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Gesellschaft bei „Tante Hermine" (auch eine unbekannte Größe), und da Papa abberufen worden war, hatte sich dem ritterlichen Wilhelm eine Gelegenheit zu dieser Eskorte geboten. In einem Romane aus alter Zeit- würde der Autor dieses verliebte Pärchen in einem Kloster oder in einer Schloßruine habe einkehren lassen, nm einen dort versteck ten Eremiten ihr süßes Geheimniß zu verrathen; und manche schöne Leserin wird sagen, das wäre auch viel schöner gewesen. Aber die Zeiten ändern sich und so kommt es, daß wir unsere unglücklich Lie benden in einem Wiener Cafee finden, Rücken an Rücken mit einem — Criminalbeamten. Ida trank ein Glas Glühwein und Wilhelm ein Glas Grogk, was sie unter diesen Umständen besser hätten unterlassen können; denn diese feurigen Getränke machen ungeheuer mittheilsam, zumal, wenn es schon im Herzen brennt und die öde Straße draußen im Schnee liegt. „Ach, weißt Du Wilhelm," sagte jetzt Ida in ihrer herzlich naiven Weise, „ich dachte heute darüber nach, ob es Dir denn nicht möglich sein würde, Dich einmal von der elenden Berichterstattung frei zu machen und einen großen spannenden Roman zu schreiben, mit dem Du Aufsehen erregen würdest. Bedenke doch Wilhelm, der Erfolg, die Ehre und die Freude für mich und Deine alte Mutter. Mit einem Schlage wärest Du Deinen bescheidenen Verhältnissen entrissen, ein berühmter Mann und könntest von Deinen „vier Treppen" in die erste Etage hinab ziehen. Dein Talent brauchte nicht länger zu verküm mern, und ich meinem Papa nicht länger zu verheimlichen, wem ich mein Herz geschenkt habe und wem ich angehören will für Zeit und Ewigkeit." Aller menschlichen Berechnung nach — denn sehen konnte es selbst Soltmanns Falkenauge nicht — hatte sich nach diesem Erguß das weinglühenve Mädchenköpfchen an die Brust des Zukunftsdichters ge lehnt; es entstand eine kleine Pause, nur durchbrochen von jenem süßen Geräusch, welches das Begegnen zweier liebender Lippen hervorbringt. „Ach, liebe Ida," entgegnete Wilhelm hiernach sanft belehrend, „wie wenig Einblick hast Du noch in das Leben und Treiben der großen Welt und die eigenthümlichen Verhältnisse, welche mein geistiges Schaffen beengen und meine Phantasie zu keiner freien Entfaltung kommen lassen. Mein seliger Vater hatte leider mehr aus einen großen Haushalt und eine gute Tafel gesehen als auf einen eisernen Geld fonds. Sein Nachlaß reichte knapp zur Deckung aller Schulden, und diese unbezahlt zu lassen, dazu war Mama zu edelmüthig. Nachdem Alles beglichen war, blieb nur noch eine kleine Summe für die erste Einrichtung eines Haushalts, welchen mein Vater als für seinen Die ner passend angesehen haben würde; was nun? Ich konnte meine Studien als Mediziner nicht weiter fortsetzen und mußte auf einen Erwerb sinnen. Nun hatte ich mich schon immer mehr mit den schö nen als mit den exacten Wissenschaften beschäftigt, und so verfiel ich naturgemäß auf den Gedanken, meine fernere Existens als Literat zu suchen. Meine kleinen Sachen gefielen, man sprach es ganz offen aus, daß ich Talent habe und zu schönen Hoffnungen berechtige. Das ging so eine kurze Zeit ganz gut; man nahm von mir, weil ich einen neuen Namen brachte. Als sich das Interesse von demselben aber ab zunutzen begann und ich mein erstes Pulver verschossen hatte, trat eine gewisse Gleichgültigkeit gegen mich ein. Ich suchte diese an befreun deter Stelle zu brechen, indem ich meine wahren Verhältnisse aufdeckte und sagte, daß ich nicht zu meinem Vergnügen, sondern um Brot schreibe. Man rieth mir nun zunächst zu einer größeren Arbeit, die mehr einbringt. Aber dazu gehörte Zeit, und um mir diese zu ver schaffen, fehlten mir die Mittel. Nun sagte man, ich solle, was tau send Andere und Bessere vor mir auch gethan, Lokalberichte schreiben. Das erführe Niemand, es werfe gute Einnahmen ab und fände noch Zeit zu einer größeren Arbeit. Na, außer Dir, mein süßes Herz weiß es ja nun auch Niemand, ich verdiene ganz hübsches Geld, finde aber keineswegs mehr Zeit zu etwas Anderem, etwas Besseren. So ist mein vielversprechendes Talent im literarischen Handwerkerthum versandet. Hin und wieder liest man meinen Namen noch bei einem kleinen belletristischen Artikel, und so habe ich mit Rücksicht darauf und auf mein gutes Herkommen noch Zutritt zu einigen vornehmen Häusern. Man nennt mich Schriftsteller; aber wie wenig ich diesen vielsagenden Namen verdiene, weiß ich nicht." „Nicht doch, Wilhelm," sprach ermuthigend das junge Mädchen, so mußt Du nicht denken. Wenn Du das von Dir selber sagst, was sollen denn Andere von Dir sagen? Kennst Du nicht die Fabel von den beiden Männern, deren Einer immer sagte, er habe mehr, als er in Wirklichkeit besaß — er wurde reich, der Andere sagte dagegen stets, er habe weniger und der verarmte. Talent und Anmaßung gehen ja wohl niemals Hand in Hand; aber ich finde, Du bist etwas zu bescheiden, Du rühmst Dich nicht mit Deinen Connexionen, wie An dere eS thun, und machst Dich überhaupt nicht genug geltend. Ist es denn wirklich gar nicht möglich, daß Du einen Roman schreibst?" Der Assessor lauschte nur noch mit halbem Ohr. Das Gespräch war ihm wirklich sehr gleichgültig. Und in dem Maße, wie sein In teresse daran schwand, wuchs seine Ungeduld und seine Unruhe. Was konnte Neubert nur begegnet sein, daß er nicht kam! „Nein, es ist nicht möglich, Ida," tönte sehr zum Aerger Solt manns Wilhelms Stimme dazwischen. „Dazu gehört vor allen Dingen Zeit; und Zeit, mein Kind, ist nicht nur Geld, nein, sie kostet auch Geld. Ich kann also die Zeit nicht bezahlen." „So; und findest Du denn unter allen denen, welche die Talente kennen und schätzen, Niemanden, der Dir auf einen zu schreibenden Roman so viel vorschießt, daß Du mit Deiner Mama während der Zeit des Schreibens davon leben kannst?" Der junge Mann lachte. „Aber Jdchen!" sagte er mit leisem Borwurf. Jedes Aktienun- ernehmen kann üb er gezeichnet werden; aber der Mann soll noch ge boren werden, der der Ausschachtung einer geistigen Miene auch nur einen Deut widmet. Wenn ich mir die Zeit auch stehlen und meinen Schlaf verkümmern wollte, um ein solches Unternehmen ins Werk zu setzen, so fehlt mir doch noch immer die Idee, welche allein mir zu einem ersten Erfolge verhelfen könnte. Romane sind wohlfeil, und wohl kein Tag, den Gott hat werden lassen, an dem nicht irgendwo im deutschen Reich ein Schriftsteller die Feder ausspritzt und zu seinem Roman sagt: „Gehe hin!" Und was fruchtete es mir, wenn ich die Menge dieser Romanfabrikanten nur um einen vermehrte? Nein, das ist nichts. Wenn heute etwas auffallen und gefallen soll — ach Du lieber Gott! Dazu gehört schon ganz etwas Außerordentliches, etwas —" „Das recht natürlich ist, eine Erzählung aus dem Leben, lieber Wilhelm, ja ja," fiel dem Erregten das junge Mädchen hier ins Wort. „Siehst Du, darüber sind wir uns schon in der Pension einig gewe sen, wo doch gewiß viele Romane gelesen werden. Und auf diesem Gebiete findest Du gar nicht so viele Conkurrenten wie Du glaubst, — im Gegentheil. Die Einen wollen um jeden Preis „historisch" sein und schreiben in der Sprache der Todten für die Todten, die Ande« ren meinen, ein Roman müsse recht märchenhaft sein, und die Schrei ben für die Kinder. Aber ein Roman aus dem Volke für's Volk ge schrieben, das ist es, was ich meine. Den schreibe, und Du sollst sehen, daß Dein Name mit einem Mal bekannt und Dir der Erfolg wird, welchen Dein Talent und Dein Bemühen verdient." „Ach rede nicht von diesem," sagte Wilhelm niedergeschlagen. „Es haben andere gleichviel Talent gehabt, und gleich sehr gerungen; aber wenn ich Ihnen heute auf der Straße begegne und frage: „Nun? Dann winken Sie mir Schweigen zu. Sie wissen schon, was ich scv gen will, und offen gesagt, ich weiß Alles, was sie mir sagen könnten, Sie haben den besten Theil ihres Lebens mit Tretmühlenarbeit ver bracht, und der Rest genügt nicht, um ihnen einen Namen zu machet oder ihnen auch nur eine sichere Existenz zu schaffen." „Du siehst zu schwarz für einen so jungen Mann und —" dies sagte sie schmollend — „mit einer so jungen Braut. Aber ich weiß, was Dich mit neuerem Lebensmuth erfüllen und Deiner Phantasie einen höheren Flug geben könnte: und das wäre —" „Ein Blick aus Deinen schönen Augen voll Glück und Sonnen schein." „Nein, aber eine hübsche, spannende Romanidee." „Wohl, wohl. Aber wo die hernehmen, wenn die Verhältnisse —" „Ach, laß doch die dummen Verhältnisse, und höre mir zu. Ich habe eine Romanidee." „Du?" „Ich-" „Selbst erfunden?" „Nein, aber gefunden, eine Blume am Wege, die das Pflücken lohnt." ,.Na, da bin ich aber gespannt." „O, das darfst Du auch sein, die Idee ist auch spannend, und was das Beste, die Geschichte ist buchstäblich wahr." „Nun denn erzähle." „Kennst Du den Kommerzienrath Etwold?" „Ach Gott, auf die Geschichte willst Du hinaus," entgegnete der junge Mann enttäuscht. „Da spare nur jedes Wort, denn ich weiß mehr davon, als Du mir erzählen kannst." „Vielleicht anch nicht, und giebt meine Darstellung der Sache dann doch noch ein anderes Gepräge. Dn weißt, Papa ist Hausarzt bei Etwoldts." Soltmann wär auf einmal sehr aufmerksam geworden. „Die Tochter des Sanitätsarzt Edler," murmelte er. „Jetzt wird die Begegnung interessant."(Forts, folgt.) Landmrthschaftlichcs. Konkurrenzfähigkeit der bäuerlichen Wirthschaften gegenüber den größeren Betrieben. In den „Landwirthschaftlichen Jahrbüchern" ver öffentlicht vr. Kutzleb eine beachtenswerthe Studie in Bezug auf die Konkurrenzfähigkeit der Bauerngüter mit größeren landwirthschaftlichen Betrieben. Der Autor gelangt auf Grund einer eingehenden Unter suchung zu folgenden Sätzen: „Die bäuerlichen Betriebe leiden zunächst unter dem Einflüsse derjenigen Konjunkturen, welche die Rentabilität derLandwirthschaft im Allgemeinen beeinträchtigen. Die vielfach vor handene größere Nothlage der bäuerlichen Besitzer läßt sich nicht aus die unabänderlich gegebene Eigenart des Landwirthschaftsbetriebes auf kleineren oder mittleren Gütern zurückführen, denn auch auf solchen können, wie die Erfahrung zeigt, Ackerbau und Viehzucht in hoher Blüthe stehen und Reinerträge erzielt werden, die denjenigen des Groß' besitzes nicht nachstehen. Man muß deshalb die Bauerngüter an sich als konkurrenzfähig mit den großen Betrieben erachten. Die minder rationelle Bewirthschaftung und die geringeren Erträge jener werden meist durch den Mangel der Betriebsleiter an allgemeiner und fach' licher Intelligenz, sowie an Kapital oder an beiden verursacht. Doß dieser Mangel aber so häufig und in so hohem Maße sich zeigt, / zum Theil, vielleicht zum weitaus größten Theil dadurch veranlaßt worden, daß Gesetzgebung und Verwaltung bisher zu wenig den W- dürfnissen des mittleren und kleineren Grundbesitzes Rechnung gekragt haben." Der Verfasser giebt sich der Hoffnung hin, daß dasjenige was in dieser Hinsicht bisher versäumt wurde, noch nachgeholt wird! die Verpflichtung, dies zu thun, werden sich, feines Erachtens, nainem' lich die Regierungen nicht entziehen können, da sie den lebhaftes Wunsch hegen müßten, daß der Bauernstand auch in Zukunft erhalte" bleibe und die Grundeigenthumsvertheilung ihres „Rückgrats" lM entbehre. „ Soll man die Pferde Morgens oder Abends putzen/ Diese Frage beantwortet ein größerer Grundbesitzer aus Braunschwelg dahin: „Ich lasse schon seit langer Zeit meine Arbeitspferde anstatt Morgens, schon Abends putzen und am Morgen nur bürsten. Iw überzeugte mich nach diesem Verfahren, daß die Pferde während der Nacht eine vollkommenere Ruhe genießen und insbesondere, daß die selben am Abend weit weniger Erkältungen ausgesetzt sind, als be> dem Putzen am Morgen. Die Anwendung des Striegels veranlaß eine starke Reizbarkeit der Haut und diese wird umsomehr Veranlasst zu Erkältungen geben, als der wärmeren Stallluft unmittelbar d> Einwirkung der kalten Außenluft folgt, während beim Putzen am Abend der Hautreiz während der Nacht aufgehoben ist. Es sei diel Neuerung daher allen Pferdebesitzern zur Beachtung und NachahwE empfohlen." ' . . Verbreitung des Obstbaues. Lowohl in Belgien, wienio^ Niederlanden dehnen sich die Obstgärten immer mehr aus, weil nw sich dort davon überzeugt hat, daß diese Kulturen einen Gewinn " werfen. Die Zeitschrift „Sempervirens" führt neuerdings drei Ow gärten in der Gegend von Del an, deren einer auf der Fläche r 2 ka im letzten Jahre 2880 fl. für Aepfel einbrachte, ein anderer/ gleicher Oberfläche ergab sogar für 6110 fl. und der dritte von elM' Umfang von 1z« da, brachte allein für Kirschen 912 fl. Solche Dat predigen die alte Volksmaxime immer wieder von Neuem: Auf jeden Raum Pflanz' einen Baum Und pflege sein: Er bringt Dir's ein. Vermischtes. * Großes Aufsehen erregt es in Wien, daß der russische V/ rath Maximilian von Greffen, welcher wegen Betrugs zu fünfjahnll Kerker verurtheilt worden, am 10. November Nachts aus dein G^a ß niste des Wiener Landesgerichts entsprungen ist. Es wurde ein verständniß mit dem Gefangenhausaufseher konstatirt, welcher verhaftet wurde. * Der rücksichtsvolle Hauptmann. „Das Ihrs nur w — Ganzes Bataillon Kehrt! — Ihr seid Alle ganz verfluchte / z penkerle. Ich wollte es Euch nur nicht ins Gesicht sagen. — G» s Bataillon Front!"