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Zweites Blatt. Erscheint »Schontlich dreimal u. zwar Diens tags, Donnerstag und Sonnabends. Bezugspreis viertel). j Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen j Mk.55pf. Einzelne Nummern s0 Pf. > ThslM DD, Kebtklths M Hk UMgeÄtL. Amtsblatt Inserate werden Montags, Mittwochs und freitags bis spätestens Mittag» ;2 Uhr angenommen, ^nsertionspreis s O pf. pro dreige- spaltene Lorpuszrile. für die Rgl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Lorftrentamt zu Tharandt Druck und Verlag von Martin Berger in Firma H. A. Berger in Wilsdruff. — Veraniwoetlich für die Redaktion H, A. Berger daselbst. No. 23. Zum Zonntage Jnvocavit. Hesekiel 34 V. 12. Wie ein Hirte seine Schafe sucht, wenn sie von seiner Herde verirret sind, also will ich meine Schafe suchen. Wir sind in die Passionszeit eingelreten; ernst gerichteten Gemütern ist sie im ganzen Kirchenjahre die liebste Zeit, wie ihnen die Passionslieder die liebsten Kirchenlieder sind. Aus vieler Herzen sprach jener Sterbende, der seine Tochter bat: „Ach sing noch einmal nur das Lied Vom Haupt voll Blut und Wunden, Der frommen Lieder frömmstes Lied, Vom Heilgen Geist erfunden!"' Was ist es doch, was in der Passionszeit so mächtig des Menschen Herz ergreift? Die Thatsache ist es, daß der gute Hirte leidet für die Schafe und sich lieber selbst zum Opfer giebt, als daß er seine Schafe den, Wolfe überließe. Wir gingen alle in der Irre wie Schafe. Die Verirrten hcimzuholen, kam der gute Hirte vom himmlischen Throne in die Welt. Siehe, wie er den Verirrten so treulich nachgeht, den Zöllnern, die ibre Hände b-fleckt haben mit unrechtem Gut, den Sünderinnen, die ihre Ehre verloren haben, aber auch den Elenden und Kranken, die in ihrem Leiben verzweifeln. Kein Weg ist ihm zu weit, kein Pfad ist ihm zu steil, kein Abgrvnv ist ihm zu tief: Er sucht das verlorene Glied seiner Herde, bis er es findet. Eins nach dem Andern bringt er wieder. Doch der Wolf muß Beute machen. Da giebt der Hirte sich selbst ihm zur Beute, einer für alle und einmal für olle. Denn nachdem er den Hirten zerrissen hat, hat der Wolf kein Anrecht mehr auf die Schafe, die dem auserweckten, zum Throne zurückgekehrten Hirten folgen wollen; er muß in ohn mächtigem Grimme sie ziehen lassen. Hast du dich unter den sanften Stab Jesu begeben, bist du aus der Irre von ihm aus den schmalen aber sicheren Weg zurückgebracht, so sei ganz getrost: kein Feind darf dir Hinfort etwas anhaben, der Hirte leitet dich troß aller Fährlichkeiten heim in die ewigen Hürden. Freilich nicht alle Verirrten folgen der Stimme des suchenden Jesu. Viele lieben die Irrwege der Wilvniß wehr, als den geraden sicheren Pfad. Andere meinen durch eigene Kraft sich zurückfinden, zu können, ohne des Hirten zu bedürfen. So lange sie wollen, giebt Jesus sie nicht aus, lockt sie wieder und wieder — och, daß sie hören wollten! Denn schließlich, wenn sie in der Irre bleiben, kommen sie auch in der Irre um, eine Beute des Räubers, der längst auf sie wartet. Es kommt eine Stunde, in der der Hirte auf den Hilferuf seiner Schafe mit blutendem Herzen sagen muß: Zu spät! Noch ist die Stunde nicht gekommen, für keinen, der dieses liest. Noch geht der Hirte dir nach, lockend, bittend. PassionS- zeit ist angebrochen — ach, daß sie dir eine Sezenszeit werden möchte! Laß dich finden vom guten Hirten, laß dich finden! Aus Deutschlands großer Zeit. Erinnerungen zum 25jährigen Jubiläum des Krieges 1870/71. 58. Der Friede. Sonntag den 6. Februar 1871 zwischen 5 und 6 Uhr nachmittags, unterzeichnete Bismarck mit einer goldnen Feder, die ihm hierzu von einem Pforzheimer Fabrikbesitzer verehrt worden war, die Präliminarien; es folgte von Seiten Bayerns Giof von Vray-Steinburg, von feiten Würtembergs Freiherr August von Wächter, von derjenigen Badens Julius Jolly, französischerseits Thiers und Favre. Der Kaiser von Rußland wünschte dem Kaiser Wilhelm Glück und Frieden und daß er dauerhaft sein möge; der Definitivfriede wurde am 10. Mai zu Frankfurt a. Main unterzeichnet, wovon noch in einem be sonderen Artikel erzählt werden soll. In Paris war, als der beschlossene Einzug bekannt wurde, die Aufregung sehr groß. Die deutsche Heeresleitung hatte, um jeden Anlaß zu einem Zusammenstöße mit der zügellosen Volks- massc zu vermeiden, sich mit der Besetzung nur eines kleinen Theiles von Paris zufrieden erklärt und die Zahl der jedesmal in Paris verweilenden Bewaffneten der deutschen Armee sollte nicht 30000 überste'geu, auch sollten keine Requisitionen gemacht werden. Die Pariser Volkswuth trat vor dem Einmarsch durch zahlreiche Ausschreitungen in die Erscheinung; allein General Piney halte soviel Verständmß, die dem Einmärsche bereiteten Sonnabend, den 22. Februar Hindernisse zu beseitigen. Noch mehr hielt die Masse der Pariser von Tätlichkeiten zurück die Erkenntmß, daß bei dem ersten in Paris fallenden Schüsse die Kanonen der Forts den Befehl hatten, die Beschießung der Vorstädte sofort zu eröffnen. So begnügte man sich in Paris mit pöbelhaftem Lärm beim Ein zug und mit theatralischen B-zeigungen die Trauer, indem die Standbilder der großen Städte Frankreichs, auf dem Konkor- dienplatze verhüllt, die Reliefs am Triumphbogen verschalt wurden; man juchte anfänglich die Stadtheile der Deutschen zu meiden, man schloß die öffentlichen Lokale und zog Vor hänge vor die Fenster. Am 1. März zogen die Sieger mit fliegenden Fahnen in der friedlichen Hauptstadt ein. Vor dem Emzuge wurde eine große Parade auf der Rennbahn (dem Hippodrom) in den Long- champs am Boulogner Gehölz abqehalten. Zum Einmarsch wurden 11000 Mann vom 6. Corps, 8000 vom 11. und 11000 vom 2. bayrischen Korps bestimmt. Um 1 Uhr war die Parade, von Kaiser Wilhelm und dem Kronprinzen abge nommen, beendet und nun erfolgte der Einmarsch auf vier ver schiedenen Straßen durch das Boulogner Gehölz nach dem großen Triumphbogen auf der Place de l'Etvile. Die Generale, der Herzog von Koburg, der Großherzvg von Mecklenburg, Prinz Karl, der Kronprinz von Sachsen und andere Fürstlichkeiten ritten vorauf. Inzwischen hatte ein kleines Häuflein deutscher Truppen von der stolzen Hauptstadt Besitz genommen. Früh um 8 Uhr war Lieutenant von Bernhardi vom 14. Husaren - Regiment mit 6 Mann nach dem großen Triumphbogen gesprengt, um den eine sichte Menschenmenge sich drängte. Der Bogen selbst war mit einem Wagen, einen Erdaufwurf und mit Ketten ge sperrt. Bernhardi forderte die Menge auf, Platz zu machen, was auch geschah, ließ den Wagen wegschaffen und setzte mit geschwungenem Säbel über den Erdaufwurf hinweg. Sehr bald folgten eine größere Anzahl Vortruppen, die amJndustriepalaste Aufstellung nahmen, wohin sich auch General von Kamecke und Graf Waldersec begaben, um mit den französischen Behörden über die Einquartirung zu verhandeln. Solange noch nicht viele Regimenter einmarschirt waren, erlaubte sich der Pöbel, der wie immer in solchen Fällen emportauchte, zahlreiche Ueber- griffc gegen deutsche Offiziere und Soldaten, die jedoch in aller Gemürhsruhe und ohne Erregung abgewehrt wurden. Einigen Zcitungskorrespondenlen und mehreren französischen Frauen wäre es übel gegangen, wenn deutsches Militär sie nicht aus den Händen der wüthenden Volksmenge befreit hätte. Als jedoch die Zahl der emmarschirenden Regimenter wuchs, wurde der Pöbel stiller und noch am selben Tage konnte man die deutschen Soldaten, die kurze Pfeife im Munde, mit Gruppen Pariser Bürger plaudern sehen. Auch die Cafecs und Restaurants öff neten sich sehr bald wieder, waren sie doch in Wirklichkeit nur aus Furcht vor dem Pöbel geschlossen worden. Am 2. März nahm der Stadttheil der Deutschen erst recht ein heiter bewegtes Aussehen an. In Massen strömten die Pariser an, um die Deutschen zu sehen und die Stimmung war eine nichts weniger als feindliche. Jndeß wurde aus dem weiteren Einmarsch der Truppen nichts mehl. Die Nationalversammlung hotte, um den ferneren Einmarsch zu verhindern, den Friedenspräliminar- Vcrtrag am 1. März abends mit 246 gegen 107 Stimmen angenommen. Kaiser Wilhelm, der für den 3. März seinen feierlichen Einzug festgesetzt hatte, aus dem nun auch nichts wurde, traf Vorsorge, daß alle vor Paris liegenden Truppen theile die Stadt in Augenschein nehmen konnten; sie wurden in kleinen Abtheilungen ohne Waffen von ihren Offizieren hercin- geführt. Die Soldaten durften die Tuilerien und das Louvre besuchen. Graf Bismarck war schon am 1. März nach Paris gekommen; am 2. März besuchte der Kronprinz mit dem Groß herzog von Baden die Einzugstruppen. Auch der Kaiser kam, jedoch ohne großen Einzug. Nach Empfang und Ratificirung der Präliminarien-Ur kunde telegraphirte Kaiser Wilhelm an die Kaiserin Augusta: „Soeben habe Ich den Friedensschluß ratificirt, nachdem er schon gestern in Bordeaux von der Nationalversammlung ange nommen worden ist. Somit ist das große Werk vollendet, welches durch fiebenmonatliche siegreiche Kämpfe errungen wurde, Dank der Tapferkeit, Hingebung und Ausdauer des unvergleich lichen Heeres in allen seinen Theilen und der Opferfreudigkeit des Vaterlandes. Der Herr der Hecrschaaren hat überall unsere Unternehmungen sichtlich gesegnet und daher diesen ehrenvollen Frieden in Seiner Gnade gelingen lassen. Ihm sei die Ehre! 1886. Der Armee und dem Vaterlande mit tieferregten Herzen Meinen Dank." In Berlin wurde infolge dieses Tclezrammes am 3. März ein Friedensdankfest gefeiert. Am 3. März, 8V4 Uhr morgens, begann der Abmarsch der Truppen nach dem Trmmphbogen. Voran marschirten die Bayern; als sie vor dem Triumphbogen kamen, schwenkten sie die Helme und riefen „Hurrah". Die Pferde bäumten sich; ein ungeheurer Sturm von Aufregung schüttelte die Reihen. Noch waren zahlreich-Regimenter nicht durchmarschirt, da krachte ein Schuß. Der Mäßigung der Deutschen war es zu danken, daß dies nicht das Signal zu einem Blutbadc wurde. Als der Zug sich seinem Ende nahte, wurde der Pöbel wieder über- müthig; er drängte auf die Soldaten, schimpfte, schrie und pfiff. Die letzten Soldaten wurden mit lautem Pfeifen begleitet; einen Dragoner traf ein Steinwurf, ein Wagen mit Offizieren wurde mit Schmutz und Steinen beworfen. In abgemessener Ent fernung rückten französische Lmientruppen nach und hielten den Pöbel von weiteren Ausschreitungen ab. Um 11 Uhr nahm der König in den Longchamvö eine zweite Parade ab. In der letzten Stunde. Erzählung von Emilie Heinrichs. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) „Das Haus Schrötter und Komp, wird in den nächsten Tagen fallieren." Francis erschrack. „Das ist eine schlimme Nachricht, Sir!" versetzte er er regt; „war die Börse schon alarmiert?" „Nein, Lekombe hat mir eme Prioatdepesche zugehen lassen." „Mit Nennung des Namens?" „Unter Chiffre — er glaubt, daß wir bei rascher Mani pulation uns decken können. Wie schade, daß Sie nun ge rade krank geworden sind —" „Befehlen Sie über mich, Sir!" fiel der junge Monn rasch ein; „die "Apathie, welche mich ergriffen, ist bereits ge hoben. — Sie bedürfen eines sicheren Mannes, welcher Ihre Interessen m Berlin persönlich wahrt, — wenn ich Ihres Vertrauens bisher mich würdig gezeigt —" „O, 0, wie können Sie daran zweifeln," rief der Kauf mann lebhaft aus, „ich kenne keinen Besseren zu dieser Mission und war deshalb sehr bestürzt, als ich von Ihrem plötzlichen Erkranken hörte. Die Sache leidet nicht eine Minute Aufschub, — und wenn ich nicht befürchten müßte, Ihre Ge sundheit aufs Spiel zu setzen —" „Im Gegentheil, Sir, die Reise wird mich ganz gesund machen," fiel Francis etwas ungeduldig ein. — „Ich bitte nur um genaue und gemessene Instruktionen." „Hier ist Alles, was Sie gebrauchen," nickte Palmer, sein Portefeuille h-rvorziehend und verschiedene Papiere auf dem Tisch ausbreitend, „geben Sie mir gefälligst Papier und Tinte, um Ihnen eine Vollmacht, Anweisungen und dergleichen noth- wendige Dinge auszustellen." Francis schob dem alten Herrn einen bequemen Sessel hin und holte das Nöthige zum Schreiben herbei, worauf eine geraume Weile nur das Kritzeln der Feder vernehmbar war. „So, das wäre in Ordnung," sagte der Kaufmann, das Geschriebene überfliegend und es dann mit seinem Ringe, welcher in eigenthümlicher Weise seinen vollen Namen enthielt, unter siegelnd, „das wird genügen, überzeugen Sie sich, Mr. Francis!" Dieser nahm die Papiere entgegen, welche unbeschränkte Vollmacht zum persönlichen Handeln repräsentirten. „Ich danke Ihnen, Sir!" sprach der junge Mann ein fach, „und werde mir meiner schweren Verantwortlichkeit, wie des großen Vertrauens stets bewußt sein. — Empfange ich noch eine besondere Instruktion, Sir?" „Nein, mein junger Freund!" versetzte Palmer, ihm herzlich die Hand reichend, „Sie bedürfen derselben nicht, ich vertraue Ihrer Einsicht und Geschäftskenntniß vollständig und würde Ihnen im Falle des Mißlingens nicht die geringste Schuld beimessen. Wann gedenken Sie abzureisen?" Francis zuckte plötzlich erschreckt zusammen; — er hatte den mysteriösen Dr. M'Lean und den Jokey-Klub ganz vergessen. „Ich werde mit dem Nachtzugc reisen, Sir!" sagte er hastig. Palmer zog seine Uhr. „Vier," sagt- er nachdenklich, „Sie reisen demnach um