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bekannt, bis schließlich die Schlinge zum Fange dieses und seiner beiden Helfer fertig war. Eine sehr beträchtliche Zahl von Pariser Geheimagenten hat Leben und Gesundheit in treuer Erfüllung ihrer Pflicht eingesetzt, und wenn man nur das Personen-Verzeichniß des letzten Jahrzehnts der Sicherheitspolizei durchlieft, findet man hinter so manchem Namen ein gestorben im Dienst oder pen- sionirt wegen gefährdeter Gesundheit." (Schluß folgt.) In der letzten Stunde. Erzählung von Emilie Heinrichs. (Nachdruck Verbote« ) (Fortsetzung.) »Ich werde damit einfach eine Pflicht gegen die gute Ge sellschaft, in welche sich ein schwerer Verbrecher eingeschlichen hat, erfüllen," nickte der Doktor, und seine Brillengläser blitzten herausfordernd im Kreise umher. „Hm, hm," meinte Sir John plötzlich sehr ernsthaft, „Sie scheinen sehr viel Muth zu besitzen, Sir! — Was mich persönlich anbetrifft, so fühle ich mich zu der Erklärung ver pflichtet, Mr. Francis so lange für einen ganzen Gentleman halten zu müssen, bis der Augenschein mich vom Gegentheil überzeugt hat. Ich wünsche Ihnen einen guten Abend! Gentlemen!" Sir John verbeugte sich nachlässig und verließ gravi tätisch das Zimmer, und auch verschiedene Andere machten Miene, seinem Beispiele zu folgen, als der Kapitän mit einem kecken Entschlusse dieser drohenden Flucht zuvorkam und freund lich lächelnd den Vorschlag machte, die unerquicklichen Ge schichten über Bord zu werfen und ein kleines anregendes Spiel zu machen. Der Vorschlag wurde mit Acclamation angenommen; der Kapitän übernahm die Bank, bei welcher Manipulation sein Freund Dr. M'Lean ihn so vortrefflich und in decentcr Weise unterstützte, daß die hoffnungsvolle Jugend der goldenen City bereits nach zwei Stunden mit leeren Taschen und einer be deutenden Ehrenschuld den Heimweg antreten konnte, während der Kapitän ihr fabelhaftes Pech beklagte lind auf morgen Abend Revanche versprach. Wie konnten die jungen Herrn auch nur das leiseste Miß trauen hegen, da Dr. M'Lean ebenfalls mit leerer Börse das Haus verließ? Als dieser sich mit dem Freunde auf der Straße befand, sagte der Kapitän, vertraulich seinen Arm ergreifend: „Du bist der vortrefflichste stille Kompagnon, Doktor, und werde ich die Ernte brüderlich mit Dir theilcn, — gehst doch mit mir nach Hause?" „Nein, Kapitän, ich nehme einen Wagen, um nach meinem Hotel zu fahren, doch forsche nicht weiter, mein Interesse er heischt es, eine Zeit lang inkognito hier zu leben." „Wie Du willst, mein Freund Bob!" versetzte der Kapitän etwas unmuthig, „Du erscheinst mir überhaupt wie ein leben diges Räthsel. Was, zum Henker, bezweckst Du mit der in dischen Mordgeschichte? Ich starb fast vor Ungeduld, da Deine wunderbare Phantasie mir das Spiel zu verderben drohte." Bob lächelte zerstreut. „Mit meiner Mordgeschichte vertrieb ich Dir, wenn ich nicht sehr irren sollte, zwei vorlaute Jungen, mein theurer Ned! — Dieser Mr. Gerald sowohl als der Junker Falstaff können Dir unmöglich sympathisch sein." „Das ist richtig," nickte der Kapitän, „es sind ein paar recht fürwitzige Gesellen, — besonders jener Gerald, — dessen Gegenwart mir durchaus nicht genehm war, da er mir stets das Spiel verdorben, während Fallstaff der unausstehlichste Schwätzer von der Welt ist. — Doch noch Eines, — beab sichtigst Du wirklich, Dich morgen Abend diesem Francis, der eine feine Klinge führen und den Sperling im Fluge treffen soll, zu stellen?" „Ich denke nicht daran, mein braver Ned!" „So ist die Mordgeschichte erfunden?" fragte dieser, erstaunt stehen bleibend. „Nicht so ganz, Kapitän, die Geschichte hat sich wirklich zugetragen. Ich habe ein famoses Erzähler-Talent, nicht wahr?" „Staunenswerth!" nickte Ned gedankenvoll; „doch sage mir, was hat jener Korrespondent Dir gethan?" „Nichts, mein Kapitän, als daß er zu frech geworden ist. — Auf Wieder!ehcn morgen!" Bob wollte nach diesen Worten in eine andere Straße einbirgen, fühlte sich indessen von dem Komplizen sehr zurück gehalten. „Beantworte mir nur das eine noch, Bob — wirst Du mich morgen Abend wieder in den Jokey-Klub begleiten?" „Ich wiederhole Dir, daß ich nicht daran denke," ver setzte Jener ungeduldig. „Zum Henker, Kerl," flüsterte Ned, „dann bindest Du mir die ganze Geschichte auf und machst mich dort fernerhin unmöglich." „Bah, Du wirst Dich leicht herauswinden; ein so feiner Kopf, welcher mit der Polizei auf „Du" und „Du" steht—" „Still, ich bin völlig außer mir, — Du weißt nicht, waS Du mit Deiner überflüssigen Geschichte angerichtet hast. Die Polizei wird Wind davon bekommen, wird den Francis am Ende gar verhaften und Dich dazu." „Wenn sie mich hat —" lachte Bob spöttisch. „Nun, dann wird man mich dafür ins Gebet nehmen und mich zwingen, den Dr. M'Lean herbeizuschaffen.' „Mein bester Kapitän Ned," sagte Bob, ihm beide Hände auf die Schulter legend, „ich fange an, weniger Bewunderung für Dein Genie zu empfinden. Welche Polizei kann Dich zu einer Unmöglichkeit zwingen? — Und es wird Dir sicherlich ganz unmöglich sein, den Dr. M'Lean, einen alten Bekannten aus früherer Zeit, in London aufzufinden." „Aber ich habe mich für Dich im Klub verbürgt," ver setzte Ned in Hellem Zorn; „nimm Dich in Acht, Bob, mein Haß könnte Dir leicht gefährlich werden. Zum letzten Male: gehst Du morgen Abend mit, um dem Klub gegenüber Dein Wort einzulösen?" „Nein, zum Henker nein," zischte Bob, „laß mich zu frieden mit Deinem Klub. Lüge Dich heraus, so gut Du kannst, ich will morgen zu Deiner Beruhigung ein Schreiben durch die Post absenden." „An wen?" „An Mr. Birch, — kennst Du seine Adresse?" „Ja, — Mr. Edgar wohnt Oxford-Straße Nr. 120. „Gut, er mag die Sache, da ich durch den Telegraphen nach Schottland gerufen bin, ordnen und die Kastanien für mich aus dem Feuer holen. Gute Nacht, Ned!" „Gute Nacht!" erwiderte dieser, langsam weitcrschreitend. Bob entfernte sich rasch und bog in eine Seitenstraße ein, wo er im nächsten Augenblick in einem großen, offenen Thorwege verschwunden war. Kapitän Ned schritt nun etwas schneller, und wenn der gute Bob sein Gesicht hätte sehen können, würde der feind selige Ausdruck desselben ihn doch wohl nachdenklich gestimmt haben. „Er wird natürlich voravssetzen, daß ich ihm heimlich folge," brummte Ned, „und sich vor der Hand ein Versteck suchen, um mich vorbeipasstren zu lassen; und da er in die DavinSstraße eingebogen, wird er in diesem Falle den Durch gang nach der Mountstraße benutzen, gehen wir also durch die Johnstraße." Er schritt ruhig weiter und bog in eine der ersten Seiten straßen ein, wo er einige enge Gassen durcheilte und an der Ecke der Johnstraße, welche hier einen Winkel bildet, sich so postirte, daß er den verdächtigen Durchgang von beiden Seiten im Auge behielt. Wir müssen hinzufügen, daß es Mondschein und d'e Straße so hell wie am Tage war. Von den Kirchthüren schlug es in diesem Augenblicke Eins. Die beiden ehemaligen Komplizen, welche sich gegenseitig zu überlisten suchten, bewiesen darin eine bewunderungswürdige Aus dauer und Geduld. Dreiviertel Stunden waren bereits ver gangen und schon rüsteten die alten Glocken sich zur zweiten Morgenstunde, als sich ein Schatten auf der Mountstraße, welche wie ausgestorben schien, zeigte. Er beugte sich vorsichtig nach rechts und nach links und eilte dann dem Heyde-Park mit langen Schritten zu. „Endlich," murmelte Kapitän Ned mit wilder Freude und sich vorsichtig im Dunkel der einen Häuserreihe haltend, huschte er geräuschlos wie ein Schatten dem Flüchtling nach. Der schlaue Ned hatte die Zeit des Wartens benutzt, um sich Schuhe und Strümpfe auszuziehen und dieselben dann zu wechseln, also die letzteren über die ersteren zu ziehen. Auf diese sinnreiche Weise, deren Erfolg er schon oft erprobt, ver mied er jedes Geräusch und konnte, da er im Laufen sehr ge- geübt war, seinen Vorderschatten ohne große Anstrengung, bevor dieser das Ende der Straße erreicht hatte, einholen. Bob ging jetzt, vor jeder Verfolgung sich sicher wähnend, langsam weiter, bog in die Parkstraße ein und schritt, die dampfende Havanna im Munde, dieselbe ruhig entlang, bis er vor dem Grossen or-Hotel Halt und im nächsten Augenblick im Innern desselben verschwunden war. Kapitän Ned nickte befriedigt vor sich hin und wartete ge duldig zehn Minuten. Nach Ablauf derselben schritt er auf das Hotel zu, klingelte mit edler Dreistigkeit und fragte den ihm öffnenden Portier, ob Dr. M'Lean im Hotel logire?" „Nein," versetzte der C-rberisch unwirsch, indem er zu gleicher Zeit die Thüre schließen wollte. Ned schob rasch den Fuß zwischen Thür und Angel, drückte dem Portier ein Geldstück in die Hand und fragte weiter: „So war es nicht der Doktor, welcher vor ungefähr zehn Minuten in das Hotel trat?" „Nein, das war ein Amerikaner." „Sein Name?" Kapitän Ned drückte dem Portier ein zweites Geldstück in die Hand. „Mr. Bennet aus New-Jork." „Ich danke, Sir!" Unser Kapitän eilte fort, er hatte einen weiten Weg nach Hause, da er nur dort übernachten durfte. Der gute Ned, welcher sich bereits ein bedeutendes Ver mögen unter den Augen der Polizei verdient, seufzte bei diesem Gedanken und sehnte sich unaussprechlich nach dem Moment, wo er das gemeinsame Arbeiterviertel Southwark verlassen und als vornehmer Mann in völliger Freiheit sein Leben genießen durfte. — Nun endlich, als er den rechten Nachfolger gefunden zu haben glaubte, sollte dieser ihn nicht bloß in seiner Hoffnung, die Ketten abstreifen zu können, betrügen, sondern zum Ueberfluß auch noch den Boden unter den Füßen ihm fortziehen? „Gemach, Mr. Bob, gemach," murmelte er, „ich bin noch um ein Prozent schlauer als Du, und halte Dich jetzt wie den Maikäfer am Faden. Willst Du mein Hau« in Southwark beziehen, well, dann treibe, was Du willst, nenne Dich Dr. M'Lean oder Mr. Bennett, ich werde Dich nicht verrathen. Wo nicht, liefere ich Dich ohne Erbarmen ans Messer." Der Kapitän hielt stets sein Versprechen, selbst die Polizei konnte sich auf sein Wort verlaffen. Aber sehnte sich in der That darnach, ein ehrlicher Mann zu werden, fern von dem Schauplätze seiner jetzigen Wirksamkeit als freier Gentleman in der guten Gesellschaft zu leben, und hatte er von dem Chef der Polizei auch wirklich die Erlaubniß erhalten, sobald er für einen zuverlässigen Nachfolger gesorgi, sich, wohin es sich gefiel, zurückziehen zu dürfen, ohne besondere Aufmersamkeit ferner be helligt zu werden. Den Kopf voll Entwürfen und Plänen, erreichte Ned seine Burg, während der ahnungslose Bob sich ohne jeglichen Ge« wissenSscrupel mit dem genugthuenden Gefühl, seinen Abend glänzend verwerthet zu haben, den Armen des Schlafes überließ. Sechstes Kapitel. Drachensaat. Am nächsten Morgen zeigte der Himmel ein vollständig heitere» Antlitz. Die Aprilsonne strahlte mit mailichem Glanze herab auf die entwachende Flur und selbst die alte Nebelstadt London machte ein Helles und fröhliches Gesicht. Vor dem GroSvenor-Hotel hielt die glänzende Equipage Mr. Palmer's; der alte Herr machte dem Neffen und Erben seines Jugendfreundes einen pflichtschuldigen Gegenbesuch und lud ihn ein, mit nach der City zu fahren „Ich werde Sie nachher nach der Börse führen und dort einigen Freunden vorstellen," setzte er, auf seine Uhr blickend, hinzu, „jetzt habe ich keine Minute länger Zeit und muß etwas um Eile bitten Sir!" Mr. Bennett hatte im Grunde keine Lust, die Einladung anzunehmen, doch durfte er dem alten Herrn nicht zürnen, und beeilte sich deshalb, dem Wunsche desselben nachzukommen. Er schob einen Brief in die Brusttasche seines eleganten UeberzieherS und bat Mr. Palmer bei der Post halten zu lassen, um et« ( waige für ihn dort liegende Briefe mitzunehmen. „Soll geschehen," nickte der Kaufmann und nach wenigen Augenblicken rollten sie im offenen Wagen durch das elegante West end. - > - Als sie vor dem Postgebäude hielten, wollte Palmer den Diener hineinsenden, doch schon war Bennett hinausgesprungen und in die Post geeilt, — worauf er nach zwei Minuten wieder f im Wagen saß. „Briefe und dergleichen besorge ich stets persönlich," sagte er lächelnd zudem erstaunten Kaufmann, „man giebtdem Diener sich sozusagen in die Hand, wenn man demselben die Besorg ung seiner innersten Beziehungen überläßt." „Wohl wahr," nickte Palmer, „selten denkt der Mensch daran, wie leichtsinnig er oft seine geheimsten Gedanken, viel leicht gar seine Ehre ver fraglichen Redlichkeit und Gewissen haftigkeit eines Dritten preisgiebt. Es freut mich, so viel Vor sicht und Berechnung bei ihnen zu finden, Sir! da ich diese Eigenschaften hoch zu schätzen weiß." Bennett verbeugte sich lächelnd und meinte, daß ein guter Kaufmann ohne diese Eigenschaften nicht denkbar sei, welche Bescheidenheit Mr. Palmer sehr zu gefallen schien. „Wie gefällt Ihnen Miß Alice?" fragte er plötzlich, zu dem Amerikaner sich neigend. „So außerordentlich, Sir! daß ich fest entschlossen bin, sie über den Ozean zu entführen." ' „Ich wünsche Ihnen Glück dazu, Mr. Bennett! — Wie ich gestern mit Vergnügen bemerkt, besitzen sie der geistigen Waffen genug, um ein so stolzes Herz, wie das meiner Tochter, zu fesseln; gebrauchen Sie die Waffen mit Klugheit und Geschick. Apropos, haben Sie Briefe aus New-Jork empfangen?" setzte Palmer hinzu. „Ja, Sir! Doch trägt der Brief nicht meines Onkels Handschrift," versetzte Bennett besorgt, „mein Telegramm könnte ebenfalls schon beantwortet sein. Ich befürchte in der That das Schlimmste. Sie erlauben, Sir?" Er zog bei diesen Worten einen Brief hervor und riß daS Couvert auf. Rasch überflog sein Auge den Inhalt. „Was ist das?" stammelte er bestürzt, „Mr. Bennett ist noch am Tage meiner Abreise tödtlich erkrankt und in der darauf folgenden Nacht verschieden! Großer Gott wäre ich doch bei ihm geblieben, aber er trieb mich fast gewaltsam fort und spottete meiner Angst!" „Eie dürfen sich keine Vorwürfe machen, Sir!" sagte Palmer tröstend, „da Sie seinem Leben keine Spanne zusetzen und den Tod nicht zurückhalten konnten. Ueberlegen wir die Sache kaltblütig, da Sie nun wohl so rasch als möglich nach New-Jork zurückkehren müssen. Hat Mr. John ein Testament hinterlassen?" „Allerdings, Sir, er hat mich darin zum unumschränkten Universal-Erben eingesetzt." „Gut, dann wäre die Hauptsache in Ordnung," nickte Palmer, „da es nun zum Begräbniß ohnehin zu spät —" „So könnte ich die Abreise sehr wohl noch eine Zeit lang aufschieben, ohne die Pietät gegen den Verstorbenen zu verletzen," fiel Bennett hastig ein, „sollte das nicht auch ihre Meinung sein, Sir?" Palmer nickte. „Sie werden jedenfalls einen tüchtigen Vertreter dort haben, Sir?" „Derselbe, ein Mr. Hendersohn, schreibt mir eben diesen Brief; er führt an, daß er seit dreißig Jahren das volle Ver trauen des Verstorbenen besessen und fragt, wie ich es ferner mit dem Geschäfte zu halten gedächte. Ich werde ihm einst weilen die nöthige Vollmacht ertheilen und sodann an das dortige Gericht schreiben." (Fortsetzung folgt.) Vermischtes. "Beim Bankhause S. Bleichröder in Berlin wurden seit längerer Zeit verübte Unterschlagungen entdeckt, durch welche die Firma um angeblich 100 000 Mk. geschädigt wurde. Die Angelegenheit wird der Kriminalpolizei übergeben werden. " Auf dem Taufgange. Aus Innsbruck, 23. v. M. schreibt man: Ein tragikomisches Geschichtchen wird aus dem Vintschgau gemeldet: Am 1S. d. M. wollte der Bauer am Mataschhofe sein neugeborenes Kind nach Schlanders zur Taufe tragen. Der Weg von dem Berghofe nach Schlanders beträgt zwei Stunden. Der Bauer wickelte das Kind in zwei Polster und ging. In Kortsch begab er sich zum Tischlermeister Perk- mann und bat ihn, die Pathenstelle zu übernehmen. Der Meister war hierzu bereit; doch wollte er zuvor das Kind auch sehen. Der Vater legte die Last auf den Tisch und öffnete das Bündel, — doch sieh, da war kein Kind. Er hatte es unterwegs verloren. Sofort eilte er mit einem Tischlergehilfen den Weg zurück, seinen verlorenen Sohn zu suchen. Weit oben auf dem Berge fanden sie am Fuße eines hohen Felsens in einer Wachholderstaude das nur in Windeln gewickelte Kind, zur Freude des Vaters noch frisch und gesund. Den warmen Sonnenstrahlen und der windstillen Lage des Plätzchens war es neben der offenbar kräftigen Constitution des neuen Erden bürgers zu danken, daß das zarte Leben erhalten blieb. Dann gings aber wirklich zur Taufe. " Berlin, 5. Februar. Das Bankgeschäft Adolph Kahn, Bank-Kommandit-Gesellschaft, ist seit heute früh geschlossen. Der Inhaber Georg Cahn wurde auf dem Hausboden erhängt aufgefunden. * Ein Petersburger Bettler. In den letzten Tagen hat die Petersburger Polizei eine systematische Säuberung der Straßen von Bettlern vorgenommen. Unter den Verhafteten sind interessante Typen. So ist z. B. ein gewisser R. festgc- nommen worden, der, ein professioneller Bettler, sich sein Leden so einzurichten versteht, daß er eine komfortable Wohnung, eine Geliebte und einen täglichen guten Mittogstisch besitzt, bei dem nie eine Flasche Wein fehlen darf. Alle« das verdankt der lange, dürre Mann mit dem großen Bart und dem langen Haar seinen Manieren, seinen guten Kleidern und seiner Rednergabe. Er spricht nur reiche, anständig gekleidete Leute auf der Straß- an, sucht sie mitunter auch in ihren Wohnungen auf. Einmal tauchte er bei einem bemittelten Manne gerade zur Mittagszeit auf und wußte der Tischrunde so rührend den Hunger und Jammer seiner unglücklichen Würmer zu schildern, daß man ihm vom Tisch weg das Rebhuhn, das eben aufge- tragen war, mitgab und noch eine Flasche Wein, ein fran zösisches Brot und einen Zehnrubelschein hinzufügte.