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aufeinanderfolgende Detonationen, auf welche ein Schlag von so ko- f -lossaler Heftigkeit folgte, daß in dem Dorfe Nikolskoje mehre Häuser einstürzten, und die Mehrzahl derselben beschädigt wurde. Die Fabrik wurde natürlich in einen Trümmerhaufen verwandelt. Die Verbrecher scheinen den Moment abgewartet zu haben, in welchem in der sonst 3 > bis 40 Arbeiter beschäftigten Fabrik außer zwei Wachposten nur drei Arbeiter auwesend waren. Einer derselben, sowie die beiden Wach posten wurden getödtet, die anderen zwei schwer beschädigt. Der Fabriksleiter, Artillerie-Oberst Wiener, war im Moment der Kata strophe in dem 22 Werft entfernten Schlüsselburg, wo man die Deto nation deutlich vernahm. Die vernichteten Pulvervorräthe übersteigen nicht 6000 Pud (120 Centner). In Paris wird demnächst ein Skandalprozeß die Gerichte be schäftigen, in dem Wuchergeschäfte der verzwicktesten Art die Haupt rolle spielen. Die Wucherer, deren Opfer meist junge Leute der aller besten Stände waren, trieben folgendes Manöver: Sie machten den jungen Leuten, die sie in ihre Falle lockten, keine Darlehue, sondern sie gaben ihnen Geld in Form eines Depositums, rückzahlbar zu einer gewissen Frist. Konnten die jungen Leute, wie dies meist der Fall war, das „Depot" nebst den wucherischen Zinsen zum Verfalltage nicht zurückzahlen, so drohten die Wucherer nunmehr mit einer gerichtlichen Denunziation wegen „Unterschlagung" eines „Depositums". Schließlich kam dieses Vorgehen doch zur Kenntniß der Gerichte, und mehrere der findigen „Geschäftsleute" sind u. a. in Haft genommen worden. Paris, 21. August. An die amnestirten Communards wird man nach deren Rückkehr eine Denkmünze vertheilen, die auf der Brust getragen werden soll. In Rom hat sich eine Gesellschaft zum Zwecke der Einführung der Leichenverbrennung unter Mitwirkung vieler bedeutender Aerzte gebildet. Der Bürgermeister stellt der Gesellschaft auf dem Campo Varano ein Stück Land zur Errichtung des Verbrennungsofens zur Verfügung. Athen, 21. August. Ein Dekret des Königs beruft 8000 Mann des zweiten Aufgebotes der Territorialarmee zu den Fahnen ein. Die Ernte Spaniens ist weit hinter den Erwartungen der Landwirthe zurückgeblieben, insbesondere sind in einem großen Theile Andalusiens die Saaten unter einer enormen Hitze nahezu verbrannt. Spanien wird daher als Käufer auf dem Weltmärkte erscheinen und zur Deckung seines Bedarfes russisches und amerikanisches Getreide be ziehen müssen. Deutliches und Sächsisches. Die neuesten Berichte über den Ausfall der Ernte in Sachsen lauten befriedigend; dieselbe wird als eine ziemlich gute Mittelernte zu betrachten sein; in einzelnen Gegenden ist die Weizenernte sogar sehr gut ausgefallen und steht dasselbe für Hafer in Aussicht. — Das Er gebniß der Ermittelungen über die Ernteaussichten in Preußen bis Juli ist, daß die diesjährige Weizenernte der vorjährigen gleich ge schätzt wird, von Roggen und Hafer wird ein höherer, von Gerste und Kartoffeln ein geringerer Ertrag erwartet. Das Ministerium der Justiz veröffentlicht im Gesetz- und Ver ordnungsblatt eine Verordnung, die mit dem 1. Oktober 1879 in Wirksamkeit tretenden Gerichte betreffend; in derselben wird bestimmt: Jeder Landgerichtsbezirk bildet zugleich einen Schwurgerichtsbezirk mit dem Sitz des Schwurgerichts am Sitz des Landgerichts. Bei den Amtsgerichten zu Zittau, Pirna, Meißen, Oschatz und Annaberg werden Strafkammern gebildet. Kammern für Handelssachen werden in Dresden, Leipzig, Chemnitz und Plauen für die Bezirke der dortigen Landgerichte, sowie in Zittau uud Glauchau gebildet. Die Nachricht von einer Umgestaltung der Sächsischen Landes lotterie wird von Dresdner Blättern bestätigt. Das Projekt dürfte in folgender Weise ausgeführt werden: Die Zahl der Classen soll auf vier herabgesetzt werden. Das Voll-Loos, das 200 M. kostet, zerfällt in 10 Theile ü 20 M., so daß auf die Elaste pro Zehntel 5 M. kommen. Alle zwei Jahren finden drei Lotterien statt, so daß alle 2 Monate eine Elaste gezogen wird. Die Höhe des Hauptgewinnes wird durch die Umgestaltung nicht alterirt, dagegen ist eine Vermehrung der Mittelgewinne in Aussicht genommen. Ueber eine Zusammenkunft, welche die Sozialdemokraten am vergangenen Sonntage in der Nähe von Dresden geplant hatten, und die wahrscheinlich den Zweck verfolgte, für die Wahl des Herrn Lieb knecht als Abgeordneten für den 1. Dresdner Landtagswahlkreis zu agitiren, berichtet der „Anzeiger für Löbtau rc." Folgendes: „In Hellen Haufen und unter den Klängen der Arbeiter-Marseillaise strömten mehrere Dresdner Vereine, geschmückt mit rothen Nelken im Knopfloche, nach dem Schooner Grunde hin, um daselbst ein sogenanntes Rütli abzuhalteu. Pünktlich zur festgesetzten Zeit trafen dieselben daselbst ein und wenige Minuten darauf auch der Führer der Sozialdemokraten, Herr Liebknecht aus Leipzig, letzterer per Equipage. Dieser kehrte nun zuvor, um eine Stärkung vor der langen Rede einzunehmcn, in die sogenannte Schooner Mühle ein, da sieht er aber zu seinem Erstaunen mehrere Diener der Gerechtigkeit, bewaffnet mit Ober- und Untergewehr, gemüthlich bei einander sitzen. Der Zufall wollte es haben, daß hier ein seltsames Zusammentreffen stattfand und so blieb weiter nichts übrig, als unverrichteter Sache wieder von dannen zu pilgern und den Bund mit einem Hoch auf den Beherrscher der Arbeiter zu lösen." Das Organ der Dresdner Sozialdemokraten stellt die Partie als einen ganz harmlosen Spaziergang dar. Dippoldiswalde. Am 20. August trafen Se. Exz. Finanz minister v. Köuneritz, Kreishauptmann v. Einsiedel, Geh. Rath p. Thümmel, geh. Finanzrath Köpke, geh. Finanzrath Hofmann unb Ober ingenieur Metzner aus Dresden ein und fuhren nach kurzem Aufenthalte und nachdem sie die Lokalitäten des Rathhauses und der Nikolaikirche sich angesehen, weiter nach Barenburg. Die Betreffenden beabsichtigten hierbei sich durch eigene Anschauung ein Bild über die Terain- und Steigungsverhältnisse der verschiedenen Linien für eine Eisenbahnver bindung von Dresden nach Dippoldiswalde-Altenberg zu verschaffen. In Knobelsdorf bei Waldheim ist dieser Tage ein braver Knecht, Namens Schneider, auf eine schlimme Art und Weise um sein Leben gekommen. Beim Ernten gingen die Pferde mit Wagen durch, er kam zum Fallen, wurde ein Stück Wegs geschleppt und schließlich an eine Mauer geschleudert. Infolge der hierdurch erhaltenen Verletzungen gab er bald seinen Geist auf. Der Verunglückte hat seiner Herrschaft 17 Jahre laug in vorzüglicher Weise gedient und war die Stütze seiner armen Mutter, die indeß, Dank der Sparsamkeit ihres Sohnes, nicht bange in die Zukunft zn blicken braucht; er hinterläßt ihr 1100 Thlr., die er in seiner Dienstzeit zurnckgelegt hat. Eine Närrberfamilie. Erzählung der Neuzeit nach wahren Thatsachen von Emilie Heinrichs. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) „Lassen wir jetzt diese Thorheiten, Signor Napo!" sagte sie kalt, „beantworten Sie mir erst eine Frage." „Mit Freuden, meine gnädige Marchesa!" versetzte der Student, sie mit einer leichten Unruhe anblickend. „Warum schlugen Sie sich mit dem jungen Deutschen? „Ah, beleidigte er mich nicht sogar in Ihrer Gegenwart, dieser Signor Leonardi?" „Ich will diese Veranlassung gelten lassen, doch weshalb bestellten Sie ihn in dunkler Nacht nach den Ruinen von Pompeji, so weit von Neapel entfernt, um ihn dort den Briganten zu überliefern?" „Daran bin ich in der That unschuldig, meine Gnädigste!" ver setzte Rapo achselzuckend. „Signor Leonardi bestimmte selber Ort und Zeit, während ich die Waffen wählte." „Aber die Briganten!" rief Arabella heftig, „es liegt eine Feig heit darin, Signor, den Verwundeten seinem Schicksal zu überlasten." Der Student erhob sich finster und sagte: „Sein Diener war bei ihm, warum wählte er jenen Ort? Ich — hätte ihn vor den Briganten, denen ich selbst nur mit genauer Noth entkam, nicht schützen können, sondern mich nur selber geopfert, ohne ihm im Geringsten zu nützen; die Uebermacht der Briganten war zu groß, mit drei oder vieren kann ichs aufnehmen, was darüber ist, gehört der Unmöglichkeit an und ist vom Uebel." Die Marchesa fühlte die Wahrheit dieser Behauptung und die leise Mahnung darin, was sie ihm schuldig sei. Sie streckte ihm des halb lächelnd die Hand entgegen und versetzte begütigend: „Halten Sie es der finsteren Stimmung unseres Hauses zu Gute, wenn ich heftig und ungerecht gegen Sie war, Signor Rapo! Ma donna sei's geklagt, ich werde nicht eher wieder heiter, bis der DämoN von dem unglücklichen Oheim gewichen ist, oder sein Geist im Tode Ruhe gefunden hat." Rapo hatte ihre Hand leidenschaftlich an seine Lippen gedrückt und sich wieder in seinen Sessel niedergelassen. „Dieser seltsame Wahnsinn, welcher sich wie ein Dieb in der Nacht eingestellt hat, wird entweder bald mit dem Tode endigen, oder mit kurzen Unterbrechungen immer häufiger wiederkehren," sprach er langsam. „O, das wäre schrecklich," flüsterte Arabella schaudernd, „und ich muß bei ihm ausharren, wenn es nicht gerathener wäre, ihn einer Heil-Anstalt zu übergeben." „Jn Avellino ist eine derartige vorzügliche Anstalt; vom ärztlichen Standpunkte aus müßte ich unbedingt dazu rathen." „So begleiten Sie ihn dorthin, Signor Rapo?" „Mit Vergnügen, Sie werden in Bisaccia meine Schwester Sera- Phine besuchen, Signora Marchesa!" „Ah, daran dachte ich in der That nicht mehr," antwortete Ara bella, wieder nachdenkend das schöne Haupt stützend, „ich glaubte, sie käme in nächster Zeit hierher." „Da unsere Reise dorthin beschlossene Sache ist, meine Gnädigste," sagte Rapo ruhig, „so fällt leder Grund für mich weg, meine Schwester hieherkommen zu lassen. Ueberdies wird sie auch schwerlich die Mutter und die Geschwister verlassen, sie ist die belebende Seele des Hauses." „Wir werden meinen Oheim gar nicht fortschaffen können," be merkte Arabella, „er schreit noch fortwährend nach seinem Sohn Leo nardi, wie er deir Deutschen hartnäckig nennt." „Die ganze Sache ist äußerst räthselhast, finden Sie das nickst auch, Signora Marchesa?" „Ich zermartere vergebens mein Gehirn, um einen Ausweg zu finden, eine Lösung dieses Räthsels, mein Freund! — Dieser urplötz liche Wahnsinn muß nothwendig mit dem Deutschen verknüpft sein." „Unzweifelhaft," versetzte Rapo rasch, „wie mir der Kammerdienet erzählte, habe der Herr Marchese eine lange Unterredung mit dein Signor Leonardi gehabt, worauf die feltsame Katastrophe, deren Lö-' sung wir zum Theil in den wirren Reden des Signor Marchese ZU suchen haben, erfolgte sein anfänglich stereotypes Wort: „Es ist das todte Kind, das sie mit dem blonden Haar erwürgte, still, still, daß es nicht erwacht, um mich zu morden!" wird sicherlich seine Bedeutung haben." „Sie haben ein scharfes Gedächtniß, Signor Rapo!" sagte Ara bella schaudernd. „Für mein Studium eine Nothwendigkeit, meine Gnädigste! Nehmen Sie ferner des Deutschen Zustand, sein ferneres Gebühren Ihnen gegenüber, von mir nicht zu reden, sein grober plötzlicher Ab schied aus diesem Palast, der ihn so gastfrei ausgenommen, alles dies zusammen, Signora, läßt uns die Ueberzeugung gewinnen, daß Sie seines Schicksals halber keine Ursache zur Klage haben. „So glauben Sie, meines Oheims Vergangenheit sei mit dein Deutschen verknüpft?" fragte Arabella leise. ,Ha, Signora Marchesa, das glaube ich fest. War der OheiM früher vielleicht einmal in Deutschland?" „Verschiedene Male; — ah, jetzt wird mir Alles klar, — meint selige Mutter erzählte mir einst, — ich war ein Kind von zwölf Jahren, — der Oheim müsse ein großes Unglück in Deutschland erlebt haben, als er das zweite Mal von dort heimgekehrt wäre, sei er schw^ krank gewesen und habe weißes Haar bekommen. Von einer Heirath habe Niemand ihm reden dürfen." „Worüber die Frau Mama sicherlich keine Thräne vergossen haben wird," lächelte Rapo, „nun gut, ich denke, wir hätten darnach Anhalts punkte genug, uni nicht fehl zu gehen in unseren Schlüssen. Signot Leonardi ist sicherlich ein Sprößling des Hauses Cantonelli, wenn auch ein ziemlich unlegitimer, es müßte denn der Signor Marchese mit irgend einer obscuren Deutschen eine heimliche Ehe eingegangen sein- Das wäre nun freilich für Sie, Signora Arabella, eine recht üble Sache, denn er wäre darnach rechtmäßiger Erbe seines Vaters, während Sie —" „Pah, reden wir nicht weiter davon, Signor Rapo!" unterbrach sie ihn bleich und mit blitzenden Augen, „die Sache ist unmöglich, sag ich Ihnen. Der Oheim wahnsinnig, — der junge Deutsche iu den Händen der Briganten —" „Mit dem Todesstoß in der Brust," ergänzte Rapo mit tückischem Lächeln. . „Was hätte ich also zu fürchten? Wir bringen den Marchesi i morgen in aller Frühe nach Avellino."