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Vaterländischer. — In seinen letzten drei Nummern bringt der „Kamerad" die bis 1. Januar d. I. reichende statistischeUebersicht von Sachsens Militär- VereinS-Bund, bearbeitet vom 1. Bundessekretär Herrn Uhde. Das außerordentlich umfängliche Zahlenwerk gelangt schließlich zu folgendem Gesammtergebniß. Es existirten vom 1. Januar l. I. in Sachsen 26 Bundesbezirke, von denen jeder so und so viel Vereine umschließt (der stärkste Bezirk ist der Chemnitzer mit 103 Vereinen) die in Summa — einschließlich der inzwischen bis 30. April d. I. nock aufgenommenen — 1101 betragen. Diese Vereine werden gebildet von 121065 aktiven, 1076 außerordentlichen Mitgliedern und 2714 Ehrenmitgliedern, zusammen über haupt von 124855 Mitgliedern. Im letzten Vereinsjahr wurde von den einzelnen Vereinen an Unterstützungen in Krankheits-, Sterbe-und sonstigen zur Unterstützung geeigneten Fällen in Summa 282456 Mk. gewährt; seit ihrer Gründung aber haben die Vereine nicht weniger als 3683 648 Mk. Unterstützungen gezahlt. Das Vereinsvermögen belief sich am Schlüsse des letzten Vereinsjahres auf 1524190 Mk. Vereinsfahnen und Stan darten waren Ende 1888 nicht weniger als 761 zu zählen. Hieran an schließend sei noch bemerkt, daß die Redaktion des „Kamerad" der Neu bildung von Militärvereinen keineswegs zugethan sich erklärt. Fast in der Regel geschähe die Bildung von neuen Vereinen auf Unkosten der alten und neue würden oft nur gegründet, um die alten, länger bestehenden, auf zusaugen; „die neuen Vereine schwächen sonach die alten, von deren Herz blut sie sich nähren." Es wird ganz energisch vor der unter den Mit gliedern grassirendcn „Separationswüthigkeit" gewarnt. Die eben erschienene neue Vereinsstatistik stellt die Thatsache fest, daß die Militärvereine fast ohne Ausnahme gleichmäßig in Stadt und Dorf über das ganze Land ver theilt sind und es müsse wirklich den „Dereinsgründern aus Liebhaberei" äußerst schwer werden und könne nur mit Hilfe einer recht verzwickten „Bezirksgeometrie" gelingen, ein Vereinsbedürsniß zu entdecken. Es werden in dem betreffenden Artikel weiter verschiedene üble Folgen der „Sonder bündelei" beklagt und ganz offen geschildert, wie solche neue Vereine meist durch notorische Nörgler und Allesbesserwiffende vollständig leichtsinnig in's Leben gerufen werden. Weiter heißt es in dem Artikel: „Aus Kamerad schaftlichkeitsrücksichten oder gar aus patriotischen Gründen werden gewiß nur wenig neue Vereine gebildet, meist geschieht dies aus Gründen sehr persönlicher Natur; verletzte Eitelkeit, Revanchegelüste, Sucht eine Rolle zu spielen und dergleichen, wobei wir allerdings nicht verkennen wollen, daß es auch noch lokale Verhältnisse geben kann, die eine Neugründung von Vereinen erklärlich werden lassen. Wo solche lokale Gründe aber nicht vorgeschützt werden können, erscheint die zu Tage tretende Separationswuth unbedingt schädlich, namentlich das kameradschaftliche Zusammengehörigkeits gefühl beeinträchtigend. Nebenbei ist nunmehr auch der finanzielle Punkt der Sonderbündelei in's Auge zu fassen. Die kleinen, oft kaum ein paar Dutzend Mitglieder zählenden Vereine können ja selbst beim besten Willen die Kameradschaft nicht praktisch ausüben, sie bringen kaum die nöthigen Mittel zur Erhaltung des Vereins und für die in der Regel die Haupt sache spielenden Vereinsvergnügungen auf." Der Artikel schließt mit den Worten: „Im dringendsten Interesse der Gesammtheit der Militärvereine liegt es, der maßlosen Vermehrung der Vereine entgegenzutreten; nament lich muß jedoch die Gründung von Konkurrenz-Vereinen in mittleren und kleinen Städten, die saft ausnahmslos behufs der Aufreibung des älteren Vereins zu erfolgen pflegt, schon aus allgemeinen Gesichtspunkten der Ver einspflichten energisch bekämpft werden, falls nicht die totale Unfähigkeit der Leitung des älteren Vereins die Gründung eines neuen Vereins geradezu erforderlich macht. Möchten die Sonderbündler bedenken: „Verbunden «erden auch die Schwachen mächtig." — In der vergangenen Nacht ist in der Hofmühle in Potschappel eingebrochen worden. Der oder die Diebe sind vom Hofe aus durch ein Fenster in das Kontor gestiegen, haben in demselben und im Verkaufs lokale Pulte und Kästen erbrochen, die Papiere durchsucht und die darin vorgefundenen 40 Mk. Kupfer- und 30 Mk. Nickelmünzen, sowie eine Lupe mitgenommen. Der eiserne Kasseschrank scheint von den Dieben nach eingehender Besichtigung für uneinnehmbar befunden worden zu sein, denn außer einigen Stearinflecken waren keinerlei Zeichen eines Angriffs vorzufinden. — Im Monat Juni sind bei der Königlichen Altersrentenbank zu Dresden (Landhaus, König Johannstraße) 264 526 M. in 452 Einlagen eingezahlt und dadurch 27219 M. an Rentenanwartschaft erworben worden. Davon fielen 140 Stück auf Verzichtseinlagen und 309 auf Vorbehalts einlagen während 3 Einzahlungen zur Erwerbung von Zeitrenten zu verzeichnen waren. Hinsichtlich des Geschlechtes der Versicherten kamen 290 Einlagen aus das weibliche und 162 auf das männliche Geschlecht. Was die Vertheilung der Einlagen in den Bezirken des Landes betrifft, so stehen obenan die Städte Dresden, Leipzig und Chemnitz, ihnen schließen sich die Amtshauptmannschaften Dresden-Neustadt, Freiberg, Meißen und Plauen an, während die Amtshauptmannschaften Glauchau, Marienberg und Oelsnitz die wenigsten Einlagen erzielten. — Seit einigen Tagen sind an fast sämmtliche sächsische Straßen meister (einige siebzig) Dreiräder „Saxonia" aus der Velozipedfabrik von Seidel u. Naumann in Dresden zur Anweisung gelangt. Der Vortheil einer schnellen und öfteren Kontrole aller Wege und Arbeiten liegt auf der Hand. — Kirchberg. Unterhalb der Haltestelle Cunnersdorf mußte der am Dienstag nach Wilkau fahrende Mittagspersonenzug Halt machen, da in Folge eines kurz vorher stattgehabten Sturmes ein großer Baum ge fallen und der Stamm desselben sich quer über den Bahnkörper gestreckt hatte. Durch das Führerpersonal und andere handfeste Leute des Eisen bahnzuges wurde dasHinderniß beseitigt, worauf der Zug fahrplanmäßig weiter ging. — In einem Weinberge in Niederfähre wurden am Freitag die ersten lauternden Weintrauben gefunden. — Eine höchst muthige und anerkennungswerthe That kam seitens eines 13jährigen Schulknaben in Leipzig vor. Derselbe war Zeuge davon, wie ein kleiner 5 Jahre alter Knabe, Sohn einer in der Plagewitzerstraße wohnhaften Wittwe, unterhalb der sogenannten heiligen Brücke in die jetzt hoch angeschwollene Elster fiel und in Gefahr war, vom Strome erfaßt und mit fortgetrieben zu werden. Schnell entschlossen entledigte er sich seiner Kleidung und sprang ins Wasser dem Kinde nach, das er schwimmend auch erreichte und vor dem unvermeidlichen Tode des Ertrinkens rettete, indem er eS mit der einen Hand über Wasser haltend unter eigener Lebens gefahr glücklich ans Ufer brachte. — In Pausa sind aller Herzen mit Trauer und Wehmuth über eine furchtbare Botschaft erfüllt. Am 15. Juli Mittag ist die 6 Jahre alte Tochter des dort stattonirten Gendarmen Ranft von einem Unbekannten an sich gelockt und entführt worden. Alle Nachforschungen nach dem Un bekannten blieben erfolglos. Am folgenden Tag ist das unglückliche Kind in einem Gebüsch auf Ebersgrüner Flur, unweit der Eisenbahn Pausa-Zeulenroda todt und als Opfer eines scheußlichen Verbrechens aufgcfunden worden. Der Anblick des entsetzlich verletzten Kindes ist herzzerreißend. Der Bauch war demselben ausgeschnitten und die Eingeweide herausgerissen. Die Lunge lag neben dem entseelten Körper, «ährend die übrigen Theile der Eingeweide an einem Baumzweig hingen. Nach der Aussage des Knaben, der das Mädchen nach dem Festplatze begleitete, war der Mann, welcher dasselbe mit sich genommen, von kleiner Statur. Man vermuthet dort, daß der gräßliche Mord ein Racheakt sei. Der Oberstaatsanwalt von Plauen hat sich an den Thatort begeben. Von dem ruchlosen Thäter hat man bis jetzt noch nicht die geringste Spur entdeckt. — Limbach- Vor Kurzem verendete bei einem hiesigen Gutsbesitzer eine Kuh und sodann wurde eine zweite krank. Man holte den Thierarzt und auch den Fleischer und ordnete das Schlachten an. Fleischer Mangold, der das Schlachten des Thieres vornahm, hatte eine kleine Verletzung an der Hand, aber er achtete der kleinen Wunde nicht. Die Hand schwoll nach dem Schlachten an und es wurde schließlich doch nach dem Arzt ge schickt, aber zu spät. Mangold starb an Blutvergiftung. — Dresden. Eine im öffentlichen Leben unserer Stadt seit langen Jahren vielgenannte Persönlichkeit ist unerwartet aus dem Leben geschieden. Auf der Reise nach Scheveningen verstarb am 19. Juli früh im Stadt krankenhause zu Haag, woselbst die Aufnahme in Folge plötzlicher Erkrank ung stattfinden mußte, der königl. sächsische Justizrath Bernhard Strödel, Mitglied des Staatsgerichtshofes und Inhaber zahlreicher Ehrenämter, deren stete treueste und umsichtige Verwaltung des Heimgegangenen allezeit ein gesegnetes Andenken sichern wird. Im politischen Leben wirkte der Ent schlafene viele Jahre hindurch mit Eifer inmitten der Führerschaft der konservativen Partei. — Der Polizeidirector von Kassel hat folgende, von den dortigen Biertrinkern mit großer Freude begrüßte Bekanntmachung erlassen: „Die Berechtigung der laut gewordenen Klage, daß in vielen hiesigen Bierwirth- schaften die Gäste dadurch benachtheiligt werden, daß ihnen beim Bierver kauf das Biergefäß bis zum Füllstriche nicht mit Bier, sondern zu einem großen Theile mit Bierschaum gefüllt wird, hat sich durch die gemachten Feststellungen bethätigt. Es erhält also der Gast zum größten Theil nicht das Bierquantum, welches er bezahlt. Nachdem nun sämmtliche Wirthe unter Hinweis auf § 263 des Strafgesetzbuches verwarnt worden sind, fordere ich das Publikum auf, weitere Benachtheiligungen dieser Art der Polizeibehörde oder deren Beamten zur Anzeige zu bringen behufs straf rechtlicher Verfolgung der betreffenden Wirthe." — Zwischen Großröhrsdorf und Radeberg ist jetzt eine arge Fehde entstanden. Die Jugend der beiden Orte ist nämlich, vermuthlich des schöneren Geschlechtes wegen, in Streit gekommen. Am Mittwoch der vorigen Woche hatten sich die Radeberger vorgenommen, ihre Großröhrs dorfer Schönen zu besuchen. Die Großröhrsdorfer waren aber auf der Hut und versammelten sich rechtzeitig, um den Radebergern den Eingang in das Dorf zu wehren, und es entspann sich eine ziemliche Schlägerei. Sobald dies die Leute im Niederdorfe merkten, gingen die Mütter mit ihren Töchtern auf den Kampfplatz, um ihren bedrängten Zukünftigen Schwiegersöhnen Hilfe zu leisten, was auch von Erfolg war. — Von sachverständiger Seite wird dem „Zwick. Wochenbl." mit Rücksicht auf die in diesem Jahre so oft vorgekommene Tödtung von Rindern bez. Schlachtvieh durch Blitzschlag mitgetheilt, daß das Fleisch dieses ge- tödteten Viehes noch genießbar bleibt, wenn sie sofort und innerhalb 15 bis 20 Minuten erfolgt. Natürlich muß immerhin eine Besichtigung des Fleisches durch einen Sachverständigen erfolgen. — Ein beklagenswerther Unfall hat sich in Annaberg zugctragen. Ein Polier und 4 Maurer waren bei einem Neubau eines Hinterhauses damit beschäftigt, daß Gerüst abzubrechen, und hatten diese Arbeit bis auf das Parterre und erste Stockwerk vollendet, als es 4 Uhr schlug und so mit die übliche Vesperzeit anbrach. Kaum hatten die Arbeiter das Gerüst verlassen, als der tagesüber herrschende Sturm den Holzbau aushob und dieser in sich zusammenstürzte. Dabei trafen die herabbrechenden Balken das auf der gegenüberliegenden Straßenfront spielende fünfjährige Söhn chen des Posamentier Störr so unglücklich, daß ihm der rechte Arm ein mal und rechte Bein dreimal gebrochen wurde. Das unglückliche Kind wurde sofort von der auf ihm liegenden Balkenlast befreit und in ärztliche Hilfe gegeben. — In einem Gasthause in Chemnitz versuchte ein Schneider aus einem Orte bei Waldheim ein Sparkassenbuch mit 1000 M. Einlage gegen 500 M. zu verpfänden. Der betr. Wirth schöpfte aber Verdacht und die durch zwei Criminalbeamte angestellten Erörterungen ergaben denn auch, daß das Buch zwar echt, aus einer Einzahlung von 1 M. aber durch Anhängen von drei Nullen eine 1000 gemacht worden. Der Mann wurde festgenommen und gestand auch sofort seine Betrügerei zu. Er hatte wegen ähnlicher Vergehen schon mehrjährige Zuchthausstrafe zu verbüßen. — Oederan. Vor einigen Tagen erhielten zwei Schulknaben aus einem benachbarten Dorfe wegen groben Unfugs, verübt an einer Bank station des „Oederaner Gebirgsvereins," in Gegenwart des Bezirksarztes, des Gemeindevorstandes, des Lehrers, sowie der gejammten Schuljugend des betreffenden Ortes durch den Ortsdiener auf Befehl der Amtshauptmann schaft zu Flöha und der königl. Bezirksschulinspektion eine exemplarische körperliche Züchtigung. Die Jungen dürften, wenn sie überhaupt Ehrge fühl im Leibe haben, ein für alle Mal von ihrer Zerstörungswuth geheilt sein und dürfte dieses Beispiel auch anderwärts zur Warnung dienen. Verschlungene Wege. Original-Roman von Emilie Heinrichs. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) „Sie wird nein und dreimal nein zu diesem schmählichen Handel sagen," rief der Baron in edlem Unwillen. „Und Irmgards rasche Auslösung herbeiführen," klagte Ulrike hände ringend. „Lieber Gott, das wäre zu schrecklich, und gewiß die nothwendige Folge ihrer so sehr natürlichen Weigerung," seufzte der alte Herr, rathlos die Hände faltend. „Ja, theurer Freund! — Sie wissen am besten, wie jeder Wider spruch sie erregen und ihren Tod beschleunigen kann. — Aber, — wenn ich auch mein eigen Glück als Opfer bringen darf, habe ich damit das Recht mir erkauft, von Andern dasselbe zu verlangen? — Mein Gott, mein Gott, — wer hilft mir über diesen neuen Jammer hinweg!" Der Baron hatte die stolze, ruhige Ulrike, deren Selbstbeherrschung ihn stets mit scheuer Bewunderung erfüllt, niemals so fassunglos, so ver zweifelt gesehen. Es bewegte ihn fast zu Thränen, er ergriff ihre Hände, führte sie an seine Lippen und bat sie, auf Gott zu vertrauen, welcher jeden falls die trostlose Nacht erhellen werde. „Wenn Herr Ulrich mit der Schwester kommt, wird auch die Kranke sich dem Haupte der Familie beugen müssen, und er wird doch sicherlich kommen." „Ja, das ist auch meine letzte Hoffnung," seufzte Ulrike, sich wieder aufrichtcnd, „aber nicht wahr, Baron, Sie verlassen mich nicht, bleiben heute hier? — Allein ertrüg ich es nicht, ihre Reden anzuhören." „Ich bleibe gewiß hier, meine Gnädige!" versicherte der alte Herr, „und — mir fällt da auch ein guter Gedanke ein, den ich recht diplomatisch