Volltext Seite (XML)
Beilage zu Ro. 5. Sonnabend, den 11. Januar 1896. Tierschutz im Winter. Alle mitleidigen Freunde der Tierwelt mögen in den kalten Wintertagen folgende M a h n u n g e n beherzigen und befolgen. Den Vögeln spende täglich frisches Futter, z.B. allerlei Körner und Sämereien (als Vogelfutter käuflich), Speisereste, nicht ganr obgelöste Knochen zerkleinerte Fleischstückchen, zer schnittene Nußterne, Stückchen Talg, Speck, Schinkenrcste usw.! Diese Stoffe lege auf die Fensterbank oder auf ein Brett, welches vorher vom Schnee zu befreien ist! Solche Übung der Barm herzigkeit übertrage den Kindern, welche große Freude daran finden! Die Tiere des Waldes vor dem Verhungern zu schützen, ist die Pflicht der Jagdliebhaber: „ein echter Jäger — ein Wildheger*. Der an der Kette liegende Hofhund ist durch ein wohl verwahrtes, gut gedecktes Häuschen vor Kälte und Schnee mög lichst zu schützen. Seine Lagerstätte werde öfters mit frischem Stroh und Teppichen belegt und stets warm und reinlich ge- hallen. Man lasse den armen Gefangenen jeden Tag einige Stunden los, damit er sich frei bewegen und freuen kann. An Futter bedarf das Tier jetzt mehr als im Sommer. Sein Trink gefäß werde täglich gereinigt und mehrmals frisch gefüllt. Zughunden binde man eine wärmere Decke auf und lege ihnen, wenn sie ruhen, einen Teppich unter, welcher nach dem Gebrauche vom Schnee befreit und getrocknet werden muß. Diese Gehilfen der Menschen müssen im Winter reichlichere Nahrung bekommen, und es darf ihnen die nöthige Ruhe und Erholung nicht versagt werden. Pferde lasse man bei kaltem Wetter im Freien niemals unbedeckt und lange stehen. Die Hufeisen müssen öfters ge schärft werden. Es empfehlen sich solche mit eingeschraubten Stollen, welche, wenn sie abgenutzt sind, leicht durch neue er setzt werden können. Das Geschirr bewahre man im warmen Stalle auf. Ist dasselbe dem Froste ausgesetzt, und wird dann das eiskalte Gebiß dem Pferde ins Maul gelegt, wie cs leider in manchen Gegenden noch geschieht, so werden dem armen Deie schwere Verletzungen an Lippen und Zunge und große Schmerzen verursacht. Solche schreckliche Tieiquäierei wird leicht vermieden, wenn die Eisenthcile vor dem Gebrauche in warmes Wasser getaucht oder mit einem warmen Lappen gerieben werden. Dieses ist auch nötig, wenn die Pferde im Freien Futter be kommen und ihnen dabei das Gebiß herausgenommen wird. — Daß bei Glatteis keine zu schwere Last ausgeladm werden darf und bei Steigungen Vorspann zu nehmen ist, versteht sich für jeden verständigen Fuhrmann von selbst. Sämtliches Vieh erhalte zur Winterszeit reichlicheres Futter. Die Ställe sind gegen Kälte und Zugluft gut zu ver wahren, die Krippen vor jeder Fütterung zu reinigen. Soll sich das Vieh behaglich fühlen und gut gedeihen, so gebe man reichlich warme Unterstreu und wechsle dieselbe öfter, so daß sie stets locker und trocken, reinlich und weich bleibt. Im Jrrenhause. Roman von E. v. Linden. (Nachdruck Verbote» ) (Fortsetzung.) „Er stellt mir die ganze Anstalt auf dm Kopf,' versetzte er kopfschüttelnd. „Pah, bin ich denn berauscht?" rief Bruno, „sehen Sie mich an, Herr Direktor! — ich könnte noch ein Dutzend Flaschen vertragen. Aber es ärgert mich, daß selbst ich, der sein Tod feind ist, ihn nicht aus der Ruhe zu bringen vermochte, mein Eorgeiz ist dabei engagiert —" „Dann müßte ich mitfahren,' bemerkte der Direktor, der sich ungern von den Freuden zu trennen vermochte. „Lassen Sie ihn allem fahren,' sprach die Inspektorin, seine Hand ergreifend und leise drückend, „Sie bleiben hier, ich denke, Herr Direktor, daß wir uns schon so lange unter- balten werden. Nicht wahr?' setzte sie leise hinzu, „Sielassen ihn allein fahren, was riökiren Sie dabei?' „Man wird ihn nicht zu dem Kranken lassen,' warf der Direktor, dem die Aussicht, mit der schönen Frau allein zu sein, Herzklopfen verursachte, zweifelnd ein. „Dann schreiben Sie einige Worte auf,' rief Bruno, „Unter schrift und Siegel von Ihrer Hand öffnen mir selbst die Pforten der Hölle. Es prickelt mich ordentlich, Revanche von heute Morgen zu nehmen.' Der Direktor war bereits schwankend geworden, der genossene Wein von stärksten Sorte, die Liebesblicke der verführeri- fchen ^rene hatte se,n s^st ruhiges Blut, mehr als gut war, in Wallung gebracht. ° Er blickte Juliane Büsching an und dachte einen Augen blick darüber nach, ob e« wirklich gefäh^^ , . ^Experiment so spät wiederholen zu lassen. Er fürchtete nur für Bruno's Leben dabei, da dieser indessen nicht die geringste Furcht, auch keinen starken Grad von Trunkenheit zeigte, so entschloß er sich, wenn auch ungern, zu der Erlaubniß, besonders da die Zauberin ihn so schmachtend und zugleich verlangend anlächeltc. „Was soll ich schreiben?' fragte er dann, an den Schreib tisch tretend. „Zwei Worte,' rief Bruno, „soll ich diktiren?' „Nur immer zu.' »Ich befehle hiermit allen Beamten der Anstalt, Herrn Walter in Allem, was er vornehmen wird, zu gehorchen, 'ch es selber.' rektor^m Henker! mein Lieber, das geht nicht,' rief derDi- ' ^'e Fever hinwerfend. „Dann ist's nicht's,' meinte Bruno verdrießlich, „und ich bleibe hier. Wenn Sie etwas anderes schreiben da pariren sie nicht Ordre und ich habe es mir in den Sinn gesetzt, den Pro fessor wirklich verrückt ziz machen, so, daß sie ihn morgen schon in einem Käfig präsentsten können. Ich gebe Ihnen meine Hand darauf, Herr Direktor! keine Extravaganzen zu begehen, — ober mein Plan gelingt und Sie sollen wieder ruhig schlafen. Glauben Sie denn auch wirllich, wenn ich selber Tollheiten be gehen sollte, daß Ihre Untergebenen mir gehorchten? Pah, es wäre ein Spaß, wenn Sie mich bei Ihrer Nachhausekunft in der Zwangsjacke vorfänden.' „Nun, eine Clausel werden Sie mir noch gestatten,' lacht der Direktor, „ich setze hinzu: selbstverständlich in Allem, was gegen die Gesetze der Anstalt nicht verstößt. So, nunH die Unterschrift, mein Siegel und die geheime Cabinets-Ordre wäre ausgefertigt." Er drückte das Siegel mit seinem Ringe auf und reichte Bruno das Papier, welches dieser triumphirend entgegennahm und sich sogleich damit entfernte. „Ein toller Mensch," lächelte der Direktor, als er fort war und die Inspektorin sorgfältig die Thüren geschlossen hatte, „er wird nichts ausrichten; dieser Mensch, der Professor näm lich besitzt eine Selbstbeherrschung, die unmenschlich, ja un natürlich genannt werden kann." „Lasten wir ihn laufen," versetzte die Inspektorin, sich dicht an seine Seite niederlassend, „Sie riskiren dabei nicht das Geringste, und ich genieße das Glück, mit Ihnen allein plaudern zu können." „Süßes Weib!" flüsterte der Direktor, seinen Arm um ihre Taille legend, „auch ich bin namenlos glücklich, mit Ihnen allein zu sein. Sie sind so schön, so bezaubernd, daß ich meinen Freund Mohrbach ganz und gar begreife, warum er Ihre Liebe die seiner langweilig tugendhaften Frau vorgezogen.' Er wollte sie küssen, sie entwand sich ihm sanft, um zwei silberne Pokale zu holen, von welchem sie den einen schon vor her, während er am Schreibtisch saß, halb gefüllt hatte. Den köstlichen Nektar goß sie in beide und sagte, ihm den einen Pokal hinschiebend: „Diesen Wein habe ich gespart, wir wollen ihn trinken, daß er das rechte Feuer der Begeisterung in die Adern gieße. Trinken Sie, Herr Direktor! — die Liebe soll leben!" „Sie soll leben!" flüsterte er, den Pokal ergreifend; — Juliane Büsching umschlang seinen Hals und schlürfte den köst lichsten Wein in vollen Zügen, während er den Pokal in einem Zuge leerte. „Bravo! das nenne ich Bescheid thun," lächelte sie mit tückischer Freude, indem sie seine Wange streichelte und ihm zärt lich in's Auge schaute. Der Direktor wollte sie umschlingen, er vermochte es nicht, sein Kopf sank vorwärts auf die Brust, die Augen schlossen sich mit unwiderstehlicher Gewalt zu, schlaff fielen seine Arme herunter. Er murmelte einige unverständliche Worte, rang nach einen Angenblick mit der geheimnißvollen Macht, die ihn so plötzlich bewältigte, und schlief dann fest und sicher. „Du bist nicht mehr gefährlich," flüsterte sie und verließ dann das Zimmer, um der Dienerschaft Befehl zu geben, den Herrn Direktor nicht zu wecken, ihm sei ein Unwohlsein zugestoßen, sich selbst aber zur Ruhe zu begeben; während sie das Haus verließ und nach einem raschen Blicke ringsum aus eine Bank hinter tiefbelaubten Boskett sich niederließ. Neunzehntes Kapitel. Erlöst. Der Kutscher, welcher Bruno am Morgen gefahren, war von ihm schon auf den Abend im Voraus bestellt worden und erwartete ihn bereits seit einer Stunde. Die Fahrt war rasch, Bruno zahlte doppelt, und so kamen sie bedeutend früher auf dem Mondholze an. Der Portier der Anstalt, welcher seinen Gebieter erwartete, staunte nicht wenig, als er Bruno Walter, der ihm indessen bekannt war, erblickte, ließ ihn jedoch nach Vorzeigung der schriftlichen Ordre ohne Umstände eintreten. „Führen Eie mich sogleich in die Zelle des Professors Hermann," sagte er dem wachthabenden Wärter, der ihn an blickte, als sei er ein neuer Insasse dieses Hauses. Bruno zeigte die Ordre mit einem kurzen: „Lesen Sie! die Sache ist Geheimniß, wehe, wenn Sie nicht gehorchen!" „Soll ich den OdcrwLrter wecken?" meinte Jener ängstlich. „Ist nicht nöthig, Sie sehen, ich bin Herr und Sie mein Diener! Oder respektiren Sie dieses Papier nicht? Kennen Sie so wenig Ihres Gebieters Handschrift und Wappen?^ Der Wärter gehorchte jetzt augenblicklich, er kannte den Herrn ja auch von heute Morgen. „Der Professor soll fortgebracht werden," raunte er dem Wärter ins Ohr, „morgen kommt der Fürst, um ihn zu sprechen, er muß bis dahin fort sein. Wehe, wenn Sie mir etwas in den Weg legen, Sie tragen die volle Verantwortlich keit.' Der Wärter war jetzt stumm und willig, leise durchschritten sie die Räume und standen vor des Professors Zelle. Er war noch nicht zur Ruhe gegangen, man hörte ihn auf- und abschreiten. Bruno trat hinein, ging auf den Professor, der ihn ruhig erwartete, zu, und sagte leise: „Wollen Sie mir augenblicklich folgen und frei sein?" „Nein," versetzte Hermann mit lauter Stimme. „Dann ist auch Louise nicht zu retten," flüsterte Bruno. „Es ist Betrug, nichts als Betrug, man will mich in eine noch ärgere Falle locken, dieses Haus ist nicht sicher genug." „Und wenn ich Louise Ihnen gegenüber stelle, auch dann nicht?" fragte Bruno, „eö ist die höchste Zeit, wenn Sie frei sind, sollen Sie Alles wissm, Mühlbach ist verreist, der Di rektor dieser Anstalt hat einen Schlaftrunk erhalten. Glauben, hoffen Sie nicht auf anderwei ige Rettung, Ihr Wahnsinn hat das Neue verloren, man fragt kaum noch darnach, kennen Sie die Welt so wenig?" „Ich will Louise sehen, mit Ihr nur folge ich Ihnen,' versetzte Hermann kurz. " W Bruno verließ die Zelle, draußen wartete der Mann. „Er will mir nicht folgen, so muß ich zu dem zweiten Mittel schreiten," sprach er leise, „führen Sie mich in die Zelle der Frau Doktorin Mohrbach." M Wieder stutzte der Wärter, doch Brunos festes unsicheres Benehmen.'^des Professors Weigerung, sowie von allen Dingen die geheime Cabinets-Ordre machten ihn rasch wieder gefügig. U , „Mit Speck fängt man Mäuse," lächelte Bruno, die arme Frau wird freilich nur einen kurzen Freiheitstraum haben, doch auch dieser ist ihr zu gönnen." „Ach, sie ist nicht bösartig." „Gewiß nicht, aber — gefährlich ists, den Leu zu wecken, — nun, ihr kennt auch wohl Euren Schiller gute Freund?" „Freilich, ich kenne die ganze Glocke auswendig —" „Horribel," lachte Bruno, „da seid Ihr klüger als ich." Der Wärter öffnete geräuschlos eine Zelle und schaute etwas besorgt hinein. „Sie schläft wahrscheinlich," flüsterte er, mit seiner La terne hineinleuchtend. Bruno nahm ihm die Laterne ab und trat hinein, er ühlte hier doch seine Brust ein wenig beengt. Louise lag in ihrem Bette und schlief, — das geisterhaft blasse Antlitz mit den eingesunkenen Augen und Hagern Wangen, der tiefschmerzliche Zug um den kleinen Mund, erzählten nur zu deutlich von ihren Leiden. Bruno betrachtete sie einen kurzen Augenblick, sie war noch immer schön in all ihrem Kummer. Leise berührte er ihren Arm, jäh zuckte sie zusammen und fuhr mit einem Schrei empor. „Louise!" flüsterte er, „erschrick nicht zu sehr, ich bin Dein Bruder, bin zurückgekchrt, um Dich zu retten. — Ich wende mich um, steh' rasch auf und kleide Dich an. Frage jetzt nicht, die Zeit ist kostbar, vertraue und glaube, auch Her mann Wolfgang, den sie ebenfalls hier eingesperrt haben, wird mit Dir frei sein." „Ist das kein Traum?" fragte sie angstvoll, „will er, der Schreckliche, mich vielleicht morden? Bringst Du mich zu meinem Gatten?" „Willst Du wieder zu Deinem Henker, Louise?" „Lieber hier sterben," sprach sie entschlossen, und ihr Blick flammte düster, „ich hasse ihn, der mich in diese« offene Grab gestoßen. Aber meine Kinder, — meine armen Kinder!" setzte sie jammernd hinzu. „Die nehmen wir mit, wenn es angeht, Dein Gatte ist verreist, aber rasch jetzt, sonst bist Du auf immer verloren." Er wandte sich ab und nach wenigen Minuten stand die Schwester angekleidet vor ihm. „Komm, armes Kind! zum ersten Male kann Dein Bruder Dir Gutes thun." Er ergriff ihre Hand und zog sie mit hinaus; ein eigen- thümliches Gefühl erfüllte die verhärtete Brust des Wüstlings, hat doch auch der schlechteste Mensch noch eine Stelle darin, wo irgend ein gutes Gefühl schlummert und, ist es erweckt, auch ihn mit jener Freude erfüllt, die uns dem Göttlichen nähert. Ohne den Wärter zu beachten, schritt er rasch mit ihr durch die stillen Räume, aus welchen dann und wann ein schauerlich klagender Ton erscholl und trat, von jenem gefolgt, in des Professors Zelle, der tief erschüttert, ohne ein.Wort zu sagen, ihre Hand ergriff und sie ehrerbietig küßte. „Vorwärts!' flüsterte Bruno, „es ist die höchste Zeit!" „Was war das?' fragte der Thürhüter bestürzt, als der Wagen mit den Befreiten davonfuhr. „Des Herren Befehl!" erwiderte der Wärter, „sprechen wir nicht davon, es ist ein Geheimniß!" „Wohin soll die Reise gehen?" fragte Bruno im Wagen den Professor. „Nach dem Bahnhöfe," versetzte dieser, „man hat mich gottlob meiner Baarschaft nicht beraubt, ich nehme Louise mit mir." „In diesem Aufzuge? — Sehen Sie denn nicht, daß Sie ohne Hut und Tuch ist? —" „Was machen wir?" „Ich weiß Rath," sagte Bruno rasch, „mag der Wagen einen Augenblick unweit der Terrasse, halten. Ich werde dem Kutscher Bescheid sagen." Auf seinen Ruf hielt dieser still und fuhr nach erhaltener Instruktion rasch weiter. Lonise sprach auf dem ganzen Wege kein Wort, Niemand störte sie in ihren Empfindungen. Als der Wagen das Ziel erreicht und Brun- hinaus- springen wollte, hielt sie ihn zurück. „Ich muß meine Kinder sehen," sprach sie leise, „0, nur ein einziges Mal." „Bleib' Louise!" bat Bruno, „wenn es möglich ist, bringe ich si- mit." „Nein, nein, laß mich," flehte sie schluchzend. „Dann bist Du auf« Neue verloren," versetzte Bruno ungeduldig, „willst Du ins Irrenhaus zurück? In diese«,