck reist nächste Woche nach Wien. Das ist keine Ver gnügungsreise, sondern eine politische; Fürst Bismarck will dafür sorgen, daß das sreuudschaftliche Verhültniß, das zwischen Deutschland und Oesterreich unter Andrassy bestand, unter Andrassy's Nachfolger erhalten und befestigt wird. Das Gorlschakoffische Gespräch macht diese Reise noch wichtiger als früher. 3) Kaiser Wilhelm reist nach Straßburg und hält große Manöver über die Truppen in Elsaß und Lothringen ab. Der neue Statthalter Marschall v. Manteuffel, dem auch sämmt- liche Truppen unterstellt sind, empfängt ihn in Straßburg. Die Kaiser- Manöver im Osten und Westen, an der russischen und französischen Grenze, sind ja schon lange festgestellt, aber die jüngsten Ereignisse Machen sie noch bedeutungsvoller als sonst. Der preußische Justizminister v. Leonhardt folgt seinen College» Falk, Friedenthal und Hobrecht nach, er hat bereits seine Entlassung erbeten. Ihm allein war es vergönnt, sein eigenstes Werk, die große Justiz-Organisation, ins Leben zu führen, er erlebt aber nur ihren Geburtstag, den 1. October. Der deutsche Kronprinz hat ein äußerst vergnügtes Fest mit den Königsberger Studenten bei Gelegenheit der großen Manöver da selbst gefeiert. Er besuchte mit seinem Sohne den Festkommers, den diese hielten. Gegen 10 Uhr erhob er sich, um einen Salamander auf den Kaiser vorzuschlagen. In zündender Rede sagte er ungefähr: Ich freue mich immer unter der studentischen Jugend zu weilen. Als ich zum letztenmal hier war, hoffte man auf goldenen Frieden, dieser ist zwar nicht gekommen, aber die Erfüllung der kühnsten Hoffnungen, die man nur haben konnte. Der Flügelschlag des Adlers vom Kyff häuser hat durch die Welt gerauscht und das einige Deutsche Reich ist erstanden. Der aber, dem dies in erster Linie mit zu danken, ist unser Kaiser und Herr. Ich forderte meine Kommilitonen auf, auf Se. Majestät einen Salamander zu reiben. Daß dies in urkräftigster Weise — und unter einem Kommando wie dem des Kronprinzen in schneidigster Art geschah, braucht wohl nicht erst bemerkt zu werden. Nachdem sodann die Nationalhymne gesungen, gab der Kronprinz selber Zeichen zur Rauch sreiheit, indem er seine kurze Pfeife anbrannte. Namens der Studentschaft feierte fodann stuck. Focke den Kronprinzen in kurzer sehr gewandter Rede, deren Schluß ein mit stürmischem Jubel aufgenommener Salamander auf den hohen Herrn bildete. Bald erhob sich der Kronprinz zu einer zweiten Ansprache, in der er, an knüpfend an Kant und die Bedeutung der Kantschen Philosophie, seine Kommilitonen aufforderte, stets die Pflichttreue vor Augen zu halten, die jener erhabene Denker in ers er Linie gelehrt habe. Ein Mitglied der „Gothia" rieb darauf einen Salamander auf den Prinzen Wilhelm, vorauf dieser in herzlichen Worten mit einem Salamander auf die Königsberger Studentenschaft erwiderte. Der Kronprinz, der sich mit leisten Nachbarn die ganze Zeit über in der unnachahmlich liebens- lvstrdigen Art, die ihn so ganz besonders auszeichnet, unterhalten hatte, verließ mit dem Prinzen Wilhelm und seinem Gefolge den Kommers erst gegcn 12 V? Uhr. Nachlese von der Kaiserreise. Bei der Ankunft des Kaisers in Danzig währte die Vorstellung im Bahnhofe gute zehn Minuten, während welcher die Ungeduld des draußen harrenden Publikums sich immer mehr steigerte, und die Blicke sich fast unverwandt nach dem Bahnhofsausgange zuwandten. Als eine Equipage mit mehreren höheren Offizieren, darunter Herr General v. Conrady, den Bahnhof verließ, hielt ein Theil des auf dem Legethorplatz versammelten Publikums die selbe bereits für den kaiserlichen Wagen und stimmte ein brausendes Hurrah an; die Spalier bildenden Schülerinnen schwenkten ihre weißen Tücher und warfen einen Theil ihres Blumenschatzes dem General auf den Weg. Auch die Ehren - Junfrauen bildeten schleunigst ihren Halbkreis, aus dem die Sprecherin, Fräulein Eugenie Heyn mit dem großen Blumenstrauß in der Hand hervortrat. Der General schien Anfangs den Jrrthum nicht zu merken und war etwas verblüfft; als bald wurde mau jedoch allseitig des Jrrthums gewahr, und nun wur den die ausgestreuten Blumenspenden schleunigst wieder aufgelesen. — Auf dem Bahnhofe in Braunsberg hatte die dort aufmarschirte Schützengilde die Büchsen mit Kornblumen geschmückt. „Sie haben da eine friedliche Munition aufgesteckt," sagte der Kaiser lächelnd zu den stramm das Gewehr präseutirenden Schützen. — Den General v. Werder, welcher den Kaiser auf dem Bahnhofe von Köslin erwartete, umarmte und küßte der greise Monarch auf das Herzlichste. Das „patriotische" Straubinger Tageblatt tröstet sich, daß die großen Kosten der neuen Gerichtsorgunisation wenigstens zum Theil wieder Staatsbürgern zu gute kommen, nämlich den Besitzern von Möbelwagen. So weiß patriotische Bescheidenheit jedem Ding eine gute Seite abzugewinnen. Paris beschäftigte sich am 10. mit einem Mittags von einem Polizeisergeantcn verübten gräßlichen Morde. Der Sergeant, Namens Prevost, hatte einen hausirenden Bijoutier in seine Wohnung gelockt, ermordet und den Leichnam in Stücke geschnitten. Die einzelnen Körper theile sind in einem Abzugskaual der Rue Aubervilliers gefunden wor den, während der Kopf des Ermordeten in der Wohnung des Mörders entdeckt wurde. Der Mörder war seit 10 Jahren Polizeisergeant und vorher 14 Jahre Militär, ohne jemals znr Klage Veranlassung ge geben zu haben. In England hat das blutige Drama in Afghanistan die Gemüther in furchtbare Aufregung versetzt. Daß schnelle und energische Strafe eintreten muß, darüber sind alle Parteien einig. Die Oppositionsprefse erhebt gegen die Regierung bittere Vorwürfe; sie meint, letztere habe das Unglück durch ihre Politik, durch Vernachlässigung der gebührenden Vorsicht herbeigeführt und sei nun verantwortlich sür die großen Opfer an Blut und Geld, die das Unglück unfehlbar nach sich ziehen werde. Von einigen wird die Annexion Afghanistans empfohlen. Die Regier ung steht dem erschütternden Ereigmß ziemlich rathlos gegenüber. An eine Besitznahme des Landes kann sie kaum denken, da das Unternehmen das indische Budget dauernd zu schwer zu belasten nud außerdem —> und dies ist die hauptsächlichste Hinderung — Rußland demselben sicher nicht theilnahmlos zuschauen würde. Der Vormarsch nach Kabul soll nur schwer zu bewerkstelligen sein, da großer Mangel an Kameelen und anderen Lastthiercn herrscht, von denen im letzten Kriege an 40,000 zu Grunde gingen. Eine der größten, vielleicht die größte aller Bienenzüchter eien der Welt, befindet sich bei dem Dorfe Beeton in Kanada. Sie besteht aus vier getrennten Einfriedigungen, deren jede ungefähr einen Morgen Landes groß ist. In ihnen hat der Eigenthümer, ein Herr Jones, zu sammen 620 Stöcke, deren jeder ungefähr 30,OM Bienen enthält. Während die Bühnenzüchter fast überall m Europa in diesem Jahre über ein schlechtes Erträgniß klagen, hat der genannte Züchter schon Ende Juli 50,000 Pfd. Honig eingeheimst und hofft, daß das Erträg niß seiner 19 Millionen kleiner Arbeiter sich am Ende des Jahres auf 70,000 Pfd. beziffern wird. Den Reinertrag schätzt er aus 7-—10,OM Doll., nicht eingerechnet den Verkauf von Schwärmen und deren Königinnen.