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Selbst seine äußere Erscheinung unterschied sich etwas von dem Stockengländer. Seine Gestalt war nicht so in die Länge gezogen, so steif und ungelenk, er war kaum von Mittelgröße, mehr gedrungen, die Hände und Füße für einen Sohn Albions merkwürdig klein, zu weilen wurden auch seine Bewegungen rascher und lebhafter. Trotz dem wich sein ganzes Auftreten von seinen Landsleuten nicht im Mindesten ab, er war für gewöhnlich eben so schweigsam, so unge lenk in der Unterhaltung, so blöde und zurückhaltend, wie sie Alle, nur schien dies Benehmen weniger auf einer Charaktereigenschaft zu ruhen, vielmehr em Resultat der Erziehung zu sern. Dr. Willibald sollte endlich über die innern Widersprüche in dem Wesen seines Schülers Aufschluß erhalten, denn Mr. Templeton theilte ihm eines Tages mit, daß seine früh verstorbene Mutter eine Deutsche gewesen sei. Nun wußte der Philosoph auf der Stelle, wie sich das seltsame Dings, das wir Gemüth nennen, in das Herz eines jungen Engländers verirrt. < Die halbe Landsmannschaft fesselte ihn noch mehr an den treff lichen Menschen, der weiter keinen hervorragenden Fehler hatte, als daß er mit unerhörter Grausamkeit den Flügel mißhandelte und die schönsten deutschen Musikstücke arg verstümmelte. Seltsam genug sollte der flüchtige Wunsch Dr. Willibald's, die Braut seines Schülers kennen zu lernen, bald in Erfüllung gehen. Eines Tages sagte Mr. Templeton am Schluß der Stunde mit un gewöhnlicher Lebhaftigkeit: „Doctor, ich bin mit Ihnen sehr zu frieden," und er schüttelte ihm kräftig die Hand. Der Gelehrte machte uur ein verwundertes Gesicht; bezog sich die Zufriedenheit eines Schülers auf den genossenen Musikunterricht, dann mußte er sich selbst gestehen, daß derselbe die kläglichsten Fortschritte gemacht. „Ich habe gestern zum ersten Mal mit meiner Braut vierhändig gespielt," fuhr Mr. Templeton wohlgefällig fort und sie war ganz erstaunt, daß ich es doch so weit gebracht habe." „Hm," machte Willibald. „Ja, lieber Doctor, Sie müssen nicht vergessen, daß es meine Braut für völlig unmöglich gehalten hat," erklärte der junge Mann weiter und zeigte lächelnd seine wohlgepflegten Zähne. „Meine zu künftige Schwägerin vollends hat arg über mich gespottet, sie meinte stets, daß man eben so gut den Truthahn zum Kammersänger ab- richten könne, und da Ihnen doch dies Kunststück gelungen, will sie bei Ihnen ebeusalls Stunde nehmen." „Hat sie noch niemals Unterricht gehabt, und warum will sie erst jetzt damit anfangen?" „Weil sie sich so wenig musikalisches Talent zuschreibt, wie mir selbst, und da Sie trotzdem mir etwas beigebracht haben, meinte sie, Laß mein MuMchrer ein Zauberkünstler sein müsse, der ihr auch den harten Schäoel zurecht setzen werde." „Ich habe das wenigste Verdienst dabei, denn Sie haben mit seltener Ausdauer geübt," entgegnete Willibald ablehnend. „Sein Sie nicht bescheiden," erwiderte Mr. Templeton, „wie sägte denn Ihr großer Göthe?" und seine prächtigen Zähne kamen .wieder zum Vorschein. „Aber ich verspreche mir von diesem Unterricht nicht viel," warf der Doctor ein, „solch' jungen Mädchen fehlt gewöhnlich Lust und Liebe zur Sache, sie möchten Alles im Fluge erlernen und das ist Daun eine undankbare Aufgabe." „Ah, Wr. Willibald, machen Sie nur keine Umstände, es nützt Ihnen doch MM," entgegnete sein Schüler mit einem gutmüthigen Lächeln, hinter dem sich die Hartnäckigkeit des Engländers barg, „ich hab' ihr den tüchtigen Lehrer versprochen, und ich muß Wort halten. Uebrigens ist der Vater meiner Braut auch ein Deutscher, obwohl ?r, offen gestanden, nicht gerade die besten Meinungen von seinen Landsleuten hat." Ler Doctor mochte nicht gestehen, daß er hier in London bei nahe zu denselben Ansichten bekehrt worden nnd fragte nur: „Ist Ihr Schwiegervater auch erst vor Kurzem eingewandert?" „Nein, Waxmann ist schon länger als 25 Jahre in London," war die Antwort, „und seine Töchter sind geborene, echte Eng länderinnen, sie können nicht einmal Deutsch." „So treiben's diese Deutschen im Auslande immer," dachte voll patriotischer Entrüstung Dr. Willibald, „sie können in der Fremde nicht rasch genug Alles aufgeben, ihre Sprache, ihre Sitten, um ja so bald wie möglich den Deutschen völlig abzustrcifen, und in der fremden Nation spurlos zu verschwinden." — Mr. Templeton ver schwieg noch dazu klüglich, daß es seiner neuen Schwägerin unend liche Mühe gekostet, Lie Einwilligung des Vaters abzuschmeicheln, der durchaus von einem deutschen Nlusiklehrer nichts wissen mochte, und nur der Umstand, daß er seinem jüngsten Töchterchen selten etwas avschlagen konnte, hatte die Sache so entschieden. Mr. Templeton ließ seinem Lehrer keine Ruhe und schon am nächsten Tage fuhren sie Beide zu Mr. Waxmann hinaus. Auf einem jener kleinen, stillen Plätze — Squares genannt, — die mit ihrem schönen Grün, Leu wohlgepslegten Bäumen und den traulich blickenden Häuschen wie freundliche Oasen, aus dem grauen Weltge wirr hervorstarren, hatte dieser abtrünnige Deutsche ein Asyl gesucht und wenigstens durch die Wahl der Wohnung bewiesen, daß ihm der uns Deutschen nachgerühmte Sinn für die Natur und ihren Frieden nicht ganz abhanden gekommen. Es war wirklich still auf dem Platze, kein Wagen rollte hier, selten nur kam ein Fußgänger des Weges, aus der Ferne hörte man dumpf das Geräusch der ewig rasselnden Näder von Piccadilly, dieser endlosen Fahrstraße des großen London. Die Squares von Loudon tauchen wirklich wie kleine freundliche Blumeninseln aus dem unermeßlichen Häusermeere empor. Sie be stehen aus einem breiten Viereck ruhiger, reinlicher Häuser, dessen Mttte ein umgitterter Rasenplatz mit Blumenbeeten und hohen dichten Bäumen einnimmt, unter welchen zur Nachmittagszeit die Kinder spielen. Man lebt hier, mitten in dem ununterbrochenen Getöse der Weltstadt, wie in kleinen ländlichen Paradiesen. Wie in jedem, nur einigermaßen respectablen Hause Londons, empfing dir Ankömmlinge ein Tiger, unter welch'fürchterlichen Namen sich nichts weiter birgt, als einer jener harmlosen kleinen Diener in blauen Jacken mit silbernem Knopfausschlag au der Brust, wie sie fast ein jeder Herr von Stande hält. Nachdem der Tiger die Besucher angemeldet, wurden sie in das Drawing-room geführt, wie der Engländer fein Empfangszimmer nennt. Er nimmt regelmäßig die ganze Vorderfronte des Hauses rin und es ist das einzige Zimmer, welches nicht den Bewohnern desselben, sondern dem allgemeinen Verkehr gehört. Hier werden die Besuche empfangen und die Gäste versammelt, die zu einer Dinner- Party oder einem Ball eingeladen werden. Der Thee wird hier servirt und trotz der Teppiche, Damastvorhänge und Sammetmöbel, die den Boden beschweren und den Raum einengen, kommt es zu weilen sogar zu einem Tanze; freilich bekommen dies nur englische Beine fertig, die das Tanzen mehr als Marschiren auffassen. Mr. Waxmann war allein im Drawing-room und empfing die beiden Herren mit der ganzen Steifheit und Gcsrorenheit eines Stock- Engländers. Auch seine Kleidung war bis in die kleinsten Einzel heiten den Mustern nachgeahmt, die ihn umgaben. Selbst sein schmales, blasses Gesicht hatte der ehemalige Deutsche in echt englische Falten gelegt, die deutlich Laugeweile uud Gleich gültigkeit ausdrückten. Seinen Schwiegersohn hieß er zwar ein Wenig freundlicher willkommen, als den Fremden; aber nach der ersten Begrüßung und den üblichen Höflichkeitsphrasen lehnte er sich in seinen Schaukelstuhl wieder zurück uud versank in ein bequemes Schweigen, das eben uur ein Sohn Albions natürlich und nicht be- leidigeud findet. (Fortsetzung folgt.) WermifchteS. Erinnerungstage im April. Am 1. April 1815 Fürst Bismarck geb. Am 2. April 742 Karl der Große geb. Am 2. April 1804 Fr. Lachner geb. Am 5. April 1784 Spohr geb. Am 6. April 1483 Raphael geb., am 6. April 1520 gest. Am 6. April 1528 starb Albrecht Dürer. Am 7. April 1874 starb Wilh. v. Kaulbach. Am 8. April 1835 starb Wilh. v. Humboldt. Am 11. April 1806 Ana stasius Grün (Anton, Alex. Graf v. Auersperg) geb. Am 15. April 1507 Euler geb. * Mißverständnis. Amtmann: Aber Mädel, jetzt hast du schon drei Männern das Heirathen versprochen und alle drei fahren lassen. Hast du denn gar kein Gewissen? Dienstmädchen: Ja, ja, Herr Amt mann, an Genüssen hab' ich scho, — und das ist der Bäckcrsepp! * Was Amerika verraucht und vertrinkt, ist nach den in dem Jahres bericht des Bundes - Steuercommissärs enthaltenen statistischen Auf stellungen geradezu ungeheuer. So sind trotz der schlechten Zeiten nicht weniger als 1,905,063 Mille Cigarren während des letzten Fiskaljahres geraucht worden, was, jede Cigarre im Durchschnitt zu 10 PC. gerechnet, die Summe von 190,506,374 Doll, ausmacht. Außer diesen Cigarren wurden noch 25,312,433 Pfd. Rauchtabak consumirt, deren Werth man auf 15,000,000 Doll, schätzen kann. Die Ausgaben für Tabak sind jedoch unbedeutend im Vcrhältniß zu den Summen, die für Getränke verschiedener Art ausgegebcn wurden. Von gegohrenen Flüssigkeiten wurden noch 317,465,600 Gall, consumirt oder ungefähr 7 Gall, auf jeden Mann, Frau oder Kind. Die gegohrenen, sowie die spirituösen Getränke kosten dem Bölke der Vereinigten Staaten nach Schätzung des BundeS-Steuercommissärs 596,000,OM Doll, pro Jahr oder 13,25 Doll, pro Kopf. — Ind. Bl. — * Fürst Jussopow, der reichste Edelmann Rußlands, ist kürzlich wegen des jeder Beschreibung spottenden Schmutzes, der in seinem am Newski zu Petersburg gelegenen Hotel war, zu vier Wochen Arrest verurtheilt worden, ohne daß diese Strafe in eine Geldpön umgewandelt werden konnte. Das Publikum, welches der Verhandlung auwohnte, brach bei Verkündigung des Unheils in ein lebhaftes Applaudisscmcnt aus, denn Jussopow ist wegen seines fast sprichwörtlichen Geizes hier gründlich verhaßt. Der Fürst besitzt in Petersburg noch über 1(0 Häuser und in allen soll dieselbe Unordnung herrschen. Die Einwohner der Jussopow'schen Häuser meinen, daß wenn der Fürst für jedes Haus, in dem der gleiche Schmutz wie in dem am Newski gelegenen herrsche, mit ähnlichen Freiheitsstrafen belegt werden würde, er sein Lebtag nicht wieder aus dem Gefängniß hinaus käme. Kircheuuachrichten aus Wilsdruff. Morgen Mittwoch, den 2. April, früh 9 Uhr Beichte und Communis». Monat März. Getauft: Clementine Paula, Carl August NaumannS, ans. Bürg. u. Deco« rationsmalers hier, Tochter; Ludwig Otto Andreas, Ludwig Olto Äildners, Ober lehrers an hiesiger Bürgerschule, Sohn; Anna Marie, Friedrich Wilhelm Cberts, Maurers hier, Tochter; Anna Emma, Ernst Moritz Kirstens, Tagarbeiters hier, Tochter; Ernst Wilhelm, Carl Gustav Brendels, Bürg. u. Tischlers hier, Sohn. — Darüber: Anna Marie, eine unehel. Tochter. Getraut: Carl Feodor Scheibe, ans. Eiuw. u. Sattlermeister in Schullwitz, mit Charlotte Emma Legler hier. Beerdigt: Eduard Paul, Friedrich Eduard Böttchers, Bürg. u. Tischlers hier, Zwillingssohn, 7 M. 15 T. alt; Franz Moritz Schmidtgen, Bürg. u. Glaser hier, 49 I. 8 M. 5 T. alt; Christiane Friederike verw. Borwerksbes. Grafe, geb. Pietzsch hier, 70 I. ö M. 7 T. alt. — Ernst Carl Jlsche, PrivatuS hier, 45 I. 7 M. 23 T. alt. — Darüber eine todtgeb. Tochter des August Heinrich Lehmann, Bürg. u. Schuhmacher hier. mit 18 Scheffel Areal, bester Bodeuclasse, Alles um die Gebäude ge legen, über 2M Steuer-Einheiten, 1400 Thlr. Brandcasse, mit voll- städinger Uebexgabe, auszugs- und herbergsfrei, soll für den billigen Preis von 4200 Dhaler sofort verkauft werden durch 4k. in Steinbach bei Mohorn. bei Ein starker Läufer, sowie eine Partie Kar- tosseln sind bis Donnerstag zu verkaufen Umdavb am Markt. Eine Henne Wo? sagt die Expedition dieses Blattes. Druckfehlerberichtigung. In dem Inserat auf der letzten Seite in vor. Nr. d. Bl. die Einladung zu den öffentlichen Schulprüfungen betreffend, soll es in der letzten Zeile vor der Unterschrift anstatt „die Lehrer und Dienst herren" heißen: „Die Lehr- und Dienstherren" re. Die Redaction. Schaskopsklub im Adlcr. Wochenmarkt zu Wilsdruff, am 28. März. Eine Kanne Butter kostete 2 Mark 20 Pf. bis 2 Mark 30 Pf. Ferkel wurden eingebracht 135 Stück und verkauft s Paar 12 Mark — Pf. bis 30 Mark — Pf.