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der von den Sünden dieser Welt nichts weiß, wird von einer Göttin entdeckt, die es allerliebst findet, mit ihm durch Flur und Hain zu schreiten, und idyllische Träume träumt. Diana ahnte nicht, daß ihr Endymion schon von einem Pfeile ge troffen wurde; daß dieser Verräther in seiner Hütte — Hören Sie auf, fiel Lydia ein. Sagen Sie mir einfach, wie diese glückselige Nebenbuhlerin Diana's heißt. Babette heißt sie. Sie lachte hell auf. Nonsens, mein würdiger Freund; von diesem strickenden und kochenden Ungeheuer hat Diana nichts zu besorgen. Kehren wir aus der Geschichte der abenteuerlustigen Göttin zur Geschichte dieses Hauses zurück, erwiderte er, und betrachten wir die Sache ohne alle Romantik, wie sie ist, so verhält es sich damit sehr natürlich. Babette ist von guter Familie, als Waise in dies Haus gekommen, als sie sechzehn Jahre alt war. Sie fand einen zehnjährigen Knaben dort vor, und als dessen Mutter drei Jahre darauf starb, half sie ihn er ziehen, und er lohnte ihre Liebe mit seiner innigen Anhäng lichkeit. So ist es fortgegangen bis vor wenigen Tagen, und alle Welt wartet darauf, wann Hochzeit sein würde. Laßt sie nur warten, lachte Lydia. Am meisten aber wartet der grimmige Major, und Fräu lein Babette ist allerdings keine zu verachtende Parthie, denn dieser Töpel, der nichts Angenehmeres auf Erden kennt, als Batzen sparen, spart für die liebliche gräfliche Braut in Mariahall. Sehr lustig! Sehr lächerlich! rief Lydia, aber fort da mit! Wenn er dies häusliche Ungethüm begehrte, stand es ihm nicht schon längst zu Diensten? Mein bescheidener Cou sin hat besseren Geschmack. Niemals hat er daran gedacht, sich so weit zu vergessen. Es ist möglich, daß sein Geschmack noch eine seltsamere Richtung genommen hat, lächelte Herr von Springfeld. Was meinen Sie damit? fragte sie lebhaft. Sie meinen mich, Sie finden das noch seltsamer — nicht wahr? Wenn es so wäre — sie stützte den Kopf in ihre Hand und sah ihn an. Erwarten Sie meinen Rath darüber? fragte er. Nein. Niemandes Rath, ich bin mündig. Mein Cousin ist ein junger Mann, den ich sehr hochschätzc seiner schönen und guten Eigenschaften wegen. Ja, ich wiederhole es Ihnen ernsthaft, seiner schönen und herrlichen Eigenschaften wegen! Er hat allerdings nicht die feine Politur unserer Herren aus der Gesellschaft, aber was thut das! Phrasen auswendig lernen kann ein Jeder; abgeschliffen, wie ein verbrachtes Geld stück, das durch unzählige Hände wandert, wird man leicht, aber hier — hier! — sie tippte mit den Fingern auf ihre Brust — das Herz an der rechten Stelle haben, ehrlich und offen denken und handeln, das ist nicht Jedermanns Sache. Ihr Gesicht glühte, sie war aufgeregt und ging auf und ab. Herr von Springfeld blieb sitzen, seine Füße gekreuzt und seine Daumen um einander rollend. Ich hoffe nicht, sagte er mit unerschütterlicher Sanftmuth, daß Sie an meiner Offenheit und Ehrlichkeit zweifeln. Eben dadurch bin ich be stimmt worden, Ihnen zu sagen, was ich sagte. Nicht mein Interesse verfolge ich. Ich denke allein an Ihr Glück, meine theure Freundin, um dessentwillen allein bin ich besorgt. Ihr Jugendfreund erscheint Ihnen als eine reine edle Natur. Ihr Herz feiert daran ein Frühlingsfest und glaubt, ein neue« Leben beginnen zu können, vielleicht ein Schäferleben würdig für einen Schäferroman, aber bedenken Sie w ohl, was Sie thun. Wir können nicht von uns abstreifen, was uns angeboren und anerzogen ist; um glücklich zu sein, muß das Glück, das wir suchen, zu uns passen. Ein Bauer, dem ein Stern an den Rock geheftet wird, wird bald sein Glück verwünschen, und wie interessant es auch immer scheinen mag, einen jungen unerfahrenen Mann mit Liebe zn beglücken, in ihm das Ideal für ein vom reinsten Glück verschöntes Menschenleben zu sehen, es ist wohl zu bedenken, ob nicht das Unglück damit sich statt dessen an Alle heftet, die so Un klares, so Unnatürliches verlangen. Lydia wandte sich rasch zu ihm um. Sie sind mein bewährter Freund, sagte sie, wir kennen uns Beide. Sind Sie mit Ihrem Sermon fertig ? Ich kann nichts weiter hinzufügen. So dunke ich Ihnen. Auf Ihre Ergebenheit kann ich zählen. Ich habe einen Auftrag für Sie. An Fräulein Babette. Ich vergaß Ihnen zu sagen, daß sie sich den Schein giebt, als habe sie nie daran gedacht, Wünsche zu hegen, und daß sie mit dem alten Herrn ganz einverstanden ist, Niemand sei würdiger, ihren Platz einzu nehmen, als Gräfin Lydia. Ich verzeihe Ihnen Ihren Spott, erwiderte Lydia, jetzt hören Sie mich an. Haben Sie eine jnnge Bäuerin hier bemerkt, welche Vreneli heißt? Allerdings. Was ist mit ihr? Dies Mädchen hat mir einen großen Dienst erwiesen, den ich ihr vergelten muß. See hat uns bei der Landung auf dem See beigestanden, und ohne ihre Hülfe würden wir wahrscheinlich verunglückt sein. Davon weiß kein Mensch etwas! So sage ich es Ihnen. Graf Rudolf wird cs nicht der Mühe werth gefunden Haden, darüber zu sprechen. Aber das ist merkwürdig genug. Das Mädchen hat ihm schon einmal sein Leben gerettet. Hat er Ihnen das erzäht? Nein. Dafür hat er sie mit ihrem Vater hierher versetzt und überreich belohnt. Es ist ein in ihrer Art hervorragendes Geschöpf mit plastischen Formen. Ein lebhafter Unwille malte sich in Lydias Gesicht. Dies Mädchen, der mein Cousin, Graf Rudolf, seine Dankbarkeit bezeigte, ist die Tochter des Mannes auf seinem Hofe dort oben auf dem Berge. Ich wünsche von Ihnen, Herr Baron, daß Sie sich zu ihrem Vater begeben und ihm sagen, daß ich gern etwas für seine Tochter thun möchte. Das Mädchen hat, wie ich nicht zweifle, irgend einen Knecht oder Bauer, der sich um sie bewirbt. Ich will ihr ein reichliches Hochzeits geschenk geben. Erkundigen Sie sich bei dem Vater und lassen Sie ihn oder das Mädchen selbst aussprechen, was sie wünschen. Sie wollen überall glücklich Paare machen! lächte der Baron. Ich werde mein Möglichstes thun, um Ihre edlen Absichten zu erfüllen. Inzwischen werde ich mit Rudolf heute in die Stadt fahren und dort die verschiedenen Sammlungen und sonstige Herrlichkeiten besichtigen. Auch das ist sehr gut, damit ich ungestört meinen Auf trag ausfüllen kann. Es wird mir lieb sein, wenn ich dem armen Mädchen Gutes thun kann, sagte sie nochmals, als er Abschied nahm. Ich habe zwei Tausend Francs dafür eben übrig; sollte das nicht genug sein, so auch mehr. Was wir vorhaben, muß in zwischen geheim bleiben. Wo so viel Geheimniß ist, kommt es auf eine Kleinig keit mehr oder weniger nicht an, sagte er scherzend. Wir werden dem Hirtenkind mit einer solchen Summe zu viele Bräutigame auf den Hals laden, Tic ich besorge. Als er fort war, ließ Lydia sich ankleiden und wählte die reichsten und geschmackvollsten Gegenstände, welche sie be saß. Ihre Kammerfran lebte auf, als sie hörte, daß die Zeit — der Niedrigkeit vorüber sei, und bestrebte sich, alles Ber äumte nachzuholen. Sie freute sich aber auch dafür mit nnigster Selbstbefriedigung über ihr Werk, als sie die Gräfin im Garten sah, der halbwilde Cousin sie anftaunte und kaum zu berühren wagte, und Fräulein Babette in unterthänigstcr Freundlichkeit umherknixte, daß ihr die Taffe aus der Hand rel. — Nach einer Stunde fuhr Lydia mit ihrem Consin in >ie Stadt. In dem weißen Caschmirmantel sah sie wie eine Fürstin aus, aber der Herr Consin in dem grauen Röckchen wollte der Kammerfrau gar nicht gefallen. (Forts, folgt.) Vermischtes. * Ein fürchterliches Unglück ereignete sich, wie aus New- Jork gemeldet wird, am 22. August auf der Gebirgseisenbahn in der Nachbarschaft von Reading. Ein mit Passagieren voll besetzter Wagen löste sich auf der Spitze des Berges Penn in einer Höhe von 800 Fuß oberhalb der Stadt, los und rollte mit furchtbarer Geschwindigkeit den Berg hinunter, bis er über einen 50 Fuß hohen Damm geschleudert wurde. Fünf Pcr- onen wurden aus der Stelle getödtet und viele andere trugen Verletzungen davon. Aus Krakau wird berichtet: Während der militärischen Uebung auf dem hiesigen Exerzierplätze ereignete sich dieser Tage ein tragischer Fall. Ein Offizier, Lieutenant Josef Pollatscher vom 57. Infanterie-Regiment, versetzte einem widerspenstigen Soldaten, einem Reservisten, einen Säbelhieb, der den sofortigen Tod des Soldaten herbeiführte. Hierauf tödtete sich der Offizier auf dem Exerzierplätze selbst. Beide Leichen wurden in das Garnisonöspital gebracht. * Wüste Gesellen. Fürchterliche Szenen spielten sich am 18. v. M. in einem vollbesetzten Ausflüglerzuge ctwa 15 Meilen westlich von Cincinnati ab. Einige berauschte Arbeiter stiegen ein und begannen Streit miteinander. Revolver wurden gezogen und der Zank artete in einen Kampf aus, während dessen Schuß auf Schuß in rascher Reihenfolge fiel. Als endlich Ruhe einkehrte und der Pulverrauch sich verzog, wurden sechs Personen todt auf dem Boden liegend vorgefunden, da runter 2 Passagiere, die mit dem Kampfe nichts zu thun hatten. Eine derselben, eine Frau, die einen Schuß durch den Kopf erhalten, hielt ein Kind in den Armen, das unversehrt ge blieben war. * Drei Personen ertrunken. Ein schrecklicher Unglücks fall ereignete sich am Mittwoch auf der Spree bei Grünau. In dem einsam bei Schmöckwitz stehenden Hause der Wäscherin Frau Bahlke wohnten drei junge Männer, die nach Grünau fuhren, um von dort einige Lebensmittel nach ihrem einsamen Sommerhause zu schaffen. Die drei Bewohner waren aus Berlin und erwarteten für den nächsten Tag den Besuch ihrer dortigen Verwandten. Als sie in Grünau ihre Einkäufe be sorgt und das Boot damit gefüllt hatten, bestiegen sie es in Begleitung eines vierten Fahrgastes zur Rückkehr nach Schmöck witz. Aber kaum waren sie eine Viertelstunde gefahren, als der Kahn von unten Wasser bekam. Es dauerte nur einige Sekunden und das Boot sank mit seinen Insassen in die Tiefe. Nur der hinzugekommene Fahrgast konnte sich durch Schwimmen retten, die drei Anderen aber mußten ertrinken. * Einem bemerkenswerthen Unglücksfalle ist in Berlin ein sechsjähriges Mädchen zum Opfer gefallen. Das Kind spielte mit einer Katze, als das Thier in plötzlicher Wuth auf das Mädchen zusprang und es in die Finger der rechten Hand biß. Anfangs schenkten die Eltern der unbedeutenden Ver letzung keine Beachtung. Nach Verlauf dreier Tage waren jedoch zwei der verletzten Finger so bösartig angcschwollen, daß die Eltern einen Arzt zu Rathe zogen. Derselbe erkannte sofort die Gefährlichkeit der Wunden, die deutliche Spuren einer Blutvergiftung zeigten; es blieb also nichts übrig, als zu einer Operation zu schreiten. Der Arzt hat dem Kinde beide Finger abgenommen, da ohne diese Amputation das Leben bedroht erschien. Die Beobachtung, daß der Biß einer gereizten Katze schwere Folgen nach sich ziehen kann, ist übrigens schon häufiger gemacht worden. " Verhungerte in London. Einem parlamentarische n Aus weise zufolge sind im verflossenen Jahre in London, der reichsten Stadt der Welt, 27 Personen buchstäblich verhungert. Der Wahrspruch der Leichenschau - Jury lautete entweder auf Tod durch Hunger oder Tod beschleunigt durch Hunger. * Edison hat sein Phonographenpatent um 5 600 000 Mark an eine Aktiengesellschaft verkauft. * Ein schwerer Orkan, von Blitz und Donner begleitet, zerstörte theilweise das Dorf Brassus im waadtländischen Jura in der Schweiz. 70 Häuser sind mehr oder weniger demolirt, viele Familien obdachlos. Ganze Strecken von Gemeindewal dungen und Privatwaldungen sind vernichtet. - Eine Schreckensthat. Ein serbisches Blatt beliebtet aus Slavisch-Brod: Auf dem Berge Svcti-Petko in der Nähe deS letztgenannten Ortes war eine Menge Bölkes zu der alljähr lich sich wiederholenden Wallfahrt versammelt. Während die Gläubigen ihre Andacht verrichteten, hütete ein etwa neunjäh riges Mädchen Schweine in der Nähe des Berges. Da kamen vier Zigeunerinnen, schleppten das Kind weg, zerbrachen ihm einen Arm und ein Bein und wollten ihm auch die Augen ausstechen, um dann mit dem armen Kinde bettelnd durch's Land zu ziehen. Da kam zum Glücke noch rechtzeitig ein Bauer aus Lijeschce in Bosnien, bei dessen Anblick drei der schrecklichen Weiber die Flucht ergriffen, während der Ankömm ling das vierte erfaßte und zur Behörde schleppte. * So mancher bisher räthselhaste Fall von Vergiftung, der nach dem Genusfe von Fleisch beobachtet wurde, dürfte Erklärung in einer Entdeckung finden, die ein Pariser Fleisch beschauer vor einigen Monaten machte. Derselbe fand durch eine Reihe von Experimenten heraus, daß der Tabaksrauch jedes von ihm durchdrungene Fleisch giftig mache, und zwar mit absolut tödtlicher Wirkung. Ein Hund, dem man den verführerischen Leckerbissen eines Stückes von Tabaksrauch berührten Rindfleisches anbot, wies denselben mit Entschieden heit zurück, ließ sich aber betrügen und genoß das Fleisch, als man es ihm kleingeschnitten und in Brot versteckt dar reichte. Zwanzig Minuten darauf verendete das Thier unter allen Symptomen der Vergiftung. Dieselbe Wirkung trat auch bei anderen Thieren ein, und nicht nur beim rohen Fleisch, sondern auch beim gebratenen, gekochten, gerösteten, kurzum Fleisch in allerlei Zubereitungen, insofern cs drm Tabaks rauch ausgesetzt gewesen. Auch die stärkste Siedehitze und der Prozeß des Kochens kann das Nikotingift nicht entfernen, die Wirkung ist eine unfehlbare, wenn sie auch nicht immer gleich rasch eintritt. Wenn weitere Beobachtungen die Behauptung des Parisers bestätigen, so ist die gänzliche Verbannung der Cigarre und Tabakspfeife bei Leuten, die mit Fleisch hantiren, solches feilhaben oder austrazen, im Interesse der öffentlichen Gesundheit dringend geboten. * Reminiscenzen vom Sängcrfeste. Daß die fremden Sänger nur die freundlichsten Erinnerungen an Wien mit nach Hanse genommen haben, daß sie von dieser Stadt und deren Bewohner nur in enthusiastischen Ausdrücken zu erzählen wissen, das scheint nach den Erfahrungen der Festtage un zweifelhaft zu sein. Die Erlebnisse einzelner Festiheilnehmer haben auf diese einen so starken Eindruck gemacht, daß sie im Lobe Wiens sich kaum genug thun konnten. Zwei Ham burger Sangesbrüder kauften sich in einer Delicatessen-Hand- lung Am hohen Markt für einige „Zehner!" Schinken, um ihren Morgenappetit zu stillen. Beim Verlassen des LocaleS passirte dem einen Sangesbruder das Unglück, eine Flasche mit Mixed Pickles von der Stellage herabzuwerfen, die na türlich sofort in Brüche ging. Dir beiden Sänger machten Kehrt, um an der Casie den Preis für die „Gefallene" zu erlegen; aber das Fräulein lehnte die Bezahlung ab, mit der zarten Bemerkung, daß dcr Schaden doch nicht absichtlich ge schehen sei und für Zufälligkeiten Niemand verantwortlich gemacht werden könne." „Na, so was sollte bei uns in Ham burg passiren — so lieb kann man doch nur in Wien sein", meinten die verdutzt dreinschauendcn Sangcsbrüder. In einem vollgepfropften Tramwaywaggou fuhr ein süddeutscher Sänger zur zweiten Hauptaussührung, neben einer Wienerin sitzend, mit welcher er im lebhaftesten Gespräche blieb. Da bemerkte dcr Fremde, daß von seinem Sonnenschirm das Verschlußband abgerissen sei und der Schirm fortwährend die Neigung zum Auseinanderfallen vcrrathe. „Geben Sie mir den Schirm, Herr Sänger", spricht die Dame, „ich werde das Band sofort annähen." Sie zog Nadel und Zwirn aus einem niedlichen Täschchen, vollbrachte im Nu die Arbeit, und schwer war es ihr, sich einer Umarmung des Süddeutschen zu erwehren. „So viel Gemüthlichkeit und Licbenswürdigleit habe ich noch nirgends gefunden." Mit diesen Worten des Dankes schied der entzückte Sängergast von dcr freundlichen Wienerin.