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(Fortsetzung.) Nachdruck verboten. Die Falschmünzer. Kriminal-Roman von Gustav Lössel. „Um Vergebung, ich selbst hatte sehr intime Beziehungen zu Mar- Forster, den Sie noch soeben als tüchtigen Geschäftsmann rühm- Die gleichen Neigungen, Entsagungen und ernste Arbeit, derselbe ^wf, verbanden uns in treuer Freundschaft. Wie hätte es bei so "erwandten Naturen auch anders sein können!" Eine Wolke legte sich auf Etwolds Stirn. „Und natürlich wußten Sie auch um diese Liebelei," sagte er, vermittelten vielleicht gar —" „Nein." „Nur aus Freundschaft natürlich —" sprach er sarkastisch. „Es Me ja auch entschuldbar. Sie kannten mich und meine Wünsche ja Malz noch nicht so wie heut." , „Ich bedaure aufrichtig, Sie in solchem Jrrthum über mich be rgen zu sehen. Mein Freund Martin kannte mich doch besser. Er lächle mir überhaupt keine Mittheilung von dem Gegenstand seiner Mlichen Neigung; denn er wußte, daß ich dann nicht hätte Passiv °^iben können. Ich würde Ihnen entweder Mittheilung gemacht, oder, mein Gewissen zu beschwichtigen, meine einträgliche Stellung quit- Haden. Dem einen wollte er sich, dem andern mich nicht aus sen; und so bewahrte er seine Liebe als Geheimniß auch gegen mich." „Und als er sortging? Ins Ausland?" „Sagte er nur, er scheide mit schwerem Herzen, aber nicht hoff- ^gslos. Wenn er eines Tages wiederkehren werde, würde ich wis- warum er fortgezogen. Ich verstand kein Wort davon und sagte "ur: „Da ist gewiß ein Weib im Spiele." — „Du könntest Recht Men," entgegnete er. „Aber kein Wort mehr hiervon, mein Freund, «inc ferneren Fragen würden in mir Erinnerungen neu beleben, die jetzt eingesargt habe, begraben für ein lange Zeit." Damit schied Seine Worte waren mir damal ein Räthsel. Als Sie mich dann Am Prokuristen ernannten und mit Ihrem Vertrauen beehrten, erhielt H die mich natürlich verblüffende Erklärung desselben. Ich dachte bei mir, daß es gut wäre, daß Martin fortgegangen, nnd zweck» Ihnen mehr zu sagen. Heut liegt die Sache anders; und da Kortin seit seinem Wiedererscheinen hier bei Ihnen noch nicht gewesen man mir sagt, daß Fräulein Klara seit jenem Ballabcnd bedenk- ^) erkrankt sei, hielt ich es für meine Pflicht, Sie von meiner Beo- "chtung in Kenntniß zu setzen." Der Kommerzienrath schwieg in tödtlicher Verlegenheit. Er stand "A Fenster, den Rücken gegen Duprat wendend, und blickte über einen ^schneite» Holzplatz hinweg auf den Kanal hinaus. Er verharrte 'Ae ganze Weile so, in finsteres Sinnen verloren. , Auch Duprat schwieg, aber erwartungsvoll. Er wußte, daß ihre Überredung so nicht enden würde. Wie es nun des öfteren Passiert, daß man bei längerem Hinstar- auf einen Gegenstand, an welchen eine bestimmte Erinnerung sich ! ?^ft, diese selbst vor seinem geistigen Auge sich neu beleben und Ge- gewinnen sieht, so war es auch mit Etwold und dem Punkt, auf Elchen er unausgesetzt den Blick gerichtet hielt. . Die schwarzen, von einem vielzackigen Eisrande umstarrten Fluthen .^Kanals rauschten plötzlich auf, und aus dem nassen Grabe stieg ^Gestalt des rothen Mathies, das Auge starr, die Faust erhoben seine häßlichen Züge von teuflischer Bosheit verzerrt. Der Kommerzienrath legte rasch die Hand vor die Augen. „Was ist Ihnen?" fragte Duprat theilnahmsvoll. Ein plötzlich hervorbrechender Sonnenstrahl kam Etwold zu Hülfe, dieser machte seine Ausrede glaubhaft. Er schritt nach seinem Schreibtisch, wo er hastig einige Papiere wnete und verschloß. „Ich muß jetzt zu meiner Tochter," sagte er gepreßt. „Der Sic aber doch von meinem Mltwissen ihres Geheimnisses "Hti sagen werden?" fragte Duprat rasch. . „Fürchten Sie das nicht. Von einem Berühren dieses Gegenstan- kann jetzt überhaupt nicht die Rede sein. Aber was ich noch wollte, — wie sah denn jetzt der junge Forster aus? Ich Mie — wie — wie machte er sich? Oder vielmehr, glauben Sie, er inzwischen die Millionen verdient hatte, die ich einmal im „Herz von ihm forderte, und daß er gekommen, um seinen Antrag zu Beuern?" „.„Sie zweifeln noch immer?" entgegnete Duprat mit einem leisen >Mug von Aerger. „Ich will Ihnen die Gestalt des Wiedergekehr- Zeichnen; und dann mögen Sie selbst beurtheilen, ob Sie daraus Züge des Wiedergekehrten erkennen oder nicht. Allerdings müssen etwas auf Rechnung der verflossenen Jahre und des veränderten ^>inas bringen." in, Duprat machte eine umständliche Beschreibung des von ihm A Pallabend im Wintergarten Gesehenen. Es war die Beschreibung des Ermordeten aus der Schwedengasse. Dn Kommerzienrath fragte nicht weiter. „Sie werden über dieses Rendezvous schweigen, Duprat." „Wie das Grab." „Und ich werde Ihre Treue nicht unbelohnt lassen." c Er ging hinaus, die weitere Erledigung der Geschäfte für den Dag dem Prokuristen überlassend. Gleich nach ihm ging auch Duprat fort, um ein Telegramm nach - aufzugeben. Dasselbe lautete: „Den von mir eingegangenen Brief ""ch umgehend retour unter Couvert an meine Privatadresse. 5. Kapitel. Ein Rendezvous. In einem der entlegentsten Cafos der Residenz saß zur Nachtzeit der Assessor Soltmann und musterte mit eingeklemmten Monocle die Füßchen der vorbeitrippelnden Schönen, welche, wenn sie sich in seine Nähe setzten und besonders reizend bei Fuß waren, diesen Studien in der liberalsten Weise zu Hülfe kamen. Es war ein kleiner, zierlicher Fuß gewesen, der sich an der Mord stätte im Schnee abgedrückt hatte, also jedenfalls nicht der Fuß einer Arbeiterfrau, sondern ein Damenfuß, und da bis jetzt alle Anfragen dafür sprachen, daß es ein Raubmord gewesen und die nächtlicher weile hier verkehrende Damenwelt stets und viel Geld brauchte, auch mit den niedrigsten gesellschaftlichen Elementen zersetzt war, war ein solches Studium für einen Mim» wie Soltmann immerhin ein ent schuldbarer Zeitvertreib. Der Zufall spielt ja manchmal wunderbar, und er war dem jungen Criminalisten schon oft zu Hülfe gekommen, wenn er selber dem Verzweifeln nahe gewesen. Soltmann war aber nicht so einfältig, zu glauben, daß er aus dem bloßen Fußmaß den identischen Fußabdruck werde erkennen kön nen. Der Letzere hatte, wie eine nachträgliche genaue Augenschau er geben, noch ein besonderes Kennzeichen gehabt, daß aber Soltmann, wie auch das rothe Stückchen Seide, daß er im Wintergarten aufgele sen, nicht weiter erwähnt hatte. Er hatte sich mit Neubert dahin ge einigt, daß Jener in den Verbrecherkreisen nach den Antecedentien des rothen Mathies, eventuell nach dessen Genossen forschen sollte, während Soltmann, seiner anderen Erscheinung und Lebensweise entsprechend, der eigentlichen Mörderin nachspürte. Beide Herren hatten für heute Nacht ein Rendezvouz an diesem Ort verabredet, und nun saß Soltmann hier und wartete auf seinen Verbündeten. Wer ihn da sah in seinem eleganten Anzug mit der Kravatte L la, L^ron, den Hellen Glaco's, dem schönfrisirten Kopf und dem leichten Spazierstöckchen, dessen Knopf man es nicht ansah, daß er mit Blei gefüllt war, der hätte wohl eher geglaubt, hier einen jungen Fi nanzmann oder einen angehenden Makart vor Augen zu haben, wel- cher seine naturalistischen Studien in den bescheidenen Grenzen seines jungen Talentes machte. Aber Soltmanns schöne ausdrucksvolle Augen konnten auch recht drohend blicken, und selbst wenn sie verliebt schauten, waren sie dem Gegenstände seiner Verehrung zumeist gefährlich. Wehe den Füßen, welche jetzt vor ihm mit den verhängnißvollen Stiefelletten paradirt hätten! Diese Koketterie mit dem angeblichen jungen Lebemann wäre der betreffenden Schönen verhängnißvoll geworden. Die anwesenden jungen Damen ahnten, daß der elegante Herr zum Rendezvous hier erschienen sei, und darum ließen sie ihn nach dem Grundsätze: „Jedem das Seine" in Ruh. Freilich, daß dieses Rendezvous mit einem der gewiegtesten Kriminalisten verabredet war, davon hätte wohl keine der Schönen sich etwas träumen lassen. Inzwischen verstrich die Zeit. Die Elfen der Straßen schwebten herein und wieder hinaus, und Soltmann saß schon bei seinem dritten Glase Melange. Immer häufiger konsultirte er die Zeit, immer erwartungsvoller blickte er nach den beiden Eingängen, hohe Glasthüren, welche lautlos auf- und zuflogen. Der Erwartete kam nicht. Der Assessor konnte zuletzt seine Unruhe nicht mehr verbergen. Neubert hatte heute „einen recht versteckten Fuchsbau exploriren wollen," wie er sich ausdrückte. Da lag wohl die Annahme nicht so fern, daß er dabei zu Schaden gekommen oder auch einen wichtigen Fang gemacht hatte, den er vor seinem Erscheinen hier nach dem Stadtgefängniß in Sicherheit bringen mußte. Soltmann hatte nach der Lage jenes Fuchsbaues zu fragen ver gessen, und nun saß er hier so zu sagen auf Nadeln, auch etwas är gerlich über seine in einer solchen Umgebung keineswegs angenehme Situation. Es klangen schon allerlei verdächtige Stichelreden an sein Ohr, wie: „Toggenburg" — „Zechpreller" — und dergleichen verfängliche Reden mehr; natürlich bedienten sich derselben nur die Vorbeihuschenden Schönen, und auch nicht in einer Weise, daß Soltmann sie hätte auf sich beziehen können, obschon sie auf ihn gemünzt waren. Endlich erhielt das ewige Einerlei eine angenehme Abwechslung. Unter der wieder geöffneten Glasthür erschien eine reizende Mäd chengestalt in Begleitung eines jungen Herrn, und beide Personen offenbar den höheren Ständen angehörig. Aus den dichten Umhüllungen, welche die winterliche Kälte er forderlich machte, blitzte ein schönes, feuriges Augenpaar hervor, in welchem ein recht kindliches Lächeln sich spiegelte. Nach einem flüchtigen, etwas verschämten Blick in den Saal hielt das junge Mädchen ihren Begleiter von einem weiteren Vordringen zurück, und Beide nahmen nun am Saaleingang hinter einer vorge schobenen Zeltwand Platz, welche sie gegen die Blicke der Neugierigen verdeckte. Soltmann hatte die beiden späten Gäste gesehen, aber sie, die nur vor sich blickten, nicht auf ihn, und so setzten sie sich auf der anderen Seite der Zeltwand unmittelbar neben ihm nieder. „So werde ich wenigstens etwas Unterhaltung haben," dachte er, „wenn sie mir im Uebrigen auch sehr gleichgültig sein wird." Und er hatte Recht. Es war die alte Geschichte von zwei heim lich liebenden Herzen, deren Zärtlichkeiten den Blick der Eltern zu scheuen haben. Zwar war es, und das beruhigte Soltmann, ein recht unschul diges Verhältniß, und der junge Mann nicht der Versucher, der er nach Ort und Stunde wohl hätte sein können. „Ida," so nannte der junge Mann seine Herzliebste, kam von einer