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Wilsdruffer Tageblatt : 13.11.1934
- Erscheinungsdatum
- 1934-11-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-193411139
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19341113
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19341113
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1934
-
Monat
1934-11
- Tag 1934-11-13
-
Monat
1934-11
-
Jahr
1934
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 13.11.1934
- Autor
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GylepWloyßs -Sloyöe. Wep Wslöl^^ep ^ory Hoöe^al. Eine Harz-Geschichte von Otto Boris. Die Blätter der alten Buchen und des Weidengehänges an der Bode färbten sich gelb. Es strich kühl aus der Klamm, und bergwärts zogen die Nebel, da spähte der alte Wildkater Raunz vom Feksenhange in den brodelnden Dunst hinab, stellte die Lauscher nach vorn und ließ laut und durchdringend seinen tiefen Baß ertönen: „Fra—u, Fra—u, Fra—a!" Er verhielt, lauschte angestrengt. Keine Antwort. Die Sehnsucht brannte heiß in seinem leidenschaftlichen Katerherzen. Fünf zehn Jahre, das heißt solange Raunz zurückdenken konnte, hatte sein Ruf Antwort erhalten. Immer war dieses Weiche, biegsame Wesen mit dem rosigen Näschen, den zarten Pfoten und den großen Wunderaugen in erreichbarer Nähe gewesen. Sie hatten gemeinsam gejagt, geliebt und Junge gepflegt. Eines Abends spürten sie den Geruch von Jungvögelu aus der Klamm aufsteigen. Beim nähern Zusehen regte sich's da unten. Er war ein Kater in gesetztem Alter und überlegte noch, da hatte ihre leidenschaftliche Jagdlust schon den Aus schlag gegeben. Sie wagte den Gang über die glatte Fläche eines Felsens. Er mauzte leise in höchster Angst... Und dann kam etwas ganz Furchtbares. Ein riesiger Schatten bewegt« sich blitzschnell heran und fuhr fauchend auf die Lebensgefährtin nieder. Sie glitt aus und fiel tief, tief ins Dunkel. Wasser plätscherte, dann war's still. Der Schatten aber wurde zum alten Uhu, den Raunz seit langer Zeit mied. Dicht vor ihm blockte das Unwesen aus und stieß ein so drohendes „Huhu" aus, daß Raunz sich alle Haare am Leibe sträubten und er in langen Sprüngen in den Wald bctzte. Aber immer wieder zog es ihn zu der Unglücksstelle zu rück. Immer wieder ließ er seine klagenden Ruse hören. Sn kam nicht. Nur der Uhu gab zuweilen Antwort. Als die Liebste ohne Scheidegruß ins Dunkel ging, Ware« die Blätter goldiggrün gewesen, die Nächte warm und vol! Leben. Jetzt färbte sich das Laud gelb, rot und braun. Di« Nächte waren kalt. Es gab Reif am Schnurrbart. Bergesser aber hatte Raunz nichts. Und da die Gefährtin durchaus nich: kommen wollte, ging er sie suchen. Ueber Felsen, Gestein, hängende Wurzeln und morsche Stämme wand er sich fluß abwärts. Nur dann verließ er die Bode, wenn er Beut« machen mußte. Um diese Zeit verunglückte in Thale die alte Frau Happel Sie war ein wirklich unleidliches Weib, eines von der Art der man allerlei Böses andichtet, weil unmäßige Häßlichkeit und unübertreffliche Boshaftigkeit der Volksphantasie di« Richtung ins Düstere weisen. Ob die Alte nun wirklich ein« Hexe gewesen ist, ab und an Versuche gemacht hat, zum Teufe in ein Dienstverhältnis zu treten, kann hier nicht untersuch werden. Gedacht aber hat sie an den neunmal Geschwänzten oft Als sie nun in der Dämmerung vom Bodetal zum Hexen ^niylatz oufsteigen wollte, lwrie ihr eine tiefe, schauerlich Stimme klagend entgegen. Noch ein paar Schritt tat sie, d« funkelten grünliche Augen au' dem Geäst. „Jetzt hat er mich" sachte sie, trat einen Schritt rückwärts, trat ins Bodenlos« und fiel. Leute, die zu dem heutigen Gasthause Waldkater, da- damals noch ein echtes Harzer Holzhaus gewesen ist, auf- stiegen, fanden sie irr redend mit gebrochenen Knochen an Wege. Sie trugen das Unglücksgeschöpf samt der Kiepe, au- der Schwämme, Beeren und Kräuter gepurzelt waren, zun Wirtshaus. Unter den Pfeilern der Holzvrranda kam sie zun Bewußtsein: „Bringt mich hinein", wimmerte sie, „der Teufel der Teufel " Unter den Harzwandercrn befand sich auch ein geistliche: Herr. Er meinte, man müsse ihr den Wunsch erfüllen, da sn eure Sterbende sei. Die Einheimischen aber weigerten sich das zu tun. Da mußten eben die Gäste zufassen. Der Pfarre: blieb allein bei ihr. Sie beichtete. Drauße^i heulte der Sturn un>. die Felsen. Dürres Laub fuhr raschelnd gegen die kleiner halberblindeten Scheiben. In den Tannen rauschte es ge waltig. Auf dem Dache klapperten die Schindeln. Es wa: eine lange Kette spitzer Gehässigkeiten, ein Leben voll Grauen Angst und Verfolgung, das die Alte zu berichten hatte. Dc der Beichtiger ein Menschenkenner war, fragte er sich, wievie- Schuld an diesem verfehlten Leben Wohl die lieben Nächster treffen mochte. Nach dieser Frage war es ein leichtes, di« Alte von Todsünden freizusprechen und aufs Gebet zu ver weisen. — Da aber hakte es. Das vereinsamte Geschöpf könnt« nicht beten. Der greise Mund war nur Verwünschungen ge wohnt. Tie Alte lispelte, bewegte die faltigen Lippen uni lauschte in die Nacht. „Fra—u, Fraa—u!" schrie es gefährlich laut und durch dringend unter dem Fenster. Zugleich schoß die Katze Hinte: dem Ofen hervor und rettete sich aufs Bett der Alten, wo sn einen krummen Buckel machte und verstört umherspähte. Mi- letzter Kraft richtete die Sterbende sich auf, wies nach dem Fenster und schrie, von Grauen geschüttelt: „Da ist e: wieder " Es war ihr letztes Wort. Dem Pfarrer sträubten sich die Haare. Als Kind seine: Zeit war er ja dienstlich verpflichtet, an den Teufel zu glauben „Sie hat nicht alles gebeichtet. Sie hat mich im Angesicht de« Todes belogen!" stammelte er, wich rückwärtsschreitend von Lager und kam solchergestalt Gebete murmelnd in das Gast zimmer zurück. Dort saßen Gäste und Wirtsleute bleich mi: entsetzten Augen und fragten: „Haben Sie's gehört, Hoch würden?" Nur der Wildhüter rauchte gemächlich seine Pfeife Ein Schelm lichterte in den Krähenfüßchen um seine Augen Der Pfarrer hielt sich die Ohren zu, denn wieder kam das schauerliche Geheul. Die Katze benahm sich ganz merkwürdig, sie kam aus dem Sterbezimmer gerast, sprang auf den Ofer und spähte von dort herunter, als würde sie verfolgt. De: untrügliche Instinkt des Tieres war ausschlaggebend. Nie mand wollte schlafen gehen. Bis zum Morgen brannten im Ofen Scheite. Und ließ die Angst mal nach, dann heulte de: „Geschwänzte" draußen. Die Mär von dem entfesselten Teufel des Bodetales ver- breitxte sich mit Windeseile, denn das Neueste und Schauer lichste, was man den Gästen auftischen konnte, war der Spuk der die alte Happel geholt hatte. Da wollte niemand da- Wirtshaus besuchen. Auch das Gesinde konnte das nächtlich« Geschrei nicht mehr ertragen und floh heimlich davon. Wir: und Wirtin, beide alte Leute, zogen zu ihren Kindern nach Quedlinburg. Der Wildhüter übernahm die Sorge für dal Hauswesen. Im Frühling bekam er den Spuk persönlich zu sehen Miezes Liebesgefühle überwanden nach und die nach die Furch: vor dem grimmen Ritter, vom Berge. Der Wildhütcr ichlof aus den Fährten, daß Miez nachts mit dem Teufel lustig zr tanzen Pflege. Ost vernahm er ihre Stimmen, die sich ir Wechselgesängen und zuweilen in markerschütternden Duo ergingen. Er freute sich auf die jungen Teufel, von denen e: sich eine stramme Zucht versprach. Um seine Stellung in dem Hause zu sichern, sprengte e: das Gerücht aus, die Seele der alten Happel sei in die Haus mieze gefahren und triebe mit dem Bösen Buhlschaft. Dem alten Kater Raunz zu Ehren fertigte er ein Schild an, ach dem er mit seinem schlichten Können einen Wildkater dar zustellen versuchte. Der sah nun tatsächlich wie der „Böse" aus, ist aber trotzdem das Urbild des heutigen Waldkater schildes gewesen. VerpklayLs. Skizze von Albert Kreiß. Ehe ihm die unangenehme Geschichte zugestoßen war, sch Waldbrink abends allein in seiner Wohnung und bewachtet das Schriftbild in dem letzten Brief feines Freundes Folkert des Büroangestellten, der vor einiger Zeit Plötzlich unter selt jamen Umständen die Stadt verlassen und ein Gärtnerlebei angefangen hatte. „Verpflanzt, verwandelt", murmelte Waldbrink vor sch hin. Er erinnerte sich des Abschiedsabends. Es war Voll mond und diesige, Weiche Luft gewesen. Langsam kam Folker damals in die Wohnung. „So feierlich? Braun gebrannt und windverweht, klar« Augen, — die See hat Dir Gutes getan. Du bist wohl schor wieder im Geschäft gewesen", begrüßte ihn Waldbrink. Folker jchwieg und suchte sich den bequemsten Sitz, den es bei Wald brink gab, eine jesselartige Einrichtung aus alten Paddel bootsitzen. „Stell' den Rundfunk ab, Waldbrink! Ich will sprechen Ich hin verwandelt", sagte Folkert dann langsam. Waldbrink elektrischer Kocher surrte auf. „Das waren drei merkwürdige Sätze. Du mußt wohl jetz Deinen Tee haben, Folkert." „Nein, Kaffee, Waldbrink." „Das ist etwas ganz Neues." „Ich brauche auch keinen Tabak mehr, Waldbrm!/ „Was rauchst Du denn? Du bist von allen Geister« verlassen." „Nein, ich bin nur verwandelt, Waldbrink." „Hätte ich Dich doch nur nicht allein nach der See fahre« lassen. Ich habe mich sehr auf die Abende mit Dir gefreut: aber jetzt bist Du mit unheimlichen Gedanken hier, Folkert/ „Die See hat mir nichts Böses getan, Waldbrink. Sü gab mir nur meine Ruhe wieder." „Ja, ruhig bist Du bei alledem. Aber hör' mal! Ver wandelt? Wir beide sind doch vernünftige Menschen. Drück« Dich gefälligst klar aus; denn sonst wird es mir sonderbar ../ „Nun, jetzt hör Du zu! Es war auf der Heimfahrt an letzten Tage meines Urlaubs, als ich in das Märchenland kam Ich hatte auf einer Station mehrere Stunden Zeit bis zu: Abfahrt meines Zuges. Ich sah, daß die Leute Torf mi: Pferdefuhrwerk wegbrachten. Ich wollte das Torfablade« sehen. Es war in der Mittagszeit. Vielleicht lockte mich de: Torfgeruch. Ich folgte den Wagen. Es ging über schmale, lange Straßen, an Windmühlen vorhei durch das Friesenland, Waldbrink." „Halt mal! Hier ist wirklich noch ein Schnaps aus Fries land zum Kaffee. Ich liebe es ja auch. Aber Märchenland? Es ist doch alles dort harte, schöne, klare Wirklichkeit, Folkert/ „Hör zu! Es war Mittag, und da ich den Torfwagen ge folgt war, stand ich plötzlich vor einer Waldinsel. Der Wink brandete in den Bäumen. Eine Brücke führte über eine« breiten, ganz mit grünen Wasserlinsen bedeckten Graben, eine hölzerne, knarrende Brücke. Ein Stein, ein bemooster Find lingsblock, lag da. An diesem Stein klopfte ich meine letzt« Pfeife Tabak aus, Waldbrink." „Ganz verkehrt, ganz verkehrt", murmelte Waldbrink. „Ich sah dann, daß die Torfwagen bei drei oder fünf Häusern innerhalb der Waldinsel abaeladen wurden. Ich ginc in den Wald, war auf moosigen Pfaden, horchte auf den Wink m den Baumkronen, sah, wie die Sonnenstrahlen durch das Laub spielten, und ich dachte nichts. Bon einem reinen, dank- baren Gefühl war ich beseelt, und ich hörte dunkle, fein« Flötentöne, Waldbrink." „Du wirst irgend etwas gehört haben. Aber bis jetzt iß alles wirklich etwas märchenhaft. Weiter, Folkert." „Ich wollte dann durch einen Graben, der sehr trocke« aussah, sich aber als sumpfig erwies. Ich sank ein, kroch müh selig genug wieder heraus. Bei den Häusern fand ich ein« Wasserpumpe und eine Bürste. Ich säuberte meinen Anzug Dabei sprach eine Frau zu mir." „Eine Frau ..." murmelte Waldbrink. „Sie sagte, es sei fruchtbare Erde dort. Es sei mir auä zu empfehlen, dort einen Garten zu bestellen." „Wäre ich doch nur mit Dir auf Urlaub gefahren Folkert!" „Ja, ja. Ich bedankte mich, versprach, irgendein Buck zu schicken und ging nach der Eisenbahnstation, Waldbrink/ Folkert machte eine Pause. „Glaubst Du, daß man imme: genau weiß, ob das Schicksal mit einem glücklichen Zufall ge sprochen hat, Waldbrink?" fuhr er fort. Waldbrink murmelte daß er von dergleichen nichts wisse. „Am Bahnhof vermißte ich meine Brieftasche mit Fahr schein. Ich fand noch zwei Mark lose in meinen Taschen, gal ohne Bedenken ein Telegramm auf, das meinen Urlaub un einen Tag verlängerte, und ging nach dem Märchenlani zurück, übrigens recht langsam und recht schwerfällig. E- wurde Mitternacht, als ich wieder in der Waldinsel war. Au- den Häusern hörte ich die Menschen schnarchen. Und ich fani meine Brieftasche unversehrt an der Pumpe. Ich wollte nu: einige Stunden mit einem Spaziergange zubringen, bis in de Frühe mein Zug abgehen würde. Ich mußte noch an einen der Häuser vorbei. Dort war nun in einem hell erleuchtete: Fenster die Arau vom Mittag. Sie kam sofort heraus, er klärte, «daß sie mich erwartet habe, um mit mir über da Leben zu sprechen. Du weißt, Waldbrink, daß es gar nicht zi meinen Neigungen gehört, zu nachtschlafender Zeit mit Weib lichen Wesen über das Leben zu sprechen." „Allerdings", murmelte Waldbrink. „Die Frau wußte nicht, daß ich meine Brieftasche ver loren hatte. Wir gingen nun auf dem Wege hin und her, bi der Tag kam, und wir besprachen manches. Zuletzt sagte sn es werde alles gut werden. Und als ich kaum acht Stunde: oon meinem Urlaub zurückgekeht war, teilte mir die Fra: telegraphisch mit, daß sie einen Garten für mich erworbei habe. Und ich bin veMandeU, habe seitdem keinen Tabak meh geraucht, nicht eine Pfeife, Waldbrink..." Waldbrink erinnerte sich der letzten Worte seines Freun des nicht mehr genau. In seinem Geiste sah er Folkert lang sam fortgehen, die Treppe hinunter, auf die Straße, nach de« nahen Bahnhof. Wie damals blickte nun Waldbrink aus de« Fenster. Wie damals war es drei Uhr nachts. Leer war nm der Bahnhofsplatz. In dieser Nacht schlief Waldbrink nicht Nur mit Schuhen, Hemd und Hofe bekleidet, verließ er fein Wohnung. Es war Vollmond und diesige, Weiche Luft. Morgens gegen acht Uhr wurde Waldbrink von eine« Polizeibeamten gestellt, weil er einen jungen Baum in dei Händen trug. „Ausgraben, — muß verpflanzt werden", murmelte Wald brink und gab als seinen Namen den seines Freundes Folker an. Der hilfreiche Polizeibeamte brachte Waldbrink in sein Wohnung. „Ich bitte um Entschuldigung. Aber ich dachte zu sehr a: meinen Freund Folkert. Bitte sorgen Sie für meine Be strafung wegen Baumfrevels, falscher Namensangabe und wenn es geht, auch wegen mondsüchtigen Umhertreibens" jagte Waldbrink und rieb sich die Augen munter. Aber es geschah dann nur» was gesetzlich möglich war ^ohele Liy^ clie sgHoyischey heikel-. Ein Weingeschichtchen vom Bodensee, erzählt von E. Trost. Rund um den sonnigen Bodensee find alle Hänge und Hügel mit Reben bepflanzt. Das sieht südländisch aus, aber der Saft, der aus den Trauben gewonnen wird — na ja — Die Seeanwohner gelten als tüchtige Weinbauern. So ungern sie ihren Spitznamen „Seehasen" hören, so wenig erfreut sind sie auch, wenn man ihren Wein mit allerlei schlechten Scherzen lästert. Etwa mit jenem von dem spa nischen Ritter, der, an Tüdweine gewöhnt, nach dem ersten Schluck vom edlen Seetrank die Zähne nicht mehr voneinan der brachte, so daß man sie ihm mit einem Stemmeisen ge waltsam öffnen mußte. Oder von dem Mann, dem der brenn saure „Suser" ein Loch durch die Magenwand und die lederne Hose gefressen haben soll, weil der Unglückliche nach reichlichem Weingenuß müde ekAschlief und versäumte, sich im Schlaf öfter umzudrehcn. Die Seehasen können, wie gesagt, solche Witze nicht leiden. Und um die Ehre ihres bissigen Heimattrankes einigermaßen zu retten und zu beweisen, daß auch des Weines Säure für etwas gut sein kann, erzählen sie die — freilich ganz unver bürgte — Geschichte von der Schlacht bei Höchstädt. Damals soll nämlich das Kriegsglück der Kaiserlichen allein durch den sauren Bodenseewein entschieden worden sein. Und, nicht zu vergessen, durch den gescheiten Aeschacher Jokele, den besten Weinkenner rings um den blauen Bodensee. Anno domini 1704 war der Spanische Erbfolgekrieg gerade im besten Schwung. Max Emanuel von Bayern, 'Mar schall Tallard und Marschall Marsin sammelten ihr Riesen heer zwischen Höchstädt und Blindheim. Die Kaiserlichen unter Prinz Eugen von Savoyen und dem Herzog von Marl borough zogen ihre Truppen ebenfalls von allen Seiten zu sammen, um den Feinden entgegcnzutretcn, Auf dem Marsch nach dem Lager der Kaiserlichen kam eine Truppe von savoyischen Reitern vom Bregenzer Wald her an die Ufer des Bodensees. Dort war man gerade bei der Weinlese. Ein selten früher Frühling und ein heißer Sommer hatten den Seehafen eine ganz außergewöhnlich frühe und so reiche Weinernte beschert wie schon seit vielen Jahrzehnten nicht mehr. Ueberall füllten sich die Winzer- bütteu mit Trauben, überall strömte süßer, süffiger Most aus den Keltern. Die savoyischen Reiter, Italiener und Süd tiroler, bekamen hier Heimatgefühle. Sie tranken den süßen Traubenmost, scherzten mit den hübschen Schwabenmädle und vergaßen Weitermarsch und Krieg. Der Oberst hatte strengen Befehl, mit seinen Soldaten bis zum Soundsovielten im Lager des Herzogs von Savoyen einzutreffen, und nun verweigerten die Kerle kurzerhand den Gehorsam. Sie hatten ihre Löhnung eit längerer Zeit nicht mehr bekommen und waren infolge- >esscn schon ziemlich aufsässig gestimmt. Der süße Wein machte ie noch widerspenstiger. Sie wollten einfach nicht weg von dem Most und oen netten schwäbischen Mädchen: alle Befehle und Drohungen der Offiziere halfen nichts. Der Oberst war verzweifelt und fühlte schon im voraus alle Schrecken des drohenden Strafgerichts, denn Eugenio di Savoy verstand in solchen Dingen keinen Spaß. Doch wußte der Oberst sich keinen Rat, bis sich eines Tages der Jokele von Aeschach bei ihm melden ließ und erklärte, er wisse von den Sorgen des Herrn Obersten. Auch seine Meinung sei, daß die Reiter so bald als möglich abziehen müßten. Erstens wegen des Krie ges. Zweitens wegen des Weines. Denn es sei schon eine Unmenge Fässer leergetrunkcn, und man wolle von dem köst lichen Ergebnis des Weinjahres doch selber auch noch etwas haben. Und drittens wegen der Mädchen Als der Offizier auf diese Rede hin nur die Achseln zuckte, meinte der Aeschacher Jokele verschmitzt, man müsse eben den köstlichen süßen Most verschwinden lassen und dafür eine andere Sorte Seewein in die Fässer füllen Es gebe ja auch noch andere Jahrgänge ... Ob dem Herrn Obersten der schleunige Abzug seiner Reiter Wohl eine Handvoll goldener Dukaten wert sei? Der Oberst war mit Freuden einverstanden. Nachts, als die Soldaten schnarchend auf dem Stroh lagen, begann der Aeschacher Jokele mit einer Anzahl Helfern eine emsige Arbeit. Die Keltern in der ganzen Gegend wurden unbrauchbar gemacht und aus sämtlichen Kellern verschwanden die Fäiscr und Bottiche mit dem süßen Most. Dafür kamen auf Befehl vom Jokele andere hinein, deren Inhalt von ganz besonders „rassigen" Lagen stammte. Als die Soldaten am andern Tag lustig Weitertrinken wollten, schüttelte es sie nach dem ersten Schluck vom Scheitel bis zur Sohle. Ihre Kehlen brannten wie Feuer, und die Haare standen ihnen vor Entsetzen zu Berge. Aber alles Fluchen half nichts und ebensowenig das Durchsuchen der Keller: Jedes Faß, das man anstach, enthielt einen Wein von geradezu wunderbarer Säure. Nun waren die savoyischen Reiter plötzlich durchaus bereit zum Abziehen, fluchtartig ver ließen sie die Gestade des Bodensees. Das Entsetzen über den sauren Seewein ipornte sie zu derartigen Gewaltmärschen an, daß sie doch noch zur befohlenen Zeit im Lager der Kaiser lichen eintrafen. Sie kamen noch eben recht, um an de: Schlacht teilzunehmen. Ihr tapferes Eingreifen soll im letzten Augenblick den Kaiserlichen den Sier, gebracht haben, und di« Seehasen sind heute noch stolz auf diese Wirkung ihres Reben saftes und oen schlauen Einfall des biederen Jokele von Aeschach.
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