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UochMü für W^nlsf Beilage zu No. 89. Freitag, den 4. November 1892. Vaterländisches. «d — Jetzt, wo der Winter vor der Thür steht, wo der Nnsch mehr Schlaf gebraucht, als in den warmen Sommer- analen, erscheint es angebracht, eine kurze Betrachtung dem- Agen Möbel unseres Hausrathes zu widmen, das für den Menschen das wichtigtigste ist und indem er geradezu den dritten Hil seines Lebens verbringt — dem Bette. Schon hieraus Mbt sich dessen Wichtigkeit. Das Bett bedeutet für die ^kMNM des menschlichen Körpers gewissermaßen die geistige Der „schwindende" Mittelstand. , In der „Köln. Ztg." finden sich folgende treffende Aus- ^rungen. Alle Welt beeifert sich jetzt, den Mittelstand zu -Mn". Die Antisemiten erklären diese Rettung als die Mptaufgabe ihrer Partei; das Centrum und die Konservativen Wchern, daß die Erhaltung des schwerbedrohtcn Mittelstandes H ihrer vornehmsten Sorgen sei; die Sozialdemokraten bieten 'm, da er doch aus eigener Kraft sich nicht zu halten vermöge, A Partei als rettende Zuflucht an, und jetzt hört man auch Wale Stimmen aussprechen, daß der Liberalismus am besten leitet werden könne, wenn er sich an der Rettung des Mii- Aandes hervorragend betheilige. Die Behauptung, daß der Melstand dahin schwinde und daß wir Zeiten entgegengehen, denen es nur noch ganz Reiche und ganz Arme geben werde, Wo oft wiederholt worden, daß sie Vielen schon längst als Wehender Glaubenssatz gilt. Es ist wahrhaftig Zeit, auch Am Satz einmal auf seine Giltigkeit zu prüfen. Und siehe A er wird sofort hinfällig und verkehrt sich in sein Gcgen- W, wenn man statt der Behauptung die Thatsachen sprechen P. Um zu einer sicheren und zum größten Theil auf Selbst- Schätzung beruhenden Feststellung der Einkommensvcrhältnisse Mittelstandes zu gelangen, die sich über eine längere Reihe fahren erstreckt, wenden wir uns am zweckmäßigsten ru dem Wigreich Sachsen, dessen Einkommensteuerwesen ja so oft 'E ein Vorbild angeführt worden ist. Die Zahlen, auf die A hier stoßen, zeigen mit aller Deutlichkeit, daß der Mittel nd nicht nur nicht schwindet, sondern fortdauernd in starkem Msthum begriffen ist, daß er sogar weit rascher wächst als Bevölkerungszahl, und cs liegt kein Grund zu der Annahme A daß die preußischen Ergebnisse der Einschätzungen, wenn Ainen Ueberblick über einen längeren Zeitraum ermöglichen Aden, xjn anderes Bild ergeben könnten, vorausgesetzt, daß Arre bisherige wirthschaftli'che Entwickelung keine wesentliche Azestaltung erleidet. Während in Sachsen die Zahl der mit '"H Einkommen bis zu 1100 Mk. eingeschätzten Personen Hem Jahrzent von 1880 bis 1890 eine Zunahme von 22,3 "°zent aufweist, erfuhr in derselben Zeit die Zahl der mit Ain Einkommen von über 1100 bis 2200 Mark Eingeschätzten, inan als die unterste Stufe des Mittelstandes wird be- Hten dürfen, eine Zunahme um 59,4 Proz., denn sie stieg A 105226 Personen auf 167 763. Die nächste, die Ein- H>en über 2200 bis 3300 M, umfassende Stufe des Mit- Amdes wuchs um 41,9 Prozent; sie zählte 1880 erst W02, im Jahre 1890 aber 39 869 Personen. Die Ein- Anien über 3300 bis 4300 zeigen in der Personenzahl eine Mohme von 44,7 Proz., denn sie stieg von 10473 auf AlöP und die mit über 4300 bis 5400 M. Einkommen geschätzten vermehrten sich, da sie von 6273 zu 9189 an- Asen, um 46,5 Proz. Während also diese den Kern des Melstandes bildenden Klassen ein Wachsthum zeigten, das Aschen 40 und 60 Proz. schwankt, betrug die Bevölkerungs- ghme in der gleichen Zeit nur 17,8 Proz. (2 972805 gegen ^02684). Der Mittelstand vermehrt sich mithin verhältniß- Mg weit stärker als die Bevölkerung im Ganzen. Anstatt j schwinden, zieht er immer weitere Bcvölkerungsmengen an M und sein prozentualer Antheil an der Gesammtzahl der .geschätzten vergrößert sich stetig. Der Zuwachs aber kommt A unten, aus den niedrigsten Steuerklassen und nicht von aus den Klassen der Wohlhabenden und Reichen, denn An Personenzahl gerade zeigt prozentual die höchste Zuwachs ig (wobei allerdings die gerade für diele Klassen verschärfte Schätzung mitgewirkt haben mag), und es läßt sich unschwer ignen, daß es die Zunahme der großen Einkommen ist, die A Gedeihen nnd Wachsthum des Mittelstandes fördert und Wgt. In den Städten, wo der Großbetrieb gedeiht, zeigt A die rascheste Vermehrung des Mittelstandes, dort wächst die 'Hl der Grundbesitzer oft erstaunlich rasch und ein früher gr Ort gewinnt ein überraschend behäbiges Aussehen. W der kleinen und Mittelstädte Sachsens sind nicht wieder- ginncn, seit der Großbetrieb dort heimisch geworden, so vor- Mhaft sticht ihr Aeußeres gegen früher ab. Sobald der Groß- geb stockt, klagen in den Gewerbe- und Handelskammer- Achten am lautesten die dem Mittelstände angehörigen selbst- gdizen Kleingewerbetreibenden und Kleinhändler. Es steht außer Zweifel, daß unsere wirthschafiliche Entwickelung Hchen Zweigen des Handwerks nicht günstig ist, ebenso wie A Entwicklung des Eisenbahnwesens die Fuhrleute, die Gast- ghe an den Landstraßen und die Postillone geschädigt hat, H es mag zum Schutze solcher Handwerker geschehen, was .Wich ist' aber von einem Rückgang und von einer Schädigung A, Mittelstandes im Allgemeinen zu sprechen, ist nach den an- Mhrten Thatsachen nicht mehr möglich. Wenn somit die jetzt gehenden Verhältnisse sich als dem Mittelstände ganz be- Mers günstig erwiefen haben, so geben wir den staatserhaltenden AHien zu bedenken, ob es recht und wohlgethan ist, fortge- H die nothwendige Rettung des angeblich dem Untergange ver- AMen Mittelstandes im Munde zu führen und dadurch unsere Wände als verrottet und einer gründlichen Umgestaltung be- Wg erscheinen zu lassen. Vorrathskammer, in der sich das des Tages über verbrauchte Nerven- und Hirnmaterial in den Stunden der Ruhe wieder zu ergänzen und aufzuspeichern hat. Damit dies in der ge hörigen Weise erfolgen kann, ist Verschiedenes zu beobachten. Zunächst müssen wir darauf achten, daß das Kopfkissen nicht zu hoch zu liegen kommt. Denn es ist nothwendig, daß der Blutgehalt des Gehirns im Schlafe ein verringerter ist. Aus genommen von dieser Regel sind natürlich solche Personen, die an Blutleere des Gehirns leiden und bei denen eine tiefere Bettung des Kopfes angebracht ist. Im übrigen aber ist eine höhere Bettung des Hauptes außerdem auch deshalb vorzu ziehen, weil sie die Athmung erleichtert. Dies sollren nament lich an den Athmungöorganen leidende Menschen berücksichtigen. Ferner ist zu beachten, daß das Oberbett nicht zu schwer ist, weil diefes die Blutzirkulation beeinträchtigt und durch über mäßige Erhöhung der Körpertemperatur den Menschen ver- weiglicht; ans demselben Grunde sind natürlich auch Unter betten oder weiche Unterlagen zu vermeiden. Daß ein Haupt erforderniß zur Erhaltung der Gesundheit in der Beobachtung der größten Reinlichkeit, also hier in einem möglichst häufigen Wechsel der Bettwäsche besteht, bedarf keines Wortes. — Bei der rauhen Witterung, die jetzt beginnt, steht der Streit, ob der militärische Gruß der Mode des Hutabnehmens nicht vorzuziehen, wieder auf der Tagesordnung. Die Gegner des Hutlüftens berufen sich nun auf keinen Geringeren als auf Goethe. Der Meister der Lebenskunst und Lebensart war thatsächlich ein Feind des Hutabnehmens, und er hat seine An sicht mit folgenden Versen verfochten: „Ehret die Frauen! Begrüßt sie mit Neigen. Begrüßt sie mit freundlichem, sittigem Beugen Des bedeckten, männlichen Haupt's. Glaubt's dem Erfahrenen: Jede erlaubt's! Wollt Ihr trotz hippokratischen Schelten Denn mit Gewalt das Genie Euch erkälten? Lasset die Hüte, die stattlichen Mützen Fest auf der Locke, der Glatze Euch sitzen, Grüßet mit Worten, grüßt mit der Hand. Ehret die Sitte, schont den Verstand!" Wer also grüßt, befindet sich in der besten Gesellschaft, nämlich in der Goethe's. — Anläßlich der gegenwärtig stattfindenden Behändigung von Deklarattonsformularen zur Einkommensteuer dürfte nach stehender Hinweis darauf, wie sich die Steuersätze je nach den Steuerklassen gestalten, Vielen willkommen sein: Steuerklasse Jährliches Emkmnmen Steuersatz vom Hundert desjenigen Einkommensteuerbetrages, mit welchem 1. Klasse von 301 bis zu 400 M. — M. 50 Pf. 2. - - 401 - 500 - 1 2 - 3. - - 501 - 600 -2 - — - 4. - - 601 - 700 -3 2 2 5. - - 701 - 800-4 2 2 6. - - 801 - 950-6 2 2 7. - - 951 - 1,100 - 8 - - 8. - - 1,101 - 1,250 - 11 2 2 9. - - 1,251 - 1,400 - 14 - . - 1.401 - 1,600 - 17 - - 10. - - 11. - - 1,601 - 1,900 - 22 2 — 2 12. - - 1,901 - 2,200 - 30 - — - 13. - - 2,201 - 2,500 - 38 2 2 14. - 2,501 - 2,800 - 48 , 2 15. - - 2,801 - 3,300 - 59 - - 3,301 - 3,800 - 76 2 2 16. - 2 17. - - 3,301 - 4,300 - 94 2 — < 18. - - 4,301 - 4,800 - 114 2 2 19. - - 4,801 - 5,400 - 136 2 2 20. - - 5,401 - 6,300 - 162 2 2 21. - - 6,301 - 7,200 - 189 2 — 2 22. - 7,201 - 8400 - 216 2 2 23. - - 8,401 - 9,600 - 252 2 24. - - 9,601 - 10,800 - 288 2 2 25. - - 10,801 - 12,000 - 324 2 2 26. - - 12,001 - 14,000 - 360 2 - 27. - 14,001 - 16 000 - 420 2 — 2 28. - - 16,001 - 18,000 - 480 2 2 29. - - 18,001 - 20,000 - 540 2 2 30. - - 20,001 - 22,000 - 600 2 2 31. - - 22,001 - 24,000 - 660 2 2 32. - - 24,001 - 26,000 - 720 2 2 33. - - 26,001 - 28,000 - 780 2 - 34. - - 28,001 - 30,000 - 840 Bei allen weiteren Steuerklassen beträgt die Steuer 3 die Classe beginnt. Die Classen steigen von 30,001 Mk. bis zu 60,000 Mk. um je 3000 Mk., weiterhin um je 5000 Mk. — Frankenberg. Das „Frankenberger Tageblatt" schreibt Nachstehendes: Leider hat der gefürchtete asiatische Gast, die Cholera, in unserem Amtsbezirk sich gezeigt. In voriger Woche erkrankten die Färbereiarbeiter Hermann Franz aus Gornsdorf und Clemens Köhler aus Auerswalde gleich zeitig an choleraverdächtigen Erscheinungen. Beide haben in der Wünschmann'schen Färberei zu Chemnitz einen aus Hamburg zum Färben gekommenen Ballen Waare zu bearbeiten gehabt. Während nun der Erstgenannte auf bestem Wege zur Besserung ist, wurde am 25. Oktober der Zweitgenannte, der 34 Jahre alte Hausbesitzer Köhler in Auerswalde, durch den Tod den Seinen entrissen. Nicht genug damit, auch die Mutter Köhler's, die 54 Jahre alte Frau Johanna Rosine Köhler, welche ihren Sohn gepflegt hat, und Köhlers 8 Jahre altes Töchterchen Helene sind am Sonnabend, bezw. Sonntag unter Anzeichen der Cholera gestorben, wahrend die Gattin Köhler's uno deren 8 Monate qltes Söhnchen noch krank darniederliegen. Di? drei Todesfälle sind in drei verschiedenen Häusern erfolgt, da man bei Eintritt des ersten Todesfalles die Erkrankten behufs Jsolirung anderweit nnterbrachte. Bis heute, Dienstag, früh sind der zuständigen Medizinalbehörde neuere Krankheitsan meldungen nicht zugegangen. Die zur bakteriologischen Unter suchung nöthigen Leichentheile von der Wittwe und dem Mädchen Köhler, deren Leichen am 30. Oktober durch Herrn Medizinal- rath Dr. Fickert jezirt worden sind, sind nach Dresden an das Ministerium des Innern, bezw. an Herrn Professor Dr. Nelsen in Leipzig abgesendet worden. — Die Umbauarbeiten am BahnhofeDresden-Friedrich- stadt sind jetzt soweit vorgeschritten, daß vom 1. November d. I. ab die sämmtlichen daselbst verkehrenden, der Personen beförderung dienenden Züge nicht mehr an den unmittelbar am Stationsgebäude sich befindenden Bahnsteigen, sondern bis auf weiteres am ncuhergestellten, in geringer Entfernung von dem Stationsgebäude gelegenen interimistischen Bahnsteigen zur Ab fertigung kommen werden. Als Zugang nach den interimistischen Bahnsteigen ist vom Stationsgebäude aus ein besonderer, an die bisherigen Bahnsteige sich anschließender Weg hergestellt worden. Die übrigen jetzt bestehenden und für den Personen verkehr in Betracht kommenden Anlagen des Bahnhofs, insbe sondere auch die im Stationsgebäude befindliche Fahrkarten- Ausgabe, sowie sie Gepäckexpedition und die Wartesäle daselbst bleiben nach wie vor in Benutzung. — Pirna, 30. Oktober. Zwischen dem städtischen Branddirektor und unserer Pflichtfeuerwehr ist es jetzt zum offenen Krieg gekommen. Den eigentlichen Grund des Confliktes bilden Fußexerzitien, welche der Branddirektor an ordnete, zu denen sich jedoch ein Theil der Pflichtfeuerwehr nicht verpflichtet fühlt und deshalb nunmehr gegen den Leiter des Feuerlöschwesens und einige aus dem Munde desselben ge kommene Acußerungen öffentlich Stellung nimmt. Eine Ver sammlung von Mannschaften der Pflichtfeucrwehr beschloß die Niedersetzung einer aus sieben Mitgliedern bestehenden Commission, welche sich mit Vorschlägen betreffs Beseitigung der nach den bezüglichen Darlegungen zu Tage getretenen Uebelstände be schäftigen soll. — Einen bewegten Abschied nahmen jetzt auf dem Meißner Bahnbofe zwei Brüder, der dort pensionierte Stadtkämmerer Andrä und sein Bruder, der Besitzer einer elektrotechnischen Fabrik in Milwaukee in Nordamerika. Letzterer hatte nach einer Abwesenheit von 37 Jahren sein Heimathland aufgesucht und treu nun wieder die Rückreise an. Es dürfte menschlicher Voraussicht nach ein Abschied fürs Leben gewesen sein, wenn man in Erwägung zieht, daß die beiden Brüder im Alter von 63 resp. 70 Jahren stehen. Blätter und Blüten. Lin echter Mann. Ich kenn' einen Mann, einen echten Mann, Der wacker fechten und beten kann. Ein Blick nach oben, dann dran und drauf, Zerbricht die Klinge, so thut's der Knauf. Für Freiheit, Ehr' und Vaterland Steht immer sein Herz in Hellem Brand; Er haßt die Lüge, vertritt das Recht Und nennt das Schlechte freimüthig schlecht. Im Hause hält er auf Zucht und Scham, Ist allen Spöttern und Heuchlern gram, Theilt mit den Armen gern sein Brot Und weicht vom Freund nicht in der Noth. Sein Wort ist fester als Demantstein, Sein Ja ist Ja sein Nein ist Nein. Wie er sich nennt? — Was liegt daran? 'S ist eben ein Deutscher Ehrenmann. Der große deutsche Ehrenmann der Freiheitskriege, der un vergessene und unvergeßliche Freiherr v. Stein zeichnet auch das Bild eines solchen echten Mannes, wenn er auf seines Vaters Grab geschrieben: „Sein Nein war Nein gewichtig, Sein Ja war Ja vollwichtig, Seines Ja war er gedächtig, Sein Grund, sein Mund einträchtig, Sein Wort — das war sein Siegel." Seine eigene Grabschrift aber schildert ihn: „Demüthig vor Gott, hochherzig gegen Menschen, der Lüge und des Un rechten Feind, hochbegabr in Pflicht und Treue, unerschütterlich in Acht und Bann, des gebeugten Vaterlandes ungebeugter Sohn, in Kampf und Sieg Deutschlands Mitbefreier." Die Stiefmutter. Von M. Dobson. (Aachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Ich muß hier erwähnen, daß Georg Linden, mein jetziger Gatte, aus einer der achtbarsten Familien der Stadt war. Er hatte sich früh dem Seewesen gewidmet, und vor einigen Jahren nicht allein beide Eltern, sondern auch sein ganzes Vermögen verloren. Zu der Zeit, wo diese Unterredung mit meinem Vater stattgefunden, mar er Steuermann auf einem der größten Schiffe unserer Rheder. Da unsere Väter in Geschäftsver bindungen gestanden, kam er in unser Haus, und hatte mir bei seinen gelegentlichen Besuchen stets ungetheilte Aufmerksam keit bewiesen, während ich ihn, seines liebenswürdigen, ernsten und gediegenen Charakters willen, allen anderen jungen Männern di? hesuchten, vorzog. Obgleich ?r mir nie von Lieb?