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vaterländischer. Wilsdruff. Wenn auch das hiesige Publikum ausrufen wird: „e» wird zu viel des Guten!" so finden wir uns doch veranlaßt, auch auf das morgen Sonnabend Abend im Saale des Hotels zum goldncn Löwen stattfindende Probe-Concert des Herrn Stadtmusikdirector Bergmann aus Zwenkau hinzuweisen und auch zum Besuche dieses ConcerteS alle Diejenigen zu veranlassen, welche an der künftigen Besetz ung unserer Stadtmusikdirectorstelle Interesse nehmen. Wilsdruff. (Gngesandt.) Herr Schuldirektor Gerhardt hielt am 28. d. M. i« Gewerbeverein vor zahlreich versammelten Mitgliedern und Gästen einen mit vielem Beifall aufgenommenen Vortrag über: „Wie sorgen wir für die Zukunft und das Glück unserer erwachsenden Töchter?" Der verehrte Herr Redner sagt: Alles menschliche Glück be ruht, sofern es wahrhaft ist, und alle Zukunft auf der Erziehung und Bildung. Für unsere Söhne hat der Staat in großartiger Weise gesorgt, indem er Universitäten, Gymnasien, Realschulen, Politechnikum und Ge werbeschulen unterhält. Leider könnten wir dies von unsern Heranwachsen den Töchtern nicht sagen. Um so mehr ist das gute Haus darauf hin- gewiesm, für die Zukunft unserer Töchter zu sorgen und die Wege zu er mitteln, die zu ihrem Glücke führen. Um das Weib für seinen Beruf geeignet zu machen, sorge man 1. für eine rechte geistige, 2. für eine praktische und 3. für eine körperliche Ausbildung. Es sei ein großer Jrrthum, zu glauben, ein Mädchen brauche weniger zu wissen und zu können als ein Knabe. Offenbar verkennen solche die große bedeutungsvoll« Zeit, in der wir leben. Wahre Bildung wird so gut den Mann als auch das Mädchen frei machen; es ist damitnatürlich nur die Freiheit gemeint, die im Rahmen des Anstandes, der feinen Sitte, der wohlverstandenen Mäßigung sich bewegt, die zur Selbständigkeit und geistigen Klarheit führt. Recht lehrreich war auch ferner, wie der ver ehrte Herr Redner ausführt, daß die Eltern die Kinder nicht zu etwas anhalten sollen, wozu sie kein Talent haben. Was nütze cs z. B. dem Mädchen, wenn ein Tonstück mechanisch eingeübt würde, um den gänz lichen Mangel an musikalischen Talent zu verbergen. — Möge dieser kleine Auszug aus dem umfangreichen Vortrag, der unsere Zeit vorzüglich kennzeichnete und daß es mehr denn je nothwendig sei, das, was man einmal anfange, richtig und mit Energie und Ausdauer zu betreiben und nicht auf halbem Wege stehen zu bleiben, zeigen, daß es goldne Worte waren, die man hörte und die wohl verdienen, daß sie auch beherzigt wer den, denn wem nicht zu rathen ist, dem ist auch nicht zu helfen. — Der Gewerbeverein sagt aber auch hierdurch unserm lieben Herrn Schuldirektor Gerhardt für den so lehrreichen, interessanten uud zeitgemäßen Vortrag den besten Dank! — Dresden. Das königlich sächsische Ministerium des Innern weist darauf hin, daß bereits früher den zu Sachsens Militärvereinsbund gehörigen Militärvereinen die Erlaubniß zu Abhaltung einer Re veille am Geburtstage Sr. Maj. des Königs, ohne Beschränkung für den Fall deS Zusammentreffens dieses Tages mit einem Sonn- oder Feiertage, ertheilt worden ist, und daß diese Erlaubniß den Militärver einen gegenüber auch auf den Geburtstag Sr. Maj. des deutschen Kaisers ausgedehnt werden mag, im Allgemeinen es dagegen nicht angemessen er scheine, die Abhaltung von Revcillen an Sonn- und Feiertagen auch noch in anderen als den vorbezeichneten Fällen zu gestatten, weshalb die Poli zeibehörden etwaige Gesuche in der Regel abzuschlagen haben werden. — Wiederholt, schreibt der „Dresdn. Anz.", ist in der Presse auf Grund tatsächlicher Vorkommnisse vor dem Tragen aniUngefärbter Strümpfe gewarnt worden. Wie sehr berechtigt oiese Warnungen sind, zeigt die schwere Erkrankung, welcher ein Dienstmädchen in der Dresdner Seevorstadt anheimgefallen ist. Dasselbe erstand vor einiger Zeit von einer Hausirerin ein Paar hellblaue Strümpfe, deren Farbe sie besonders reizte. Trotzdem ihre Dienstherrin das Mädchen an die mit dem Tragen bunt farbiger Strümpfe verknüpfte Gefahr erinnerte und auf die Frostbeulen am Fuße des Mädchens hinwieS, mußten natürlich die Strümpfe an den Füßen glänzen. Vor einigen Tagen begann das Mädchen über Schmerzen und Schwellen des rechten Fußes zu klagen und es stellte sich heraus, daß sie sich eine Blutvergiftung zugezogen hatte. Das Mädchen liegt schwer dar nieder und dürfte zufrieden sein, wenn der Fuß nicht abgenommen zu werden braucht. — Die Königliche Altersrentenbank in Dresden-Altstadt (Landhaus, König-Johannstraße) gcwäbrt auf Einlagen, welche mit der Bedingung so fortigen Rentenbeginns noch vor Schluß des Vierteljahres bei ihr oder einer ihrer Agenturen eingezahlt werden, bereits am 30. Juni zum ersten Male Rente. Einlagen solcher Art empfehlen sich namentlich für ältere Personen, welche aus das eingezahlte Kapital verzichten können, denn sie erhalten unter dieser Bedingung außerordentliche hohe Renten bei der Alters rentenbank. Auch kann man sie alleinstehenden Damen, welche ibr Kapital den Börsenschwankungen nicht unterwerfen wollen, als eine sichere und feste Zinsenquelle angelegentlich st empfehlen. Wird die Einlage in den ersten fünf Tagen des April gemacht, so beginnt die Rentenzahlung zwar auch schon am 30. Juni, es sind aber für jeden Tag, den die Einzahlung nach dem 31. März stattfindet, Verzugszinsen zu entrichten. Wer noch später einzahlt, kann die erste Rentenrate nicht früher als am 30. Sep tember empfangen. — Freiberg. Dem von 17 Landwirthen der hiesigen Umgegend erlassenen Aufruf zur Abhaltung eines „allgemeinen Bauerntagcs" am Sonnabend Nachmittag im Debus'schen Saale hier hatte die ansehnliche Zahl von gegen 600 Landwirthen Folge geleistet. Nachmittags 3 Uhr eröffnete Rittergutsbesitzer Göldner-Halsbach die Versammlung mit einer begrüßmden Ansprache, welche mit der Aufforderung schloß, Sr. Maj. de« König Albert «in dreifache« Hoch zu bringen. Nachdem dieser Auf forderung jubelnd entsprochen worden, brachte Gutsbesitzer Schmidt-Lang- hennerSdorf ein Hoch auf Se. Maj. Kaiser Wilhelm II. aus, das darauf 3 Mal den Saal durchbrauste. Inspektor Grünz-Hctzdorf, welchem der Vorsitz übertragen worden war, gab sodann das Wort dem Generalsekre tär Lehmann-Berlin zu einem längeren Vortrage über „den Zweck und die Ziele des dentschen Bauernbundes". Dem Vortrage zollte die Versamm lung stürmischen Beifall. Redner schlug dann vor, während einer Pause die Einzeichnungen in die Mitgliederlisten des Bundes zu vervollständigen und «in« Freiberger Bezirksabtheilung zu konstituiren. Hierauf hielt Haupt mann von Schulenburg-Berlin einen Vortrag über die „heutige Lage und politische Bedeutung der Landwirthschaft". Nach einer kurzen Debatte schlug der Vorsitzende vor, ein Begrüßungstelegramm an Se. Maj. König Albert zu richten, womit sich die Versammlung einstimmig einverstanden erklärte. Die neue Bezirksabtheilung Freiberg des deutschen Bauernbundes wählte Rittergutsbesitzer Göldner-Halsbach zum Vorsitzenden, Schmidt-Langhenners- dorf zum stellvertretenden Vorsitzenden und Lehmann-Helbigsdorf zum Schrift führer. Abends 8 Uhr traf von König Albert ein Danktelegramm ein. — Wegen eines Vergehens gegen die Religion ist vor einigen Tagen der Redakteur Lenk von der „Zittauer Morgenzeitung" zu 2 Monaten Gefängniß verurtheilt worden, weil er ein „Eingesandt" znm Abdruck gebracht hatte, welches, nach Art der zehn Gebote abgefaßt, sich gegen die Kartellparteien richtete, lieber den Einsender, den Kohlenwerksbcsitzer und Stadtverordneten Klug, der in Zittau als eifriger Ultramontaner bekannt ist, wurde wegen groben Unfugs Haftstrafe von 3 Wochen verhängt. — Eine frohe Nachricht wurde der Einwohnerschaft der Stadt Roß wein zu Theil, indem der Stadtrath derselben durch Plakate in Form einer amtlichen Bekanntmachung davon verständigte, daß Roßwein vom 2. April d. I. ab mit 3 Batterien (18 Geschütze) Artillerie belegt werden wird. — Das mehrerwähntc Verbrechen an der Schweizer Grenze, dem be kanntlich Dr. Schick aus Döbeln zum Opfer fiel, hat in den letzten Tagen das Geschworenengericht zu Bozen beschäftigt. Angeklagt waren die Schafhirten Jakob Kuen aus Tartsch und Joseph Schöpf von Mals, welche nur eine Beraubung des Genannten zugaben. Der Gerichtshof und die Geschworenen kamen jedoch im Verlaufe der Beweisaufnahmen zu der Uebcrzeugung, daß nicht ein zufälliger Absturz, sondern die Verübung eines Verbrechens vorliegen, weshalb am Freitag einstimmig das „Schuldig" ausgesprochen wurde. Um 8 Uhr Abends verkündete Präsident Graf Melchiori das Urtheil. Es lautete auf Tod durch den Strang, zuerst an Jakob Kuen zu vollziehen. Begründet wird das Urtheil durch das ein stimmige Verdikt der Geschworenen. — Wie vorsichtig man mit Geld umgehen muß, beweist wiederum folgender Vorfall in Meißen. Dieser Tage zahlte dort ein Geschäfts mann in einer Familie 90 Mk. in Gold aus; der Empfänger nahm das selbe, wickelte es in Papier und ließ es auf dem Tische liegen. In der Stube spielte gerade ein vierjähriges Kind, als die Eltern nach kurzem Verlassen der Stube wieder dahin zurückkamen, war das Geld ver schwunden. Man suchte nun Alles aus, das Kind wurde befragt, aber das Geld war weg. Da kommt man schließlich auf den Gedanken, das Kind könne das Geld in den Ofen gesteckt haben, nimmt sofort die glühen den Kohlen heraus und siebt die Asche durch. Und richtig, die Goldstücke wurden zwar noch ganz, aber schon angeschmolzen vorgefunden; wäre das Feuer stärker gewesen, so hätte man einen erheblichen Schaden erlitten. — Zittau. Im benachbarten Olbersdorf ist am Nachmittag des 24. März in der vierten Stunde ein Mord mit darauffolgendem Selbst mord verübt worden. Der in Olbersdorf wohnende Schuhmacher Kuwarsz oder Kowasch, aus der Gegend von Oppeln gebürtig, welcher seit einiger Zeit von seiner Ehefrau getrennt lebte, suchte dieselbe am Nachmittag des 24. März im Hause ihrer Eltern, woselbst die Fran besuchsweise sich befand, auf. Kuwarsz nahm das dort befindliche dreijährige Mädchen, beider Kind, mit sich sort und ging mit dem letzteren in eine Bierwirth- schäft. Die Frau folgte dem Manne dorthin, um das Kind wieder zurückzuholen. Die beiden erregten Ehegatten gingen darauf mit dem Mädchen wieder in das elterliche Haus zurück, woselbst der Mann in einer Par terrestube nach scharfem Wortwechsel seine Frau durch mehrere Schüsse aus einem Revolver tödtete und darauf in der Richtung des Kaltensteins ent floh. Der Schwiegervater des Mörders, welcher die Schüsse gehört hatte, eilte Letzterem sofort nach, auf der Flucht lud der Mörder seinen Revolver nochmals mit sechs Kugeln und erschoß sich bald darauf selbst. In einem Notizbuche, welches sich bei dem Erschossenen vorfand, waren Andeutungen bezüglich eines Selbstmordes und Bestimmungen wegen des Begräbnisses vorhanden. — Behufs einer würdigen Vertretung der Stadt Chemnitz bei dem Wettiner Jubiläum hat der Stadtrath einen Betrag von 15,000 Mk. verwilligt, von welchem der Aufwand für entsprechende Betheiligung an dem in Dresden zur Ausführung kommenden Huldigungszug, sowie für eine in Chemnitz selbst in Aussicht genommene Feier bestritten werden soll. — In der Nacht zum 22. d. M. ist in Meißen in einen öffent lichen Postbriefkasten brennendes Papier geworfen worden. In Folge dessen sind die in demselben befindlichen Briefsendungen mehr oder weniger ver brannt. Der Thäter dürfte im Falle seiner Ermittelung einer harten Be strafung entgegensetzen. — Die in Bernbach bei Schwarzenberg in so besorgnißerregender Weise aufgetretene Trichinose hat daselbst die Gemüther in nicht geringe Aufregung versetzt. Die Krankheit, die besonders auch durch den Genuß der Knackwürstchen verbreitet worden ist, hat namentlich auch viele Arbei terfamilien heimgesucht. Die sofort eingestellte amtliche Untersuchung wird wohl bald Aufschluß über die Entstehung der Krankheit, insbesondere darüber ergeben, ob das trichinöse Fleisch auch in vorschriftsmäßiger Weise dem Trickinenschauer vorgelegt worden ist. — Ein wichtiger Fall der Rechtsprechung in einer Unfallversicherungs- Angelegenheit ist im Berliner Bezirksverein Deutscher Ingenieure kürzlich zur Sprache gekommen. Es ist nämlich ein Fabrikant verurtheilt worden, in dessen Fabrik ein Arbeiter wegen Fehlens einer Schutzvorrichtung ver unglückt war, obgleich der Arbeiter selbst gegen ausdrückliches Verbot die Schutzvorrichtung entfernt hatte. Die Vcrurtheilung erfolgte auf Grund der Thatsache, daß die Vorrichtung schon seit einigen Tagen vor dem Ein tritt des Unfalls abgenommen war; eine derartige Unregelmäßigkeit hätte — so führt das Erkenntniß aus — bei aufmerksamer Betriebsübcrwachung während dieser Zeit bemerkt und abgestellt werden müssen. Verschlungene Wege. Original-Roman von Emilie Heinrichs. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) „Freilich, liebe Irmgard, Du hast ganz recht wie immer," versetzte die tiefe Altstimme tröstend, „der Major wird sie jedoch sicher nach Hause befördern." „Er läßt deshalb nicht anspannen, Schwester!" tönte es jetzt unge duldig vom Kamin her, „seine Pferde sind ihm zu lieb und seine persön liche Begleitung mir nicht angenehm. Lasse Johann Licht bringen und ihn dann Hedwiga holen!" „Ganz nach Deinem Willen, liebe Irmgard!" Nur, bitte, rege Dich nicht auf. Ulrike erhob sich bei diesen Worten und schellte dem Diener, welcher, des gewohnten Winkes gewärtig, sofort mit der bereitgehaltenen Kerze eintrat. — Der uns bereits bekannte Johann war ein altes, erprobtes Inventar des Hauses Jmmendorf, ein echtes Exemplar der alten Schule mit dem sauber glattrasirten faltigen Gesicht, der ebenso sauber gehaltenen grauen Livree, dem schneeweißen Halstuch und der vom Alter gebückten Haltung. Er setzte die Lampe vorsichtig auf den runden Tisch, welcher in der Mitte des großen Gemaches stand, umgeben von hochlehnigen, alterthüm- lichen Sesseln, deren seidene gestickte Ueberzüge schon sehr verblaßt waren. Von den Wänden blickte die letzte Generation des freiherrlichen Geschlechts aus breiten Goldrahmen hochmüthig herab, während die beiden lebenden Nachkommen mit dem vornehm mittelalterlichen Gepräge ihrer Umgebung seltsam harmonirten. Die kleine zarte Gestalt mit der weißen Spitzenhaube, welche ein schmales, durchsichtiges Antlitz umrahmte und dort auf einem Ruhebett am Kamin lag, war das Freifräulein Irmgard von Jmmendorf, seit ihrem zwanzigsten Jahre am ganzen Körper gelähmt. Jetzt zählte sie sünfund-