Suche löschen...
02-Abendausgabe Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und Umgegenden : 11.11.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-11-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782021922-18921111029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782021922-1892111102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782021922-1892111102
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn ...
-
Jahr
1892
-
Monat
1892-11
- Tag 1892-11-11
-
Monat
1892-11
-
Jahr
1892
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
durch einen Blick ihr meine Gedanken zu verrathen, denn ich wußte, wenn dies geschehen, würden wir schnell auf immer von einander getrennt sein. „Fassen und beruhigen Sie sich, Frau Linden," sprach ich jetzt, „und schenken Sie mir einige Augenblicke Ihre ganze Aufmerksamkeit, denn ich habe Ihnen noch viel zu erzählen," und nun berichtete ich, was ich im Hause meines Freundes vernommen, und ihr früher noch nicht gesagt, da ich sie nicht ge sehen; wie er mich früher schon zu einem seiner Kranken, wun derbarer Weise dem Diener Johann geführt, der uns Beiden, ernstlich ermahnt, bereits unter Thränen sein großes Unrecht gegen sie eingestanden. „Das sind allerdings sehr wichtige, unerwartete Nach richten," sagte sie, als ich geendet, „und kaum kann ich mir denken, daß eine Wendung meines Schicksals so bald in Aus sicht steht. Sollte man aber dem Mädchen so unbedingt Glauben schenken können?" „Ganz gewiß," entgegnete ich ihr. „Ihre Freude, Frau Hochheim schaden und recht empfindlich treffen zu können, war nur zu aufrichtig." „Aus jedem Zug ihres Gesichtes sprach befriedigte Rache. Sie mußte einmal eine bittere Kränkung erfahren haben, wo durch diese hervorgerufen worden ist." Wir sprachen noch längere Zeit über diese Angelegenheit, sie malte sich das Wiedersehen mit ihrem Vater, dessen Freude über seinen kleinen Enkel, und vor Allem das Staunen und die Freude ihres Gatten mit so lebhaften Farben aus, sprach von der schönen Zukunft, die ihr bevorstand, und die ich als treuer Freund theilen müsse, von der großen Verbindlichkeit, die sie alle mir schuldig seien, daß ich zum zweiten Mal an dem Abend es tief und schmerzlich empfand und beklagte, diese mir so theure Frau nicht mein nennen zu können. Unwillkürlich niedergedrückt durch diesen Gedanken, nahm ich bald Abschied von Frau Linden, um noch einige Kranken besuche zu machen, und dann zur Familie Hochheim zu gehen, wo ich versuchen wollte, Christine, und wenn möglich allein zu sprechen, da ich deren Aussage ebenfalls bedürfte." Das Glück war mir günstig, denn als ich das Haus betrat, erfuhr ich, daß Frau Hochheim und ihre Tochter ausgegangen, bald aber zurückkehren würde und der Hausherr in seinem Club sei. Da man die Dienstleistung des kranken Johann entbehrte, hatte Christine einige seiner Arbeiten übernommen, und so erschien sie auch bald in dem Zimmer, in welchem ich mich befand, wo sie den Theetisch ihrer jungen Herrin ordnete. Nicht wissend, wie lange wir ungestört sein würden, forderte ich sie auf, indem ich einen Thaler in ihre Hand gleiten ließ, früh am folgenden Morgen zu mir zu kommen. Sie versprach dies lächelnd und mit einem vielsagenden Blicke, vielleicht dachte sie, daß ich sie als Vertraute und Zwischenträgerin gebrauchen wolle. Sie stellte sich wirklich am nächsten Tage ein, und zwar mit so viel Selbstbewußtsein, Vertraulichkeit, ja Frechheit in ihrem Auftreten, daß ich mich dadurch sehr unangenehm berührt und zu schärferem Auftreten als anfänglich in meinem Plane lag, gereizt fühlte. Indem ich ihr gebot, sich zu setzen, verschloß ich die Thür meines Zimmers, und sagte, sie ernst anblickend : „Ich habe Sie hierher bestellt, Christine, um in einer sehr wichtigen An gelegenheit mit Ihnen zu reden, und ersuche Sie, genau auf meine Worte zu achten." Das Mädchen, durch diese Anrede enttäuscht, wollte antworten, allein ich kam ihren Worten zuvor, indem ich schnell fortfuhr: „Ein anderer Arzt, Freund von mir, hat mich zu Johann geführt, den er behandelte, um, weil er fehr krank ist, meinen Rath zu hören. Durch einen besonderen Zufall den wahrscheinlichen Grund seiner Krankheit kennend, redete ich ihm ins Gewissen, und veranlaßte ihm zu einem Geständniß, wo durch auch Sie einer strafbaren Handlung beschuldigt sind." „Ich?" rief das Mädchen sichtlich überrascht und schien wirklich nicht zu fassen, auf welche Handlung ich hindeutete. „Ja," erwiderte ich ruhig, „ich brauche wohl nur den Namen Frau Linden oder Malwine Hochheim zu nennen, und Sie werden wissen, wovon die Rede ist." Jetzt verlor Christine etwas von ihrer Kühnheit, wechselte die Farbe, allein sie saßte sich dennoch und sagte mitleidig lächelnd: „Wie können Sie nur auf die Aussage eines sterbens kranken Mannes etwas geben, Herr Doktor?" Johann ist nie der Klügste gewesen, und die Angst vor dem Tode " „Die hat ihn jedenfalls veranlaßt, die Wahrheit zu sagen. Uebrigens kenne ich auch Frau Linden genau, weiß von ihr selbst, wie schändlich ihre Stiefmutter gegen sie ge handelt, und daß Sie und Johann bestochen, um auf ihrVer- langen von der ganz schuldlosen jungen Frau Dinge zu bezeugen, die sie in ihrem Leben nie begangen." „Wer kann das beweisen," fragte schnell Christine, die wieder neuen Muth gefaßt zu haben schien. „Wir brauchen hier keine weiteren Beweise, Johann's Geständniß und Frau Lindens Aussagen genügen vollkommen. Auch habe ich aus Frau Hochheim's früherem Leben einige Ercignifse erfahren, von denen ihr jetziger Mann keine Ahnung hat, die er aber noch heute wissen soll, um sich nicht ferner von ihr hintergehen zu lassen." „Wenn ich aber nun doch nichts von all' dem weiß, was Johann gesagt haben soll und ich nichts einzugestehen hätte " „Wenn Sie bei dieser Behauptung bleiben, so muß ich mich an die Polizei wenden, und es ihr überlassen, Sie zum Geständniß zu bringen." Diese Worte hatten eine bessere Wirkung auf Christine, als alle bisherigen; dennoch verlor sie ihre ganze Zuversicht nicht, und sagte, mich keck anblickend: „Ich weiß eigentlich noch gar nicht, was Sie von mir verlangen, Herr Doktor! Sagen Sie mir einmal mit klaren Worten " „Sie sollen mir ganz einfach erklären, daß Sie durchaus nichts Nachtheiliges von Frau Linden wissen, noch gesehen haben, daß sie etwas Unrechtes begangen, und daß alle die Anklagen, die ihre Stiefmutter gegen sie vorgebracht, von ihr erfunden sind." „Und wenn ich das thue?" frug Christine. Dann verspreche ich Ihnen nicht allein Herrn Hochheims und seiner Tochter Verzeihung, sondern bürge Ihnen auch dafür, daß er Ihnen auch noch eine Belohnung geben wird." „Aber Frau Hochheim, meine eigentliche Herrin?" „Ich habe Ihnen gesagt, daß ihre Macht zu Ende geht, vielleicht verläßt sie schon morgen die Stadt." „Nun denn, so gestehe ich Ihnen hier, daß auch ich von Fräulein Malwine nichts Nachtheiliges weiß, sie sich immer musterhaft, auch gegen uns, ihre Untergebenen, betragen, und Frau Hochheim uns ein reiches Geschenk gegeben, damit wir jederzeit bereit wären, alle ihre Anklagen gegen ihre Stief tochter zu bezeugen. Wollten wir dies nicht thun, so sollten wir dann auf der Stelle das Haus verlassen." „Sind Sie aber bereit, diese Aussage in Gegenwart ihrer Gebieterin zu wiederholen?" „Da sie mir doch nicht mehr Ichaden kann, ja, Herr Doktor; doch möchte ich es dann in Ihrem Beisein thun." «Ich sagte ihr dies zu, hielt ihr noch eine eindringliche Ermahnung und entließ sie, nachdem ich ihr eingeschärft, unsere Unterredung vorerst geheim zu halten. Sobald sie gegangen, setzte ich mich an meinem Schreib tisch, um einige Zeilen an Herrn Hochheim zu richten, worin ich ihn bat, doch am Nachmittage zu mir zu kommen. Ich mußte ihn natürlich von allem Geschehenen in Kenntniß setzen, wagte aber nicht, es in seinem Hause zu thun. Ueberzeugt, Malwine Lindens Vaters zur bestimmten Zeit bei mir zu sehen, eilte ich von meinen Parienten nach Hause, und hatte kaum Hut und Stock bei Seite gelegt, als ich auch schon seine Stimme aus dem Flur hörte. Ich öffnete ihm selbst die Thür, und sobald er mein Zimmer betreten, fragte er, mich nur flüchtig begrüßend: „Was ist geschehen, lieber Doktor? Sie sehen, ich folge pünktlich Ihrer Aufforderung " „Bitte nehmen Sie Platz, Herr Hochheim, und wir wollen gleich zur Sache kommen. Bereiten Sie sich aber vor " „Wie? Sie — Malwine — mein Kind ist doch nicht" — er vermochte nicht den Satz zu vollenden, allein ich sah seinen Plötzlich erbleichenden Zügen an, daß er etwas Schreck liches zu hören erwartete. „Ihre Tochter ist munter und gesund, ebenfalls ihr Enkel, und es wird nicht mehr lange währen, so werden Sie Beide in ihre Arme schließen." „Wäre es möglich, Herr Doktor?" fragte er mit so freudiger Erregung, daß ich nur zu deutlich sah, wie schwer er ihren Anblick so lange entbehrt. „Malwine ist also doch —" „Unschuldig, ganz unschuldig, Herr Hochheim, und ihr ist himmelschreiendes Unrecht geschehen, was ich Ihnen schon vor Wochen hätte sagen können, als Sie meinen Worten kein Ohr leihen wollten. Jetzt muß ich Sie bitten, mich eine Weile geduldig anzuhören, denn ich habe Ihnen viel zu erzählen, um Ihnen deutlich zu beweisen, wie schwer man Sie hintergangen." Nach dieser Einleitung ließ ich die Thatsachen folgen, wie ich sie kürzlich erst erlebt; erzählte ihm, wie mich der Zu fall au Johann's Krankenlager geführt, der, an seinen nahen Tod glaubend, ein Geständniß abgelegt, welches am Morgen Christine wiederholt, und dahin lautete, daß Beide von Ihrer Herrin bestochen seien, deren Anklagen, ihre Stieftochter be treffend, sobald sie es fordere, zu beschwören, was sie indeß noch nicht gethan — „Genug, genug, lieber Freund," unterbrach er mich bald, „ich bin jetzt vollkommen von der Sache überzeugt. Wie aber konnte ich so verblendet sein und meiner Frau so unbe dingten Glauben schenken." „Auch von dieser habe ich mit Ihnen zu reden, Herr Hochheim," fuhr ich fort, „denn ich bin mit meinem Bericht noch nicht zu Ende," und ich wiederholte dem Staunenden, was ich von der Dienerin meines Freundes erfahren, sah, wie er bei meinen Worten halb erröthete und erbleichte und hörte endlich halblaut ihn fragen: „Und ist das Alles Wahrheit? Sollte nicht das Mädchen aus irgend einem Grunoe dieses erfunden haben?" „Sie ist bereit, jedes ihrer Worte vor Frau Hochheim zu wiederholen." „Wie furch "bar bin ich für mein unbedingtes Vertrauen und meine übereilte Zuneigung zu dieser Frau bestraft. — Wie aber konnte ich sie auch für schuldig halten. — Davon jedoch aber später, zuerst nehmen Sie meinen wärmsten Dank für alle Ihre Bemühungen, sowie alle Ihre Güte gegen mein verlassenes Kind und ihren Sohn, und bitte Sie dringend, alle diese traurigen Thatsachen —" „Ich verstehe Sie, Herr Hochheim, und gebe Ihnen die Versicherung, daß nie ein Wort davon über meine, wie meines Freundes Lippen kommt, nicht eher wenigstens, als bis Sie uns die Erzählung derselben gestatten. Wir Aerzte, wie Sie denken können, erfahren sehr oft Famllien-Ereignisse, die nicht für Jedermanns Ohren sind." „Ich danke Ihnen für Ihr Versprechen, denn wenngleich die traurige Sache nicht ganz verschwiegen bleibt, kann doch die Welt nicht wissen, wie weit sie begründet ist." „Beruhigen Sie sich mit dem, worin schon andere Trost gefunden; sie wird, wie Alles in der großen Stadt, angehört, besprochen und bald vergessen." „Sie mögen hierin Recht haben; doch nun zu meiner Tochter. „Ach, wie sehne ich mich, sie nach so langer Trennung an mein Herz zu schließen. Gehen Sie aber mit mir und freuen Sie sich des Werkes, das Ihnen so gut und wohl gelungen." Ich willigte gern ein, wir traten unsern Weg an, und erreichten bald genug das Haus, in welchem Frau Linden wohnte. Als wir die Treppe erstiegen, sah ich meinen Begleiter erbleichen, zugleich hielt er, als ich die Glocke ziehen wollte, meinen Arm zurück, und sagte leise: „Einen Augenblick, lieber Doktor, — Ich — mir ist auf diesen vielen Treppen fast ganz der Athem vergangen." „Ich verstand ihn und wartete einige Minuten, dann aber klingelte ich, und als Frau Linden, die Thür nur wenig öffnend, mich erkannte und mir sogleich den Zutritt in ihre Wohnung gestattete, zog ich den aufgeregten Herrn Hochheim, der noch immer meinen Arm hielt, schnell mir nach und schloß die Thür. „Seien Sie willkommen, Herr Doktor," sprach sie, stockte aber, als sie eine zweite Gestalt erblickte." „Ein Freund, der Ihnen seinen Besuch zu machen wünscht," sagte ich, hinter den bewegten Vater tretend. Sie trat einen Schritt näher, kaum aber hatten Vater und Kind nach so langer Zeit sich wieder ins Auge geschaut, so schlossen sie sich gegenseitig mit einem lauten Ausruf des Schmerzes und der Freude in die Arme und standen sprachlos da, während ihre Thränen flossen. „Malwine, mein theures, mein liebes Kind, kannst Du mir das Unrecht vergeben, welches ich Dir zugefügt?" fragte endlich leise Herr Hochheim. „O, Vater, mein geliebter Vater, sprich nicht so," ent gegnete die Tochter, sich fester an ihn schmiegend, und sich dann zu mir wendend, fügte sie hinzu: „Herr Doktor, wie können wir Ihnen nur danken für Alles, was Sie gethan? denn dies ist ja ganz allein Ihr Werk." „Der Himmel allein kann Ihnen lohnen," unterbrach sie ihr Vater, „wir aber wollen durch treue Freundschaft zu ver gelten suchen, daß Sie uns, die schlechte Menschen getrennt, wiedervereinigten." Voll tiefer Rührung vermochte ich nicht zu antworten und konnte nur die Hände drücken, die mir mit so vieler Herzlich keit entgegengestreckt wurden. Von einem plötzlichen Gedanken erfaßt, entfernte sich die glückliche Frau Linden, und kehrte schnell mit ihrem Knaben zurück, den sie in die Arme des Groß vaters legte. Unter neuen Thränen herzte und küßte dieser das schöne muntere Kind, das sich ganz zutraulich gegen den fremden Mann benahm, bis dieser erschöpft auf seinen Stuhl sank und halblaut sagte: „Es ist heute fast der Freude zuviel für mich, und am liebsten möchte ich mich nicht von Euch trennen. Ich kann mich kaum entschließen, in mein Haus zurückzukehren, so lange jene schändliche Frau darin weilt. Uebrigens hindert mich ja nichts, Dich und das Kind gleich mitzunehmen. —" „Gestatten Sie mir eine Bemerkung," unterbrach ich ihn hier, denn eine so schnelle Entwickelung der Sache war nach meinem entworfenen Plan ganz unmöglich. , „Sprechen Sie, lieber Freund, und seien Sie überzeugt, daß ich mich jedem Ihrer Wünsche fügen werde." „Wohlan denn, Herr Hochheim, ich habe diese Sache bisher so glücklich, und wie ich sehe, so ganz zu Ihrer Zu friedenheit geleitet, daß ich Sie bitten muß, mir auch den Schluß derselben zu überlassen, und der kann erst morgen früh erfolgen, weil mein Freund bis dahin verhindert ist, als Zeuge aufzutreten. Auch läßt sich das Ende nicht gut voraussehen, und so wäre am Abend —" „Sie mögen Recht haben, lieber Freund, allein ich fürchte mich im Hause nicht beherrschen zu können —" „So will ich Sie begleiten und bei Ihnen bleiben, bis Sie sich auf Ihr Zimmer zurückgezogen haben. Verweilen Sie bis zur Theezeit hier, ich hole Sie präcise dazu ab, sobald Sie mit meinem Plan einverstanden sind." „Er allein wird mich schützen, diesen Abend vielleicht eine übereilte Handlung zu begehen. Ob aber meine Tochter mich hier behalten will " Als Antwort legte diese, die neben ihm saß, ihr Haupt an seine Brust, indeß er sie zärtlich umschlang und ihre schöne Stirn mit Küssen bedeckte. Welche Gefühle mich bewegten, brauche ich wohl nicht zu sagen; ich suchte sie jedoch zu unterdrücken, theilte ihnen die weitere Entwickelung dieser traurigen Angelegenheit, wie ich sie ersonnen, mit und begab mich zu meinen Patienten, nachdem ich ihrer vollkommenen Uebereinstimmung versichert war. Als ich nach Verlauf einer Stunde wiederkam, um Herrn Hochheim abzuholen, konnte er sich kaum entschließen, daß ärmliche Stübchen zu verlassen, in welchem er eine so glückliche Stunde verlebte. In seinem Hause fanden wir außer den beiden Damen auch wie gewöhnlich Herrn Steinthal anwesend. Frau Hochheim empfing ihren Gatten mit zärtlichen Vorwürfen über sein langes Ausbleiben, mich dagegen mit freundlichen Danksagungen, den sonst so pünktlichen Ehemann wieder heimgeführt zu haben. Der Abend verging wie alle, die ich in dem Hause ver- lebr; Musik, muntere Unterhaltung und Scherze wechselten mit einander ab. Dabei durfte ich den Hausherrn keinen Augenblick aus den Augen lassen, der immer finsterer und zurückhaltender wurde, nach eingenommenen Thee über heftige Kopfschmerzen klagte und sich bald auf sein Zimmer verfügte. Um jeden nur möglichen Verdacht fern zu halten, verließ ich das Haus erst mit Herrn Steinthal, welcher, als wir uns trennten, verbindlich herablassend sagte: „Haben Sie Be sorgungen für mich in Paris, lieber Doktor? Ich reise morgen dahin ab, und habe schon eine Menge Aufträge von den Damen erhalten. Ein Geschenk von dorther hat stets in ihren Augen großen Werth — —" „Ich weiß noch nicht, wie ein solches, von mir geboten, ausgenommen würde, und will lieber damit warten, bis ich meiner Sache gewiß bin," entgegnete ich ihm, seine Andeutung wohl verstehend. (Schluß folgt.) Vermischtes. * Die juristischen Examina an der Universität München haben in diesem Jahre recht ungünstige Resultate gezeitigt. Mehr als das obligate Drittel ist diesmal „gerasselt". Am wenigsten entzückt über diese ungünstigen Resultate sind gewiß die Herren Professoren; aber hier und da waren die Antworten der verzweifelten Examinanden der Art, daß sie eine schallende Heiterkeit nicht blos unter den Mitgliedern der Prüfungskommission, sondern auch in den dichtgedrängten Reihen des Auditoriums erregten. Einer der Pandektisten fragte einen Prüfling: „Was verstehen Sie untei einer juristischen Person?" Und als es mit der Defination haperte, forderte er denselben auf, er solle ihm doch wenigstens ein Beispiel einer juristischen Person sagen, worauf der Canvidat unter homerischem Gelächter der Umstehenden erwiderte: „Eine juristische Person ist z. B. — der Amtsrichter." (!) — Der bayrische Staatsrechtslehrer brachte einen Kandidaten mit der Frage: „Können Sie Minister werden, Herr Kandidat?" in eine solche Verlegenheit, daß dieser höchlichst erschrocken replizirte: „Ich Minister? — Nein!" Darauf versetzte der Professor sarkastisch: „Möglich wäre es immerhin, daß Sie Minister würden, Herr Kandidat, allein, Sie können beruhigt sein, Sie werden es gewiß nicht!" — Ein mehrfach Durchgefallener ist bereits Ehemann und Familienvater. * Der gewiß seltene Fall, daß ein deutsches Erzeugniß bei einer französischen Ausstellung die höchste Auszeichnung erhalten hat, trotzdem französische Konkurrenz-Erzeugnisse sich gleichfalls um diesen Preis beworben haben, ist kürzlich eingetreten. Auf einer im Oktober in Paris abgehaltenen Ausstellung wurde das Schaubeksche Briefmarkenalbum, das im Verlage von Gebrüder Senf in Leipzig (bekanntlich die erste und größte deutsche Brief markenhandlung) erscheint, als das beste aller existiren den Albums mit dem höchsten Preis (einzige silberne Medaille) ausgezeichnet. Auch für andere Verlagswerke hat die erwähnte Firma noch Preise bekommen. * Was in Berliner Miethskontrakten manchmal steht, geht in's Aschgraue. Stand da kürzlich eine Frau B. vor der zweiten Strafkammer des Berliner Landgerichts 1, weil sie aus ihrer Wohnung am Weidenweg „gerückt" war. In der Ver handlung ergab sich, daß der findige Wirth seinen Kontrakten folgende köstliche Bestimmung einverleibt hatte: „Wenn der
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)