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senkt. Er murmelte grollende Worte in sich hinein und befand sich offen bar in sehr gereizter Stimmung, als er plötzlich eine schwere Hand auf seiner Schulter fühlte. „Was soll's" fuhr er zornig herum, „ach, Sie sind's, Herr Commissar!" setzte er beruhigter hinzu, als er seinen Vorgesetzten erkannte. „Noch immer auf der alten Fährte, mein Getreuer?" fragte der Commissar ironisch. „Ja," versetzte der Detectiv trocken, „und auch noch immer von ihrer Richtigkeit überzeugt, Herr Commissar!" „Hm, das wäre, — Haben Sie neue Jndicien dafür entdeckt?" „Allerdings, mich aber auch dabei ganz gehörig exponirt. Erlauben Sie mir eine Frage, Herr Commissar, ist das getroffene Wild verendet?" „Noch nicht, der Bursche scheint eine Bärennatur zu haben, wie der Doctor meint," versetzte der Commissar, wenn er nur einen Augenblick zur Besinnung kommen und uns den Namen seines Mörders nennen wollte." „Freilich, das wäre der bequemste Weg zu der Entdeckung desselben," lachte Thorsen spöttisch auf, „aber der Schelm wird uns den Gefallen nicht erweisen, fürchte ich, oder hofft der Doctor auf ein solches Wunder?" „Allerdings, — sagten Sie mir nicht, lieber Thorsen, daß unser verwundetes Wild vor jenem Jäger geflohen sei?" „So sagte ich, weil ich's mit meinen eigenen Augen gesehen, es schien eine Hetzjagd auf Leben und Tod zu sein, wobei das Wild allerdings den Anschein der Furcht und des bösen Gewissens gegen sich hatte." „Es ist übrigens ein großes Versäumniß dabei zu rügen," bemerkte der Commissar nach einer Weile gedankenvoll, „der Thatort ist zu ober flächlich durchsucht worden." „Hm, es war dunkel," erwiderte der Detectiv achselzuckend, „soviel ich weiß, hat man das Gehölz mit Laternen durchforscht." „Sie hätten dabei sein müssen, Thorsen!" „Ich war ja von Ihnen in Beschlag genommen, Herr Commissar!" „Ganz recht, hätten aber am nächsten Morgen frühzeitig hinausmüssen, um das Terrain abzusuchen." „Erlauben Sie, Herr Commissar, ich hatte die ganze Nacht hindurch jenes Haus bewacht," versetzte der Detectiv gereizt. „Bah, mein Lieber, ich sagte Ihnen das Resultat vorher, es war verlorene Mühe, unnöthige Aufreibung, der Mörder mag in dem Jmmcn- dorf'schen Garten momentanen Schutz gesucht haben —" „Ich verfolgte ihn bis dicht vor's Haus und sah ihn dort buchstäb lich verschwinden." „Der Commissar konnte ein leichtes spöttisches Lachen nicht unterdrücken. „Beweis, daß blinder Eifer stets schadet," sagte er überlegen, „von der wilden Hetzjagd außerordentlich erregt, zumal Ihnen der Mörder unter den Händen entwischte, war Ihr kaltblütiger Scharfblick momentan voll ständig getrübt und gaukelte Ihnen eine Vision vor." Thorsen schwieg eine Weile; er ckämpftc einen harten Kampf mit dem eigenen Ehrgeiz auf der einen und der Möglichkeit eines Jrrthumes auf der andern Seite, bis die Nothwendigkeit, das Nützlichkeitsprinzip den Sieg davontrugen, und ihn zur offenen Darlegung seiner soeben erlebten Nieder lage sowohl wie zu seiner scharfsinnigen Logik veranlaßten. Er ersuchte deshalb den Commissar, mit ihm eine einsame Seiten straße einzuschlagen und erzählte jetzt den Vorfall an der Jmmendorf'schen Gartenpforte, was den Beamten mit sichtlicher Bestürzung erfüllte. „Da haben wir die Folgen Ihres eigenmächtigen Vorgehens," sprach der Commifsar erregt, „Folgen, die für Sie schwerwiegend genug werden können. Wo, um Alles in der Welt haben Sie Ihre gewohnte Klugheit, Ihren Scharfblick gelassen, Thorsen, um solche Tollheiten zu begehen und Ihre Vorgesetzten zu compromittiren? —Sie müssen die Sache noch heute Abend wieder ausgleichen, damit der Herr Director nichts davon erfährt. Hilf Himmel, den berühmten Dr. Dorner als Mörder verhaften zu wollen, danken Sie dem Herrgott, welcher den Major Tellkamp zur rechten Minute dorthin leitete, um das Schreckliche zu verhindern und uns Alle vor der heillosesten Blamage zu bewahren. Und nun hören Sie meinen Rath, den ich Ihnen zum Gesetz machen möchte, begeben Sie sich sofort in das Haus des Majors, um den beiden Herren Abbitte zu leisten und die de voteste Hoffnung daran zu knüpfen, daß die Sache abgethan sein möge. Haben Sie verstanden, Thorsen?" „Freilich, Herr Commissar!" brummte der Detectiv zornig, „Ihre Sprache ist deutlich genug." „Sie führen also meinen Rath sogleich aus?" „Habe wohl keine andere Wahl, — obwohl Sie mir erlauben werden, trotz alledem meine eigenen Gedanken über diesen seltsamen Spaziergang des berühmten Doctors mir zu bilden." „Das bleibt Ihnen natürlich unbenommen, mein Bester!" lächelte spöt tisch der Commissar. „Ihre Gedanken sind mir zuweilen , wie ich selber zugestehe, von großem Nutzen gewesen, nur müssen dieselben nicht in Don-Quixoterien ausarten, was bei uns niemals vorkommen darf." „Ich werde es mir für die Zukunft merken, Herr Commissar!" ver setzte Thorsen, respectvoll den Hut ziehend, „und bitte jetzt, mich empfehlen zu dürfen." „Guten Abend, mein Lieber!" rief der Commissar, den devoten Gruß mit freundlichem Kopfnicken erwidernd, worauf sich beide trennten. „Im ganzen genommen ein brauchbarer Mensch," dachte der Vor gesetzte, langsam durch die Straße schreitend, „nur zu wenig Disciplin, viel zu viel Selbständigkeit und eifrige Ueberstürzung. Hätte uns da schön hineingeritten, der tolle Mensch!" Dieser tolle Mensch, der eine seltene Combinationsgabe besaß und von der Natur zum Criminal-Beamten gleichsam prädestinirt schien, rannte dagegen in seines Nichts durchbohrendem Gefühl wie klopflos dahin, inner lich tobend und wüthend wie ein kochender Krater. Ohne auf den Weg zu achten, gerieth er unversehens wieder auf die Promenade, welche vom dämmernden Mondlicht jetzt genug erhellt war, um die Gegenstände unterscheiden zu können. Plötzlich befand er sich dem Jmmendorf'schen Garten gegenüber und hielt jetzt den hastigen Schritt an, um aufmerksam hinüber zu spähen. Dort mußte die Stelle sein, wo der flüchtige Verbrecher die Planke überstiegen batte und er demselben ge folgt war. Als vorsichtiger Detectiv hatte er auch hier einen zuverlässigen Posten placirt, zu dem er jetzt auf Umwegen hinübcrschlich. Thorsen hatte ebenfalls seine Untergebenen, welche er selber für ge wisse Fälle engagirte und besoldete, arme Teufel, die für einige Groschen und einen guten Trunk ihm blindlings gehorchten und sich dadurch der Polizei gegenüber eine Art Unverletzlichkeit erwarben. Hinter einem dichten Gebüsch stand ein solcher Trabant, unbeweglich an der Planke, als ob er mit derselben verwachsen sei. „Gut Freund, mein wackerer Timm!" flüsterte Thorsen, seinen Arm berührend. „Aha Sie sind's," knurrte Timm, „nicht's passirt, Herr! — ein verdammt langweiliger Posten." „Habt die Augen immer offen gehabt? — Keinen Tropfen zuviel genommen?" „Alles in gehöriger Confusion, Herr! — das heißt in meinem inner lichen Revier, wo es rebellisch genug aussehen mag." „Sollt bald abgelöst werden, Timm, — noch eine halbe Stunde die Augen und Ohren offen halten, es soll Euch nicht gereuen." Er schritt langsam weiter und duckte sich, als er Stimmen und Schritte hinter sich vernahm, vorsichtig hinter ein Gebüsch. ES waren drei Herren, die im lauten Geplauder näher kamen. „Haben ja einen berühmten Mann in der Stadt, wißt Jhr's schon?" rief einer der Herren, einen Augenblick inne haltend, um seine Cigarre in Brand zu setzen. (Fortsetzung folgt.) Vermischtes. * Die Kellnertracht der Zukunft. Von einem Interessenten der Ausstellung in Hamburg ist ein Ehrenpreis von 150 Mark ausgesetzt für die beste Kleidungstracht der Kellner. Es wurde bei dieser Gelegenheit namentlich darauf hingewiesen, daß in feinen Hotels der Gast bei Fest lichkeiten von dem Kellner und Lohndiencr, in Frack und weißer Binde, nicht zu unterscheiden sei. Der Pächter des Restaurants 1. Claffe auf der Ausstellung, Brinckmann von dem „Hotel zu den vier Jahreszeiten", wird sich, wie viele andere Restaurateure, um den Preis bewerben und, wie der „Eisenbahn- Ztg." mitgetheilt wird, die Kellner mit folgender Kleidung cinstellen: Kniehosen mit schwarzen Strümpfen, Stiefeletten, wie sie die österreichische Infanterie trägt, mit blanken Schnallen, kurzes, an schließendes Jaquett, Weste aus Waschstoff und schwarzen ShlipS mit weißem Kragen. Das Jaquett erhält blanke Knöpfe mit Monogramm, wie die Portiers in den Hotels. Diese „Kellner-Uniformen" sind nach einer geschickten „Composition" bereits in Hamburg angefertigt. " Hagenbeck's Thierpark in Hamburg wurde vor Kurzem durch eine Sendung von mehr als 80 Mississippikrokodilen bereichert, worunter Thiere von kolossaler Größe, bei deren Anblick man glauben könnte, Exemplare der fossilen Periode, die Spezies der gewaltigen Jchthyosauren vor sich zu sehen. Ein gelinde« Grauen verursacht der Anblick des enormen Rachens dieser Ungeheuer. Der Fang der Krokodile ist ein äußerst schwieriger. Es gehört unerschrockener Muth dazu, sich diesen Riesen in ihrem Elemente zu nähern. Beim Fang im Delta des Mississippi schlug eines der Boote mitten zwischen den gereizten Thieren um, und nur der Geistesgegenwart des Agenten Hagcnbeck's war es zu danken, daß kein Verlust an Menschen leben zu beklagen war. * Neue Balltracht. Bei Mrs. Makay, der Gattin des amerikanischen Millionärs, fand dieser Tage in Paris ein Ballfest statt, bei welchem für Damen die schwarze, für Herren die weiße Kleidung vorgeschrieben war. Der Effekt, den diese seltsame Verordnung hervorbrachte, war ein unend lich komischer. Besonders bei den Quadrillen erregten die in weiße Baum wollfracks gehüllten Herren die tollste Heiterkeit. * Treue bis zum Tode. Ein ergreifendes Ende fand vor Kurzem ein 63 Jahre glücklich verbunden gewesenes Ehepaar im Dorfe Tombull bei Apenrade. Um Mitternacht starb die 83 Jahre alte Frau, und der Tod der Lebensgefährtin erschütterte den 87 Jahre alten Greis derart, daß er nach einer Stunde gleichfalls eine Leiche war. * Ein 60jähriger Militär-Invalide in Breslau, der sich nach Er hebung seiner Pension stark angetrunken hatte, wurde von zwei Männern, die ihm angeblich den Heimweg erleichtern wollten, auf der Oswitzer Eisen bahnbrücke beraubt und in die Oder gestürzt, wo der Unglückliche seinen Tod fand. Die Verbrecher sind noch nicht ermittelt. * Eine unmenschliche That hat die Häuslersfrau Klinkauf inLeisers- dorf (Schlesien) begangen. Dieselbe setzte, um das ihnen gehörige Haus zu vernichten, ihre Stube in Brand und ließ, damit kein Verdacht gegen sie aufkomme, das auf ihrem Sopha schlafende kleine Kind der Sauer'- schen Inwohner, die auf Arbeit waren, ruhig liegen, so daß das Kind mit verbrannte. Die Frau hat ihr Verbrechen eingestandcn. * Naturgas. In Findlay, welches mitten in der Naturgasregion Ohios liegt, sind Ende letzter Woche zwei Naturgasquellen erbohrt worden, deren eine Leistung von 30000000 Kubikfuß und die andere von 20000000 Kubikfuß pro Tag hat. Aus einer bereits vor längerer Zeit in Tiffin, O., erbohrten Quelle, welche beinahe erschöpft schien, strömt seit letzter Woche wiederum Gas mit großer Macht aus, und soll die tägliche Leistung derselben gegenwärtig ea. 28000000 Kubikfuß sein. Die größte bisher in den Vereinigten Staaten erbohrte Naturgasquelle soll diejenige bei Belle Vernon, 26 Meilen von Pittsburg, Pf-, entfernt, sein, deren tägliche Leistung 40000 000 Kubikfuß ist. * Verunglückter Luftschiffer. Der deutsche Luftschiffer Streif ver unglückte am 29. April in Bonneville, Indiana, in gräßlicher Weise. Als er etwa 1500 Fuß hoch gestiegen, platzte der Ballon. Streif war trotz dcS schrecklichen Sturzes nicht auf der Stelle todt, aber so zermalmt, daß er bald seinen Geist ausgab. Von den Zeugen der entsetzlichen Szene wurden viele ohnmächtig, und Streif's Frau, die ihn stürzen sah, wahnsinnig. * Sandhose. Vor Kurzem wurde in Zülz in Schlesien nach einer UM 4 Uhr herrschenden Luftstille in den Wolken ein donnerähnliches Rauschen vernommen, dem bald eine nächtliche Finsterniß folgte. In mitten dieser Finsterniß erhob sich, von Olbersdorf kommend, eine thurmhohc Staubwolke, aus der Blitze und Donnerschläge sich Bahn brachen. Pfeil schnell flog diese Sandhose dahin, Dächer zerstörend, Bäume brechend und leichte Gegenstände mit sich fort, hoch in der Luft führend. In Altstadt wurde ein Blechdach 100 in weit getragen. In Grabine und Mokrau wurden mehrere Scheunen zerstört und unzählige Fensterscheiben zerschmettert. Die ganze Erscheinung dauerte gegen zwölf Minuten, worauf in Neckhof und Josephsgrund ein Platzregen, in Simsdorf und Rosenberg Hagel niedergingen. * Eine großartig entwickelte Industrie. Philadelphia wird als Centrum der Teppichfabrikation der Welt genannt. Die Stadt enthält 172 Etablissements mit 200 großen Werkstätten, in welchen 7350 Web stühle uud 17800 Arbeiter verwendet werden. Im Ganzen produzirte Philadelphia im letzten Jahre 71500000 Parbs an Teppichen, welche einen Werth von 250 Millionen Mark repräsentirten. Besuch aus Amerika in Sicht. Ein wahrer Strom von amerikan ischen Touristen wird sich in diesem Sommer über Europa ergießen. Iw New-Jork allein sind bis jetzt 100000 Fahrkarten für die Reise nach London gelöst worden. An den Cook'ischen Rundreisen wollen sich so viele Ameri kaner betheiligen, daß die Agentur sich angeblich nicht mehr zu helfen weiß. * Ein jugendlicher Kolonialschwärmer. Unsere jugendlichen Ausreißer, welche der Drang nach Abenteuern verlockt, dem Vaterhause heimlich zu entfliehen, pflegen in der Regel nicht weit zu kommen. Diesmal jedoch wird ein Fall gemeldet, in welchem es dem jugendlichen Kolonialschwärmer in der That gelungen ist, nach dem schwarzen Erdtheil zu entkommen „ und wo es einiger Monate mühseligen, arbeis- und gefahrvollen Lebens bedurfte, um den ehemaligen Schüler einer Berliner Realschule, Oberter tianer Paul K., Sohn eines in der Friedrichstadt wohnenden Kaufmanns^ zur Rückkehr zu seinen tiefgebeugten Eltern zu bewegen. Der fast 16jährige, für sein Alter ungewöhnlich entwickelte Bursche war im vorigen Jahre spur los verschwunden, einen Brief zurücklassend, daß er nach Afrika gehe, um dort sein Glück zu machen. Nachforschungen über seinen Verbleib warm erfolglos, als vor etwa 14 Tagen der Brief eines in Kapstadt wohnenden deutschen Wollhändlers bei den verzweifelten Eltern anlangte, welcher da-