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Bericht über die gemachten Erfahrungen und die in den Handwerker kreisen laut gewordenen Ansichten zu erhalten. Von anderer Seite wird dagegen eine principielle Aendcrnng der Gewerbeordnung angestrebt, wie von der Hamburger Gewerbekammer, die eine Denkschrift darüber veröffentlicht und zu' deren Begutachten anfgefordert hat; ebenso der an der Spitze aller sächsischen Gewerbevereine stehende Gewerbeverein zu Zittau, welcher die Gründung neuer Innungen von den Rechten, welche die Gesetzgebung vorab gewähren soll, abhängig macht. An das preußische Abgeordnetenhaus sind viele Petitionen in dieser Angelegen heit ergangen; man wird dort erst den Erfolg der vom Handelsminister gegebenen Anregung abwarten; ein gleicher Beschluß ist jedenfalls vom Reichstag, dem ebenfalls Anträge und zahlreiche Petitionen in der Sache vorliegen, zu erwarten. Tagesgeschichte. Der Reichstag hat sich am 3. April bis zum 28. d. M. vertagt, und zwar gerade in derselben Stunde, in welcher der Bnndesrath die Berathung über den von der Tarifcommission entworfenen neuen Zolltarif des deut schen Zollgebiets erledigt, beziehentlich mit geringen Abänderungen angenommen und somit zur Vorlage gn den Reichstag fertig gestellt hat. Die Vorlegung selbst ist zwar für jetzt durch Antritt der Oster ferien seitens der Reichsboten verhindert worden, indeß sehen wir nicht sin, weshalb infolge dessen — wie die „Nordd. Allg. Ztg." meint — „der Aufwand . von Arbeitskraft, mit welchem die Tarff- revision zuerst in der Commission,-sodann im Bundesrathc gefördert worden", ein auch nur vorläufig „vergeblicher" gewesen sein soll. Der Entwurf ist ja durch die Vertagung des Reichstags der allge meinen Beurtheilung nicht entzogen worden, und gerade durch die vierwöchige Ferienzeit des Parlaments haben die verschiedenen Sach- verständi'genkreije -genügende Zeit erhalten, sich über den bereits der Oeffentlichkeit übergebenen Entwurf in ausführlichster und zweckent sprechendster Weise zu äußern. Der folgenden Reichstagssession dürfen wir aber hinsichtlich der für unser Wirthschaftsleben bedeutungsvollsten Frage mit guten Hoffnungen entgegen gehen: sie wird der verderb lichen Ungewißheit und-Unsicherheit unserer wirthschaftlichen Verhält nisse das nothwendige, den nationalen Bedürfnissen und den Wünschen der Volksmehrheit entsprechende Ende bringen. Während der jüngsten vom l2. Februar KM3. April währenden .-Session des am 31. Juli vor. Jahres- gewählten Reichstags hat sich die parlamentarischeAtmch schon genügend geklärt, umMoraus- ,sehen zu hassen, wie sich die Dinge gestalten werden. Die wirthschaft- liche Arage. bjldeteZ bereits das eigentliche .Kampfgebiet, auf dem ,,sich , die.Hegner^ bei' jeder, irgend möglichen Gelegenheit maßen. Nicht j,nur. die Verhandlung pber den deutsch-österreichischen Handelsvertrag bot dazu, die,,willkommene Gelegenheit, auch bei den Etatsberathungen ward kein Moment unbenutzt gelassen, um die brennende Frage immer Meder- ,vgn Neu,em auf das Tapet zu bringen. Und diese Vorposten« gcfechte und Plänkeleien haben entschieden die, Kräfte der beidersei tigen Gegner so weit prüfen lassen, daß die jetzt abgeschlossene Session .wohl so ziemlich allgemein die Empfindung des bevorstehenden Sieges der wirthschaftlichen Reformpläne des Reichskanzlers hinterlassen hat. Diese Empfindung hat überdies noch eine starke Stütze durch. die be deutsame Kundgebung der „Germania" gelegentlich der jüngsten Zu- , sammenkunft Windthorst's mit dem Fürsten Bismarck erhallen. Aas "OrZan der Centrumspartei erklärt nämlich: „Das Centrum, , (welches bekanntlich, während aller einschlägigen Debatten die Taktik des Schweigens beobachtete,) wird die wirthschaftlichen Vorlagen, ^welche demnächst, den Reichstag beschäftigen, werden, lediglich vom ..Wirthschaftlichen Gesichtspunkte aus zu prüfen ,und, demgemäß seine Entscheidung zu treffen haben. Der Gedanke, sein Votum in diesen ^Dingen von Zugeständnissen auf dem Gebiete des kirchenpolitischen . Kampfes abhängig zu machen, hat ihm immer fern gelegen und wird, was immer die Zukunft bringen mag, seine Entschlüsse nicht bestim mten." Hierzu „wird zwar das Cemrum durch Rücksicht auf die Wäh ler gezwungxn, d.aß es aber erst jetzt, und zwar nach, jenem über« waschenden^re.ignlsse mit dieser ausdrücklichen Erklärung hervortritt, läßt doch zugleich auch die Aussichten in Sachen des Culturkampfes als besser geworden erscheinen. In der Petitionscommission des Reichstages, ist ein Sturm auf das Civile hegesetz abgeschlagen worden. Ms Hinterpommern, Sachsen und Westphalen waren zahlreiche, von der orthoxen Partei veranlaßte Petitionen gegen das Fortbestehen der Civilehe eingclauscn, die sich durch. Uebertreibungen aller Art auszeichneten und die Civilehe höchstens als Mothehe gelten lassen wollten. Herr von Kleist-Retzow führte die Stürmenden, churde qher von der Mehrheit der Mitglieder, auch des CentrumS, überstimmt. Die Commission beschloß schriftlichen Bericht an das Plenum und Antrag auf Uebergaug zur Tagesordnung. Seit hem 1. April steht, in der, Stadt Köln am Rhein Fürst Bismarck's Standbild von Fritz Schaper. Der Oberbürgermeister Becker hat bei der Enthüllung .eine kurze und kernige Rede gehalten und die Köllner, unseres Jahrhunderts an ihr reichsfpeundliches Sprich wort Ms alter Zeit erinnert, das da, lautet: „Et soll söß of sur, halt faß am Reich, do köllschcr B.ur", das heißt auf. Hochdeutsch: es fäll süß oder sauer, halt sest am Reich, du Kölln'scher Bauer! — An dem Mramontanen Kölner Klüngel, der immer noch an der Zeit hängt, da der Rhein des .Reiches Pfaffengasse hieß „.ging freilich Liese Mah nung spurlos vorüber- er hatte sich gesammelt, als Abends die etwa 200 Herren, welche Bismarck's, Geburtstag und die Gründung des Denkmals mit einem Festmahl, gefeiert hatten, heimkehrten und trieb ihnen die Hüte ein und bombaxdirte sie mit Schimfworten und Dreck würfen. Diesem Klüngel, und seinen stillen Gönnern der Pfaffengasse ist Bismarck nichts als. der Culturkäuffer und wird es noch-eine Weile bleiben. Die Festtafel der deutschen Patrioten aber hatte eine große Aehnlichkeit nnt einer Hochzeitstafel; denn wie an solcher eine neue Hochzeit sich im Stillen anzubandeln pflegt, so entstand an dieser her Gedanke eines zweiten Standbildes. Dieses andere sprechende'Denkmal deutscher Dankbarkeit soll dem alten Moltke errichtet werden, der durch sein siegreiches Genie den Rhein sür immer vor den gierigen Griffen der Franzosen gerettet hat. Der Gedanke war so lebendig, daß man sogleich zur Ausführung schritt und 30,000 Mark an der Tafel fammelte. Bis Moltke von Erz stecht, wird auch die Germania auf dem Nieder wald fix und fertig sein, und der alte Ernst Moritz Arndt, der in Bonn am Rhein steht, wird seine Freude haben an all den Helden, die seinen alten deutschen Rhein behüten. Saarbrücken, 5. Aprü. Das Urtheil in dem heute publizirten Erkenntniß in der Marpinger Prozcßangelegenheit lautet für sämmtliche Angeklagte freisprechend. In den Entscheidungsgründen werden die a»' geblichen Erscheinungen der Wunderkinder als schändliche Täuschung^ gekennzeichnet, an welchen die Eltern der Wunderkinder und ander! Beschuldigte theilgenommen oder welche diese Personen unterstützt hätten, der znr Bestrafung erforderliche strafrechtliche ckolus sei jedoch nicht vorhanden. Wer wird der erste Präsident des ersten deutschen Reichsgericht» in Leipzig werden? — Simson. Nicht jener Simson weiland ir» jüdischen Lande, dem die Delila die Locken schnitt und über den die Philister kamen, sondern jener deutsche Simson, der t es ersten deutsche» Parlamentes in Frankfurt, das ein großes deutsches Reich gründe» wollte, Präsident war, der 1849 die erste Kaiserdeputation nach Berli» sührte, der niemals der Zeit den Beruf zur Gesetzgebung absprach, sondern viele Landtage und Reichstage als Präsident leitete, jederzeit scharf und fein im „Distinguiren" wie Aristoteles, weise im Rath wie Nestor, beredt wie Cicero und als Richter immer die Waage der Ge- rechtigkeit in starker und feiner Hand führend. Der Falschmünzer. Novelle von Ludwig Habicht. Verfasser der Romane: „Auf der Grenze", „Der rechte Erbe", rc. (Nachdruck verboten.) Fortsetzung.) Willibald mußte lächeln. „Sie haben Recht, Fräulein. Die langen, genial zurückgeworfeneu Haare und der Künstlerrock fehle» mir, denn ich war bisher nichts weiter, als ein deutscher Docter der Philosophie." Nun waren erst recht die Schleußen ihrer Wißbegier aufgezogen, wie viel hätte sie noch von dem Fremden erfahren wollen, der ihr dadurch immer interessanter wurde; aber sie wagte eine neue Frage nicht zu stellen, sondern trat, um ihre Unruhe zu bemeistern, an ihre Schwester und sagte rasch: „Jetzt mußt Du auch etwas spielen." „Um zu zeigen, wie wenig ich von meinem Maestro gelernt habe, der wirklich nur seine Genialität in seinen Haaren hatte," entgegnete diese scherzend. „O, meine theure Mary," rief Mr. Templeton ganz entrüstet, „Sie waren seine beste Schülerin, er hat mir es oft selbst gesagt/ Fräulein Mary mußte in der That eine wahrhaft bescheidene Natur sein, daß sie ohne Zögern der Arffsorderung folgte, obwohl sie fühlte, daß ihr Spiel dem des Fremden nur zu Folie diene« würde. Sie trug ein Mendelsohn'sches Lied vor und zeigte dabei viel Empfindung, Viet Seele, aber doch eine schlechte Schule. Sie Haire Recht gehabt mit ihrem etwas sarkastischen Wort über ihren frühere« Lehrer. Dr. Willibald hätte in dem stillen, sinnigen Mädchen wedel diese geistige Schärfe, noch dieses treffende Urtheil gesucht. Als sie ihr Spiel beendigt und er ihr einige Artigkeiten darüber gesagt, erhob sie nur ihre blauen Augen zu ihm und entgegnete i« offener, fchlichter Weise: „Sagen Sie das nicht. Ich fühle seit heute, was mir sehlt und deshalb möchte ich Sie bitten, auch mir Ihre Zeit zu widmen, wenn Sie meinen, daß ich noch die ange nommenen Fehler ablegen kann." „Sie haben ein so ausgesprochenes musikalisches Talent, daß ich Sie mit Freuden als meine Schülerin anuehme, obwohl ich Ihne« ehrlich bekenne, daß Sie nur noch wenig von mir lernen können und bald Ihren jetzigen Lehrer verdunkeln werden." „Ah, Mr. Willibald, habe ich Jhwm nicht auch Freude gemacht?" rief Templeton mit komischer Entrüstung; er wollte sich an de« Flügel drängen und seine Kunstscnigkeit zum Besten geben, aber die kleine Harriet hielt ihn zurück. „Verhalten wir uns lieber schweigend, wir armen Sterblichen, die wir zu musikalischer Stümpferhaftigkeit verurtheilt sind." Sie sah dabei so harmlos glücklich aus, nicht del! mindeste Neid über der mit einem hübschen Talent Begabten war i» ihrem frischen, blühenden Antlitz zu lesen. Der Stundenplan wurde jetzt verabredet, und dann ging di« kleine Gesellschaft in's Drawing-room zurück. Dort saß noch immer in steifer Haltung Herr Waxmann, in das Lesen der Times vertieft- Der fröhliche, heitere Ton, in dem man sich bisher unterhalten, wat damit verschwunden; die Anwesenheit des Hausherrn schien auf Alle, felbst auf die sorglose Harriet, einen Bann zu üben, es wollte sich ein rechtes Gespräch nicht mehr anknüpfen lassen und nach kurze» Zeit brachen die beiden Herren auf. Herr Waxmann hatte für de« Abschicdsgruß des Doctors nur ein leichtes Nicken des Hauptes und murmelte etwas vor sich hin, daß ein Lebewohl gooä ersetze« sollte. Schon am andern Tage begann Willibald bei den junge« Mädchen seinen Unterricht und diese Stunden gehörten zu seinen an genehmsten. Wie auch die Töchter des Herrn Waxmann zu echte« Engländerinnen künstlich herangcbildet worden, hier trat ihm doch deutsches Oemüth entgegen und er sühlte sich bald angeheimelt vo« der Einfachheit und Heizenswärme der beiden Schwestern. Zog ih» die Aelteste durch ihre Sinnigkeit und Tiefe an, konnte er mit idr sich in die Schönheiten der Meisterwerke unserer Componistcn versenke so wurde er durch die Frische und Harmlosigkeit der Jüngsten er heitert und vergaß darüber den Schmerz um sein Vaterland und sei«» .ihm unwürdig dünkende Lage. Herr Waxmann ignorirte seinen, Landsmann völlig, er sah kaM« von seiner Times auf, wenn er kam und niemals betrat er da? Hinterzimmer, so lange Willibald Stunde gab. Dieser fand zwcü das Benehmen des ehemaligen Deutschen sehr unhöflich, aber zugleich auch sehr bequem. ^Er konnte nun desto ungestörter mit seine« Schülerinnen plaudern, die allmählich alle englische Zurückhaltung abstreiften und die ganze Anmuth ihres liebenwürdigen Naturell zeigten. Er mußte von seiner Heimath erzählen, vom goldenen Rhein und mit Entzücken lauschten sie auf feine Schilderungen, besonder? war Harrietunermüdlich im Fragen und ihre braunen Äugen glänzteN wenn er die Sagen und Lieder zmn Besten gab, mit denen die Dicht^ diesen herrlichen Fluß umsponnen und gefeiert. „Der Vater hat uns niemals von seiner Heimath erzählt," mei«^ die Jüngste, „er muß dort traurige Erfahrungen gemacht haben, de«« er spricht nicht einmal gern von Deutschland und wer ihn üble« Laune machen will, darf ihn nur an seine deutsche Abstammung er innern." „Dann wundere ich mich, daß er einen deutschen Musiklehrer >« seinem Hause duldet." „O, er hat auch nichts davon wissen wollen,-- lachte Harris „aber es ist schwer, den Willen eines solchen eigensinnigen Geschöpft? zu besiegen, wie ich nun einmal bin."