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großherzoglich hessischen Regierung noch Verhandlungen gepflogen werven müssen. Der Polizeirath Rumpff befaß unter andern Orden auch den der Ehrenlegion. Aus welcher Veranlassung er ihn empfing, wird so erzählt: Eines Tages meldete sich bei Rumpfi ein feingekleideter Herr mit der Anzeige, es feien ihm Uhr und Ring gestohlen worden. Rumpff sieht sich den Herrn genau an, steht auf und bläitert im Ver brecheralbum. Gut, Herr Goldschmied, Sic werden Ihre Sachen wieder bekommen, sagt Rumpff bald darauf. Der feine Herr wird bleich und betheuert, er heiße nicht Goldschmiedt fein Name fei fo und so. Das wissen wir besser, meint Rumpff gelassen und läßt den Herrn verhaften. Es war ein Schwindler, der in Paris mit einer Million durchgegangen war. Napoleon III. verlieh ihm darauf das Kreuz der Ehrenlegion. Die jüngsten Reichstagsverhandlungen haben die Aufmerksamkeit der Nation wiederholt der Auswanderungsfrage zugewendet. Die Auswanderung ist eine der bedeutungsvollsten Erscheinungen für die Kultur der Menschheit. Die Ursachen derselben sind so mannigfaltig, daß es fchwer ist, darüber ein immer zutreffendes Urtheil abzugeben. Ein Hauptgrund liegt, wie die,,Soz.-Korr." aussührl, „in den natür lichen Vorzügen vieler fremder Länder, welche unternehmungslustigen und vorwärtsstrebenden Personen mehr Ellbogenraum und bessere Aus sicht auf Fortkommen und Lebensgenuß bieten. Die Fortgezogenen müssen sich zwar in der Fremde anfänglich ost weit mehr anstrengen als daheim, sie lernen aber auch drüben besser arbeiten und kommen, unterstützt von den reicheren Naturgaben, iu der Regel schneller vor wärts. Dies Alles macht sie zufriedener und ihr behaglicher Zustand veranlaßt sie, nun auch nähere und fernere Angehörige und Freunde in der Heimath zur Nachfolge aufzusordern. So wiro die Auswan derung geradezu ein Erziehungsmittel zur Arbeit und zu besserer Be nutzung des Erdraumes. Ferner erweist sie sich für viele Familien und dichtbevölkerte Gegenden geradezu als eine Nothwendigkeit, weil die jüngeren Söhne und ledigen Töchter kinderreicher Familien daheim oft vollständig ohne Aussicht auf Ernährung, Versorgung und Verhei- rathung sind. Die germanischen Völker müssen schon wegen der grö ßeren Fruchtbarkeit ihrer Ehen einen größeren Antheil an der Aus wanderung nehmen. Neben diesen allgemeinen Ursachen wirken nun aber die speziellen Erwerbsverhältnissen der Heimath und ver Fremde nicht weniger bestimmend. Je geringer der Verdienst und je schwerer die Lasten und Beschränkungen der Heimath werden, um fo leichter wird der Entschluß zur Auswanderung gefaßt. Die schließliche Aus führung hängt aber befonders von den wirthfchaftlichen Zuständen der überfeeischen Länder ab. Sobald dieselben günstig oder ungünstig sind, hebt oder senkt sich die Auswanderungsziffer. Die Ausgleichung der Bevölkerungsverhältnisse diesseits und jenseits des Ozeans und die Aussichten auf Fortkommen in andern Ländern sind ein Segen für die Menschheit. Die europäischen Arbeitslöhne würden ohne die Aus wanderung viel niedriger fein. Wer aber Jemandem den Rath giebt, auszuwandern, muß in erster Linie das Wohl des auswandernden Individuums in Betracht ziehen. Die Wahl des Zieles muß aus dem eigenen Entschlusse der vetheiligten Personen hervvrgehen, damit Nie mand drüben die Behörden der Heimath für sein Loos verantwortlich mache und Haß statt Liebe zur Heimath verbreite." Nachrichten aus London melden von einer neuen Deutschen Kolonial-Erwerbung. Ueber Madeira ist in London die Nachricht eingctroffen, daß ein großes Gebiet nördlich von Sierra Leone durch Aufhiffen der Deutschen Flagge unter den Schutz des Deutschen Reiches gestellt worden ist. Gerüchte von solch einer neuen Erwerbung waren bereits vor einiger Zeit aufgetaucht, eine amtliche Bestätigung scheint in Berlin heute noch nicht eingetroffen zu sein. Ferner sollen au der Sklavenküste bei Keta (und in der Nähe von Klein-Popo) die weiter im Binnenlande ansässigen Awona-Leute die Deutsche Flagge aufge zogen und erklärt haben, daß sie keine Mundvorräthe mehr nach der Küste liefern wollen, wenn nicht in Aellacoffie und Keta (wo Englische Händler sitzen) dasselbe geschehe. Rom, 22. Jan. In Gignod (Aostathal) sind 2 Personen durch Schneelawinen verschüttet worden. In Frassino (Distrikt Saluzzo) wurden bereits 30 verschüttete Leichen durch Soldaten zu Tage gefördert. Die Einheimsung kriegerischen Lorbeers seitens der englischen Khartumexpedition hat ihren Anfang genommen. Der erste Zu sammenstoß zwischen Britischen und Mahdisten fand bei Abuklei Wills am 17. statt. Dort hatten etwa 10,000 „Aufständische" die den Weg beherrschenden Positionen besetzt und erwarteten den eng lischen Angriff. Die Engländer, 1200 Mann stark, unter dem Kom mando des Obersten Stewart stehend, setzten sich, nachdem sie Quarrs sormirt, in Vormarsch, wurden aber auf halbem Wege von dem Plötz lich zur Offensive übergehenden Feinde überrascht und — anders kann man sich nach den vorliegenden Berichten den Hergang nicht vorstellen — im ersten Anprall über den Haufen geworfen. Zum Glück gelang es den Angegriffenen, bevor die Katastrophe allgemein wurde, ihre Reihen wieder zu schließen und ihre überlegenen Präzisionswaffen zur Geltung zu bringen. Der Feind zog sich schließlich mit 1200 Mann Verlust zurück; aber auch auf englischer Seite ist ein im Ver- hältniß ebenso starker Verlust zu konstatiren; jedenfalls scheint von einer Verfolgung der Abziehenden keine Rede gewesen zu sein, und der Gesammteindruck, den man aus dem Gefechtsbericht, obwohl er doch englischen Ursprungs ist, gewinnt, ist für die Feldtüchtigkeit der Truppe nicht gerade sehr schmeichelhaft. Vaterländisches Wilsdruff. Morgen Abend hält die „Freiwillige Feuerwehr" im Saale des Hotel Adler eine Theatervorstellung (Die Waise von Genf) ab, welche einen genußreichen Abend verspricht, da die Ausführung durch ganz intelligente Mitglieder geschieht; ein recht zahlreicher Be such steht deshalb auch zu erwarten. — Wir erinnern hiermit alle gestellungspflichtigen juugen Leute oder deren Angehörige daran, daß mit Ende dieser Woche die Frist abläuft, bis zu welcher Zeit solche iu der hiesigen Rathsexpedition zur Eintragung in die Stammrolle anzumelden haben; widrigenfalls dieselben eine Geldstrafe bis zu 30 Mark oder Haft bis zu 3 Tagen zu erwarten haben. — Wie uns mitgetheilt wird, sind die Anmeldungen zu der vom hiesigen rührigen Geflügelzüchterverein für nächsten Freitag, Sonnabend und Sonntag veranstalteten Geflügelausstellung recht zahlreich einge gangen und dürfte wiederum für alle Freunde der Geflügelzucht fo manches Interesse haben. Die jetzige schöne Schlittenschlage wird sicherlich zu einem zahlreichen Besuche der Ausstellung mit beitragen. — Nachdem der tz 100 o des Gewerbegesetzes Gesetzeskraft er langt hat, regt es sich allerorts mit Bildung 'von Innungen, so auch in unserer Stadt. Neu ist aber, daß es auch gestattet ist, auch größere vereinigte Handwerkerinnungen ins Leben zu rufen, was höchstwahr scheinlich im hiesigen Amtsgerichlsbezirk stattfinden wird. Eine aus dem hiesigen Gewerbevereine hervorgegangene Kommission hat die Sache in die Hand genommen, und sich die nöthigcn Unterlagen, unter Anderem auch die Statuten einer derartigen Genossenschaft, verschafft; eine für gestern anberaumte Versammlung, welche sehr stark besucht war, erwärmte sich denn auch lebhaft für das Unternehmen und fanden bereits zahlreiche Zeichnungen zur Theilnahme statt. Die bereits be stehende Commission wurde beauftragt, sich zu verstärken, die weiteren Schritte in der Angelegenheit zu thun und später eine weitere Ver sammlung einzuberufen. — Das zum Besten des Pestalozzivereins vom Bezirkslehrerver ein Wilsdruff im nieder» Gasthof zu Keffelsdorf am gestrigen Sonn tag Abend veranstaltete Concert war fehr gut besucht und wurde das aus 15 Nummern bestehend? Programm, welches theils ernste theils auch recht heitere Gesangsvorträge enthielt, durchwegs gut ausgeführt, daher auch mit vielem Beifall ausgenommen, was der stürmische Applaus und das wiederholte Dacaporufeu bestätigte. — Dresden, 24. Januar. Gestern Abend brach in der Sprit fabrik von Krone L Höser in Löbtau, Tharandterstraße, ein bedeu tendes Schadenfeuer aus. Die städtische und die Ortsfeuerwehr ent faltete dabei ihre volle Thätigkeit bis Nachts gegen 3 Uhr. — Meißen. Die am 21. Januar aus dem österreichischen Kreis gerichte in Brüx stattgesundene Gegenüberstellung des in Kommotau nach Niederstechung eines Mädchens verhafteten und in Brüx gefangen sitzenden Menschen und des hiesigen Dienstmädchens, welches den Mörder der Frau Petzold nach der That einen Moment gesehen, und zwar als er aus dem Hause eilte, hat nicht das gewünschte Re- sultat gehabt, den Gefangenen von Brüx aber immerhin fchwer be lastet. Das Dienstmädchen, dem der Gefangene, welcher Prokop heißt, mit rasirtem Gesicht und in HäftlingLkleidcrn vorgeführt wurde, ver mochte nur auszusagen, daß die Statur und das Haar des Borgeführten übereinstimme mit der Statur und dem Haar des Mörders der Frau Petzold, der allerdings hier einen dunklen Schnurrbart trug. Dagegen wurden der Schlips und das grauseidene Halstuch Prokop's, das der Zeugin vorgelegt und dann wieder in einen Schrank gelegt wurde, von dem in Begleitung der Zeugin befindlichen Ehemann der ermor deten Frau Petzold bestimmt als diejenigen Kleidungsstücke erkannt, welche der Mörder nach Aussage der erst mehrere Tage nach ihrer Verwundung verstorbenen Frau Petzold getragen hat. Es scheint so mit doch sehr wahrscheinlich zu sein, daß der Mörder von Kommotau thatsächlich identisch ist mit dem Mörder der Frau Petzold. Eine ganz bestimmte Wiedererkennung des Mörders der Fran Petzold in der Person Prokop's durch das hiesige Dienstmädchen war wohl auch kaum möglich, da, wie gesagt, Letzteres denselben nur eine Sekunde vor Augen hatte. — Die Kälte der letzten Tage hat abermals mehreren Personen den Tod gebracht. Am Montag wurde in Langenbach i. V. ein Schuhmachergeselle und in Zwenkau ein Maschinenbauer erfroren aufgefunden. Der letztere war in angetrunkenem Zustandr vom Wege abgekommen und liegen geblieben, wodurch sein Tod herbeigeführt wurde. Auch in der Nähe vou Leipzig auf Möckern'scher Flur, fand am Diens tag eine unbekannte Frauensperson den Tod durch Erfrieren. — Am Freitag hat im Lugau-Oelsnitzer Kohlenbecken ein grö ßeres Grubenunglück stattgefunden, das 17 Bergleuten, darunter 13 Verheiratheten, das Leben gekostet hat. Das Werk, welches von dem Unglück betroffen wurde, ist der Jdaschacht in Hohndorf. Er gehört dem Steinkohlenbauverein Hohndorf. Das Unglück geschah Vormittag 10 Uhr. Obersteiger Strauß war eben auf Helencnschachter Revier, da bemerkte er einen starken Kohlenstaubandrang. Sofortige Nach forschungen ergaben, daß ein Unglück geschehen; anfangs wollte er mit einem Gehülfen gegen die Wetter vordringen, das war jedoch nicht möglich, so suchte er mit den Wettern, in der Richtung derselben, zu der Mannschaft, die von den „bösen Wettern" betroffen, vorzudringen. Da kam der Obersteiger an eine Stelle, wo er 2 Tobte fand. Die um 6 Uhr verlesene und angesahrene Belegschaft betrug 98 Mann, von diesen waren am Abend 17 als Tobte wieder herausgebracht. So lebhaft es auf dem Schachte infolge des Ab - und Zugehens der Bergleute, der Beamten des Werkes, der bergamtlichen und staatsan- waltschaftlichen Untersuchungskommifsion und der bedauernswerthen Hinterlaßenen der Verunglückten am Sonnabend auch herging, tiefernst war die Situation, und die mit verhaltener Stimme geführten Gespräche unterbrachen nur das Schluchzen und die Ausbrüche des Schmerzes der trauernden Wittwen der in Ausführung ihres Berufes vom Tode Ereilten. — Am 20. Januar Abends 8 Uhr brannte es in der Meißner Ofen- und Chamottefabrik (Carl Teichert). Das Feuer war in dem Gebäude, in welchem sich die Brennöfen befinden, dadurch entstanden, daß einer der glühend heißen Schornsteine, durch welche bei jedem Brande das Helle Feuer ins Freie schlägt, das umliegende Gebälk entzündete. Nachdem die Feuerwehr die Decke durchbrochen, und das benachbarte Dach beseitigt hatte, kam das Feuer zum Aullodern, wurde aber durch die nun eingreifenden zwei Spritzen gedämpft, nach ein stündiger Arbeit war das Feuer gelöscht. — Großes Aufsehen erregt gegenwärtig in Georgenfeld bei Altenberg die Verhaftung des Gemeindevorstandes Schmelzer, welcher sich bedeutende Unterschlagungen von Gemeindegeldern zn Schulden kommen ließ. Die Grafen von Dürrenstein. Original - Roman von Emilie Heinrichs. ^Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) „Sie dürfen über mich verfügen, Herr Baron!" rief der alte Herr, sich in einen weichen Sessel niederlassend. Der Hausherr nahm ihm gegenüber Platz, blickte eine Weile starr vor sich hin und begann dann mit gedämpfter Stimme: „Ich habe Ihnen gesprächsweise schon früher einige Bruchstücke aus meinem Leben mitgetheilt. Sie wissen, daß ich mich selber Ihnen gegenüber nicht schonte, daß ich bekannte, ein sehr großes Vermögen mit vollen Händen verschleudert zu haben, ohne dabei an die Zukunft meines Kindes zu denken. Ich erzählte Ihnen, daß ich zu spät aus diesem Taumel der Genußsucht erwachte, um mich vor einem Abgrund zu finden. Ich war ein verblendeter, ein schwacher Gatte, ein schlechter Vater, der jetzt — o, daß ich die Stirn habe, es auszusprechen — von einem Bruchtheil des mütterlichen Erbes meiner beraubten Tochter ein elendes Dasein fristen muß." Er hielt inne und schlug stöhnend beide Hände vor das bleiche Antlitz. Der Baron, welcher nicht fünf zig Jahre zählte, und einst sehr schön gewesen sein mußte, erschien in diesem Augenblick auffällig gealtert. Scham und bitterer Seelenschmerz prägten sich nur zu deutlich in den zuckenden Zügen aus, und mit leidig ruhte des Pfarrers mildes Auge auf dem unglücklichen Edelmann.