Volltext Seite (XML)
das Pasquale uns die Signora Marchena ins Haus geschilpt hat, — er irrt sich, wenn er glaubt, daß sie ihn liebt und ihn heirathen wird, ich verstehe mich auf Weibernaturen, aber diese hat keine bräut liche Miene." „Er hätte sie als Geisel behalten sollen," meinte Schiavone, „das hätte ein prächtiges Lösegeld abgegeben. Ich hatte sie ja schon einmal in der Gewalt, als Pasquale mir die kostbare Beute abjagte. Jetzt Haden wir nichts als Sorge davon." „Nun, die Geisel haben wir noch immer in den Händen." „Pah, dann gehörte sie in den Keller. Doch jetzt laß uns fröh lich sein, bald wird Pater Gennaro mit seiner Absolution kommen, lieber vorweg sündigen, als später." „Noch ein Wort, Schiavone! — wie halten wir es mit dem Tedesco? Pasquale ist wüthend, daß Du ihm nicht den Garaus gabst, um den Mord von ihm abzulenken." „War auch mein Wille so," brummte Schiavone unmuthig, „aber nicht allein Filomenas Bitte, sondern hauptsächlich die Aussicht auf ein hohes Lösegeld bestimmten mich. Ich habe deshalb den Diener, einen anstelligen Burschen, den ich eigentlich gern für mich behallen möchte, mitgenommen." „Wo hast Du ihn?" „Draußen in der Höhle, — er möchte gern zu seinem Herrn, aber das darf ich wohl nicht zngeben?" „Nun, das fehlte in der That noch!" rief Michel. Wen die Heiligen verderben wollen, den schlagen sie mit Blindheit. — Und es ist mir, als taumelt Ihr alle dem Schaffot zu. Schiavone lachte und zog ihn mit sich fort zu der schönen Fi- lomena, welche Arm in Arm mit Seraphine den gefüllten Pokal leerte und mit tollem Jubel die Scherze Lupparellis belohnte. „He, Crocco!" schrce die schöne Bacchantin Seraphine, „nimm Deine Dlta Maria in Acht, Lupparelli will sie entführen." Crocco hatte dein Weine schon über die Gebühr zugefprochen, in welchem Zustande es höchst gesührlich war, seine Eifersucht zu Wecken. „Lupparelli, feiger Schuft!" schrie er wülhend, ein Sulet heraus reißend und auf den erfchreckten Lupparelli zutaumelnd. Seraphine lachte höhnisch und hielt Filomena zurück. „Halt," ichrien die Räuber durcheinander, „das ist wider den Eid, — hast Du etwas gegen ihn, Crocco, dann bring es vor den Psarrer, er allein hat zu richien." Der Trunkene fluchte entsetzlich und zückte den Stahl auf den bleichen Lupparelli. „Was geht hier vor?" erscholl eine gebietende Stimme, welche den Lärm übertönte, vom Eingang her, und todtenftill wurde es Plötzlich, als hätte em Magier seinen Zauberftab über die wüste Ge sellschaft gefchwungen. „Der Psarrer!" ging es flüsternd von Mund zu Mund. „Santa Gennaro!" Der fromme Pfarrer Gennaro Napo fchritt näher und blickte dem wilden Crocco, dec unschlüssig hatte das Stilel sinken lassen, mit finsterem Ernste an. „Empörung unter den eigenen Kindern?" fuhr er langsam fort, „wie osr hab rcy Euch das Wort gepredigt: Wenn die Hölle unter sich selbst uneins wird, wie soll ihr Reich bestehen?" „Lupparelli ist em Teufel," knirschte Crocco und feine Augen rollten wild umher, „er will mir dre Tita Maria entführen." „Lupparelli tann Deine Bande verstärken, mein guter Crocco!" Versetzte der Psarrer mit sanster Stimme, „er ist ein guter Junge, nur wenig heißblütig und unvorsichtig. Komm, Tita Maria, mein Täubchen, credenze dem Vater einen Becher Cypernwein!" Die Brigantine schenkte einen goldenen Pokal voll des funkelnden Weines, trank davon und reichte ihn dem Pfarrer mit den Worten: „Die heilige Jungfrau gesegne es Dir, Pater Gennara!" „Ich dayke Dir, meine Tochter!" versetzte der Pfarrer, „um Deinetwillen sei dem Crocco die Sünde wider den Bundeseio vergeben." Er leerte deu Pokal auf einen Zug, warf dann den Mantel zu rück, und proouzirte sich in einem malerisch reichen Räuber-Kostüm. Ein wtlder Jubel brauste bei diesem Anblick durch die ganze Bande; nur Michel Rapo schüttelte leise den Kopf und trat seinem Bruder Pasquale entgegen, welcher hinter dem Psarrer eingetreten war und duper in einer Ecke lehnte. Die Mutter Rapo, eine korpulente Dame in reicher neapolitani scher Landestracht, beobachtete ihre beiden Söhne und schüttelte ver wundert den Kops. Dann trat sie zu ihnen und sprach besoigt: „Ihr tragt ja wahre Leichenbittermienen zur Schau, meine Kin der! Ich bitte Euch, laßt solches dem Onkel Gennaro nicht sehen. Was habt Ihr denn? — Setzt Euch an die Tafel und theill die all gemeine Lust, oder follte mein Sohn Pasquale über die stolze Mar- chesa die lieben Brigantinnen vergessen und zu stolz geworden sein, an unserer Freude Theil zu nehmen?" Pasquale schaute seme würdige Mutter zerstreut an und ver setzte leise: „Weiber gehören nicht in den Rath der Männer, fetz' Dich zu Deiner Gesellschaft, Mutter!" Diese folgte kopfschüttelnd seinem Rathe. Und so sah man die schönen von der vornehmen Welt Bisaccias verhätschelten Töchter der Familie Rapo in dem Kreise der wilden Mordgesellen eine tolle Orgie seiern, bis endlich, als dieselbe fast ihren höchsten Gipfel er reicht hatte, der Pfarrer mit einem gebieterifchen: „Genug!" sicherhob. Dieser Mann besaß eine wunderbare Macht über die Briganten; selbst Crocco zitterte vor ihm und wagte es niemals, dem Pfarrer ju widersprechen oder seinen Anordnungen ungehorsam zu sein. Diese unheimliche Macht lag in der geistlichen Gewalt über die Deelen, in der Gewalt, zu binden und loszulassen; mit einem Worte, w dem Aberglauben des Volkes. Der geistliche Herr hatte sich rasch wieder in einen Priester um gewandelt und stand mit kalter Ruhe und starrem Blick auf einer Erhöhung, welche eigends zu diesem Zwecke hergerichtet schien. Auf einen Wink von ihm lag Alles auf den Knieen und jetzt Mheilte der fromme Herr in der ungeheuerlichsten Blasphemie der gesummten Mordbande die Absolution für alle begangenen Sünden Und den Segen der Heiligen. Wir schreiben keinen Roman in dieser entsetzlich unheimlichen Schilderung, sondern nur die Wahrheit, die wirklichen Ereignisse un- sir-r jüngsten Zeit, wie Italien sie nur allein aufzuweisen hat. F. f. Kirchennachrichten aus Wilsdruff. Am 15. Trinitatis-Sonntage Vormittags predigt Herr Student Buchholz aus Röhrsdorf. EingefandteS. Fortsetzung und Schluß der Entgeguungen auf die in No. 71 d. Blattes gegen die hiesigen Liberalen enthaltenen Angriffe. ' Schwer verständlich ist es, daß Seitens der Gegner den hiesigen Nationalliberalen ein Vorwurf daraus gemacht wird, daß unter deren Wahlaufrufe für Stadtrath Müller der Name eines Mannes sich be fand, der im Anfang vorigen Jahres wissentlich oder unwissentlich in Socialdemokratie gemacht habe. Wenn man erwägt, was seit jener Zeit sich ereignet hat, die beiden Attentate auf Kaiser Wilhelm, das deshalb erlassene Gesetz zum Schutze gegen die Gefahren der Socialdemokratie, so follte man doch meinen, daß diese Gefahren, welche die Bestrebungen der Socialcemo- kratie in Aussicht stellten, Jedem, der früher von den idealistischen Lehren der Socialdemokratie mehr oder weniger sich angezogen fühlte, die Augen sich öffnen mußten und erkennen ließen, welchem Abgründe unsere heutige Gesellschaft zueilte, wenn die Lehren der Socialdemo- kratie im Volke immer weiteren Boden fanden, und sollte man sich doch nur freuen, wenn ein solcher Mann jetzt für den Candidaten einer Partei eintritt, welche den gemeingefährlichen socialdemokratischen Bestrebungen stets ganz entschieden entgegen getreten ist. Wir hatten dieses Gefühl der Freude und hatten keinen stichhaltigen Grund, die Unterschrift eines solchen Mannes zurückzuweisen, und sind überzeugt, daß auch unsere Gegner die Unterschrift jenes Mannes, wenn er sich von den lebhaften Agitationen für Herrn l)r. Judeich hätte blenden lassen — wurde Herr l>r. Judeich ja sogar öffentlich als ehrlicher Fortschrittsmann angepriesen — nicht zurückgewiesen haben würden. Ebenso schwer verständlich ist es ferner, wenn man sich in einem anderen Eingesandt darüber lustig machen will, daß unser nunmehriger Abgeordneter Stadtrath Müller in seiner Schrift den Handwerkern nur — Hoffnung — darauf mache, daß sich das Geschüftsleben wieder ! erfrischen werde. Liegt es etwa in der Macht eines Einzelnen und wenn er noch so hoch und mächtig gestellt, oder ein noch so großer Geist wäre eine nicht nur durch ganz Europa sondern auch über Nordamerika seit etwa ! fünf Jahren herrschende Krisis im Geschäftsleben zu beseitigen? Hat nicht Stadtrath Müller obige Worte in seiner Schrift nur an einer Stelle gebraucht, wo er von der gegenwärtig besseren Lage der Be amten gegenüber der Lage der Handwerker spricht? Jedenfalls bezeugt die Müllersche Schrift, daß Herr Stadtrath Müller ein gutes Verständniß für die gegenwärtigen Klagen der Ge- werbtreibenden und Arbeiter und mehr als nur den blosen guten Willen besitzt, diese Leiden zu mildern soweit es in seinen Kräften steht, und jedenfalls in höherem Maße als der Verfasser dieses Eingesandt, der, will man nach seinem Urtheil über l)r. Judeich, in dem er keinen Conservativen, sondern den ehrlichen Fortschritts mann erkennt, urtheilen, gelind ausgedrückt, recht naiv ge nannt zu werden verdient. Endlich sei auch noch der durch die Dresdner Nachrichten ausge streuten und in einer Annonce obengenannter Nnmmer dieses Blattes benutzten Phrase gedacht, daß die Nationalliberalen abgewirthschastet Hütten. Daß die nationalliberale Partei politisch nicht abgewirthschastet hak, beweist von Neuem der Ausfall der neuesten sächsischen Landtags wahlen, wo dieselbe drei Sitze mehr als früher gewonnen hat. Diese vielmehr auf die wirthschaftliche Lage Deutschlands Bezug habende Redensart ist in Blättern zu lesen gewesen, welche den Na tionalliberalen fälschlicherweise Schuld geben, die gegenwärtige wirth schaftliche Nothlage Deutschlands verursacht zu haben. Offenbar kann man wohl nur dabei meinen, die neuere Gesetz gebung Deutschlands habe diese Nothlage verursacht. Daß dies gar nicht zutrifft geht aus Folgendem hervor: Die neueren Handelsver träge, welche vor Allem unsere wirthschaftliche Nothlage mit herbei geführt haben follen, sind meist bereits vor dem Jahre l866, also zu einer Zeit abgeschlossen worden, wo eine nationalliberale Partei noch gar nicht existirte, und die Gesetze über die Freizügigkeit und den Ünterstützungswohnsitz, das Gesetz über die Aktiengesellschaften, das Gewerbegefetz, das Reichsbankgefetz, u. s. w., welche zu einer Zeit entstanden sind, in welcher die Liberalen in Verbindung mit den Freicouservativen die Mehrheit des Reichstages bildeten, sind nicht von dieser Mehrheit eingebrachte, sondern von den verbündeten Re gierungen dem Reichstage vvrgelegte und von dieser Mehrheit in mehr oder minder veränderter Fassung genehmigte Gesetze, denen schließlich auch der größte Theil der Conservativen zustimmte. Die neueren Handelsverträge beruhten auf dem Freihandels system und diesem Systeme wird die Schuld beigemessen, daß die ausländische Industrie die inländische auf dem heimischen Markte ver drängte. Man hat nun in Blättern, die es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen, weil sie wissen, daß sie für einen sehr nachsich tigen Leserkreis schreiben, fortgesetzt die Nationalliberalen als Frei händler verschrieen, während doch in der nationalliberalen Fraction der letzten Reichstage fast ebenso viele Schutzzöllner als Freihändler saßen, wie umgekehrt den Conservativen fast eben so viel Freihändler als Schutzzöllner angehörlen, da die Ansichten über den Werth von Schutzzöllen sehr getheilt sind, und die Frage, ob Freihandels- oder Schutzzollsystem das vortheilhaftere sei, mit der Politik gar nichts zu thun hat. Die Geschichte weist nach; daß während mancher Zeit perioden das Schutzzollsystem das vortheilhastere und während an derer Zeitperioden wieder das Freihandelssystem das vortheilhaftere war. Sind Fehler in der neuen Gesetzgebung vorgekommen, so trifft die Schuld hiervon nicht allein die früheren liberalen Fractivnen des Reichstages, iondern in fast allen Fällen ebenso sehr den größten Theil der Conservativen wie die verbündeten deutschen Regierungen. Die nationalliberale Partei wird sich aber weder durch Verdäch tigungen noch durch Schmähungen abhalten lassen ohne Rücksicht auf Dank oder Undank nach besten Kräften an unserm herrlichen Reichsbau fortarbeiten zu helfen, ohne dabei die Interessen unseres engeren Vaterlandes aus den Augen zu verlieren. Auktion. Künftigen Freitag, den 26. September, Vormit tags LV Uhr Mcn im Hause der Unterzeichneten Tische, Stühle, Span- und Federbetten, Uhren, Galanterie- und Kurzwaaren, Fässer verschiedener Größen und mehrere andere Gegenstände meistbietend I gegen gleich baare Bezahlung verauctiouirt werden. Wilsdruff. Auguste verw. Schönig.