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Tharandt, Nassen, Siebenlehn nn- die Umgegenden. Amtsblatt für die König!. Amtshauptmannschaft zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. 45. »öchkntlich zweimal, Dienstag? und Freitags. — AbonncmentPreiS vierteljährlich 1 Mark. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Inserate werden Montes und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Nr. 22. Dienstag, den 17. März Bekanntmachung, das Ziehkinderwesen betreffend. Da das unterm 17. September 1877 erlassene Regulativ über das Ziehkinderwesen nicht allenthalben gehörig beobachtet wird, so sieht sich die unterzeichnete Königliche Amtshauptmannschaft veranlaßt, die Bekanntmachung desselben hiermit zu wiederholen und insbesondere darauf hinzuweisen, daß Personen, welche ohne Erlaubniß der Ortspolizeibehörde ein Ziehkind aufnehmen, mit Geldstrafe bis zu 30 M. —. oder entsprechender Haft bestraft werden. Meißen, am 7. März 1885. Königliche Amtshauptmannschaft. v. Bosse. Regulativ über das Ziehkinderweseu. 8 i- Wer in den zum Verwaltungsbezirke der Königlichen Amtshauptmannschaft Meißen gehörigen Ortschaften, mit Ausnahme der Städte Lommatzsch, Meißen und Nossen, ein Kind, gleichviel, ob dasselbe der öffentlichen Armenversorgung anheimfällt oder nicht, zur Erziehung bei sich aufnehmen will, bedarf hierzu der Genehmigung der Ortspolizeibehörde — Bürgermeister, Gemeindevorstand, Gutsvorsteher — welche in der Regel vor der Aufnahme des Kindes, spätestens aber binnen 24 Stunden nach erfolgter Aufnahme desselben nachzusuchen ist. 8 2. Die Erlaubmß zur Aufnahme von Ziehkindern wird stets nur auf Widerruf und nur solchen Personen ertheilt, welche unbescholten sind, und von denen man sich einer gehörigen Wartung, Beaufsichtigung und Erziehung der Kinder versehen kann. 8 3. Wenn ein Ziehkind verstirbt, oder aus der Ziehe, in welcher es sich zeither befand, zurückgenommen wird, oder wenn die Zieheltern mit ihren Ziehkindern die Wohnung wechseln, so ist hierüber von den Zieheltern längstens binnen 24 Stunden nach dem eingetretenen Tode, oder nach der stattgefundenen Veränderung Anzeige an die Ortspolizeibehörde — 8 1 — zu erstatten. Wechseln die Zieheltern den Aufenthaltsort, so hat die Ortspolizeibehörde des zeitherigen Aufenthaltsorts der Ortspolizeibehörde des künftigen Aufenthaltsorts hiervon Mitthcilung zu macken. 8 4. Die Aussichtsführung über das Ziehkinderwesen wird von den Ortspolizeibehörden — 8 4 — und durch die von denselben hierzu mit Austrag versehenen Personen ausgeübt, und haben die Zieheltern den Rath und die Anweisungen, welche ihnen von den zur Aufsichts führung über das Ziehkinderwesen berufenen Personen werden ertheilt werden, willig entgegen zu nehmen und zu befolgen. 8 5. Zieheltern, welche den Anordnungen dieses Regulativs zuwiderhandeln, haben Geldstrafe bis zu 30 Mark —. oder entsprechende Haftstrafe zu erwarten. Meißen, den 17. September 1877. Königliche Amtshauptmannschaft. v. Boise. Bekanntmachung. Nachdem die Königliche Altersrentenbank-Verwaltung dem Lotterie. Collecteur Herrn k'rieär. kirnst 8tslmvr zu klrv88- Sobritr eine Agentur der Königlichen Altersrentenbank übertragen hat, bestehen nunmehr in der Amtshauptmannschaft Meißen folgende AlterSrentenbank - Agenturen: in Großdobritz: Lotterie-Collecteur ^lvd. I?r1«ckr. Lrast Stolrnvr, in Lommatzsch: . . Fokavn I.vondurä PrlvrlrieU öv^sr, in Meißen: - - 0»i1 Meolui, in Nossen: . - 0. IV. Saubolä und in Wilsdruff: . - «ast. Die Agenturen sind zur unentgeltlichen Abgabe der in ihren Händen befindlichen Drucksachen und Formulare der Königlichen Alters rentenbank ermächtigt, werden auch über die Einrichtung der Bank, sowie Annahme von Anmeldungen und Einlagen zum Zwecke der Er werbung von Zeit- und Altersrenten stets bereitwillig Auskunft ertheilen. Dresden, am 5. März 1885. Königliche Altersrentenbank - Verwaltung. Meusel.—Stadler. LageSgeschichte. In einer der letzten Sitzungen de- Reichstags begründete der Abg. Grilleaberger (Soz.-Dem.) seinen Antrag auf Abänderung der Gewerbeordnung zum Besten des Arbeiter, und Handwerkerstandes. Der Antrag fordert besonders die Einführung des Maximalarbeitstages (nicht Normalarbeitstages), und damit im Zusammenhang, einen Mi- nimalarbeitSlohn. Der Maximalarbeitstag soll den Zweck haben, den jetzt arbeitslosen Kräften Beschäftigung zu verschaffen, dadurch werde der Arbeitsmarkt entlastet, während die (qualitative?) Arbeits fähigkeit sich hebe. Der Minimalarbeitslohn habe dieselbe Be rechtigung wie das Anfangsgehalt bei den Staatsbeamten. Daß die Löhne in Deutschland zu niedrig seien, werde Niemand bestreiten. Wenn man den Landwirthen einen Preis für ihre Produkte sichern wolle, so müsse man auch dem Arbeiter einen Lohn sichern, der sie in Stand setze, sich seine Arbeitskraft ungeschwächt zu erhalten. Um dem Handwerker zu nützen, wünscht der Antrag zunächst Beseitigung der Gefängnißarbeit in der jetzigen Form. Dieselbe dürste nicht dazu dienen, daß sie der Privatmann seinen Konkurrenten gegenüber ausnutzen könne, sondern nur zum Besten des Staates. Sodann for- dert der Antrag eine bessere Regelung der Kinder- und Nachtarbeit und die Ausschließung der Frauen von der letzteren; endlich auch die Einsetzung von Arbeiterkammern, Arbeiterämtern, Schiedsgerichten und eines Rnchsarbeiteramtes. Im Namen der konservativen Partei erklärt Abgeordneter Hartmann, an den Antrag nicht nur unbefangen sondern auch mit Wohlwollen herantreten zu wollen, wenn in dem« selben auch manche unerfüllbare Forderung zu finden sei. Der Antrag wird der Arbeiterschutz-Kommission überwiesen. Die Freitagssitzung des Reichstags ward durch das Eingreifen des Reichskanzlers in die Verhandlungen über die Dampfersub- ventionsvorlage zu einer der hochinteressantesten. Die von dem wärm- sten patriotischen Geiste getragene Vertheidigung der seiner Initiative entsprungenen jungen deutschen Kolonialpolitik war von so tiefer greifender Wirkung, wie man sich eines solchen durchschlagenden Effektes seit Jahren nicht zu erinnern weiß. Als der Reichskanzler auf den deutschen Völkerfrühling zurückkam, als er von den Errungenschaften von 1866 und 1870 sprach und der Befürchtung Raum gab, eS könnte der deutsche Völkerfrühling vielleicht wieder durch den alten deutschen Feind, den deutschen Parteigeist getödtet werden, da merkte man dem Redner die eigene persönliche Erregung an, sein Antlitz röthete sich, das Blatt in seiner Hand zitterte, die Stimme schwoll unter der laut losen Stille der Versammlung mächtig an. Als der Fürst geendet, trat der Staatssekretär von Bötticher zu ihm heran und schüttelte dem Tiefbewegten die Hand, ein wahrhaft donnerndes Beifallsgebrause, dem gegenüber der Widerspruch des Centrums wirkungslos blieb, er scholl, auch die Tribünen wurden von der allgemeinen Begeisterung hingerissen, Bravorufen und Händeklatschen machten sich unter den Zuhörern so stark geltend, daß der Präsident diese unparlamentarischen Kundgebungen auf Räumung der Tribünen bedrohen mußte. Im Reichstag wurde über den bekannten Antrag Ackermann, der vom Handwerk den Befähigungsnachweis verlangt und darin