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mter Bretschneider als Stellvertreter und ans der Bürgerschaft Herr Maurermeister Hoyer jun. als wirkliches Mitglied und Herr Amts- zimmermeister Partzsch als dessen Stellvertreter; 2 ., Sprach man die Justification zu der Sparcassenrechnung auf'S Jahr 1877 aus; 3 ., Wurde der Haushaltplan für die hiesige Stadtcassenverwaltung auf das Jahr 1879 genehmigt; 4 ., Ist man mit Ertheilung der Erlaubniß zur Betreibung der vollen Schankwirthschaft, des Destillationsgewerbes und der Aus spannung an Herrn Gutsbesitzer Eduard Weiser für feine Person und den Besitz des Hauses Nr. 43 des hiesigen Brandkatasters ein verstanden, will jedoch betreffs der Ausspannung zur Bedingung ge macht wissen, daß vor dem gedachten Grundstücke weder in der Meißncr- noch auf der Zellaerstraße Geschirre halten dürfen. 5 ., Will man Herrn Seilermeister Adolph Major hier das der Commun gehörige, zwischen dem Gründchenwege und Herrn GrätzschelS Grundstück links am Bache gelegene Stück Grund und Boden zu einer Seilerbahn auf sechs Jahre pachtweise überlassen; 6 ., Hat man gegen das Gesuch des Herrn Schießhauswirth Ger mann hier um Ertheilung der Erlaubniß zum Baue einer Brauerei nichts einzuwenden; 7 ., Erhöhte man auf Ansuchen das Bcklcidungsgeld des Herrn Stadtmachtmeister Voigt um 14 Mk., also von 36 auf 50 Mk. Wilsdruff, am 11. Januar 1879. Der Stadtqemeinderath. Ficker', Brgmstr. Ein Schatten. Novelle von Ludwig Habicht. Verfasser der Romane „Am Genfer See", „Auf der Grenze." (Nachdruck verboten ) Fortsetzung. Auch heute saß der alte Herr wieder in seiner Lieblingseckt, eine Flasche Wein vor fick, nm mit dem gefälligen Wirth die nächste Zu kunst zu besprechen, Lie dem Sohne Acsculaps mit jedem Glase immer dunkler wurde. Seitdem sich der politiscke Himmel so ver finstert, übte der Wein eine ganz entgegengesetzte Wirkung aus. Früher hatte ibn der edle Trank von allen Sorgen befreit und in die glückliche Vergangenheit znrückversetzt, wo ihm das leibliche Wohl der Neustädter ganz allein anvcrlraut war; jetzt erfüllten düstere Bilder seine Seele, die immer düsterer wurden, je mehr er der Flasche auf den Grund sah. Der Kreis - Phystkus war ein glühender Ver ehrer alles Bestehenden; jeden Fortschritt, mochte er aus einem Gebiete sein, welches es wolle, war seiner beschaulichen Denk- und Lebens weise ein Gräuel und im „Weißen Bären" lagerte er feine Ver wünschungen gegen Lie nichtswürdigen Fortschrittler ab, die an der ganzen Verwickelung allein Schuld seien, denn ohne ihr ewiges Opponiren würde die Regierung die schönste Ruhe und gar nickt nöthig haben, an einen Krieg zu denken. Kreuzschnndt pflichtete all' seinen Anfichten mit Ler Geschmeidig keit eines Gastwirthes bei und dies weckte in dem Wackern Kreis. Phystkus die Neigung, seinem Herzen noch rücksichtsloser Lust zu machen; er war eben wieder im besten Zuge, auf Lie Fortschritts partei ein reichliches Maaß von Verwünschungen zu häufen, als sich ein Posthorn hören ließ und der Wirth, wie elcctrisirt davon berührt, in einer Hast aus dem Zimmer stürzte, als ob er einen ankommenden Fürsten zu begrüßen habe. Vor dem „Weißen Bären" hielt eine Extrapost und ein wohl beleibter großer Mann stieg soeben auS dem Wagen und wurde Von dem Wirth mit so tiefen Bücklingen empfangen, wie sie Herr Kreuz- schmidt seit vielen Jahren vor dem vornehmsten Gaste nicht gemacht hatte. Der Fremde war freilich auch eine stattliche Persönlichkeit und mußte den besseren Ständen «»gehören oder wenigstens reich sein, denn eine schwere goldene Kelle hing über seiner scidcnev Weste und an seiner Hand funkelte ein kostbarer Brillanlring, wie der KreiS- Phystkus deutlich bemerken konnte, als der Ankömmling jetzt mit seiner Rechten rin Trinkgeld hinhiclt. Die Kleidung des Herr», der sich mit einer gewissen Schwerfälligkeit bewegte, war ebenfalls sein und sogar nach der neuesten Mode. Sicher war es ein Bewohner Ler Residenz, der sich merkwürdiger Weise in die kleine Landstadt verirrt. Nachdem der Fremde in der Thür dcS „Weißen Bären" ver schwunden war, zog sich der Kreis-Phystkus in seinen Winkel zurück und wartete mit Ungeduld aus die Rückkehr des Wirlhes, der ihm all' die Fragen beantworten sollte, die bereits sein Hirn marterten. Wer war der Ankömmling? Was führte ibn hierher? Wie lange würde er bleiben? War es ein anständiger Mensch, mit dem man vielleicht zusammensttzen und eine Flasche ausstechcn konnte? O der alte Herr brannte vor Ungeduld, um von Krcnzschmidt das Ausführlichste zu erfahren und noch immer ließ sich der uichlS- würdige Mensch nicht sehen, obwohl die zweite Flasche schon leer und die Kehle des Kreis - Phystkus ebenso dem Verschmachten nahe War, wie sein vor Neugier brcnncnbcs Gemülh. Es war höchst un dankbar von dem Wirth, über den neuen Ankömmling den alten Stammgast so furchtbar zu vernachlässigen. Mochte immerhin der alte Herr vor Langeweile und unbefrie digter Neugier vergehen, kein Mensch, am wenigsten Herr Kreuz- schmidt, kümmerte sich um ihn. Die überraschende Ankunft eines Fremden hatte das ganze Per sonal der „Bären" aus die Beine gebracht', das freilich feil der schlechten Zeil nur die bescheidene Zahl von zwei dienstbaren Geistern erreichte, denn Kreuzschmidt hatte sofort die müssigen Esser bis auf den Hausknecht und die Wirlhschaslerin entlassen. Obwohl die Letztere ihm ganz uncmbehriich war, sagte die böse Welt ihm dennoch nach, daß er sich unter allen Umständen nicht von ihr trennen würde. Sie war vor einigen Jahren als Küchenmagd in seine Dienste gezogen, hatte sich bald zu diesem wichtigen Posten aufgeschwungen und herrschte im „Weißen Bären" unumschränkt; selbst Herr Kreuzschmidt ging ruhig bei Seite, wenn das starke, ro buste Frauenzimmer ihre Stimme erhob und loSzuwcllern begann. Leue Fiebig war von mehr als Mittelgröße, sie sah aber durch ihre vollen, üppigen Formen kleiner aus. Trotz aller Wohlbelcibt- heit waren alle ihre Bewegungen außerordentlich rasch und selbst der Reid mußte es ihr lassen, daß sie ihrer Stelle vorzüglich gewachsen war und Kreuzschmidt an ihr eine Wirlhschafterin gesunden, wie er sie tüchtiger und besser sich nicht wünschen konnte. Kreuzschmidt gehörte zu den geriebensten und gewandtsten Gast» winhen der Stadt und Umgegend, er war gegen alle Welt von einer wahrhaft kriechende» Freundlichkeit, dabei'immer guter Laune und zu einem Scherz aufgelegt und er konnte ein so harmloses und gut- müthiges Gesicht machen, daß man zu dem stattlichen und hübschen Mann leicht Zutrauen gewann. Er mochte wohl fünfzig Jahre zählen, sah aber mit seinen blühenden bartlosen Antlitz weit jünger aus. Nur der scheue, unsichere Blick seiner blaugraücn Augen stimmte nicht mit dieser empfehlenden Außenseite überein. Er vermochte selten Jemand gerade zu in's Gesicht zu sehen und suchte vor Bekannten Liefe Schwäche als eine unüberwindliche Blö digkeit zu entschuldigen. Das klang freilich etwas komisch, denn sonst durste Herr Kreuzschmidt auf diese Eigenschaft keinen großen Anspruch machen; wer mit ihm in nähere Berührung kam, Ler konnte vielmehr sehen, daß Ler Bärenwirth es verstand, zu gelegener Zeit recht un verschämt auszutrctcn. Endlich, nachdem die Geduld des alten Kreis-PbysikiiS auf die zarteste Probe gestellt worden, erschien Kreuzschmidt wieder bei seinem treulos verlassenen Gaste und wurde sogleich von demselben mit zahl losen Fragen bestürmt. Wer der Fremde sei, was er hier wolle und wie er überhaupt in dieser angstvollen Zeit auf Reisen'gehen könne? Der Bärenwirth gab kaum die nolhdürfiigste Auskunst. Wußte er selbst nicht viel von dem Ankömmling oder mochte er es nist sagen, genug, die ausgestackelte Neugier des Kreis-Phystkus wurde höchst dürftig befriedigt. Der alte Herr erfuhr nur soviel, daß der Fremde eiu Juwelier aus Ler Residenzstadt sei, der eine Ge schäftsreise unternommen. „Ah, darum hatte er auch den kostbaren Vrillantring am Finger und ich dachte Wunder, was cs für ein vornehmer Herr wäre," ent gegnete der Kreis-Phystkus. „Ein Juwelier! Hätt' mir gleich deicken können, daß der Fremde ein ganz einfacher Mann war und doch machten Sie solches Aufhebens von ihm." „Denken Sie nur die Rarität," scherzte Ler Bärenwirth, „man dankt ja feinem Schöpfer, wenn man jetzt einen arme» Handwcrks- burschcn zu fchcn bekommt, geschweige einen Juwelier." „Wird er nicht noch herunter kommen?" fragte der Krcis-Physi- kus gespannt, „was soll den» der Mensch de» ganzen Abend über anfangcn!" „Er klagte über große Müdigkeit und wollte sich bald zu Bett legen." „Unsinn!" rief der alte Herr sehr ärgerlich, der cs außerordent lich gern gesehen, wenn der Fremde ibn: Gesellschaft geleistet und über den laugweüigcn Abend hinweggeholsen hätte. „Der Mann sah ohnehin so aufgedunsen aus, er neigt unzweifelhaft zu Schlag flüssen und sollte richt so zeitig zu Bett gchcn, sondern sich wie andere vernünftige Menschen hübsch munter halten. — Sagen Sie dem Herrn, daß ich ihm dies rathcn ließe, ich, der Kreis-Phystkus, er möge lieber zu uns hcruitlcrkommen und noch ei» Gläschen mit uns trinken." „Er hat ausdrücklich gewünscht, nicht wieder gestört zu werden," entgegnete der Wirth. „Dann wird ihn nächstens der Lcklag rühren, verlassen Sic sich darauf, lieber Kreuzschmidt," versicherte mit Lokiorhastcr Bestimmtheit der Kreis-Phystkus; das viele und lange Schlafe» führt immer zu den gefährlichsten Leiden, aber man Hörl nicht ans die Abmahnungen eines Mannes, der durch langjährige Beobachtungen zur wahren Er- kenntniß vorgcdruiigen." Der Bärenwirth hatte mit großer Anfnierksamkeit dem Vortrage des allen Herrn zugchört, rin Gcdanke schien plötzlich sein Gehirn zu durchblitze», Leim ei» seltsames Lächeln spielte um seine dicken, wulstigen Lippen und in de» kalte» A»gcn bega»»» es miheimlick zu sunkel», doch nur eine Sekunde, dann nahm sei» blühendes Gesicht wieder den allen sremidlichcii Ausbruck an und er sagte mit kurzem Auf- lachcn: „Na lassen wir ihn schlafen. Meine Gäste können Las bei mir halten, wie sie wollen, obwohl mir Diejenigen auch die liebste» sind, Lie wie Sie, Herr Kreis-Phystkus, etwas länger munter bleiben." „Das Will ich mcincu, lieber Kreuzsäinidl, schmunzelte der alte Herr, „denn was sollte sonst aus Ihrem Weinkeller werden? Aber trinken wir noch ein Glas!" Er schenkte ei» und der Bärenwirth ließ sich nicht uölhigen, sondern leistete ihm bercitwilligst im Trinken Gesellschaft. Heut sand sich auch nicht ein einziger Stammgast ein, dem Kreis- Physikus wurde es endlich langweilig, da Kreuzschmidt sich zu seinem Verdruß bald sehr schläfrig zeigte und aus feine politischen Aus einandersetzungen kaum noch eine Antwort gab, deshalb eiitsernte sich der alle Herr zeitiger als gewöhnlich, die Neustädter Philister, de» drohenden Krieg und die Fortschrittspartei in einem Athcmzuge ver wünschend. Am andern Morgen wurde, zur großen Uebcrraschung dcS Dok tors, sehr frühzeitig an der Klingel gezogen. Seil länger Zeit war er nicht mehr aus süßem Scklmnmcr aufgeweckt worden, deshalb lönte die Glocke wahrhaft melodisch in seinem Ohr. Mit einem Satz war er aus de« Belt, hing den Schlafrock um sich und steckte de» mit einem bunlscidencn Tuch umwickelten Kopf zum Fenster hinaus. Zu seiner noch größere» Verwunderung sah er den Bärcnwirlh unten sichen und er glaubte schon, daß sich der nichtswürdige Mensch einen schlechten Scherz erlaubt habe, als ihm dieser aufgeregt zu- schrie: „Herr Kreis - Phystkus, kommen Sie rasch, den gestrigen Fremden hat der Schlag gerührt." „Hab' ick'S nicht gesagt? ries der alte Herr triumphirend und schlug vor Freuden über seine so rasch eingctroffene Prophczcihung die Hände zusammen. „Warten Sic, lieber Kreuzschmidt, ich komme gleich," und mit einer Hast, wie er sie seid Jahrcn nicht bewiesen halte, kleidete er sich an Und folgte dem Bärenwirth, unterwegs be ständig sciiicn Scharfblick preisend, der diese Katastrophe voraus verkündet. „Sic sind mein Z>uge, lieber Kreuzschmidt," wiederholte cr be ständig, „Laß ich cs auf der Stelle gesagt habc, diesen Herrn rühre nächstens der Schlag und nun ist cs auch schon wahr geworden. Ja, eine richtige Diagnose, daraus kommt Alles an, Las bekommen frei lich junge Anfänger nicht fertig, aber man wird wohl endlich ein sehen, daß der alte KrciS-Phystkus, den sie jetzt so vernachlässigen, der Einzige ist, aus dessen ärztliche Erfahrung man sich verlassen kann." Schade, daß in dieser frühen Morgenstunde seine Worte an den Ohren der Neustädter spurlos verhallten. Außer einem Bäckcrjungen ließ sich Niemand auf den Straßen sehen; die kleine Stadt war noch im tiefsten Schlaf versunken. Der Kreis-Phystkus achtete nicht darauf; in seiner Brust jubelte nur die Freude, daß sein ärztlicher Rus plötzltch wieder hergestclll sei und alle West ihn jetzt bewundern mußte. Vom Sprechen und Laufen war der alte Herr ganz erschöpft, als er im „Weißen Bären" anlangte. Er wollte sogleich in seinem Eife^