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MsdmfferTageblatt Nationale Tageszeitung für Landwirtschaft und Dkvs .Wilsdruffer Tageblatt* erfcheint an allen Werktagen nachmittags 4 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— RM. lver Haus, bei Postbestellung 1.80 RM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Rpfg. Alle Postanstalten und Post- v«en, unsere Austräger u. Geschäftsstelle, nehmen zu Derzeit Bestellungen ent. Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend gegen. Im Falle höherer Krieg od. sonstiger - — 2-2 Betriebsstörungen besteht «L Anspruch aus Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. Rücksendung eingejandter Schriftstücke erfolgt nur. wenn Rückporto beiliegt. alle anderen Stände des Wilsdruffer Bezirks Anzeigenprrise laut aufliegendem Taris Rr. 4. — Nachwrifungs-Wrbühe; W Skpfg. — Dorgrschriebr« Erscheinungsiage und Platzvorschristea werde» nach Möglichkeir berücksichtig!. — Anzeigen. Annahme dis vormittags w Uhr. —, . . . .. - Für di« Richtigkeit der! durch Fernruf Übermil« Fernsprecher : Amt Wilsdruff Nr. 6 retten Anzeiger» übernehm men wir keine Gewähr. ' ——> > > - - — Jede« Aabattanspruch erlischt, wen» der Betrag durch Klage eingezogen werden- mutz oder der Auilraggeveo in Konluo» gerät. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtsyauptmannschast Meißen, des StadL- rats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Nr. 257 — 93. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Tageblatt" Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Sonnabend, den 3. November 1934 Zaar darf nicht Mr werden! Wachsende Erregung über Frankreichs Anschlagplan Pari» verkennt noch den Ernst der Lage. Die französischen und englischen Meldungen über die Befehle an die in Nancy »nd Metz stehenden Korps haben im Saargebict und in ganz Deutschland eine Erregung ausgelöst, wie sie solchen ungeheuerlichen erpresserischen Drohungen mit der nackten Gewalt entspricht. Die letzten Nachrichten aus Paris lassen dagegen erkennen, daß man sich dort noch immer nicht klar darüber ist, in wie ernster Weise das deutsche Volk die Bedrohung des Saargebietes als seine eigne Sache, als Bedrohung seiner Brüder an- sieht. Auch die gestrige» Äußerungen der Pariser Blätter Zeigen, mit welcher Leichtfertigkeit man in Frank- reich mit dein Gedanken spielt, in schroffstem Gegensatz zu allem Recht, zu allen internationalen Verpflichtungen, deutsches Gebiet besetzen zu wollen, das zu den ruhigsten w ganz Europa zählt! Denn selbst die ständigen Heraus- wrderungen der Separatisten und der Emigranten- dolizistcn vom Schlage der Machts und Genossen werden der deutschen Saarbevölkerung im Hinblick auf den Abenden Abstimmungstermin mit um so schärferer Disziplin beantwortet. Gleichwohl sucht Frankreich, sucht die Regierung Doumergue-Laval unter Berlcugnung aller Tatsachen nach einem noch so faden scheinigen Vorwand, das Saargebict unter den von der Rhein- und der Ruhrbesetzung in aller Welt berüchtigten Terror der französischen Soldateska zu bringen, nachdem die Bemühungen des Präsidenten Knox um fremde Polizeitruppen von den darum angegangenen Staaten mit allen Zeichen der Verachtung für so üble Methoden ab gewiesen worden sind. Fünfzehn Jahre nach Friedensschluß also spielt sich Frankreich noch immer als unumschränkter Herr in Europa auf, der ganz nach eigenem Gutdünken über Krieg und Frieden entscheidet! Soll vielleicht die verbrecherische Komödie des Ruhreinmarsches wiederholt werden, bei der „zum Schutze der Jngenieur- kommission". wie es damals in der verlogenen franzö sischen Begründung hieß, ein kriegsstarkes Heer in Deutsch land einfiel? Will man vielleicht auch wieder die schwarze Schmach über deutsches Gebiet bringen, nachdem man erst vor wenigen Wochen mehrere schwarze Regimenter aus Afrika an die Ostgrenze Frankreichs ver leg: hat? Will man jetzt wie an Rhein und Ruhr wieder durch reitpeischen- und revolverschwingende französische Offiziere und Soldaten von der Sorte des Mörderleut- nants N o u z i e r für die erwünschte Zahl von „Zwischen fällen" sorgen, um eine. Begründung einer Fortdauer der Besetzung des Saargebietes auf unabsehbare Zeit über die Abstimmung hinaus zu haben? Will man die Liste der 132 Toten der Hin gemordeten des Ruhrgebietes und der unzähligen Ver stümmelten, Mißhandelten, Geschändeten im Saargebiet verlängern? Eine Nation, die sich derartige Verbrechen hat zu schulden kommen lassen wie die französische, hätte jedes „Recht" einer Einmifchung in die Angelegenheiten eines fremden Staates auch dann verwirkt, wenn dieses Frankreich nicht — wie in der Saarfrage — Partei wäre! Als der Völkerbund im Juli seine Beschlüsse über die Abstimmungszeit im Saargebiet faßte, war in Genf allgemeine Übereinstimmung über zwei Punkte: 1. im Bedarfsfall muß die Polizei aus dem Lande selbst er gänzt werden; 2. im Notfall, d. h. bei der Entsendung von Truppen ins Saargebiet, müssen Deutschland und Frankreich als Parteien von der Truppenentsendung ausgeschlossen bleiben. Heute wissen wir, daß sich der damalige französische Außenminister Barthou dieser all gemeinen Überzeugung lediglich aus taktischen Gründen anschloß, nur um Frankreich nicht vor aller Welt mit dem Odium einer neuen Sabotage zu belasten. Aber kaum drei Monate haben den Franzosen genügt, das Genfer Abkommen vom Juli einfach zu ver ¬ leugnen. Barthou braucht nicht mit Sorge an seinen Nach folger, Herrn Laval, zu denken. Er findet in dem Engländer Knox, der der Verant wortliche Treuhänder für das Saargebiet sein soll, ein geschmeidiges Werkzeug. Herr Knox bringt es fertig, der Weltöffentlichkeit ins Gesicht zu lügen, die 2000 Mann Saarpolizei seien für die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung unzureichend — wo sind die Un ruhen im Saargebiet, wo sind die Straßenkämpfe, über fülle. die die Herbeirusuna einer fremden Kriegsmacht notig machen könnten, und wo sind vor allen Dingen die saardeutschen Schuldigen??? Nicht einmal die Abstimmungsgerichte haben der gleichen festzustellcn vermocht! Die Pariser Negierung aber drängt nach wie vor in London — trotz gewundener Ablehnung — auf Beteili gung an einem Einmarsch durch Entsendung auch nur „einer Handvoll Truppen". Und dieses Frankreich will mitdiesen Methoden das urdentsche Saargebiet zur Abstimmung für den 8tatus quo oder noch bester für die Lostrennung von Deutschland bewegen! Die Folgen dieser verständnis losen Politik wird es am 13. Januar schwarz auf weiß lesen. Aufruf -es Gaarbevottmächiigten an die SA und SS des Saargrenzgebietes Der Saarbcvollmächtigte des Reichskanzlers, Bürk- tel, veröffentlicht folgenden Aufruf an die SA- und SS Männer des Sacrrgrenzgebietes: Frankreich droht mit der militärischen Besetzung des Saargebietes. Man sucht auch Euch in das gefährlich« Spiel einznbcziehen und malt das Schreckgespenf eines Einmarsches der SA- und SS- Männer des Saargrenzgebietes ins Saargebiet an dii Wand. Ich verwahre mich in Eurem Name« gegen diese ungehörigen Vorwürfe. Ich bezeuge vor aller Welt Eure Zucht und Eure Ver läßlichkeit und danke Euch für die disziplinierte Haltung die Ihr stets und auch dann gewahrt habt, als Ihr täg lich hören mußtet, wie der Führer unseres Reiches uni die verantwortlichen Männer in Reich und Bewegung den gemeinsten Verleumdungen und Beschimpfungen in Presti und Versammlungen durch die Emigranten und Nück- gliederungsgegner preisgegeben waren, ohne daß ein wirk sames Einschreiten der Regierungskommission des Saar gebietes erfolgt ist. Im Sinne unseres Führers, der um des euro - päi scheu Friedens willen bis an die Grenze des Möglichen geht, muß ich an Eure Haltung und Diszi plin nun noch höhere Anforderungen stellen, um so tun aller Welt das Uubcrcchtigte der frauzösischcn Absichten kundzutun. Ich ordne daher an: 1. Vom 10. Januar bis 10. Februar 1935 ist innerhalb einer Zone von vierzig Kilometer längs des Saargebietes das Tragen jeder Uniform verboten. 2. Appelle, Aufmärsche oder Zusammenkünfte jeg licher Art fallen unter das gleiche Verbot. Ich werde an die Schriftleiter der namhaftesten Zei tungen des Auslandes Einladungen ergehen lassen, sich vor, während und nach dieser Verbotszeit als Gast des Reiches im ehemaligen Grenzgebiet aufzuhalten, damit sie sich von der Abwegigkeit der gegen die SA und SS erho benen Vorwürfe aus eigener Schau der Dinge überzeugen können. Wir erklären feierlich, daß wir niemals Putschabsichten gehabt haben. Für Terroristen ist in unseren Reihen kein Raum. Wir haben zu der ungeheuerliche» Provolatio», die in der Be reitstellung ausländischer Truppen zum Einmarsch in deutsches Gebiet zum Ausdruck kommt, auch nicht den geringsten Anlaß gegeben. Wenn ich ein neues Opfer von Eurer Haltung fordere, so tue ich cs um des europäischen Fricdcus willen, den wir mit letzter Ehrlichkeit wollen." Beunruhigungen im Saargebiet Zu der französischen Saarbedrohung schreibt die „Saarbrücker Zeitung" u. a.: Frankreich legt an scheinend Wert darauf, wieder einmal der Störenfried Europas zu werden. Es sitzt neben dem Pulverfaß und hat die Lunte in der Hand. Wehe, wenn de: Funke überspringt. Dreimal wehe, aber denen, die die Anstifter einer derartigen Tat sind, die den Frieden nichi achten, Verträge brechen nnd über eine ruhige Bevölke rung grundlos Verbitterung, Unruhe und Elend bringen. Die Nachrichten aus Paris sind geeignet, größte Beun ruhigung auszulösen. Den französischen Verlautbarungen ist nur der Sinn einer unvcrholenen Forderung beizu- mcssen, einer Forderung uns gegenüber, ein Ansporn für die status-quo-Leute. Das ist aber ein unzulässiger Be- cinflussungsversuch der bevorstehenden Abstimmung. In ähnlichem Sinne äußern sich die anderen Blätter- Tas „Saarbrücker Abendblatt" weist darauf hin, daß dic französische Bedrohung nur eine Folge der von levara, iistischer Seite geflissentlich verbreiteten Gerüchte über be vorstehende Unruhen im Saargebiet ist. In Wahrheit herrschte fünfzehn Jahre hindurch bei dem aufs äußerst« provozierten Saarvolk eine bewundernswerte Disziplin. Wenn Herr Knox §O5. ielephonieri. Die französischen Motortruppcn an der Saargrenze. Der Reuter-Vertreter in Paris hat zur Saarfrage von „sehr maßgebender Seite" folgende Erklärung erhalten: Die französischen Motortruppen sind jenseits der Grenze des Saargebiets in Bereitschaft; sie können augen blicklich in das Gebiet einrücken, falls der Vorsitzende der Saarregierungskommission einen telephonischen 8O8.-R»f sendet, wenn die lokale Gendarmerie der Lage nicht mehr gewachsen sein sollte. „Schnelligkeit würde ein ent scheidender Faktor sein." Einige 1000 Mann, die auf Kraftwagen ins Saargebiet geworfen würden, könnten unter Umständen im Laufe einer einzigen Nacht Herr der Lage werden. Wie der Reuter-Vertreter dazu weiter meldet, sei hervorgehoben worden, Frankreich hoffe leb haft, daß ein solches Vorgehen nicht erforderlich sein würde. Frankreich glaube, daß schon eine rechtzeitig ge äußerte „Warnung in diesem Sinne" ihre Wirkung tun werde. Der Völkerbundsrat habe be stimmt, daß im Notfall die Negierungskommission „Truppen, die außerhalb des Gebiets stehen", zur Hilfe rufen könne. Dies könne sich natürlich auch auf bel gische oder sogar britische Truppen beziehen. Ihre Beteiligung würde allerdings infolge des Zeitfaktors nur geringfügig sein können. Eine „Warnung in diesem Sinne" an die Adresse der Deutschen im Saargebiet ist durchaus über flüssig, denn die „Deutsche Front" hält trotz aller französischer Provokationen und Emigrantenfrechheiten strengste Disziplin, die schon eine Verstärkung der Saar polizei überflüssig macht, geschweige denn einen 808.- Ruf des Herrn Knox, der ausländische Truppen in das Saargebiet ruft. Die „Deutsche Front" ist sich ihres Sieges gewiß, und sie weiß, daß die Gewaltmaßnahmen der Regierungskommission nur dazu beitragen können, ihr den Sieg zu erleichtern und zu vergrößern. Aber die französische Absicht ist klar. Man will „gerufen" werden, und das soll Herr Knox tun. Er soll entscheiden. Ent scheidet er aber als der Treuhänder, als der er im Saar gebiet eingesetzt ist, so darf erniemals „rufen". Für die Zusammensetzung der Truppen an der fran zösischen Saargrenze hat die französische Regierung keine stichhaltigen Gründe, nnd so sucht sie Vorwände in alten Akten und verfällt auf Beschlüsse des Völkerbunds rates von 1925/26, mit denen sie ihr unverant wortliches Vorgehen zu rechtfertigen sucht. Diese Be schlüsse geben angeblich Frankreich das Recht, Truppen in Bereitschaft zum Einrücken in das Saargebiet zu halten. Demgegenüber sei noch einmal die tatsächliche Lage festgestellt: Die Ratsbeschlüsse von 1925 und 1926 gingen ihrerseits von dem Grundgedanken aus, daß es völlig un erträglich sei, ein Abstimmungsgebiet längere Zeit hin durch von den Truppen einer am Ergebnis der Abstimmung interessierten Macht besetzen zu lassen. Deshalb regelten sie die Zurückziehung der damals noch — vertrags widrig — im Saargebiet stehenden französischen Truppen. Da das linke Nheinufer in jenem Jahr noch besetzt war — es wurde bekanntlich erst 1930 vollständig geräumt —« handelte es sich damals um die rein strategische Frage der Sicherung der durch das Saargebiet führenden Etappenlinie der Besatzungstruppen. Die Besetzung hat aufgehört und auch der sogenannte Bahnschutz im Saargebiet ist dadurch hinfällig geworden und mit ihr verschwunden. Damit ist das Kapitel der Ratsbeschlüsse von 1925/26 endgültig abgeschlossen. Man hatte schon damals im Völkerbundsrat eingesehen, daß eine weitere Aufrechterhaltung militärischer Maßnahmen mit den klaren Bestimmungen des Versailler Vertrages nicht in Einklang zu bringen war. Mit der allgemeinen Frage der Sicherung der Ruhe im Saargebiet hat sich der Völkerbundsrat erst im Juli 1934 befaßt. Er hat beschlossen, daß in erster Linie die Abstimmnngspolizei im Lande selbst zu rekru tieren sei. Wenn dies nicht befriedigend gelingen sollte, könnten neutrale Polizeiorgane angeworben werden. Es bestand aber Einverständnis darüber, daß auch die Neu tralen nur durch Einzel anwerbung, nicht durch Über führung geschlossener Abteilungen herangezogen werden sollten/ Dementsprechend war man anch völlig einer Meinung darüber, daß niemals deutsche oder französische Truppen für eine solche Aufgabe in Frage kommen dürften.